Vorwort

Ornament

(1) [5] Als ich einmal auf Lesbos jagte, begegnete mir im Haine, der den Nymphen geweiht ist, etwas so Schönes, daß ich mich eines Schöneren nicht entsinnen konnte. Es war ein Bild, und zwar die Darstellung einer Liebesgeschichte. Schon der Hain an sich war prächtig: ein dichter Baumbestand, viele Blumen und viel Wasser, mit dem ein einziger Quell Blumen und Bäume speiste. Doch noch mehr entzückte das Gemälde, das die Schicksale von Liebenden zeigte und von außerordentlicher Kunst war. Es lockte denn auch viele Fremde herbei, die sich nach einem Gebet zu den Nymphen an ihm erfreuten. (2) Es waren Frauen zu sehen, die gebaren, und andere, die ihre Kleinen in Windeln betteten; ausgesetzte Kinder, Tiere, die sie nähren, Hirten, die sie wegtragen, Jugend, die sich verbindet, ein räuberischer [6] Überfall und ein Handstreich Bewaffneter. Noch manches andere entdeckte ich, und immer ging es um Liebe, und als ich alles angeschaut und mich darin vertieft hatte, ergriff mich ein Verlangen, die bildliche Darstellung durch meine eigene zu ergänzen. (3) Ich suchte mir also einen Deuter des Gemäldes und arbeitete alsdann vier Bücher aus, als Weihgaben für Eros, für die Nymphen und für Pan und als einen Freudenschatz für alle Menschen. Ja, dies wird den Kranken heilen, den Bekümmerten trösten, dem, der geliebt hat, eine Erinnerung und dem, der die Liebe nicht kennt, eine Unterweisung sein. (4) Denn des Eros Macht ist noch keiner entgangen, noch wird ihr je einer ausweichen können, solange es Schönheit gibt, und solange Augen sehen können. Uns aber möge der Gott bei Vernunft erhalten, während wir über die Liebe anderer schreiben.