3. Buch
Übersetzung
1 [76] Das Ende des Pertinax und der Sturz Julians, sowie die Ankunft des Severus in Rom und sein Auszug gegen Niger sind in dem diesem Buche vorhergehenden Abschnitte erzählt worden. Als nun Niger die ihm völlig unerwartete Nachricht erhielt, daß Severus Rom eingenommen, vom Senate zum Kaiser erwählt sei und mit seinem ganzen Illyrischen Heere von Land- und Seestreitkräften gegen ihn anrücke, gerieth er in die größte Bestürzung, und schickte Boten an die Anführer in allen Provinzen mit dem Befehle, alle Eingangspässe und Häfen zu bewachen. Er sandte auch zu den Königen der Parther, Armenier und Atrener, und forderte Hülfstruppen. Der Armenier gab zur Antwort: er werde sich neutral verhalten und sich begnügen, sein eignes Gebiet zu bewachen, wenn Severus heranrücke. Der Parther dagegen erwiederte: er werde seine Satrapen anweisen, eine Streitmacht zusammenzuziehen. Das ist nämlich dort der Brauch, in Fällen, wo man dessen bedarf, ein Heer zusammenzubringen, weil der König keine Feldtruppen und kein stehendes Heer hält1. Nur von den Atrenern kamen wirklich Hülfsvölker und zwar Bogenschützen, die Barsemius, der König jener Lande, schickte. Die übrige Heeresınacht zog Niger sämmtlich aus den Heerlagern der [77] orientalischen Provinzen. In großer Anzahl stellte sich auch aus der Bevölkerung von Antiochia die Jugend aus Leichtsinn wie aus Anhänglichkeit an Niger freiwillig zum Kriegsdienst, wobei sie mehr guten Willen als Kriegserfahrung bewiesen. Ferner ließ Niger die Engpässe und klippigen Abhänge des Taurusgebirgs mit starken Mauern und Schanzen sperren, weil er das unwegsame Gebirg für eine starke Schutzmauer der in den Orient führenden Straßen ansah. Der Taurus, zwischen Kappadozien und Kilikien gelegen, scheidet nämlich die nördlichen und die östlichen Provinzen. Zugleich sandte er eine Heerabtheilung vorauf, um Byzanz zu besetzen, damals die größte und blühendste Stadt in Thrakien, reich an Zahl der Einwohner, wie an Geldmitteln. Denn in ihrer Lage an der schmalsten Stelle der Meerenge der Propontis hatte sie großartige Einkünfte von der See durch Schiffahrtzölle und Fischerei, und im Besitz eines großen und reichen Landgebietes zog sie aus beiden Elementen große Vortheile. Eben dieser großen Hülfsquellen wegen wollte Niger sie gern vorweg besetzen, ganz besonders weil er die Hoffnung hegte, dadurch im Stande zu sein, den Uebergang von Europa nach Asien durch die Meerenge zu verhindern. Die Stadt war von einer sehr starken und großen Mauer umgeben, die aus Quaderstücken von Mühlstein erbaut und so fest gefugt und verkittet waren, daß Niemand dieselbe für zusammengesetzt hielt, sondern das Ganze aus einem Steine gemacht schien. Selbst wer jetzt noch die Trümmerreste davon sieht, muß die Kunst der ersten Erbauer ebenso wie die Kraft der späteren Zerstörer bewundern. So hatte denn Niger seine Anstalten, wie er meinte, auf das Vorsorglichste und Klügste getroffen.
2 Severus seinerseits beschleunigte seinen Anmarsch mit allen Kräften, obne seinem Heere Ruh und Rast zu gönnen. Auf die Nachricht, daß Byzanz bereits besetzt sei, das er als sehr stark befestigt kannte, befahl er den Uebergang seines Heeres bei Kyzikos. Aemilianus, der Statthalter von Asien, dem Niger die Oberleitung und den Heerbefehl anvertraut hatte, wandte sich, als er erfuhr, daß [78] Severus’ Heer auf Kyzikos marschire, mit seiner ganzen theils von ihm gesammelten, theils durch Nigers Zusendungen verstärkten Streitmacht gleichfalls dorthin. Bei dem Zusammenstoße beider erfolgen viele heftige Treffen, in denen das Heer des Severus Sieger bleibt, und unter den fliehenden Truppen des Niger ein großes Blutbad anrichtet, so daß gleich anfangs die Hoffnungen der Partei des Orients einen schweren Schlag erlitten, während die der Occidentalen gekräftigt wurden. Einige Schriftsteller behaupten, es sei Verrath dabei im Spiele gewesen, daß Nigers Sache unter Aemilianus gleich von vorn herein zu Grunde gerichtet wurde, und zwar gibt es zweierlei Darstellungen der Ursache, aus welcher Aemilianus so gehandelt habe. Die Einen sagen, der Grund seines verrätherischen Handelns sei Neid gegen Niger und er darüber unwillig gewesen, daß jener, der noch eben erst sein Nachfolger in der Statthalterschaft Syriens geworden war, nun sein Vorgesetzter als Kaiser und Herr werden sollte. Andre dagegen sagen: seine Kinder hätten ihn dazu bewogen durch Briefe, in denen sie ihn baten, sie zu retten; Severus hatte sie nämlich in Rom vorgefunden und in Haft genommen. Das war auch eine der von ihm angewendeten schlauen Maßregeln. Schon Commodus hatte die Gewohnheit, die Kinder der Statthalter, welche er in die Provinzen schickte, zurückzubehalten, um Geißeln für ihre Anhänglichkeit und Treue zu haben. Das wußte Severus, und darum schickte er, sobald er zum Kaiser ausgerufen worden war, noch bei Lebzeiten Julians, um seine Kinder in Obhut zu nehmen, heimlich nach Rom und ließ sie insgeheim aus Rom fortbringen, damit sie nicht in fremder Gewalt sich befindet. Er selbst aber bemächtigte sich, sobald er nur den Fuß in Rom setzte, aller Angehörigen der im Orient und in ganz Asien kommandirenden oder sonst eine Stelle bekleidenden Personen, und hielt sie bei sich in Haft, damit die Statthalter entweder aus Verlangen, ihre Kinder zu retten, an Niger zu Verräthern würden, oder wenn sie demselben treu blieben, jedenfalls dafür durch den Tod ihrer Kinder noch eher bestraft würden, als sie selber ihm etwas Uebles thun könnten. Nach der Niederlage bei Kyzikos flohen die Anhänger Nigers, so eilig jeder nur konnte, theils nach den Gebirgsgegenden Armeniens, [79] theils nach Galatien und Asien2 zu, um noch vor den Siegern über den Taurus und in den Schutz der Verschanzungen zu kommen. Severus’ Heer aber zog durch das Kyzikenische Gebiet und eilte dem angränzenden Bithynien zu. Als die Kunde von Severus’ Siege sich verbreitete, erhub sich sofort in allen dortigen Provinzen Hader und Parteiung in den Städten, nicht sowohl aus Haß oder Neigung gegen einen der beiden kriegführenden Kaiser, als aus Nebenbuhlerschaft und Hader gegen einander, und aus der neidischen Lust der Stammgenossen sich gegenseitig in’s Verderben zu stürzen. Es ist ein altes Leiden der Hellenen, die ewig unter einander in Hader und immer geneigt, die Staaten, welche obenan zu stehen schienen, zu stürzen, Hellas in’s Elend gebracht haben. So ist dasselbe, als seine Kraft bereits gealtert und durch die innern Zwistigkeiten gemürbt war, eine leichte Beute der Makedonier geworden und in die Knechtschaft der Römer gerathen. Das Leiden aber der Eifersucht und des Neides ging auch auf die in unsern Tagen noch blühenden Städte über. In Bithynien nun traten gleich nach den Vorgängen bei Kyzikos die Nikomedier auf die Seite des Severus, schickten Gesandte an ihn, und versprachen, sein Heer aufzunehmen und ihm Alles zu liefern; die Nikäer3 dagegen ergriffen aus Haß gegen die Nikomedier die entgegengesetzte Partei, nahmen Nigers Truppen auf, sowohl was von den Flüchtenden zu ihnen seine Zuflucht nahm, als die Abtheilungen, welche Niger entsendete, um Bithynien zu sichern. Von beiden Seiten also zog man aus den Städten wie aus Lagern gegen einander und schlug sich mit einander herum; und als es zu einer hitzigen Schlacht kam, siegten die Truppen des Severus, die des Niger aber flohen auch von dort weiter zurück, und Alles, was übrig geblieben war, suchte die Engpässe des Taurus zu gewinnen, worauf sie die Verschanzungen schlossen und sich hinter denselben festsetzten. [80] Niger aber ließ eine, wie er meinte, hinreichende Besatzung bei den Schanzen, und eilte dann nach Antiochia, um Truppen und Geld zusammenzubringen.
3 Das Heer des Severus hatte unterdessen Bithynien durchzogen, war in Kappadozien eingefallen und legte sich jetzt vor den Verschanzungen des Passes fest, die es zu belagern begann. Die Schwierigkeiten dabei waren nicht gering; der unwegsame Paß ging durch enge und schroffe Felsklüfte, von deren Höhe die Vertheidiger Steine auf die Angreifer hinabschleuderten, während die Besatzung hinter den Brustwehren der Mauer tapfern Widerstand leistete. Mit leichter Mühe waren hier Wenige im Stande, Viele abzuwehren. Denn den an und für sich sehr engen Pfad deckt auf der einen Seite ein sehr hoher Gebirgszug, während auf der andern eine tiefe Schlucht den Ableiter für die aus den Gebirgen zusammenströmenden Gewässer bildet. Und zu dem Allen war die ganze Oertlichkeit noch von Niger vollständig durch Schanzen gesperrt, um auf allen Punkten den Durchzug des Heeres zu hindern. So war die Lage der Dinge in Kappadozien. Aus gleicher Nebenbuhlerschaft und gegenseitigem Hasse war unterdessen in Syrien zwischen den Laodikeern und den von ihnen gehaßten Antiochiern, und in Phönikien zwischen den Tyriern und den von ihnen gehaßten Borytiern der Zwiespalt offener Feindseligkeit ausgebrochen. Auf die Kunde, daß Niger die Flucht ergriffen habe, machte sich die eine Partei daran, die Ehrenstatuen und sonstigen Würdezeichen Nigers umzustürzen und abzuschaffen, während sie den Severus hochleben ließ. Als Niger bei seiner Ankunft in Antiochia dies erfuhr, gerieth er, der sonst von Charakter ein gutmüthiger Mann war, von Rechtswegen über solchen Abfall und Frevel heftig in Zorn, und schickte gegen beide Städte seine Maurischen Schleuderer4 und einen Theil seiner Bogenschützen, mit dem Befehle, alles, was ihnen vor die [81] Hand komme, niederzumachen, die Städte auszuplündern und demnächst niederzubrennen. Die Mauren, ein blutdürstiges Volk, und aus Verachtung von Tod und Gefahren zu den verzweifeltsten Wagstücken bereit, fielen über die nichts vermuthenden Laodikeer her, und richteten Stadt und Bevölkerung fürchterlich zu. Dann zogen sie gegen Tyrus, steckten es an allen Ecken in Brand, und raubten und mordeten nach Herzenslust. Während dies in Syrien geschah und Niger mit der Zusammenziehung eines Heeres beschäftigt war, lag das Heer des Severus noch immer vor dem verschanzten Passe, den es belagert hielt. Es herrschte unter seinen Kriegern bereits großer Mißmuth und Niedergeschlagenheit; denn der Paß war fest und schwer zu bekämpfen bei den Hindernissen, welche Gebirg und Schlucht entgegenstellten. Schon hatten Severus’ Leute alle Hoffnung aufgegeben, und ihre Gegner glaubten bereits für die Behauptung ihrer Stellung ohne Sorge sein zu können, als plötzlich in einer Nacht unter gewaltigsten Regengüssen und ungeheurem Schneefall (denn ganz Kappadozien ist sehr rauh, ganz besonders aber der Taurus) ein wildes und reißendes Gebirgswasser daherstürzte und, in seinem gewohnten Laufe behindert, durch die sein Flußbett sperrende Verschanzung immer höher und wilder ansteigend mit siegender Naturgewalt die Mauer, das Werk der Kunst, die dem Strome zu widerstehen unfähig war, in kurzer Zeit durch das Wasser aus ihren Fugen riß. Die Fundamente wichen dem Wasserschwall, Alles wurde bloßgelegt, und so schloß der Sturz der Wildwasser den Paß auf und gab den Weg frei. Als dies die Besatzung der Festungswerke sah, gerieth sie in Furcht, von den Feinden, die jetzt, sobald der Wasserstrom abgeflossen war, ohne Hinderniß eindringen konnten, umgangen und abgeschnitten zu werden; sie ließen daher ihren Posten im Stiche und flohen davon. Das Heer des Severus dagegen freute sich über das Ereigniß, und fühlte sich innerlich gekräftigt durch den Gedanken, von der göttlichen Vorsehung geführt zu werden; und als es merkte, daß die Besatzung der Veste davongelaufen war, passirte es leicht und ohne Hinderniß den Taurus und drang gegen Kilikien vor.
4 [82] Als Niger das Vorgefallene erfahren hatte, setzte er sich mit seinem an Zahl starken, aber freilich in Kampf und Strapatzen unversuchten Heere, welches er zusammengebracht hatte, sofort eilig in Marsch. Es hatte sich nämlich eine große Masse Menschen und beinahe die ganze junge Mannschaft von Antiochia freiwillig zum Kampf für ihn unter seine Fahnen gestellt. Guten Willen also besaß sein Heer, an Erfahrung und Kriegstüchtigkeit dagegen stand es den Illyriern bei weitem nach. Das Zusammentreffen beider Heere erfolgte auf dem überaus breiten und weitgestreckten Blachfelde an dem sogenannten Meerbusen von Issos; um dasselbe zieht sich im Halbkreise ein Bergzug wie ein Theater5 herum, während sich der Meeresstrand sehr weit hinausstreckt, gleichsam als hätte hier die Natur selbst den Kampfplatz6 zu einer Schlacht gebildet. Dort soll auch Darius gegen Alexander die letzte und größte Schlacht geschlagen haben, in welcher er besiegt und gefangen wurde, indem die Krieger des Westens auch damals die des Ostens besiegten7. Noch jetzt ist ein Siegeszeichen und eine Hinweisung jenes Sieges vorhanden, nämlich eine Stadt auf jenem Bergzuge, welche Alexandria heißt und eine geweihte Erzstatue dessen, von dem der Ort den Namen trägt. So geschah es denn, daß das Zusammentreffen der Heere des Severus und des Niger nicht nur an demselben Orte stattfand, sondern daß auch der Ausgang ein gleicher war wie damals. Nachdem sie nämlich Abends einander gegenüber das Lager aufgeschlagen und die ganze Nacht auf beiden Seiten in Sorgen und Furcht durchgewacht hatten, drangen sie mit der aufgehenden Sonne, angefeuert von ihren [83] Feldherrn, gegen einander vor. Mit aller Kampflust stürzten sie auf einander, als gälte es die letzte und entscheidende Schlacht, und als werde hier das Glück bestimmen, wer Kaiser sein solle. Nachdem sie hartnäckig mit einander gestritten und das Blutvergießen so groß geworden war, daß die durch das Blachfeld fließenden Bäche mehr Blut als Wasser in’s Meer führten, werden endlich die Kämpfer des Ostens zum Weichen gebracht. Die nachdringenden Illyrier werfen den einen Theil der Fliehenden unter fortwährendem Gemetzel in das Meer, während sie den andern auf die Hügel verfolgen, und dort nebst einer zahlreichen Masse von Menschen niederhauen, die sich aus den umliegenden Städten und Dörfern daselbst eingefunden hatten, um dem Verlaufe der Schlacht wie von einem sichern Punkte aus zuzuschauen. Niger entkommt bei der Flucht, Dank seinem trefflichen Rosse, und gelangt mit wenigen Begleitern nach Antiochia. Als er aber hier sah, wie die daselbst noch zurückgebliebene Bevölkerung bereits im Fliehen begriffen war, und das Jammern und Wehklagen in der Stadt um die verlornen Söhne und Brüder vernahm, gerieth er in Verzweiflung, und entfloh ganz allein aus Antiochia. Versteckt in irgend einer nahegelegenen Villa wird er von den nachsetzenden Reitern gefunden, gefangen genommen und ihm der Kopf abgeschnitten. Solch ein Ende nahm Niger zur Strafe für sein Zögern und Zaudern, im Uebrigen, wie man ihm nachsagt, kein schlechter Mann, weder als Regent noch als Privatmann. Nachdem Severus den Niger besiegt hatte, strafte er nicht nur die Freunde desselben, die sich aus freier Wahl, sondern auch die, welche nothgedrungen seine Partei ergriffen hatten, auf schonungslose Weise. Die entkommenen Soldaten dagegen, die, wie er erfuhr, über den Tigrisfluß gegangen und aus Furcht vor dem Severus sich zu den Barbaren begeben hatten, vermochte er alle zur Umkehr und zum Anschlusse an ihn, indem er ihnen Amnestie gewährte. Es war nämlich eine ziemliche Masse derselben in’s Ausland gegangen, und dieser Umstand ward die Ursache, weshalb später die Barbaren jenseits des Tigris sich den Römern gegenüber in offener Feldschlacht viel streitbarer erwiesen. Früher nämlich hatten sie bloß von ihren Rossen herab den Bogen zu führen verstanden, ohne den Schutz vollständiger Rüstung und ohne den Muth, sich in ihrer leichten flatternden Bekleidung [84] auf den Kampf mit Speer und Schwert einzulassen; ihr ganzes Kämpfen bestand vielmehr darin, daß sie fliehend nach rückwärts gewandt auf den Feind ihre Pfeile abschossen. Nun aber lernten sie von den vielen flüchtigen römischen Soldaten, die dauernd bei ihnen blieben, und unter denen zugleich viele geschickte Handwerker zu ihnen kamen, nicht bloß Römerwaffen brauchen, sondern auch verfertigen.
5 Sobald Severus die Angelegenheiten des Orients nach seiner Meinung auf das Beste und für ihn Ersprießlichste geordnet hatte, verlangte es ihn, gegen den König der Atrener zu ziehen und in das Gebiet der Parther einzufallen; denn beiden hatte er ihre Freundschaft für Niger vorzuwerfen. Doch verschob er dies auf spätere Zeit, und entschloß sich, zuerst das ganze Römerreich in seine und seiner Söhne Gewalt zu bringen und dauernd zu sichern. Denn nachdem er den Niger zu Boden geworfen hatte, dünkte ihm Albinus eine überflüssige Last. Dazu vernahm er, daß derselbe mit seinem Titel als Cäsar übermäßig prunke, sowie daß viele und namentlich die hervorragendsten Mitglieder des Senats ihn in Briefen privatim und heimlich einluden, während Severus entfernt und vollauf beschäftigt sei, nach Rom zu kommen. Denn der hohe Adel hätte lieber ihn als Regenten gehabt, weil er von altadliger Abkunft, und wie es allgemein hieß, ein Mann von guter Gemüthsart war. Als Severus dies erfuhr, vermied er es zwar, sofort ihn als Feind zu behandeln und einen Mann mit Krieg zu überziehen, der ihm dazu keinen haltbaren Grund gegeben hatte; dagegen beschloß er zu versuchen, ob er sich möglicherweise heimlich und durch List seiner entledigen könne. Er ließ also die zuverlässigsten unter denen, welche er als Ueberbringer seiner kaiserlichen Handschreiben zu gebrauchen pflegte8, zu sich kommen, und gibt [85] ihnen geheime Aufträge; sie sollten, wenn sie zum Albinus kämen, demselben erst die Depeschen in öffentlicher Audienz überreichen, darauf aber ihn auffordern, ihnen eine geheime Audienz zur Anhörung geheimer Aufträge zu gewähren, und wenn sie ihn dazu bewogen und von seiner Leibwache entfernt haben würden, sollten sie plötzlich über ihn herfallen und ihn niederstoßen. Zugleich gab er ihnen noch tödtliche Gifte, damit sie, wenn sie könnten, einen seiner Köche oder Mundschenken bestächen, ihm dieselben heimlich einzugeben, weil doch seine ihn umgebenden Freunde immer Argwohn gegen Severus hegten und dem Albinus fortwährend riethen, gegen den betrügerischen und zu aller Hinterlist geschickten Mann auf seiner Hut zu sein. Denn seine Behandlung der Generale Nigers hatte auf seinen Charakter schwere Flecken geworfen. Er hatte dieselben nämlich erst, wie bereits erzählt, vermittelst ihrer Kinder dazu gebracht, Nigers Sache zu verrathen, und dann, nachdem er ihre Dienste zu seinen Zwecken gemißbraucht und die gewünschten Erfolge erreicht hatte, sie selbst sammt ihren Kindern aus dem Wege geräumt. So war die Falschheit seines Charakters vorzüglich durch seine Thaten offenbar geworden. Darum eben ergriff Albinus noch größere Sicherheitsmaßregeln zum Schutze seiner Person. Keiner von den Sendboten des Severus durfte vor ihm erscheinen, ohne vorher das Kriegerschwert von seiner Seite abzulegen, und sich untersuchen zu lassen, ob er irgend eine Waffe unter den Kleidern trage. Als nun also die Botschafter des Severus ankamen und nach öffentlicher Ueberreichung ihrer Depeschen um eine geheime Audienz zur Anhörung besonderer Aufträge erbaten, faßt Albinus Verdacht. Er befahl, sie in Haft zu nehmen, ließ jeden besonders peinlich befragen und erfährt so den ganzen Mordanschlag. Sofort läßt er sie hinrichten, während er seinerseits jetzt gegen Severus wie gegen einen offenbaren Feind seine Maßregeln traf.
6 Als Severus dies erfuhr, der alles mit Leidenschaft angriff und von Natur sehr vom Zorne beherrscht wurde, hielt er seinen Haß nicht länger verborgen, sondern berief sein ganzes Heer zu einer Versammlung und redete es folgendermaßen an: [86] „Möge Uns Niemand in Bezug auf Unsere bisherigen Handlungen Leichtsinn vorwerfen, oder Uns gegen einen bisher anerkannten Freund der Unzuverlässigkeit und Lieblosigkeit zeihen. Denn von Unserer Seite ist ihm Alles (was er nur irgend verlangen konnte) zu Theil geworden durch die Uebertragung der Theilnahme an einer gesicherten Kaiserherrschaft, die denn doch eine Sache ist, an der Jemand kaum leiblichen Brüdern Antheil verstattet. Ich dagegen habe den Thron, für den Ihr mich allein gewählt habt, freiwillig mit jenem Menschen getheilt. Diese großen auf ihn gehäuften Wohlthaten vergilt mir nun Albinus mit schwerem Undank. Er rüstet Waffen und Heer wider Uns, verachtet Unsre Tapferkeit, kümmert sich nicht um die mir schuldige Treue, und ist gesonnen, mit Gefahr seines Kopfs aus unersättlicher Habsucht nach dem zu greifen, wovon er seinen Theil ohne Krieg und Schlacht besaß, ohne Scheu vor den Göttern, bei denen er so oft geschworen, und ohne schonende Rücksicht für Euch, die Ihr Eure schwere Kriegsarbeit so eben erst für uns so ruhmvoll und tapfer durchgekämpft habt. Denn von allen Vortheilen, die Ihr gewonnen, hat auch er seinen Theil der Frucht gepflückt, und er würde, hätte er die Treue zu bewahren gesucht, noch einen größeren Antheil von der Ehre erhalten haben, die uns beiden von Euch zugetheilt worden ist. Wie es nun aber ungerecht ist, mit feindseligen Handlungen den Anfang zu machen, so ist es andrerseits auch unmännlich, Beleidigungen, die man zuerst empfangen hat, ungestraft zu lassen. Als wir den Niger bekriegten, war unsere feindselige Stellung gegen ihn weniger eine durch Gründe berechtigte, als durch die Nothwendigkeit herbeigeführte. Denn unser Haß traf ihn nicht, weil er die bereits uns gehörende Herrschaft uns unter der Hand entreißen wollte, sondern die Sache stand vielmehr so, daß jeder von uns beiden den als Siegespreis dastehenden und jedem Bewerber offenen Thron aus gleichem Antriebe des Ehrgeizes an sich zu reißen trachtete. Albinus dagegen hat es vorgezogen, mit Nichtachtung beschworener Verträge, obschon er von mir erhalten hatte, was man sonst nur seinem leiblichen Sohne gibt, unser Feind statt unser Freund und unser Widersacher im Kriege statt unser Verbündeter zu werden. Wie wir ihn also zuvor durch unsre Wohlthaten mit Ehre und Ruhm geschmückt haben, ebenso werden wir auch nunmehr sein treuloses und unmännliches [87] Betragen mit den Waffen zur Bestrafung ziehen. Auch wird sein Heer, gering und aus Inselbewohnern bestehend, wie es ist, vor unsrer Macht nicht Stand halten. Denn Ihr, die Ihr auf Euch allein beschränkt, muthig und tapfer in so vielen Schlachten gesiegt und den ganzen Orient unterworfen habt, – wie solltet Ihr nicht auch jetzt, nachdem eine so große verbündete Streitmacht Euch verstärkt und fast das ganze römische Kriegsheer sich hier vereint hat, leicht den Sieg davon tragen über ein Heer, das an Zahl gering ist, und dazu von einem Manne geführt wird, der weder nüchtern noch tapfer ist. Denn wer kennt nicht seine weichliche Ueppigkeit, in Folge deren seine Lebensart mehr für Chorreigen als für Phalangen passend erscheint! So laßt uns denn mit gewohnter Kühnheit und Unerschrockenheit tapfer auf ihn losgehen, denn mit uns sind die Götter, bei denen jener frevelnd falsch geschworen, und unsere zahlreiche Siege, die er verachtet hat.“ Auf diese Rede des Severus erklärte das gesammte Heer den Albinus für einen Feind. Sie ließen den Severus hochleben, bezeugten ihm mit lautem Geschrei alle mögliche Bereitwilligkeit, und bestärkten ihn dadurch noch mehr in seinem Entschlusse, indem sie ihm für dessen Gelingen die besten Hoffnungen erweckten. Er beschenkte sie also reichlich durch Extrageschenke, und trat sodann den Marsch gegen Albinus an. Zugleich entsendete er eine Heerabtheilung, um Byzanz zu belagern, das noch immer ihm die Thore verschlossen hielt, weil die Generale Nigers sich dorthin geflüchtet hatten. Die Stadt wurde später eingenommen und völlig zerstört. Seiner Theater und Bäder und aller Schmuck- und Prachtwerke beraubt, wurde das stolze Byzanz den Perinthiern als unterthäniges Dorf zum Geschenk gegeben, wie Antiochia den Laodiceern. Dagegen schickte er große Geldsummen zum Wiederaufbau derjenigen Städte, welche Nigers Heer verwüstet hatte. Er selbst aber marschirte vorwärts, ohne seinen Soldaten Rast- und Ruhetage, sei es zu Festfeiern9 oder zur Erholung von Strapatzen, zu vergönnen, und ohne auf Kälte oder Hitze Rücksicht zu nehmen. Man sah ihn häufig, wenn der Marsch [88] über unwirthbare himmelhohe Gebirge ging, in Hagelwetter und Schneegestöber unbedeckten Hauptes einherziehen, indem er seinen Kriegern thatsächlich das aufmunternde Beispiel von Unverdrossenheit und Tapferkeit gab, so daß dieselben ihrerseits nicht bloß aus Furcht und Disciplin allen Strapatzen tapfer Trotz boten, sondern auch aus dem Bestreben, ihrem Kaiser nachzueifern. Zugleich entsandte er eine starke Heeresabtheilung, um die Engpässe der Alpen zu besetzen und Italiens Eingangspässe zu schützen.
7 Albinus die Kunde erhielt, daß Severus nicht zaudere, sondern sehr bald da sein werde, verursachte das dem sorglos und schwelgerisch hinlebenden Manne große Beunruhigung. Er setzte aus Britannien nach dem gegenüber liegenden Gallien über, und schlug dort ein Lager auf. Zugleich sandte er in alle umliegenden Provinzen und beauftragte deren Statthalter, Geld und Lebensmittel für sein Heer zu senden. Die, welche gehorsamten und beides sendeten10, thaten es zu ihrem Verderben; denn sie mußten später dafür Strafe leiden, während die, welche mehr aus glücklichem Zufalle als aus wohl überlegtem Entschlusse nicht Folge leisteten, glücklich davon kamen; denn der Ausgang und das Glück des Krieges entschied erst, wer von beiden das Richtige gewählt hatte. Als nun Severus’ Heer in Gallien ankam, haben einige leichte Treffen an verschiedenen Orten stattgefunden, die letzte Schlacht aber bei Lugdunum11, einer großen und reichen Stadt, in welcher sich Albinus einschloß, und daselbst verblieb, während er sein Heer zur Schlacht ausrücken ließ. Bei dem heftigen Zusammenstoße beider Heere schwankte die Entscheidung der Schlacht zwischen beiden lange mit unentschiedenem Glücke. Denn die Britannier gaben den Illyriern an Tapferkeit und Mordlust nichts nach, und da beide Heere [89] tapfer kämpften, war der entscheidende Sieg des einen oder des andern keine leichte Sache. Nach der Darstellung einiger gleichzeitigen Geschichtschreiber, die nicht parteiisch, sondern der Wahrheit gemäß berichten12, gewann die Phalanx des Albinus’schen Heeres an der Stelle, wo Severus mit der von ihm persönlich befehligten Abtheilung seines Heeres ihr gegenüberstehend, entschiedene Vortheile, so daß er selbst fliehend vom Pferde gestürzt sei und, um nicht erkannt zu werden, den kaiserlichen Feldherrnmantel von sich geworfen habe. Als die Britannier bereits die Verfolgung begonnen und Siegesweisen angestimmt hätten, da sei Lätus, der General des Severus, mit der von ihm befehligten Heerabtheilung auf dem Kampfplatze erschienen, die noch frisch an Kräften war und an der Schlacht bisher keinen Theil genommen hatte. Man beschuldigt ihn, daß er, den Ausgang der Schlacht abwartend, mit Fleiß sich verspätet und seine Heerabtheilung frisch erhalten habe, weil er selbst Absichten auf den Thron gehabt, und daß er deßhalb erst in dem Augenblicke auf dem Kampfplatze erschienen sei, als er vernommen habe: Severus sei gefallen. Bestätigung erhält dieser Vorwurf durch den weiteren Verlauf der Sache. Denn späterhin, nachdem Severus Alles glücklich beendet und keine Sorgen mehr hatte, belohnte er alle seine andern Generale auf das Reichlichste für ihre Dienste, nur den einzigen, Lätus, dem er sein Verhalten mit Recht nachtrug, ließ er aus der Welt schaffen13. Doch dies fällt in eine spätere Zeit. Damals also, wie gesagt, wurden durch das Erscheinen des Lätus mit seiner frischen Streitmacht die Severianer wieder neu ermuthigt, sie halfen dem Severus wieder auf sein Pferd und bekleideten ihn mit dem Feldherrnmantel. Die Albinianer dagegen, die schon gesiegt zu haben vermeinten und etwas in Unordnung gerathen waren, wichen, als sie urplötzlich sich von einer starken Streitmacht, [90] die noch nicht im Treffen gewesen war, angegriffen fanden, nach kurzem Widerstande zurück; es kam zu einer vollständigen Flucht, auf der die verfolgenden Severianer ein großes Blutbad unter ihnen anrichteten, und sie bis in die Stadt warfen. Die Zahl der auf beiden Seiten Getödteten oder Gefangenen haben die gleichzeitigen Geschichtsschreiber jeder nach seinem Gutdünken angegeben. Die Stadt Lugdunum plünderten die Severianer aus und steckten sie in Brand14; den Albinus nahmen sie gefangen, schnitten ihm den Kopf ab und brachten denselben dem Severus; und so errichteten sie zwei gewaltige Siegesdenkmale, das eine im Orient, das andere im Norden. Und wohl kann man sagen, daß nichts sich mit diesen Schlachten und Siegen des Severus vergleichen läßt, weder an Größe der Streitkraft, noch an Bewegungen von Provinzen, noch an Zahl der Treffen und an Länge und Schnelligkeit der Märsche. Gewaltig waren freilich auch Cäsars Schlachten gegen Pompejus, wobei auf beiden Seiten sich römische Lager gegenüberstanden, desgleichen die Kämpfe des Augustus gegen Antonius oder gegen des Pompejus Söhne und die in noch frühere Zeit fallenden Thaten des Sulla und Marius und anderer in römischen Bürgerkriegen und Schlachten. Daß aber ein einziger Mann drei Kaiser überwältigt hat, die schon im Besitze der Macht waren, das in Rom befindliche Heer durch List besiegt und den im kaiserlichen Palaste sitzenden Herrscher niedergeworfen, den seit lange im Orient befehligenden und von den Römern zum Kaiser ausgerufenen, und endlich den mit der Würde und Macht eines Cäsar bekleideten durch seine Tapferkeit bewältigt hat, – davon läßt sich nicht leicht ein anderes Beispiel aufweisen. – Solch ein Ende also hatte Albinus15, nachdem er die für ihn verderbliche Ehre nur kurze Zeit genossen.
8 [91] Severus ließ sofort gegen die Freunde des Gefallenen in Rom seinem heftigen Zorne freien Lauf. Er sandte den Kopf des Albinus dorthin und befahl, ihn öffentlich auf einer Stange auszustellen. In dem Schreiben, mit welchem er dem Volke seinen Sieg anzeigte, fügte er am Schlusse auch noch die Worte hinzu: Er habe den Kopf seines Feindes geschickt und öffentlich allen Blicken auszustellen befohlen, damit man sähe, in welcher Weise er seine Rache an jenem bewiesen, und wie er gegen dessen Anhänger gesinnt sei. Nachdem er darauf die Angelegenheiten von Britannien geordnet, die Verwaltung der Provinz unter zwei Statthalter getheilt, in beiden Gallien alles, wie er es für das Zweckmäßigste hielt, eingerichtet und alle, die er als Freunde des Albinus erfunden, mochten sie es nun freiwillig oder gezwungen mit jenem gehalten haben, dem Henkerbeil übergeben und ihr Vermögen eingezogen hatte, zog er eilig, und um den Schrecken seiner Erscheinung zu verstärken, von seinem ganzen Heere begleitet nach Rom. So legte er denn den Marsch, wie seine Gewohnheit war, in großer Schnelligkeit zurück, und zog racheschnaubend gegen die noch übrigen Anhänger seines Gegners in Rom ein. Die Bevölkerung empfing ihn lorbeerbekränzt mit allen möglichen Ehrenbezeugungen und Jubelrufen, und der Senat bewillkommnete ihn mit feierlicher Rede, die Meisten jedoch in höchster Angst und mit dem geheimen Gedanken, daß er ihrer nicht schonen werde, denn sie wußten, daß er von Natur der unversöhnlichste Feind war, für dessen strafenden Zorn die geringste Veranlassung genügte, während er jetzt sogar gerechte Ursache dazu zu haben glaubte. Nachdem sich Severus in das Heiligthum des Jupiter verfügt und alle sonstigen religiösen Verrichtungen vollzogen hatte, begab er sich in die kaiserliche Hofburg und veranstaltete für das Volk zur Feier seines Sieges großartige Spenden. Seinen Soldaten machte er außerordentliche Geldgeschenke, und verlieh ihnen außerdem vieles andere, was sie früher nicht gehabt hatten. So vermehrte er unter allen Kaisern zuerst ihre Lebensmittellöhnung, gestattete ihnen, goldene Ringe zu tragen und sich Frauen zu nehmen, lauter Dinge, welche [92] bisher mit einer ordentlichen Kriegszucht, sowie mit der schnellen Kriegsbereitschaft für unverträglich gegolten hatten. Und so war er denn der erste Kaiser, der ihre kräftige Kernhaftigkeit, ihre harte Lebensweise und leichte Gefügigkeit bei Strapatzen und den zuchtvollen ehrerbietigen Gehorsam gegen ihre Vorgesetzten untergrub, indem er sie geldgierig machte und zu lockerem Leben verleitete. Als er so Alles, wie er meinte, auf’s Beste geordnet hatte, begab er sich in die Senatsversammlung, bestieg den kaiserlichen Thronsitz und ergoß sich in den bittersten Anklagen gegen die Anhänger des Albinus, zeigte von den einen die geheimen Briefe auf, welche er unter Albinus’ verborgenen Papieren gefunden hatte, und warf den andern die reichen Geschenke vor, welche sie jenem geschickt hatten. Gegen andere brachte er wieder andere Vorwürfe herbei: gegen die dem Oriente angehörenden ihre Freundschaft für Niger, gegen die aus der entgegengesetzten Himmelsgegend stammenden ihre Bekanntschaft mit dem Albinus; und so brachte er alle ausgezeichneten Mitglieder des Senats, sowie die reichsten und vornehmsten Personen in den Provinzen schonungslos um’s Leben, angeblich, weil er sie als seine Feinde haßte, in Wahrheit aber aus unmäßiger Habsucht. In der That kein Kaiser war von solcher Geldgier beherrscht. Denn wie er an Geistesenergie, Ertragung von Beschwerlichkeiten und Feldherrneigenschaften keinem der Berühmtesten nachstand, so überwog in ihm die Geldgier, die er durch ungerechte Hinrichtungen wegen jeder beliebigen Ursache befriedigte. So gründete er seine Herrschaft über seine Unterthanen mehr auf Furcht als auf Liebe. Bei dem gemeinen Volke jedoch versuchte er sich auf mannigfache Art in Gunst zu setzen. So veranstaltete er häufig prachtvolle und mannigfaltige Schauspiele, ließ (in Thiergefechten) oftmals Hunderte von wilden Thieren tödten, die er innerhalb des ganzen römischen Reichs wie aus den barbarischen Landen zusammengebracht hatte, und stellte reiche Vertheilungen von Geld und Lebensmitteln an. Auch ein Siegeskampfspiel veranstaltete er, zu welchem er Schauspieler und starke Männer16 von überall her verschrieb. Zu seiner Zeit sahen [93] wir denn auch Schaustellungen gewisser mannigfaltiger Schaukunststückee in allen Theatern zu gleicher Zeit, sowie auch feierliche Nachtfeste als Nachahmung der Mysterien17. Die damals lebenden Menschen nannten diese Festspiele „säkularische“, weil sie hörten, daß dieselben nur je nach drei Menschenaltern gefeiert wurden. Herolde durchzogen nämlich Rom und Italien und luden alles Volk ein, „zu kommen und ein Fest zu schauen, das sie weder gesehen hätten noch wieder sehen würden“18. Damit wollte man sagen, daß der Zeitraum, der zwischen dem jetzigen und dem nächsten Feste liege, auch das höchste Menschenalter übersteige.
9 Nachdem er nun hinreichende Zeit zu Rom verweilt und seine Söhne zu Theilhabern seiner kaiserlichen Macht und zu Imperatoren ernannt hatte, bekam er Lust, sich außer dem Siegesruhm, den er bisher nur in bürgerlichen und gegen römische Heere geführten Kriegen erworben, und den er durch einen Triumph zur Schau zu tragen nicht gewagt hatte, auch Lorbeern durch Siege über die Barbaren zu sammeln, und so nahm er denn die Freundschaft, welche der Atrenerkönig Borsenius dem Niger bewiesen hatte, zum Vorwande eines Feldzuges in den Orient. Als er dort angelangt war, wollte er auch Armenien überziehen; allein der Armenierkönig kam ihm zuvor, indem er ihm Geld, werthvolle Geschenke und Geißeln überschickte, ihn flehentlich um Verzeihung bat, und versprach, ihm als treuer Bundesgenosse hold und gewärtig zu sein. Da also in Armenien Alles nach Wunsche ging, eilte Severus weiter in das Land der [94] Atrener. Es stieß zu ihm auch der König der Osroëner19, Augarus, der zur Verbürgung seiner Treue ihm seine Kinder als Geißeln übergab und ihm ein zahlreiches Hülfscorps von Bogenschützen zuführte. Severus durchzog darauf das Land zwischen den beiden Flüssen20, sowie das Gebiet der Adiabener21, und fiel dann in Arabien ein, welches das glückliche heißt; es bringt nämlich wohlduftende Kräuter hervor, die uns als Wohlgerüche und Räucherwerk dienen. Nach Verwüstung vieler Dörfer und Städte und Verheerung des platten Landes gelangte er in das Gebiet der Atrener und begann die Belagerung von Atrae22. Die Stadt lag auf steiler Berghöhe, war mit einer sehr hohen und starken Mauer umgeben und die Männer ihrer zahlreichen Bevölkerung waren treffliche Bogenschützen. Das vor ihr liegende Heer des Severus belagerte die Stadt mit aller Kraft, und bot alles auf, sie zu erobern. Man führte alle möglichen Maschinen gegen die Mauer und wandte jedes bekannte Belagerungsmittel an. Die Atrener aber wehrten sich tapfer, schossen mit Pfeilen und Steinen von oben herab und thaten dem Heere des Severus viel Abbruch. Sie füllten thönerne Gefässe mit Ungeziefer und kleinen, aber giftigen Thieren, und warfen sie den Belagerern auf die Köpfe23; und wo solches Gewürm das Gesicht oder sonst einen unbedeckten Leibestheil traf, da fraß es sich unvermerkt ein und verursachte den [95] Betroffenen gefährliche Wunden. Auch konnten die Römer die unter dem Einflusse der übermäßigen Sonnenglut bis zum Ersticken heiße Luft nicht ertragen; sie fielen in Krankheiten und starben hin, so daß ein großer Theil des Heeres vielmehr auf solche Art, als durch das Schwert der Feinde zu Grunde ging. Da nun das Heer in Folge der genannten Umstände an dem Gelingen der Unternehmung verzweifelte, und die Belagerung keine Fortschritte machte, sondern die Römer mehr Nachtheil litten, als zufügten, führte Severus das Heer, um es nicht ganz zu Grunde gehen zu lassen, unverrichteter Sache zurück, so bitter es den Soldaten auch ankam, daß es ihnen mit der Belagerung nicht nach Wunsch gegangen war. Denn gewohnt, wie das Heer war, überall in den Schlachten zu siegen, sah es schon den Nichterfolg als eine Niederlage an. Doch gewährte ihm das Glück, das damals mit Severus’ Unternehmungen war, einen Trost. Denn der Rückzug erfolgte doch nicht ganz unverrichteter Sache, sondern Severus hatte vorher noch mehrere über Erwarten große Erfolge. Während nämlich das Heer auf zahlreichen Schiffen stromabwärts fuhr, landete es nicht, wie es wollte, an dem Ufer römischen Gebietes, sondern die Strömung führte sie weit darüber hinaus und trieb sie an die Ufer des Partherlandes, von wo es nur wenige Tagereisen bis Ktesiphon24 waren, wo sich die kaiserliche Residenz des Partherkönigs befand und er selbst im Frieden seinen Hof hielt, weil er glaubte, daß die Kämpfe des Severus gegen die Atrener ihn gar nichts angingen. So hielt er sich also ruhig, ohne etwas Schlimmes zu vermuthen. Das Heer des Severus hingegen, das ohne seinen Willen von der Strömung an das entgegengesetzte Ufer geführt worden und dort an’s Land gestiegen war, verwüstete die Umgegend, trieb die Heerden, die ihm vor die Hand kamen, fort, um Lebensmittel zu haben, steckte die Dörfer, auf die es stieß, in Brand, und rückte so allgemach bis [96] dicht vor Ktesiphon, wo sich der Großkönig Artabanos befand. Die Römer fielen über die unvorbereiteten Barbaren her, tödteten Alles, was ihnen in den Weg kam, plünderten die Stadt aus und nahmen alle Weiber und Kinder gefangen. Indessen der König mit wenigen Reitern entfloh, plündern sie seine Geldschatzkammern aus, rauben alle seine kostbaren Geräthe und Kleinodien und treten so ihren Südmarsch an. So wurde Severus mehr durch einen Glückszufall als durch das Verdienst seiner Einsicht mit einem Siege über die Parther gekrönt. Da ihm nun dies so glücklich und über jeden Wunsch gelungen war, schrieb er einen Bericht an Senat und Volk, erhob seine Thaten so hoch als möglich, und ließ seine Schlachten und Siege durch öffentliche Weihegemälde25 darstellen. Der Senat seinerseits verlieh ihm alle möglichen Ehrenbezeugungen, sowie auch die Beinamen nach den von ihm besiegten Völkern.
10 Nach glücklicher Beendigung seiner Orientalischen Unternehmungen eilte Severus nach Rom zurück, wohin er auch seine Söhne, die damals bereits das Jünglingsalter erreicht hatten, mitnahm. Nach zurückgelegter Reise, auf welcher er die Angelegenheiten der Provinzen, wie es das jedesmalige Interesse erforderte, geordnet und die in Mysien und Päonien stehenden Heerlager gemustert hatte, hielt er als Triumphator, empfangen von den größten Jubel- und Freudenbezeugungen des römischen Volkes, seinen Einzug, und veranstaltete Opfer und Feste, Schauspiele und Feierlichkeiten für das Volk, gab demselben reiche Geschenke und Siegesfestspiele und verlebte eine ziemliche Reihe von Jahren in Rom, wo er fleißig Recht sprach, die Staatsgeschäfte besorgte und seine Söhne sittlich und geistig auszubilden suchte. Allein diese, die bereits erwachsene Jünglinge waren, wurden unter dem Einflusse der in Rom herrschenden Ueppigkeit und Schwelgerei und des übermäßigen Eifers für Schauspiele, Wettrennen und [97] Ballet in ihren Sitten verdorben. Zugleich gewöhnten sie sich, untereinander zu hadern, indem sie anfangs aus kindischer Eifersucht über Wachtelkämpfe und Hahnengefechte26 oder über das Wettringen von Knaben mit einander zankten. Auch ihr lebhaftes Interesse für Schauspiel oder musikalische Vorstellungen war stets aus Eifersucht ein getheiltes, und nie fanden sie gleichmäßig an ein und ebendemselben Gefallen, sondern jedesmal war das, was der Eine vorzog, dem Andern verhaßt. Natürlich hetzten auf beiden Seiten die Schmeichler und Diener, welche ihnen in allen jugendlichen Neigungen nach dem Munde redeten, sie noch mehr gegen einander, und vergrößerten die Kluft zwischen ihnen. Als Severus dies erfuhr, machte er anfangs wiederholte Versuche, sie zu versöhnen und zur Vernunft zu bringen. Den älteren, dessen Name ursprünglich Bassianus war, ehe er den Kaiserpalast bezog, nannte Severus, als ihm das Glück zur Herrscherwürde verholfen hatte, Antoninus, indem er wünschte, daß er den Namen des Kaisers Markus führen sollte; zugleich gab er ihm eine Frau, indem er ihn durch die Ehe zur Vernunft zu bringen beabsichtigte. Es war dies die Tochter seines Kriegsministers, welcher Plautianus hieß. Der Mann war in seiner Jugend geringen Standes – Einige sagten sogar, er sei in allerhand Aufruhrversuchen und Vergehungen verwickelt befunden und habe als Flüchtling gelebt; – weil er aber ein Landsmann des Severus (er war nämlich gleichfalls ein Libyer) und wie Einige sagten, demselben verwandt, oder wie andere lose Zungen meinten, in seiner Jugendblüthezeit sein Liebling gewesen, so hatte ihn Severus aus geringen und niedrigen Verhältnissen zu einer hohen Stellung emporgehoben, ihn mit großem Reichthum ausgestattet, indem er ihm das Vermögen der Hingerichteten schenkte, und eigentlich seine Macht mit ihm getheilt. Diese mißbrauchte derselbe dergestalt, daß er sich in seinem Thun alle mögliche Grausamkeit und Vergewaltigung erlaubte, und der gefürchtetste von allen Machthabern wurde. [98] Dieses Mannes Tochter also gab Severus seinem Sohne zur Ehe und verband dadurch beide Häuser. Antoninus jedoch, der mit dieser ehelichen Verbindung keineswegs zufrieden und dieselbe mehr aus Zwang als aus freier Wahl eingegangen war, haßte sowohl die Tochter als ihren Vater gründlich, so daß er weder Bett noch Tisch mit ihr theilte, die junge Frau seinen Widerwillen empfinden ließ, und ihr einmal über das andere drohte: er werde sowohl sie als ihren Vater um’s Leben bringen, sobald er erst im Alleinbesitz der Gewalt sei. Natürlich sagte die junge Frau das jedesmal ihrem Vater wieder, und reizte durch die Erzählungen von dem Hasse, den ihr Gatte ihr bewies, seinen Zorn auf.
11 Dazu sah Plautianus, daß Severus bereits bejahrt und beständig von Krankheit beimgesucht, Antoninus dagegen ein hochfahrender und trotziger Jüngling war, und da er des Letzteren Drohungen fürchtete, so beschloß er lieber selbst durch rasches Handeln seinem Gegner zuvorzukommen, als zaudernd sein Schicksal abzuwarten. Dazu kam Vieles, was in ihm die Begierde nach dem Throne aufstachelte: ein ungeheurer Reichthum, wie ihn nie zuvor ein Privatmann besessen hatte, das unterwürfige Benehmen der Soldaten gegen ihn, die Ehrenbezeugungen, die ihm von allen Unterthanen erwiesen wurden27, sowie auch der Aufzug, in welchem er sich öffentlich zeigte. Er erschien bekleidet mit dem breitstreifigen Oberkleide28, hatte den Rang derjenigen, welche zweimal Konsuln gewesen waren, an seiner Seite hing ein Schwert29, kurz er allein trug alle und jede Auszeichnung höchster [99] Würde. Wenn er sich zeigte, war er ein Gegenstand der Furcht für alle Welt, so daß Niemand sich ihm zu nähern wagte, ja selbst die ihm zufällig entgegenkommenden umzukehren pflegten; auch riefen die vor ihm herschreitenden laut aus: keiner solle sich nähern oder ihn anblicken, sondern jeder sich abwenden und den Blick zur Erde senken. Selbst Severus war, als man ihm diese Dinge hinterbrachte, nicht eben wohl damit zufrieden, vielmehr wurde ihm der hochmüthige Mann bereits widerwärtig und lästig, so daß Severus seine Machtvollkommenheit in etwas beschränkte, und ihm die Mahnung angedeihen ließ, seinen übermäßigen Hochmuth zu mindern. Das konnte Plautianus nicht ertragen, er wagte also einen Anschlag auf den Thron zu machen, und ging dabei folgendermaßen zu Werke. Zu seinen Untergebenen gehörte ein Tribun Namens Saturninus. Dieser bewies dem Plautianus überaus große Verehrung; und obgleich alle dies thaten, so hatte er sich doch bei ihm durch einen noch größeren Aufwand von unbedingter Hingebung eingeschmeichelt. Diesen Menschen nun, den er für völlig getreu und fähig hielt, Geheimnisse zu bewahren und Befehle zu vollziehen, ließ er eines Abends zu sich rufen, und redete ihn, nachdem alle seine Umgebungen sich zurückgezogen hatten, mit den Worten an: „Jetzt ist für dich der Augenblick da, wo du deiner Hingebung und deiner Dienstwilligkeit, die du mir bewiesen hast, die rechte Krone aufsetzen kannst, und wo ich dir nach Verdienst zu vergelten und dir den schuldigen Dankerweis zu liefern im Falle bin. Du hast jetzt die Wahl, das zu sein, was ich jetzt, wie du siehst, bin, und als mein Nachfolger in meine Machtstellung einzutreten, oder auf der Stelle, wenn du ungehorsam bist, zu sterben. Laß dich die Größe der That nicht erschrecken, noch dich durch den Namen der Kaiser in Verwirrung setzen. Der Eintritt in den Theil des Palastes, wo sie schlafen, steht dir allein offen, da die Reihe der nächtlichen Wache jetzt an dich gekommen ist. Was du unternehmen magst, kannst du ungehindert und unbemerkt vollbringen, denn glaube sicherlich, daß ich dir sonst weder einen solchen Auftrag geben, noch du ihn vollziehen würdest. Geh’ also hinauf zum Kaiserpalaste, begib dich zu ihnen, als wenn du gewisse dringliche geheime Aufträge von mir auszurichten hättest, und stoße sie nieder. Mache dich zu einem mächtigen Manne, indem du einen Greis und einen [100] Knaben überwältigst. Denn so wie du an den Gefahren des Anschlags Theil nimmst, wirst du auch deinen Theil von dem höchsten Ehrenlohne des Gelingens erhalten.“ Als der Tribun dies hörte, erschrak er zwar innerlich, ließ sich aber nicht außer Fassung bringen, sondern als ein Mann, dem es nicht an Verstand fehlte (war er doch ein Syrer von Geburt, und die Menschen des Morgenlandes sind überhaupt übergewöhnlich schlaue Köpfe), sah er auf die erregte Stimmung des Befehlenden, brachte dessen Macht in Anschlag, und wagte also, um sich nicht beiden bloßzugeben, keinen Widerspruch, sondern stellte sich vielmehr, als sei ihm, was er höre, ganz nach Wunsch und Meinung gesprochen, warf sich vor ihm in Verehrung nieder, als sei jener bereits Kaiser, und bat ihn um einen schriftlichen Befehl zu dem Morde. Es ist nämlich Sitte bei absoluten Herrschern, daß sie, wenn sie Jemand abschicken, um eine Hinrichtung ohne Urtheil und Recht zu vollziehen, ihm dazu einen schriftlichen Befehl30 geben, damit er nach vollbrachter That nicht ohne Legitimation ist. Plautianus, blind vor Leidenschaft, gibt ihm die schriftliche Anweisung, und sendet ihn zur Vollziehung des Mordes mit dem Bemerken ab: sobald er beiden den Garaus gemacht haben werde, solle er ihn, ehe die That ruchbar werde, durch Boten rufen lassen, damit man ihn selbst eher im Palaste sehe, ehe man die Kunde vernehme, daß er die Regierungsnachfolge angetreten habe.
12 Nach Verabredung dieser Maßregeln begab sich der Tribun zum Kaiserpalaste hinauf, und durchschritt ungehindert, wie gewöhnlich, die ganze kaiserliche Wohnung. Ueberzeugt, daß es unmöglich sei, beide Kaiser zu tödten, zumal da sie in verschiedenen Abtheilungen des Palastes wohnten, blieb er bei dem Pavillon31 des Severus [101] stehen, rief die Wachen des kaiserlichen Schlafgemachs herbei, und verlangte zum Kaiser eingeführt zu werden, weil er demselben eine Meldung zu machen habe, die seine Sicherheit angehe. Diese meldeten es dem Severus, und führten auf sein Geheiß den Tribunen bei ihm ein. Als er eingetreten war, sprach er: „Ich komme zu dir, Herr, nach der Absicht dessen, der mich gesendet hat, als dein Mörder und Henker, nach meinem Wunsch und Willen aber als dein Retter und Wohlthäter. Plautianus, der heimlich nach dem Throne strebt, hat mich beauftragt, dich und deinen Sohn zu ermorden, und zwar nicht bloß mündlich, sondern sogar schriftlich. Dieses Blatt ist der Beweiß. Ich habe ihm zu gehorsamen versprochen, damit er nicht im Falle meiner Weigerung die That einem Andern auftrüge, und so bin ich hier, um dir die Sache zu offenbaren, damit seine Anschläge an’s Licht kommen.“ So ungefähr sprach er unter Thränen, doch glaubte ihm Severus nicht sogleich. Vielmehr argwöhnte er, da ihm die Neigung zum Plautianus sehr tief in’s Herz gewachsen war, die Sache sei ein abgekartetes Spiel und eine Komödie, und dachte, sein Sohn habe aus Haß gegen Plautianus und aus Widerwillen gegen dessen Tochter irgend eine List und todtbringende Verläumdung gegen ihn ausgeheckt. Er ließ also seinen Sohn vor sich rufen, und schalt ihn aus, daß er solche Dinge gegen einen wohlgesinnten Mann, der ihnen obenein verwandt sei, angestiftet habe. Antoninus seinerseits verschwor sich zunächst, er wisse nicht einmal, wovon die Rede sei. Als aber der Tribun lebhaft auf ihn einsprach und die geschriebene Vollmacht vorzeigte, hieß ihn Antoninus guten Muths sein, und forderte ihn auf, weitere Beweise zu geben. Da sprach der Tribun, welcher das Gefährliche seiner Lage einsah, und die Zuneigung des Severus für Plautianus fürchtete, zugleich auch sehr wohl wußte, daß, wenn der Mordanschlag nicht klar erwiesen werde, ein ungewöhnlich schrecklicher Tod ihm gewiß sei: „Aber was für einen größeren Beweis, o Herr, und was für eine klarere Ueberführung des Schuldigen verlangt Ihr denn noch? Wohlan, so gestattet mir denn,“ fügte er hinzu, „daß ich einen Augenblick den Palast verlasse, und durch einen meiner Getreuen melde, daß die That volbracht ist. Jener wird dann unbedenklich herbeieilen, in [102] dem Glauben, daß er den Palast leer32 antreffen werde. Wenn er dann hier sein wird, ist es eure Sache, die Wahrheit ausfindig zu machen. Befehlt aber, daß im ganzen Palaste die tiefste Ruhe herrsche, damit unser Anschlag nicht bemerkt und vereitelt wird.“ Hierauf gibt der Tribun einem seiner Getreuesten den Auftrag, dem Plautianus die Botschaft zu bringen, daß er so schnell als möglich kommen möchte: beide Kaiser seien todt, und es sei nöthig, daß er sich im Palaste befinde, ehe die Sache im Volke ruchbar werde, weil, sobald er einmal die Burg eingenommen und seine Nachfolge als Kaiser festgestellt habe, alle Welt ihm willig oder unwillig Gehorsam leisten werde, nicht als einem, der Kaiser sein werde, sondern als einem, der es bereits sei. Plautianus, der dieser Botschaft glaubte, besteigt, obgleich es bereits spät Abends war, nachdem er zuvor seiner leiblichen Sicherheit wegen einen Panzer angelegt hatte, den er indessen unter den Kleidern verbarg, einen Wagen, und eilte sofort zum Kaiserpalaste, nur von Wenigen begleitet, welche in der Meinung standen, er sei von den Kaisern wegen irgend welcher dringlichen Geschäfte berufen worden. Als er in den Palast trat, ließ man ihn ungehindert eintreten, da selbst die Wachen nichts von dem, was vorging, wußten. Der Tribun trat ihm entgegen, begrüßte ihn heuchlerisch als Kaiser, worauf er ihn sofort vertraulich bei der Hand nahm und ihn in das Schlafgemach führte, wo, wie er sagte, die Leichen der Kaiser lägen. Bereits aber hatte Severus einige junge Männer von seinen um ihn befindlichen Leibgardisten in Hinterhalt gestellt, mit dem Befehle, ihn, sobald er eingetreten sein würde, zu verhaften. Plautianus, der mit ganz andern Erwartungen eingetreten war, sieht die beiden Kaiser vor sich stehen, und wurde ergriffen und festgenommen. Erschreckt über diese Wendung der Sache legte er sich auf’s Bitten und Flehen. Ja er vertheidigte sich sogar, und behauptete: Alles sei erlogen, und das Ganze sei eine zu seinem Verderben angezettelte Komödie. Während nun Severus ihm alle die zahlreichen Wohlthaten und Ehrenstellen vorrückte, und jener [103] dagegen den Kaiser an das ihm früher bewiesene Vertrauen und Wohlwollen erinnerte, war es nahe daran, daß sich Severus zum Glauben an seine Versicherungen herumbringen ließ, als plötzlich ein Theil des Panzers durch einen Riß des bedeckten Gewandes zum Vorschein kam. Als dies Antoninus gewahr wurde, fuhr ihn der verwegene jähzornige und gegen den Menschen mit einem instinktmäßigen Hasse erfüllte Jüngling mit den Worten an: „Aber was hast du auf diese zwei Punkte zu antworten? Du kommst zu den Kaisern in später Abendstunde ungerufen; und was soll der Panzer bedeuten? kommt denn Jemand zu einem Schmause oder einem Nachtfest in voller Rüstung?“ Und nach diesen Worten heißt er den Tribunen und die anwesenden Gardisten ihre Schwerter ziehen, und den Mann als einen eingeständigen Hochverräther niederstoßen. Diese gehorsamen ohne Zaudern dem Befehle des jungen Kaisers, tödten ihn und werfen den Leichnam auf die Gasse, damit alle ihn sehen und seine Feinde ihr Müthchen an ihm kühlen könnten. Solches Ende nahm Plautianus, der sein Leben in unersättlicher Gier nach allen Dingen hingebracht und am Ende seiner Laufbahn an einen treulosen Diener gerathen war.
13 Severus stellte in der Folge zwei Oberbefehlshaber der Garden33 an, er selbst aber lebte von jetzt an meist auf den kaiserlichen Villen in der Nähe der Stadt und an den Küstengegenden Kampaniens, von wo aus er die Rechtspflege und die Regierungsgeschäfte leitete. Er wollte nämlich seine Söhne von der römischen Lebensweise entfernen und an eine gesunde gewöhnen, weil er sah, daß sie dem Schauspielwesen ein größeres Interesse zuwendeten, als es kaiserlichen Prinzen wohlansteht. In der That zerrüttete dies eifersüchtige Interesse, das stets mit einer verschiedenen und entgegengesetzten Ansicht verbunden war, die Gemüther der Brüder, und gewährte immer neuen Brennstoff des Haders und der Feindschaft. Vorzüglich Antoninus war ganz unerträglich, seit er den Plautianus aus dem Wege geräumt [104] hatte. Doch hielten ihn Achtung und Furcht vor seinem Vater von einer frevelhaften That zurück34. Indeß die Tochter jenes Mannes, sein Weib, versuchte er auf alle und jede Weise zum Tode zu bringen. Daher schickte sie Severus sammt ihrem Bruder nach Sizilien, und gab ihnen dort reichlichen Lebensunterhalt35, wobei er es dem Augustus nachthat, der mit den Kindern des Antonius, als dieser sein Feind geworden war, ebenso verfuhr. Dagegen machte er seinerseits immer neue Versuche, zwischen seinen Söhnen Freundschaft zu stiften, und sie zur Eintracht und Verträglichkeit zu bewegen, wobei er sie an alte Mythen und Dramen erinnerte, und nachwies, daß über fürstliche Brüder immer aus Hader Unheil gekommen sei36. Zugleich wies er sie hin auf die mit Geld gefüllten Tempel und Schatzhäuser, und wie es keinen Reichthum und keine Macht in der Welt gebe, die ihnen von außen her Gefahr drohen könne, da sie zu Hause Geld in Fülle hatten, um davon reichlich und vollauf ihre Soldaten besolden zu können, wie die in Rom stehende Truppenzahl vervierfacht37 und vor der Stadt eine so große Streitmacht gelagert sei, daß keine auswärtige Macht weder an Zahl des Heeres, noch an körperlicher Tüchtigkeit der Soldaten, noch an Fülle der Geldmittel dagegen irgendwie erfolgreich sich stellen könne. Allein dies Alles, fuhr er fort, sei zu nichts nütze, wenn sie Beide gegen einander haderten und der Krieg im Innern sei. Mit solchen Reden versuchte er fortwährend, bald bittend, bald drohend, sie zur Vernunft zu bringen und zu versöhnen. Sie aber folgten ihm durchaus nicht, sondern wurden nur noch zügelloser, und es wurde mit ihnen nur immer schlimmer. Jünglinge von überschwellender [105] Kraft, wie sie waren, und im Gefühl ihrer fürstlichen Freiheit allen Lustbarkeiten sich unersättlich hingebend, wurden sie die Beute bald dieses bald jenes ihrer Schmeichler, die nicht nur für ihre Begierden und niedrigen Gelüste die bereitwilligen Diener machten, sondern auch immer ein jeder für seinen Gönner etwas Neues ausfindig zu machen wußten, womit sie dem, welchem sie schmeichelten, einen Genuß und dem andern Bruder einen Aerger bereiten konnten. Einige solche Subjekte hatte Severus bereits über solchen Dienstleistungen ertappt und bestraft.
14 Mitten in seinem Grame über solchen Lebenswandel seiner Söhne und über ihre unwürdige Neigung für das Schauspielwesen erhielt Severus von dem Statthalter Britanniens38 die Nachricht: die Barbaren der dortigen Gegend seien in Aufruhr, machten das Land unsicher und erfüllten alles mit Plünderung und Verheerung; eine Verstärkung an Mannschaft oder die Anwesenheit des Kaisers selbst sei zur Behauptung der Provinz dringend nöthig. Dem Severus war diese Botschaft erwünscht, denn er war nicht nur überhaupt von Natur ruhmbegierig, und hätte gern nach den Siegen im Osten und Norden und zu seinen durch dieselben gewonnenen Ehrennamen auch Siegesdenkmale über die Britannier hinzugefügt, sondern es lag ihm auch daran, seine Söhne von Rom fortzubringen, damit sie ihre Jugend an das nüchterne Soldatenleben, entfernt von der Ueppigkeit und Schwelgerei Roms, gewöhnen möchten. Darum kündigt er sofort den Zug nach Britannien an, obschon er bereits hochbejahrt war und schwer an der Gicht litt; doch war sein Geistiges noch in höherem Grade kräftig, als irgend eines Jünglings. Den größten Theil des Marsches legte er also in einer Art von Sänfte zurück, doch gestattete er sich nirgends längeres Verweilen zum Ausruhen. Nachdem er so mit seinen Söhnen den Weg schneller, als alle Welt dachte und erwartete, zurückgelegt hatte, stand er plötzlich, nachdem er den Ocean überschifft [106] hatte39, auf britannischem Boden, zog von allen Seiten her die Truppen zusammen, und begann, nachdem er eine große Streitmacht vereint hatte, die kriegerischen Unternehmungen. Als die über des Kaisers unerwartet plötzliche Anwesenheit erschreckten Britannen erfuhren, daß er eine sehr große Heeresmacht gegen sie zusammengebracht habe, schickten sie Gesandtschaften, und begannen Friedensvorschläge zu machen, und beeiferten sich, ihre früheren Uebelthaten zu entschuldigen. Severus dagegen, dem es um einen längeren Aufenthalt im Lande zu thun war, um nicht wieder nach Rom genöthigt zu werden, und der überdies große Lust hatte, zu seinen früheren Siegen noch den über Britannien, sowie den Beinamen40 davon zu gewinnen, schickte ihre Gesandten unverrichteter Sache heim, während er alle Vorbereitungen zu einer Schlacht traf. Vor Allem suchte er mittelst Dammbrücken die Sumpfgegenden zu okkupiren, damit seine Krieger auf festen Wegen einherziehend dieselben leicht durchstreifen könnten, und im Gefechte festen Grund unter den Füßen hätten. Denn der größte Theil des Britannerlandes wird durch die beständigen Ueberschwemmungen des Ebbe- und Fluthwechsels der See zu Sümpfen, welche freilich die Barbaren gewohnt sind, schwimmend oder watend bis an die Hüften zu passiren; denn da sie fast am ganzen Körper unbekleidet sind, machen sie sich nichts aus dem Schlamme. Sie wissen nämlich nichts von dem Gebrauche der Kleidung, sondern zieren nur Hüften und Hals mit Eisen, das sie für eine Zierrath und für ein Zeichen des Reichthums ansehen, wie die übrigen Barbaren das Gold; ihre Körper aber tättowiren und bemalen sie mit bunten Bildern mannigfacher Thiere, weshalb sie sich denn eben auch nicht bekleiden, um nicht die auf ihrem Körper befindlichen Malereien zu verdecken41. Sie sind sehr streitbar und [107] blutdürstig, führen bloß einen Schild kleinen Umfangs, sowie einen Speer und ein über den nackten Körper gehängtes Schwert. Den Gebrauch des Panzers und des Helmes dagegen kennen sie nicht, halten ihn vielmehr für hinderlich beim Durchwaten der Sümpfe, von deren dicker Ausdünstung die Luft der dortigen Gegend ewig trübe erscheint. In Bezug auf diese Umstände nun nahm Severus seine Maßregeln einerseits zum Vortheile des römischen Heeres und andrerseits zur Beunruhigung und Behinderung der Streitkraft der Barbaren. Nachdem er Alles genügend für den Krieg vorbereitet zu haben glaubte, ließ er den jüngern seiner Söhne, welcher Geta hieß, in der unter römischer Botmäßigkeit stehenden Provinz zurück, um daselbst Recht zu sprechen und die politischen Verhältnisse zu ordnen, wozu er ihm aus der Zahl seiner älteren Freunde Rathgeber beigesellte; den Antoninus dagegen nahm er mit sich auf seinem Zuge gegen die Barbaren. Während das Heer die Flüsse und Dämme überschritt, welche das römische Reichsgebiet beschützten, fielen häufige Treffen und Scharmützel vor, wobei die Feinde geworfen wurden. Für die letzteren indessen war die Flucht leicht, und sie fanden in Wäldern und Sümpfen bei ihrer Kenntniß des Terrains stets sichere Zuflucht, wogegen dieß Alles den Römern zum Hinderniß gereichte, und den Krieg mehr und mehr in die Länge zog.
15 Dazu befiel den Severus, der bereits alt war, eine sehr langwierige Krankheit, in Folge deren er sich genöthigt sah, zu Hause zu bleiben, während er versuchte, den Antoninus mit der Führung des Krieges zu beauftragen. Antoninus seinerseits bekümmerte sich weniger um die Barbaren, als er versuchte, sich bei den Heeren beliebt zu machen; und in der That brachte er alle dahin, allein auf ihn zu blicken, und bewarb sich in aller Weise um die Alleinherrschaft, während er seinen Bruder in schlechtes Licht setzte. Der Vater, dessen Krankheit sich in die Länge zog, und der gar nicht sterben wollte, erschien ihm beschwerlich und lästig, und so suchte er dessen Aerzte und Diener zu bereden, bei seiner Kur irgend einen Fehler zu machen, [108] um desto schneller von ihm befreit zu werden. Endlich nach langen Leiden, hauptsächlich von Kummer verzehrt, endete Severus sein Leben42, das glorreichste an Kriegsthaten, das je ein Kaiser gelebt hat. Denn weder in Bürgerkriegen über seine Gegner noch in auswärtigen Kriegen gegen Barbaren hat irgend einer vor ihm soviel Siegestrophäen errichtet. Er ging zur Ruhe, nachdem er achtzehn Jahre Kaiser gewesen war, seine jungen Söhne als Nachfolger zurücklassend, denen er Schätze hinterließ, wie keiner je zuvor, und eine Kriegemacht, die ihres Gleichen nicht hatte. Antoninus hatte kaum durch seines Vaters Tod die unbeschränkte Freiheit des Handelns gewonnen, als er auch schon damit begann, die nächsten Hausgenossen des Severus insgesammt zu ermorden. Er tödtete die Aerzte, welche sich seiner Aufforderung nicht willfährig bezeigt hatten, den Tod des Greises durch fehlerhafte Behandlung zu beschleunigen, desgleichen seine und seines Bruders Erzieher, weil sie ihm beständig mit flehentlichen Bitten anlagen, sich mit seinem Bruder zu versöhnen. Ueberhaupt ließ er keinen am Leben, der bei dem alten Kaiser als Diener in Gunst gestanden hatte. Zugleich suchte er auf eigene Hand die Führer der Heerabtheilungen durch Geschenke und große Versprechungen für sich einzunehmen, damit sie das Heer bereden möchten, ihn allein als Kaiser auszurufen, wie er denn überhaupt alle und jede Hinterlist gegen seinen Bruder versuchte. Dennoch gelang es ihm nicht, das Heer sich zu Willen zu machen. Die Soldaten gedachten des Severus, und daß sie beide Prinzen ja gleichmäßig hatten von Kindheit an unter sich aufwachsen sehen, und so erwiesen sie auch gleichen Gehorsam und gleiches Wohlwollen. Als Antoninus sah, daß es mit dem Heere nicht ging, trat er mit den Barbaren in Unterhandlungen, gewährte ihnen Frieden, empfing die Unterpfänder ihrer Aufrichtigkeit und verließ dann das Gebiet der Barbaren, worauf er sofort zu seinem Bruder und zu seiner Mutter eilte. Als sie so zusammen gekommen waren, bemühten sich die Mutter und die angesehensten Rathgeber und Freunde des Vaters, um die Brüder zu versöhnen. Da nun solchergestalt sich Alles den Wünschen des Antoninus in den Weg stellte, ließ er sich mehr [109] nothgedrungen als aus Ueberzeugung zu einer Eintracht und Freundschaft bewegen, welche indeß mehr eine verstellte als aufrichtige war. So kamen sie also überein, die kaiserliche Herrschaft mit gleichen Rechten zu führen, und Britannien zu verlassen, worauf sie mit den Ueberresten ihres Vaters nach Rom eilten. Sie hatten nämlich den Leichnam dem Feuer übergeben, die Asche mit Wohlgerüchen vermischt in eine Urne von Alabaster gethan, und nahmen sie so nach Rom mit sich, um sie daselbst in den kaiserlichen geweihten Gräbern beizusetzen. Sie selbst aber zogen das Heer an sich, und legten gleichsam als Besieger der Britannen über den Ocean nach dem gegenüberliegenden Gallien. So wäre denn, wie Severus sein Leben geendet und wie seine Kinder an seiner Statt die Herrschaft übernommen, in diesem Buche erzählt.
Anmerkungen
1 Vgl. unten VI, 5.
2 Asien ist hier Spezialbezeichnung der römischen Provinz.
3 Die Bewohner der Stadt Nikäa, Rivalin von Nikomedia, erbaut von den Griechen aus dem lokrischen Nikäa am Passe der Thermopylen, die in dem Heere Alexanders des Großen gedient hatten.
4 Die Maurischen Wurfspießschleuderer und ihre furchtbaren Waffen (Mauri jacula) sind allen Lesern des Horaz bekannt.
5 Wir sagen in solchem Falle gewöhnlich minder richtig: „wie ein Amphitheater“.
6 Herodian sagt sehr bezeichnend: „das Stadion für eine Schlacht.“
7 Herodian irrt. Es war nicht bei Issos, sondern bei Gaugamela, wo die letzte Schlacht zwischen Darius und Alexander geschlagen wurde. Auch ward Darius bekanntlich erst später auf der Flucht durch Bessus ermordet. Seltsam klingt auch das „soll“ bei Erwähnung einer so allbekannten und von so vielen alten Historikern besprochenen Thatsache.
8 Es sind die sogenannten tabellarii, d. h. die kaiserlichen Kabinets- und Staatskouriere gemeint, die man aus der Elite der Legionen nahm, und die unter dem Namen equites singulares oder singularii ein glänzend ausgerüstetes, eigenes, berittenes Corps von hohem Range bildeten. S. Realencyklop. VI, a. S. 533.
9 Mit denen bedeutende Städte den Heereszug eines Kaisers zu empfangen pflegten.
10 Sandte – senden – sendeten. Diese mißklingende Wiederholung gehört, wie in allen ähnlichen Fällen, nicht unserer Uebersetzung, sondern dem Schriftsteller selbst an.
11 Das heutige Lyon.
12 Parteiisch war ohne Frage die Darstellung, welche der Kaiser Severus selbst in seinen Memoiren von seinem Kampfe gegen Albinus gab. Dio Cassius sagt dies ausdrücklich.
13 Nach dem von Spartian in der Biographie des Severus angeführten Geschichtschreiber Marius Maximus behauptete Severus, daß Lätus ohne sein Wissen und Wollen ermordet worden sei.
14 Die Einäscherung war nur eine theilweise, doch erhob sich die reiche und mächtige Stadt seitdem nie mehr zu ihrer früheren Bedeutung. Nach der Schlacht wurden in ihren Münzstätten Denkmünzen auf den Sieg des Severus geschlagen. S. Realencyklop. IV, S. 1224.
15 Im Februar des Jahres 197 nach Chr.
16 S. die Bemerkung zu I, 9. Man hat an Darstellungen wie die einst bei den öffentlichen Festspielen der Griechen stattfindenden zu denken, nur daß dort edle freigeborne Jünglinge und Männer, hier bezahlte Kunstreiter, Jongleurs und starke Männer aller Art ihre Künste zur Schau stellten.
17 Wie zuvor eine Nachahmung der Olympischen Spiele, so haben wir hier eine schauspielerische Nachahmung der Eleusinischen Mysterien und ihres nächtlichen Fackellaufes.
18 Dies war die Formel des Heroldrufes. Siehe meine Bemerkung zu Sueton. Claud. Kap. 21. August. Kap. 31.
19 Osroëne, Königreich in Mesopotamien, dessen Hauptstadt Antiochia Calirrhoë, am Flusse Scirtus, oder Bardesanes (jetzt Daisan), später Edessa hieß. Realencyklop. III, S. 19.
20 Mesopotamien.
21 „Eine Provinz dieses Namens bildete einen Theil von Assyrien. Hier aber scheint eine Landschaft von Mesopotamien gemeint zu sein. Auch ist es ein geographischer Irrthum Herodians, wenn er den Severus in Arabien einfallen läßt, ein Irrthum, den vielleicht die Streifereien der Araber in Mesopotamien veranlaßten.“ (Nach Osiander.)
22 Stadt in Mesopotamien, auch Hatra genannt, vielleicht an der Stelle, wo jetzt südwestlich von der Stadt Mosul, berühmt durch die Assyrischen Ausgrabungen, der Ort Hadr liegt. Nach Irmisch Excurs (Th. II, p. 794) lag die Stadt, die auch Trajan vergeblich belagerte (Amm. Marcell. I, 25.), nicht fern vom Persischen Meerbusen.
23 Eine ähnliche Kriegslist wandte Hannibal gegen Eumenes an, wovon Nepos (23, 10.) und Justinus (32, 4, 6.) erzählen.
24 Ktesiphon, am östlichen Ufer des Tigris, drei römische Meilen von Seleucia auf dem westlichen Ufer, war erst in der römischen Kaiserzeit sehr vergrößert und zur festen Residenz des Partherkönigs erhoben worden, während es zu Augustus’ Zeit nur noch ein großer Flecken und Winterresidenz des parthischen Königs war. Schon Trajan und Verus hatten sie vorübergehend erobert, während später Kaiser Julian sie vergeblich belagerte.
25 Solche Darstellungen waren auch in der republikanischen Zeit nicht selten. Bei Herodian kommen sie mehrfach vor. Vgl. V, 5, 13. VII, 2, 15.
26 Beide Vergnügungen der vornehmen römischen Jugend kommen auch häufig auf Reliefs vor, ja sogar auf solchen, welche zur Verzierung von Grabmonumenten dienten. S. Ein Jahr in Italien Th. III, S. 14.
27 Dio Cass. sagt davon: „Man schickte ihm mehr Geschenke, als selbst dem Severus, errichtete ihm nicht nur mehr, sondern auch größere und prächtigere Statuen, als dem Kaiser, und das nicht blos in den Provinzialstädten, sondern sogar in Rom selbst, und nicht bloß von Seiten einzelner Privatpersonen oder Gemeinden, sondern sogar von Seiten des Senats. Die Soldaten schwuren bei seinem Namen, und man that religiöse Gelübde [ähnlich wie unser Einschließen in’s Kirchengebet] für sein Wohl.“
28 S. meine Einleitung zu Suetons Kaiserbiographien S. 1.
29 Alle Römer gingen zu Hause und im Frieden unbewaffnet, selbst die Soldaten der Kaisergarde, wenn sie nicht im Dienste waren. S. oben II, 3 z. Ende und dort die Anmerkung. Nach dieser Stelle unseres Autors scheint selbst der Oberbefehlshaber der Leibwache nicht immer die Auszeichnung genossen zu haben, mit dem Schwerte an der Seite im Publikum zu erscheinen.
30 Vergl. die Ausleger zu Tacit. Ann. I, 6 und XI, 37. Die Römer haben für solch einen kaiserlichen Kabinetsbefehl zum Morde eines mißliebigen Unterthanen den Namen letalis formula und formula fatalis.
31 Ich glaube, daß man das griechische Wort δωμάτιον hier und an mancher andern Stelle nur so richtig wiedergeben kann, da es hier offenbar diejenige Abtheilung des Palastes bedeutet, wo sich Severus’ Schlafzimmer, die Zimmer der Kammerdiener und der wachhaltenden Leibgarden befanden.
32 Diese Art des Ausdrucks zur Bezeichnung der Erledigung irgend einer Stelle (hier des Herrscherthrones) scheint dem Lateinischen nachgebildet zu sein. Vgl. Cic. Catil. 1, 6. Sallust Catil. 15, 2.
33 Vergl. oben die Bemerkung zu I, 9 S. 18–19 über dieselbe Maßregel Caracalla’s.
34 Nämlich von dem Brudermorde.
35 Ueber das spätere Schicksal der Unglücklichen s. IV, 6.
36 Die Sage und die dramatische Poesie der Griechen gaben ihm dazu allerdings in den Geschicken der Pelopiden und der Söhne des Oedipus reichen Stoff. Uebrigens pflegte Augustus, den Severus möglichst in allen Eigenheiten nachahmte, gleichfalls gern, wie Sueton erzählt (August. Kap. 89.), seine Ermahnungen mit Berufung auf solche Dichterstellen zu verstärken.
37 Severus hatte statt des schimpflich entlassenen Corps der Leibgarden (s. oben II, 14. S. 73) ein neues errichtet aus den Elitesoldaten der Grenzlegionen und dasselbe bis auf 50,000 Mann gebracht. S. Gibbon Bd. I, p. 211–212 der deutschen Uebers. von Sporschill.
38 Herodian schreibt immer Brettania und Brettanen.
39 Mit dieser stolzen Bezeichnung beehrt Herodian den Kanal von La Manche.
40 Den Beinamen Britannicus, den er auch, wie Spartian erzählt (Kap. 18.), erhielt.
41 Dieses Bemalen mit blaugrüner Farbe fand schon Julius Cäsar bei den Britannen seiner Zeit. Siehe Gallischer Krieg V, 14. Ob der Name „Pikten“ (picti) darauf deutet, weiß ich nicht. Auch das alte Wort Britte soll soviel als bemalt bedeuten. S. Irmisch Herodian Th. II, p. 763–764.
42 Im Februar d. J. 211 n. Chr.
