4. Buch
Übersetzung
1 [110] Die von Severus während seiner achtzehnjährigen Regierung vollbrachten Thaten sind also in dem vorhergehenden Buche erzählt worden. Seine bereits erwachsenen Söhne eilten mit der Mutter nach Rom, bewiesen jedoch bereits unterwegs ihren gegenseitigen Unfrieden. Denn sie übernachteten weder andenselben Quartieren noch speisten sie mitsammen, und beobachteten argwöhnische Vorsicht in Bezug auf alle Speisen und Getränke, aus Furcht, daß der eine dem andern zuvorkommen und ihm heimlich selbst oder mittelst bestochener Diener ein Gift beibringen möchte. Deshalb beeilten sie denn auch ihre Reise um so mehr, weil alle beide ihres Lebens sicherer zu sein hofften, wenn sie nur erst in Rom wären, und dort im Kaiserpalaste, den sie unter sich zu theilen beschlossen hatten, in einer weitläuftigen und umfangreichen Wohnung, die größer als manche Stadt war1, jeder für sich nach seinem Belieben leben könnte. [111] Bei ihrer Ankunft in Rom empfing sie das Volk mit Lorbeerzweigen in den Händen, und der Senat bewillkommnete sie feierlich. An der Spitze des Zuges befanden sie selbst sich im Kaiserpurpur, hinter ihnen folgten die damaligen Konsuln, welche die Urne mit der Asche des Severus trugen, und Alle, welche die jungen Kaiser begrüßten, näherten sich auch der Urne, um derselben ihre Ehrfurcht zu bezeigen. Man geleitete dieselbe in feierlichem Zuge zu dem Heiligthume, wo des Markus und der vor ihm regierenden Kaiser heilige Grabdenkmäler gezeigt werden2. Nachdem die Kaiser dann die bei den kaiserlichen Einzügen üblichen heiligen Handlungen verrichtet hatten, begaben sie sich hinauf zur Hofburg, in welche sie sich dergestalt theilten, daß jeder für sich wohnte, worauf sie alle geheimen Zugänge sperrten, und nur die öffentlichen durch den Vorhof führenden zum freien Gebrauche behielten, jeder seine eigene Wache aufstellten, und niemals zusammenkamen, außer in den seltenen Fällen, wo es galt, öffentlich zu erscheinen. Vor allen Dingen aber veranstalteten sie jetzt ihrem Vater die gebührende Ehrenfeier.
2 Es ist nämlich Brauch bei den Römern, diejenigen Kaiser zu vergöttern, welche bei ihrem Ableben Söhne als Nachfolger hinterlassen3, und diese Ehre nennen sie Apotheose. Es zeigt sich dabei [112] in der ganzen Stadt eine Trauer, die mit religiöser Festlichkeit gemischt ist. Den Leichnam des Verstorbenen bestatten sie, wie andere Menschen, nur mit glänzendreichem Gepränge; dagegen bilden sie aus Wachs ein dem Verstorbenen vollkommen ähnliches Abbild, und stellen dasselbe auf einem großen elfenbeinenen hocherhöhten Bette, dem sie golddurchwirkte Teppiche unterbreiten, in der Eingangshalle der Kaiserhofburg aus. So liegt denn das Bild vor Aller Augen, den Kranken darstellend, mit bleichem Angesichte da. Zu beiden Seiten des Bettes aber sitzen den größten Theil des Tages linker Hand der ganze Senat mit schwarzen Oberkleidern angethan, rechts alle diejenigen Frauen, welche durch ihre Männer oder Väter zu den ausgezeichnetsten im Range gehören. Jedoch keine von ihnen sieht man Goldschmuck tragen oder mit Halsgeschmeide geziert, sondern in schlichte weiße Gewänder gehüllt gewähren sie den Anblick von Leidtragenden. Dies dauert sieben Tage lang. Zugleich treten von Zeit zu Zeit Aerzte heran, die sich dem Bette nähern, und nachdem sie den Kranken betrachtet haben, jedesmal kund thun, daß es schlimmer mit ihm stehe. Sobald sie endlich erklärt haben, daß der Kranke gestorben sei, nehmen auserlesene junge Männer des Ritter- und die edelsten Jünglinge des Senatorstandes das Bett auf, und tragen es den heiligen Weg entlang, und setzen es auf dem alten Forum nieder, wo die obersten Beamten der Römer bei Niederlegung ihres Amts den Eid leisten4. Zu beiden Seiten erhebt sich hier ein treppenförmiges Gerüst, und auf dem einen steht ein Chor der edelsten und vornehmsten Knaben, auf dem ihm gegenüber befindlichen ein Chor von den angesehensten Frauen, und beide singen Hymnen und Päane auf den Verstorbenen nach einer feierlich ernsten und klagenden Tonweise. Dann nehmen die Träger das Bett wieder auf, und tragen es außerhalb der Stadt auf das sogenannte Marsfeld, woselbst auf der größten Breite des Platzes ein gleichseitig viereckiger Bau aufgerichtet ist, der sonst aus keinem andern Material als allein aus großen zusammengefügten Balken besteht, und einem Hause gleichsieht. Dieser Bau ist im [113] Innern ganz mit Reisig angefüllt, außen aber mit golddurchwirkten Teppichen, elfenbeinernen Bildnissen und farbigen Gemälden aus geschmückt. Auf diesem viereckigen Bau steht ein zweiter, ebenso gestalteter und geschmückter, aber kleinerer, der offene Pforten und Fensterräume hat, dann wieder ein dritter und vierter, jedesmal kleiner als der vorhergehende, und zuletzt ein ganz kleiner, mit dem das Ganze abschließt. Man könnte die Gestalt des ganzen Aufbaues den Wartthürmen vergleichen, welche an den Seehäfen stehen, um nachts durch Feuerzeichen die Schiffe zu sicheren Landungsplätzen zu leiten, und die man im gewöhnlichen Leben Pharen5 nennt. Auf das zweite Stockwerk nun also bringt man das Bette, und setzt es daselbst nieder, und zugleich werden alle möglichen Arome und Spezereien, welche die Erde hervorbringt, auch wohl Früchte oder Kräuter und Flüssigkeiten des Wohlgeruchs wegen zusammengehäuft, hinauf gebracht und massenweis hingeschüttet. Denn da gibt es keine Provinz und keine Stadt, desgleichen keinen einzelnen in Würde und Ansehen stehenden Mann, der nicht dergleichen als letzte Ehrengeschenke für den Kaiser sich darzubringen beeiferte. Wenn nun eine möglichst große Masse solcher Arome beisammen und der ganze Raum damit erfüllt ist, so hält man den Umritt um das vorherbeschriebene Gerüst, und die gesammte Ritterschaft umreitet dasselbe im Kreise in wohlgegliederter Ordnung der sich hin und zurück bewegenden Evolutionen, in der Gangart und dem Takte des Pyrrhischen Reigens6. Auch Wagen umfahren dasselbe in ähnlicher Ordnung, auf denen Lenker in Purpurgewändern stehen, welche vor den Angesichtern die Portraitmasken aller berühmten römischen Feldherrn und Kaiser tragen. Ist [114] dies vorbei, so ergreift der Nachfolger des Kaisers eine Fackel, und nähert sie dem Gebäu, worauf alle Uebrigen dasselbe gleichfalls anstecken. Natürlich fängt Alles bei der Masse des dort aufgehäuften Reisigs und Räucherwerks augenblicklich Feuer. Aus dem obersten kleinsten Stockwerk aber, gleichsam von der Zinne, läßt man einen Adler fliegen, der mit dem Feuer zugleich sich in den Aether erhebt, und des Kaisers Seele, wie die Römer glauben, von der Erde zum Himmel trägt. Und von da an wird der Kaiser unter der Zahl der übrigen Götter verehrt.
3 Nachdem sie ihrem Vater diese Ehre erwiesen hatten, begaben sich die Söhne wieder in die Kaiserburg; von da ab aber lebten sie fortwährend mit einander in Zwiespalt und Haß, und trachteten einer dem andern nach dem Leben. Jeder von beiden ließ kein Mittel unversucht, sich des Bruders zu entledigen und die Alleinherrschaft an sich zu reißen. Natürlich war auch die Stimmung aller derjenigen getheilt, welche zu Rom in Ehren und Aemtern standen; denn jeder der beiden Kaiser setzte sich mit ihnen besonders in eine heimliche Verbindung, und versuchte, sie sich geneigt zu machen, und durch große Versprechungen auf seine Seite zu ziehen. Die Mehrzahl indessen blickte auf Geta; denn er suchte einen Schein von billiger Denkart zur Schau zu stellen, und erwies sich mäßig und sanftmüthig gegen die, welche ihm naheten. Auch waren seine Beschäftigungen ernsterer Art, er umgab sich mit gebildeten und gelehrten Männern von Namen und Ruf, und zeigte Eifer für die Palästra und andere einem freien Manne geziemende Leibesübungen. Gütig und menschenfreundlich wie er mit seinen Umgebungen war, erwarb er sich durch solchen Ruf und gute Meinung die Anhänglichkeit und die Neigung der Mehrzahl. Antoninus dagegen war in all’ seinem Thun gewaltsam und leidenschaftlich, hielt sich von den zuvor genannten Beschäftigungen7 völlig fern, und wollte nur für einen Soldaten- und Kriegsliebhaber gelten; und wie sein ganzes Thun wild leidenschaftlich, und Drohen [115] mehr als Ueberreden seine Sache war, so war es auch nur Furcht und nicht Wohlwollen, wodurch er sich Anhänger verschaffte. Während nun so die Brüder in all’ ihrem Thun und Treiben mit einander in einem Zwiespalt lebten, der sich auf die geringfügigsten Dinge erstreckte, machte die Mutter fortdauernd Versuche, sie zu versöhnen. Einmal waren sie auf den Einfall gekommen, um nicht durch längeres Zusammenbleiben in Rom einer dem andern Gelegenheit zu Nachstellungen zu gewähren, das Reich unter sich zu theilen. Sie versammelten also in Gegenwart ihrer Mutter die alten Räthe ihres Vaters, und forderten Theilung des Kaiserreichs, und zwar sollte Antoninus ganz Europa erhalten, das gegenüber liegende Asien benannte Festland dem Geta zufallen. „Denn solchergestalt,“ sagten sie, „seien ja auch bereits durch eine gewisse göttliche Vorsehung beide Welttheile durch die dazwischen strömende Propontis8 geschieden.“ Man kam überein, daß Antoninus bei Byzanz ein Heerlager aufstelle, Geta bei dem in Bithynien liegenden Chalcedon, so daß diese einander gegenüber lagernden Heere das Reichsgebiet eines jeden der beiden Kaiser schützen und den Uebergang verhindern sollten. Desgleichen beschloß man, daß von den Senatsmitgliedern die Europäer sämmtlich in Rom zurückbleiben, die aus Asien stammenden dagegen mit Geta dorthin zurückgehen sollten. Für seine Regierung, setzte Geta hinzu, würden Antiochia oder Alexandria eine ausreichend würdige Residenz sein, die ja, wie er meinte, Rom an Größe nicht viel nachstünden. Von den gegen Mittag gelegenen Provinzen sollte das Land der Mauren und der Numider nebst dem angrenzenden Theile von Libyen dem Antoninus übergeben werden, was aber weiter hinaus nach Morgen zu liege, solle dem Geta gehören. Während sie selbst nun diese Bestimmungen festsetzten, schauten alle andern Anwesenden mit niedergeschlagenen Mienen zu Boden. Die Julia aber sprach: „Erde und Meer, meine Kinder, werdet Ihr freilich Mittel finden, unter Euch zu theilen, und die beiden Festlande scheidet in der That bereits, wie Ihr sagt, die Meeresströmung von [116] einander. Wie aber wollt Ihr es möglich machen, Eure Mutter unter Euch zu theilen? und wie soll ich Unglückselige unter Euch zertheilt und zerstückt werden? Wohlan denn, so beginnt damit, erst mich zu tödten; dann eignet Euch jeder sein Theil von mir zu, und begrabet es jeder in seinem Reiche. Denn das wäre etwa die Weise, wie ich mit Meer und Land unter Euch vertheilt werden könnte.“ Als sie dies unter Thränen und Schluchzen gesprochen, umfaßte sie beide mit ihren Händen, zog sie in ihre Arme, und versuchte sie zu vereinigen. Jammer ergriff alle Anwesenden, die Sitzung ward aufgehoben und das Projekt aufgegeben, und jeder der beiden Kaiser zog sich in seinen Palast zurück.
4 Jedoch der Haß und die Zwietracht nahmen täglich mehr zu. Wenn es galt, Heerführer oder Beamte zu ernennen, so wollte jeder einen seiner Anhänger vorgezogen wissen. Wenn sie Recht sprachen, so waren sie immer entgegengesetzer Ansicht, nicht selten zum Verderben der streitenden Parteien; denn ihre gegenseitige Eifersucht überwog bei ihnen die Rücksicht auf Gerechtigkeit. Auch bei öffentlichen Theatervorstellungen nahmen sie immer für das Entgegengesetzte Partei. Zugleich wandten sie alle möglichen Arten von Nachstellungen gegen einander an, indem sie ihre Weinschenken und Mundköche zu bewegen suchten, Gift in die Speisen und Getränke zu thun. Damit kam aber keiner von beiden leicht zum Ziele, weil beide im Essen und Trinken die größte Sorgfalt und Vorsicht anwandten. Zugleich hielt sich Antoninus nicht länger, sondern getrieben von der Begier nach der Alleinherrschaft entschloß er sich, zu Schwert und Mord zu greifen, und einen entscheidenden Streich zu führen, oder zu erleiden. Denn da die heimlichen Nachstellungen nicht zum Ziele führten, hielt er ein gefährliches und verzweifeltes Vorgehen für nothwendig9 … [117] Bei jener war es Mutterliebe, bei diesem Verrath. Geta, in’s Herz getroffen, hauchte sein Leben in den Armen der Mutter aus, deren Brüste er mit Blut überströmte. Antoninus aber sprang, nachdem er die Mordthat vollbracht, eilends aus dem Zimmer, und durchlief den ganzen Palast, indem er laut schrie: er sei einer großen Gefahr entgangen, und nur mit Noth gerettet. Zugleich befahl er den Soldaten, welche die Wache im Palaste hatten, ihn schleunigst in’s Lager zu geleiten, um ihn dort vor weiterer Gefahr in Sicherheit zu bringen, „denn,“ sagte er, „wenn er noch länger in der Hofburg bliebe, sei es um ihn geschehen.“ Die Soldaten glaubten, da sie nicht wußten, was drinnen vorgegangen sei, seinen Worten, und eilten alle, während er Hals über Kopf voran lief, ihm hinterdrein. Bestürzung ergriff das Volk, als es den Kaiser gegen Abend so mitten durch die Stadt im vollen Laufe rennen sah10. In dem Augenblicke, wo er das Lager erreicht und sich in den Tempel gestürzt hatte, wo die Feldzeichen und Götterbilder des Heeres zur Verehrung aufgestellt sind, warf er sich zur Erde nieder, gelobte Dankspenden und vollzog Rettungsopfer. Als die Nachricht hiervon unter die Soldaten kam, von denen einige sich bereits im Bade befanden, andere sich schon zur Ruhe gelegt hatten, liefen alle erschreckt zusammen. Da trat er zu ihnen hinaus, gestand jedoch nicht sofort, was er gethan hatte, sondern schrie nur: er sei einer Gefahr und Nachstellung von Seiten eines Gegners und Feindes entgangen, – womit er den Bruder meinte, – und nur mit Noth und nach hartem Kampfe sei er der Angreifer Meister geworden. Beide Kaiser seien in Gefahr gewesen, und so sei doch wenigstens einer, er selbst, vom Schicksal gerettet worden. Indem er solche zweideutige Anspielungen fallen ließ, beabsichtigte er, daß sie das Geschehene vielmehr merken, als deutlich aus seinem Munde hören sollten. Er versprach ihnen ferner aus Anlaß seiner Errettung und seiner Alleinherrschaft jedem Soldaten [118] zweitausend fünfhundert attische Drachmen11, und vermehrte ihre gewöhnliche Löhnung durch einen Erhöhungszusatz um die Hälfte. Zugleich forderte er sie auf, selbst hinzugehen und aus den Tempeln und öffentlichen Schatzkasten sich das Geld zu holen, und so verschwendete er an einem Tage sinnlos Alles, was Severus während achtzehn Jahren aus dem Verderben anderer zusammengehäuft und eingekistet hatte. Als die Soldaten von so großen Geldsummen hörten, merkten sie was geschehen war, da sich auch die Kunde des Mordes bereits durch die aus dem Schlosse Flüchtenden verbreitet hatte; sie rufen ihn also zum Alleinherrscher aus, und erklären den Geta für einen Feind.
5 Antoninus blieb den Rest jener Nacht hindurch in dem Tempel des Lagers, und nachdem er Muth gefaßt und sich durch seine Freigebigkeiten die Soldaten gewonnen hatte, begab er sich in den Senat, begleitet von dem gesammten Kriegsvolke, das vollständiger gewaffnet war, als es sonst bei einer Begleitung des Kaisers Sitte ist. Nachdem er eingetreten war und geopfert hatte, bestieg er den kaiserlichen Thron, und sprach etwa folgendermaßen: „Ich weiß zwar sehr wohl, daß jeder Mord eines Verwandten, sobald man davon hört, verabscheut wird, und schon das Wort, sobald es nur in den Ohren erklingt, eine schwere Anklage mit sich bringt. Denn dem Unterliegenden wendet sich das Mitleid, dem Sieger der Neid zu, und der unterliegende Theil wird in solchen Fällen für ungerecht behandelt, der siegende für Unrecht übend angesehen. Allein wenn Jemand mit richtiger Erwägung und nicht mit Vorurtheil für den Gefallenen das Geschehene betrachten und Ursache und Grund desselben prüfen wollte, so würde er es ebensowohl natürlich als nothwendig finden, daß derjenige, der sich in dem Falle befindet, ein Unheil erleiden zu sollen, lieber sich dagegen wehrt, als es geduldig hinnimmt. Sonst fällt auf ihn, wenn er unterliegt, auch noch der Tadel der Feigheit, während der Sieger sich nicht bloß errettet, [119] sondern auch der Ruhm der Tapferkeit davonzutragen pflegt. Die einzelnen Fälle nun, in denen Er mir durch Gift und allen möglichsten Hinterlisten nachstellte, könnt Ihr selbst durch die Folterzeugnisse kennen lernen, und ich habe zu diesem Behufe befohlen, die betreffenden Personen aus seiner Dienerschaft Euch zu überantworten, damit Ihr die Wahrheit ausfindig machen könnt. Es sind aber einige derselben bereits peinlich befragt worden, und das Resultat dieser Untersuchung könnt Ihr hören. Was aber den letzten Fall betrifft, so griff er mich, als ich bei meiner Mutter war, mit einigen Bewaffneten an, die er eigends dazu angestiftet hatte. Dieses Anschlags war ich durch meine große Vorsicht und Behutsamkeit inne geworden, und wehrte mich daher gegen ihn, wie gegen einen Feind, da er sich ja weder seiner Gesinnung noch seinem Handeln nach als Bruder betrug. Sich aber gegen Leute wehren, die uns nachstellen, ist nicht nur rechtlich erlaubt, sondern auch herkömmlich. Ertrug doch auch der Gründer dieser Stadt selbst, Romulus, nicht einen Bruder, der doch bloß seine Unternehmungen übermüthig verspottete12. Ich schweige von Germanikus, dem Bruder Nero’s, und von Titus, dem Bruder Domitians13. Aber selbst Kaiser Markus, der so gern den Philosophen und Tugendhaften spielte, ertrug doch den Uebermuth des Lucius nicht, obschon derselbe sein Schwiegersohn war, sondern schaffte ihn sich heimlich vom Halse14. Ich aber habe bloß, nachdem Gift für mich bereitet und das Schwert gegen mich gezückt war, mich meines Feindes erwehrt, denn diesen Namen gaben ihm seine Thaten gegen mich. Ihr aber habt zunächst den Göttern zu danken, daß sie, wenn sie Euch auch nur den einen von beiden Kaisern erretteten, doch zugleich der Getheiltheit der Stimmungen und Parteigesinnungen ein Ende gemacht haben, und daß Ihr jetzt auf Einen hinblickend ohne Sorge leben könnt. Das Regiment verleiht Zeus, wie er selbst [120] es unter den Göttern allein hat, so auch über die Menschen nur Einem.“ Als er solches mit lauter Stimme gesprochen hatte, wobei er von Leidenschaft erfüllt mit wildem Blicke die Freunde seines Bruders in’s Auge faßte, verließ er die größtentheils zitternden und erbleichenden Versammelten, und kehrte eilig in die Kaiserburg zurück.
6 Sofort wurden alle Vertrauten und Freunde des Ermordeten niedergemetzelt, selbst diejenigen, welche sich in dem Theile des Palastes befanden, welchen jener bewohnt hatte15. Auch die Diener wurden sämmtlich umgebracht, und kein Alter ward verschont, selbst nicht die unmündigen Kinder. Die Leichen der Gefallenen schleppte man unter allen möglichen Beschimpfungen umher, dann wurden sie auf Wagen geladen, aus der Stadt geführt und zu Haufen verbrannt oder auch, wie es kam, hingeworfen. Keiner blieb am Leben, der nur einigermaßen dem Geta bekannt gewesen war16. Selbst die Athleten und Wagenlenker, und die Künstler in den verschiedenen Arten der Musik und des Tanzes, und alles, was derselbe gern gehört oder gesehen hatte, wurde ermordet. Aus dem Senate wurden alle, die sich durch Geburt oder Reichthum auszeichneten, aus den geringfügigsten Ursachen, oder, wenn gar keine solche vorliegen, auf irgend eine beliebige Verläumdung hin, als Freunde Geta’s um’s Leben gebracht. Sogar die Schwester des Commodus, die bereits Greisin und von allen Kaisern als Tochter des Markus in Ehren gehalten worden war, ließ er tödten, indem er es ihr als Schuld anrechnete: sie habe bei seiner Mutter über den Mord ihres Sohnes geweint. Seine frühere Gattin, die Tochter des Plautianus, die sich damals in Sizilien befand, desgleichen seinen Vetter, der nach dem Kaiser gleichfalls Severus hieß, sowie den Sohn des Pertinax und den Sohn von Commodus’ Schwester Lucilla, und was sonst [121] noch kaiserlichen Geschlechtes oder im Senate von edler Abkunft war, rottete er sammt und sonders aus. Auch in die Provinzen schickte er Abgesandte, und ließ die Militär- und Civilbefehlshaber derselben als Anhänger Geta’s umbringen. Ja jede Nacht brachte Hinrichtungen der verschiedenartigsten Individuen. Die Vestalinnen ließ er lebendig begraben, weil sie ihre Jungfrauschaft nicht bewahrt hätten. Zuletzt aber verübte er ein Stück, was man nie zuvor erlebt hatte. Als er nämlich einmal dem Wettrennen zuschaute, verspottete das Volk einen Wagenlenker, auf den er große Stücke hielt. Dies nahm er als eine persönliche Beleidigung auf, und gab der Leibgarde den Befehl, in das Volk zu fallen, es auseinander zu jagen, und diejenigen, welche auf den Wagenlenker geschimpft hatten, niederzuhauen. Die Soldaten ergriffen begierig diese Gelegenheit zu Vergewaltigung und Raub, und ohne zu untersuchen, wer die vorlauten Schreier gewesen – war es doch auch unmöglich, sie aus einer so ungeheuren Menschenmenge ausfindig zu machen, da Niemand sich schuldig bekennen mochte – ergriffen sie schonungslos jeden, der ihnen in die Hände fiel, schleppten sie fort und tödteten sie, oder schenkten ihnen erst, nachdem sie ihnen Alles, was sie hatten, als Lösegeld abgenommen hatten, mit genauer Noth das Leben.
7 Mitten unter solchen Thaten entschloß er sich endlich, getrieben von dem Bewußtsein seiner Schandthaten, und weil ihm der Aufenthalt in der Stadt verhaßt geworden war, sich von Rom fort zu begeben, unter dem Vorwande, die Zustände der Heerlager zu ordnen, und die Provinzen zu besichtigen. Er brach von Italien auf, und begab sich an die Ufer des Ister, wo er sich mit der Verwaltung der nördlichen Theile des Reichs zu thun machte, zur Uebung seines Leibes sich mit Wettfahren und mit der Erlegung aller Arten wilder Thiere beschäftigte, und nur selten Recht sprach, obschon er von Natur mit einem sehr scharfen Blicke für die Erkenntniß des streitigen Gegenstandes begabt und sehr geschickt war, auf das Gesagte Bescheid zu ertheilen. Auch gewann er sämmtliche dort wohnenden Germanen, die er zum Abschluß von Freundschaftsbündnissen bewog, in Folge [122] dessen er von ihnen Hülfstruppen empfing, aus denen er die tapfersten und kräftigsten Leute für sich auswählte, und sie zu seinen Leibwächtern machte. Oftmals legte er auch wohl den römischen Kriegsmantel ab, und kleidete sich in die Tracht der Germanen, wobei er sich denn in dem bei den Germanen üblichen Mantel, mit Silber gestickt, sehen ließ, und eine blonde nach germanischem Schnitt gestutzte Haarperücke auf den Kopf legte. Daran hatten natürlich die Barbaren ihre Freude, und gewannen ihn überaus lieb. Aber auch die römischen Soldaten hatten ihre Freude an ihm, hauptsächlich wegen der großen Geldgeschenke, die er verschwenderisch unter ihnen ausschüttete, und weil er Alles wie ein gemeiner Soldat mitmachte, und wenn es einen Graben zu graben gab, immer mit dem Spaten voran war, oder wenn eine Brücke zu schlagen, oder eine Schlucht zu dämmen war, mit einem Worte überall, wo es Arbeit der Hände und des Leibes gab, stets voran war. Dazu führte er einen sehr einfachen Tisch, und brauchte manchmal für sein Trinken und sein Essen sogar nur hölzerne Gefässe. Brod genoß er, wie er es fand: er mahlte nämlich eigenhändig so viel Getreide, als für seine Person genug war, machte einen Teig daraus, röstete ihn auf Kohlen und aß ihn dann. Ueberhaupt enthielt er sich aller kostbaren Dinge, dagegen das allerwohlfeilste, was selbst der ärmste Soldat sich leicht anschaffen konnte, das war ihm recht. Ferner gab er sich das Ansehen, als sei es ihm lieber, wenn sie ihn Kamerad, als wenn sie ihn Kaiser nennten17, [123] wie er denn auch meistentheils zu Fuße mit ihnen marschirte, auch selten nur einen Wagen oder ein Pferd bestieg, und seine Waffen selbst trug. Zuweilen nahm er sogar die Legionsfeldzeichen, die bei ihrer großen Länge und bei den vielen goldenen Weihezierathen, mit denen sie geschmückt sind, kaum von den stärksten Soldaten getragen werden können, auf seine Schultern, und trug sie selbst. Natürlich wurde er um dieser und ähnlicher Dinge willen von ihnen als ein ächter und rechter Soldat geliebt, und wegen seiner Körperstärke bewundert, und wohl war es der Bewunderung werth, daß in einem Körper von so kleiner Gestalt eine so große Fähigkeit zur Ertragung der schwersten Anstrengungen vorhanden war.
8 Nachdem er die Heereslager am Ufer des Ister gemustert hatte, und nach Thracien kam, das an Macedonien gränzt, spielte er sofort den Alexander, erneuerte die Erinnerung an denselben auf vielfache Weise, und befahl, dessen Porträts und Bildsäulen in allen Städten aufzurichten. Auch Rom erfüllte er mit Bildsäulen und Porträts, die er auf dem Kapitol und in andern Heiligthümern aufstellen ließ, und die ihn mit Alexander in Verbindung zeigten. An manchen Orten habe ich selbst belachenswürdige Bildnisse auf Gemälden gesehen, wo auf einem Körper unter dem Umfange eines Kopfes zwei Profilgesichter, eins des Alexander, das andere des Antoninus, zu sehen waren18. Er selbst zeigte sich öffentlich in Makedonischer Tracht, die Kausia19 auf dem Kopfe und Sandalen an den Füßen. Ferner bildete er aus einer erlesenen Anzahl Jünglinge eine Schaar, die er seine Makedonische Phalanx nannte, und deren Anführer die Namen von Generalen Alexanders führen mußten. Desgleichen ließ er aus Sparta Jünglinge kommen, welche er die Lakonische und die Pitanatische Abtheilung20 nannte. [124] Nachdem er dieses verrichtet und zugleich die Angelegenheiten der Städte, so gut es gehen wollte, geordnet hatte, zog er eilends nach Pergamon in Asien, wo er im Tempel des Asklepios eine Heilkur gebrauchen wollte21. Nachdem er dort angekommen war, und was er wollte, an Träumen erhalten hatte22, zog er nach Ilion. Hier kam er bei dem Besuche aller Ueberreste der alten Stadt an den Grabhügel des Achilleus, schmückte denselben mit Kränzen und Blumen auf das Kostbarste, und spielte zum zweiten hier die Rolle als Achilleus. Und um auch seinen Patroklos zu haben, veranstaltete er Folgendes. Er hatte unter seinen Freigelassenen einen besondern Liebling Namens Festus, welcher Vorstand des kaiserlichen Archives war. Dieser starb während seines Aufenthaltes zu Ilion, nach Einigen an Gift, das ihm der Kaiser beibrachte, um ihn als Patroklus bestatten zu können, nach Andern erlag er einer Krankheit. Dessen Leichnam nun also ließ der Kaiser herbeischaffen, und aus vielen Arten von Holz einen Scheiterhaufen errichten. Auf denselben legte er den Todten, schlachtete eine Menge von Thieren aller Art, worauf er das Ganze anzündete, eine Schaale ergriff, und betend dem Winde ein Trankopfer spendete. Sehr kahlköpfig, wie er war, bemühte er sich nun auch noch eine Haarlocke zu gewinnen, und auf den brennenden Scheiterhaufen zu legen, worüber ihn alle Welt auslachte; nichts destoweniger schor er sich alles Haar, was er besaß, vom Kopfe ab23. Unter den Heerführern erhob er übrigens am meisten den Römer Sulla und den Afrikaner Hannibal, und ließ deren Ehrenstandbilder und Porträtbildsäulen aufrichten. Dann brach er von Ilion auf, durchzog das übrige Asien, Bithynien und die andern Provinzen, besorgte dort die nothwendigen [125] Verwaltungsgeschäfte, und gelangte dann nach Antiochia. Hier prachtvoll empfangen verweilte er einige Zeit, und begab sich dann nach der Stadt Alexandria unter dem zur Schau getragenen Vorgeben: er habe Verlangen nach dieser von Alexander gegründeten Stadt, und wolle zugleich das Orakel des Gottes befragen, den die Bewohner von Alexandria vorzugsweise verehren24. Diese zwei Dinge nämlich affektirte er besonders hoch und wichtig zu halten: die Verehrung des Gottes und das Andenken des Helden. So gab er denn Befehl, Opferhekatomben und vielfache Arten von Sühnopfern zuzurüsten. Als die Nachricht hiervon dem Alexandrinischen Volke zu Ohren kam, das von Natur höchst leichtsinnig und durch die geringsten Veranlassungen in Bewegung zu setzen ist, war bald alle Welt dort außer sich vor Entzücken, als sie von des Kaisers Zuneigung und guter Gesinnung für ihre Stadt Kunde erhielten. So wurde ihm denn ein Empfang bereitet, wie er noch niemals einem Kaiser zu Theil geworden sein soll. Alle möglichen Arten von Musikchören, die an den verschiedensten Orten vertheilt waren, ließen die mannigfaltigsten Musikstücke erschallen. Arome und Räucherwerk aller Art dampften dem Einziehenden lieblichen Wohlgeruch entgegen, und mit Fackelzügen und Blumenwerfen ehrten sie den Kaiser. Als derselbe nun sammt seinem ganzen Heere in die Stadt eingezogen war, begab er sich zunächst in den Tempel, wo er viele Brandopfer vollzog und den Altären reichlichen Weihrauch spendete; von da zog er zum Grabe Alexanders, woselbst er den Purpurmantel, den er trug, sowie seine mit kostbaren Edelsteinen besetzten Ringe, seine Gürtel, und was er sonst noch Kostbares an sich trug, von sich that und auf den Sarg Alexanders legte.
9 Natürlich sah das Volk dies Alles mit außerordentlicher Freude, und die ganze Nacht hindurch überließ es sich dem Jubel und den Genüssen des Festes, ohne von des Kaisers heimlichem Plane eine Ahnung zu haben. Dieser hatte nämlich dies alles nur als ein [126] Schauspiel angestellt, weil er beabsichtigte, das Alexandrinische Volk zu verderben. Die Ursache seines geheimen Hasses war folgende. Es war zu seiner Kunde gekommen, während er sich noch in Rom befand, sowohl bei seines Bruders Lebzeiten, als nach der Ermordung desselben, daß sie viele beißende Witze auf ihn gemacht hätten. In der That sind die Alexandriner von Natur große Freunde des Spottes, und haben namentlich eine Geschicklichkeit in witzigen Schilderungen und Bonmots, mit denen sie die Großen vielfach heimsuchen, was ihnen selbst zwar sehr geistreich vorkommt, aber um so kränkender den davon Betroffenen; denn von solchen Dingen thun gerade die am wehesten, welche sich auf wirklich begangene Fehler rügend beziehen. So hatten sie denn auch viele Sticheleien auf den Kaiser gemacht, und darauf, daß er seinen Bruder aus dem Wege geräumt hätte, sie hatten seiner Mutter den Namen Jocaste25 gegeben, und spotteten ihn aus, daß er als ein so kleiner Knirps einen Alexander und Achilleus, die stärksten und gewaltigsten Helden, spielte. Dies Alles erschien in ihren Augen nur als ein Spaß, während sie doch dadurch den Antoninus, der von Natur rachsüchtig und blutdürstig war, dahin brachten, mit Hinterlist auf ihr Verderben zu sinnen. Als er nun also an ihren Volksfeierlichkeiten und Festen theilnehmend die ganze Stadt von einer ungeheuren Volksmenge erfüllt sah, die aus ihrer gesammten Umgegend dahin zusammengeströmt war, so gab er durch einen schriftlichen Erlaß den Befehl, daß die gesammte junge Mannschaft sich auf einem freien Platze versammeln solle, indem er vorgab, er wolle zu Ehren Alexanders aus ihnen eine Phalanx bilden, welche, wie die Macedonische und Spartanische, ihren Namen gleichfalls nach dem Helden führen sollte. Sofort hieß er alle jungen Leute sich in Reih’ und Glied aufstellen, um selbst jeden Einzelnen zu mustern, und sich zu überzeugen, ob er das gehörige Alter und die gehörige Größe und Wohlgestalt des Leibes für ein solches Corps besitze. [127] Diesen seinen Versprechungen schenkten die Jünglinge sämmtlich Glauben; sie überließen sich den freudigsten Hoffnungen, da er der Stadt zuvor so viele Ehre erwiesen hatte, und versammelten sich sammt ihren Eltern und Geschwistern, die sich mit ihnen über ihre Aussichten freuten. Antoninus seinerseits durchging ihre Reihen, wandte sich an jeden Einzelnen, und setzte, indem er jedem eine andere Freundlichkeit sagte, seine Musterung fort, bis er die nichts sehenden und nichts ahnenden mit seinem Kriegsheere rings im Kreise eingeschlossen hatte. Sobald er merken konnte, daß sie bereits vollständig von Bewaffneten umringt und gleichsam in einem Netze eingefangen seien, zog er sich nach beendeter Musterung mit der Leibwache, die er bei sich hatte, zurück; und nun fielen auf ein einziges Zeichen von allen Seiten seine Soldaten über die sämmtliche junge Mannschaft und über alle sonst noch anwesenden Zuschauer her, und machen sie auf alle mögliche Weise nieder, Bewaffnete gegen Unbewaffnete, die sie obenein von allen Seiten umzingelt hatten. Während nun ein Theil der Soldaten das Mordgeschäft vollzog, warfen Andere außerhalb des Kreises ungeheure Gruben auf, wohin sie die Fallenden schleppten und hineinwarfen, und sie so mit Leichen anfüllten, worauf sie Erde aufschütteten, und bald einen ungeheuren Leichenhügel aufthürmten. Viele wurden auch noch halb lebend in die Grube geschleppt, ja manche sogar, ohne verwundet zu sein, mit verscharrt. Aber auch von den Soldaten kamen nicht wenige um’s Leben; denn diejenigen, welche noch einigermaßen athmeten und Kräfte hatten, während man sie hinabstieß, schlangen sich um die Soldaten, und zogen sie mit hinab. So groß aber war das Blutbad, daß Ströme von Blut durch die Ebene flossen, und die Mündungen des Nils, so groß sie auch sind, und das ganze Ufer rings um die Stadt sämmtlich roth gefärbt waren. Nachdem er der Stadt dieses angethan hatte, brach er auf, und begab sich nach Antiochien.
10 Bald darauf verlangte ihn darnach, den Beinamen „Parthikus“ zu haben, und den Römern schreiben zu können, daß er die Barbaren des Orients besiegt habe, und so führte er denn mitten im [128] tiefen Frieden folgenden Streich aus. Er schickt an den König der Parther, welcher Artabanus hieß, eine Gesandtschaft in Begleitung von Geschenken aus allen möglichen reichen Stoffen und kostbarster Arbeit. Das Schreiben besagte, er habe den Wunsch, des Königs Tochter zur Ehe zu nehmen. Für ihn, den Kaiser und Sohn eines Kaisers, passe es sich nicht, der Schwiegersohn irgend eines Privatmannes und einer unbedeutenden Person zu werden, sondern eine königliche Prinzessin und Tochter eines großen Königs heimzuführen. Nun seien aber ihre zwei Reiche, das der Römer und der Parther, die größten der Welt. Wenn diese durch Heirathsbündniß zusammengebracht würden, so würden sie fortan, nicht mehr durch einen Gränzstrom geschieden, ein einziges Reich ausmachen, gegen das kein Widerstand aufkommen könne. Denn die übrigen barbarischen Völker, die diesen beiden Königreichen noch nicht unterwürfig seien, würden ihnen leicht zur Beute werden, da jedes Volk und jeder Verein von Stämmen seinen besondern Herrscher habe. Die Römer besäßen ein Fußvolk, das im Nahkampfe der Speerwaffe seines Gleichen nicht habe, die Parther dagegen zahlreiche Reiterei und den Ruhm der geschicktesten Bogenschützen. Wenn diese Dinge nun also zusammenkämen, und so alle Bedingungen zu glücklicher Kriegsführung sich vereinigten, so würden sie leicht die ganze Welt unter der Herrschaft eines einzigen kaiserlichen Diadems bringen. Ferner würden die Spezereien, welche bei ihnen die Natur hervorbringe, und ihre bewunderten Webereien, sowie die Metallarbeiten und sonstigen berühmten Kunstprodukte der Römer nicht mehr, wie bisher, nur mühsam und spärlich auf verstohlenem Wege von einem Volke zum andern eingeführt werden, vielmehr würden dieselben, wenn das Ganze ein Land und ein Reich sei, für beide Theile gemeinschaftlich und ungehindert zum Genusse kommen. Als der Parther diesen Brief von ihm erhalten hatte, wollte er anfangs nicht darauf eingehen, indem er erwiederte: ein Ehebund zwischen einem Römer und einer Ausländerin sei unpassend. Denn was werde das für eine Harmonie zwischen beiden geben, da keines des andern Sprache verstehe, und da sie auch in Lebensweise und Tracht von einander verschieden seien? Es gebe ja bei den Römern hochadlige Familien in großer Anzahl, aus denen er die Tochter irgend [129] eines (Patriziers) sich erwählen könne, wie bei ihm die Arsaciden, und keiner von ihnen beiden habe nöthig, sein Geschlecht durch eine Mißheirath zu verbastarden.
11 So lehnte er anfangs mit solchen Gegenbescheiden den Antrag ab. Als aber Antoninus in ihn drang, und durch reiche Geschenke und Eidschwüre seinem Verlangen nach dem Ehebündnisse und seiner aufrichtigen Gesinnung Glauben zu bereiten fortfuhr, da läßt sich der Barbar endlich überreden, verspricht ihm seine Tochter zu geben, und nennt ihn seinen zukünftigen Schwiegersohn. Als diese Kunde sich verbreitete, bereiteten sie Alles auf’s Beste zum Empfange des Römerkaisers, und freuten sich der Aussicht auf einen immerwährenden Frieden. So überschritt Antoninus ungehindert die Flüsse, und rückte mit seinem Heere in das Parthische Gebiet ein, als wäre es bereits sein eigen, während ihm überall Opfer zugeführt und Altäre bekränzt, und Räucherwerk und Spezereien aller Art von den Barbaren herbeigebracht wurden, über welches alles er sich sehr erfreut stellte. Als er nun immer weiter vorrückend den größten Theil des Weges zurückgelegt hatte, und sich bereits dem königlichen Hoflager des Artabanus näherte, da wartete Artabanus seine Ankunft nicht ab, sondern zog ihm entgegen zum Empfange auf die Ebene vor die Stadt, und hieß ihn willkommen als den Bräutigam seiner Tochter und seinen Eidam. Das gesammte Volk der Barbaren aber, mit den einheimischen Blumen bekränzt und mit buntfarbigen goldgestickten Gewanden angethan, feierte den Tag als ein Fest, und nach dem Klange der Flöten, Syringen und Tamburine tanzten sie ihre schöngeordneten Tänze, – denn sie lieben es, sich in solchem Tanze zu bewegen, wenn sie etwas mehr als gewöhnlich Wein getrunken haben. Als sich nun das ganze Volk versammelt hatte, stiegen sie von den Pferden, legten Köcher und Schießzeug ab, und machten sich an das Spenden der Trankopfer und an das Trinken. Es hatte sich aber eine überaus große Volksmenge der Barbaren versammelt, und sie standen, wie es sich traf, bunt durcheinander umher, da sie nichts Arges vermutheten, und jeder nur darauf bedacht war, den Bräutigam zu sehen. Da [130] plötzlich gibt Antoninus durch ein verabredetes Zeichen seinem Heere den Befehl, die Barbaren anzugreifen und niederzumachen. Entsetzt durch den Angriff, durch Hieb und Stich verwundet, wandten sie sich in die Flucht. Artabanus selbst, von den ihn umgebenden Trabanten aus dem Getümmel gerissen und auf ein Pferd gesetzt, entkam nur mit Noth in Begleitung Weniger. Die ganze übrige Volksmenge der Barbaren wurde niedergemetzelt, da sie ihre Pferde nicht, wie sie pflegten, zur Hand hatten – denn sie waren abgestiegen, und hatten dieselben auf die Weide gehen lassen – und sich nicht durch schnelles Laufen flüchten konnten, weil ihre lange weit um die Füße bauschende Kleidung sie daran hinderte; Köcher und Schießzeug hatten sie auch nicht, denn was sollten sie damit beim Hochzeitfeste? So richtete denn Antoninus eine große Niederlage unter den Barbaren an, worauf er, beladen mit Beute und zahlreichen Gefangenen, ohne Widerstand zu finden sich davon machte, unterwegs Dörfer und Städte in Brand steckte, und seinen Soldaten Erlaubniß gab, nach Möglichkeit und Lust für sich zu rauben und zu plündern. Solch ein schwerer Schlag traf also ganz unversehens die Barbaren. Antoninus durchzog hierauf noch ein großes Stück des Partherlandes, bis selbst seine Soldaten endlich des Plünderns und Mordens satt wurden, worauf er denn nach Mesopotamien zurückkehrte. Unmittelbar nach seiner Ankunft sendet er Botschaft an Senat und Volk der Römer: er habe den ganzen Orient bezwungen, und alle dortigen Königreiche hätten sich ihm unterworfen. Der Senat wußte zwar den wahren Zusammenhang der Dinge sehr gut, – denn Thaten eines Kaisers können unmöglich verborgen bleiben, – allein aus Furcht und Schmeichelei erkennen sie ihm durch Beschluß alle Siegesehren zu. Antoninus verweilte hierauf noch weiter in Mesopotamien, wo er sich mit Rennfahren und mit dem Tödten aller möglichen wilden Thiere beschäftigte.
12 Nun hatte er aber zwei Oberbefehlshaber des Heeres, von denen der eine bereits ziemlich hoch in Jahren, übrigens ein unwissender [131] Mensch und ohne alle Erfahrung in Staatsgeschäften war, aber in dem Rufe eines tüchtigen Soldaten stand; Adventus war sein Name. Der zweite hieß Makrinus, war im Rechtswesen und Rechtsgeschäften wohlerfahren, und namentlich ein ausgezeichneter Gesetzkundiger. Diesen letzteren nun machte er häufig vor aller Welt zum Gegenstande seines Spottes, weil er kein Soldat und kein tapfrer Degen, und ging damit bis zu entehrenden Schmachreden. Denn als er erfuhr, daß derselbe eine gute Tafel führe, und über die schlechten und gemeinen Speisen und Getränke die Nase rümpfte, an denen bekanntlich Antoninus, weil ihm das soldatenmäßig dünkte, Gefallen fand, auch auf seine Kleidung, mochte es der Kriegsmantel oder sonst ein anderes Gewand sein, besondere Sorgfalt verwende, so machte er ihm daraus den Vorwurf der Unmännlichkeit und Weiberkrankheit, und drohte ihm beständig, ihn umbringen zu lassen. Das Alles war dem Makrinus unerträglich, und erhielt ihn in beständiger Entrüstung. Nun ereignete sich Folgendes; – denn endlich mußte es doch ein Ende nehmen26 mit dem Leben des Antoninus. Ueber die Maßen neugierig nämlich, wie er war, wollte er nicht nur alles Menschliche wissen, sondern auch auf das Göttliche und Dämonische seinen Fürwitz ausdehnen. Und da er stets alle Welt in Verdacht einer Absicht gegen sein Leben hatte, befragte er alle möglichen Orakel, und ließ von allen Orten her die berühmtesten Magier, Sterndeuter und Opferschauer zu sich kommen; auch blieb ihm keiner von denen unbekannt, die von dieser Art Zauberkunst Profession machten. Weil er sie nun aber doch immer in Verdacht hatte, daß sie ihm nicht die Wahrheit verkündeten, sondern ihm nur mit ihren Orakelsprüchen zu schmeicheln beabsichtigten, so schrieb er an einen gewissen Maternianus, den er damals mit Vollziehung aller seiner Regierungshandlungen zu Rom an seiner Stelle betraut hatte, weil er ihn für den treuesten von allen [132] seinen Anhängern hielt, und ihn allein zum Vertrauten aller seiner Geheimnisse machte, und gab ihm den Auftrag: die ausgezeichnetsten Magier auszusuchen, und mittelst einer Todtenbeschwörung in Erfahrung zu bringen, welches das ihm (dem Kaiser) gesteckte Lebensziel sei, und ob Jemand vielleicht gegenwärtig nach der Krone trachte. Maternianus vollzog, ohne sich zu bedenken, die ihm von dem Kaiser gegebenen Befehle, und sei es nun, daß die beschwornen Geister27 wirklich diese Weissagung gaben, oder daß er sonst den Makrinus zu Falle bringen wollte, – genug, er schreibt dem Antoninus: „der ihm nach der Krone trachte, sei Makrinus, und es sei nöthig, daß er sich desselben entledige.“ Nachdem er dies Schreiben versiegelt hatte, gab er dasselbe, wie gewöhnlich, mit noch andern Briefen den Boten, welche nicht wissen, was sie tragen. Diese legten die Reise mit der gewohnten Schnelligkeit zurück, und traten vor den Antoninus hin, als derselbe eben bereits die Tracht eines Wagenlenkers angethan hatte, und im Begriff stand, auf den Wagen zu steigen, und überbringen ihm das ganze Paket Briefe, unter denen sich auch das Schreiben über den Makrinus befand. Antoninus aber, dessen ganze Leidenschaft und Gedanken bereits bei dem Wagenrennen waren, befiehlt dem Makrinus, bei Seite zu gehen und für sich allein die Briefschaften durchzusehen, und wenn etwas Dringliches darin sei, es ihm anzuzeigen, wenn nicht, selbst wie gewöhnlich als Präfekt die nöthigen Verfügungen zu treffen. Solch ein Befehl war bei ihm eine oft vorkommende gewöhnliche Sache, und so wandte er sich denn auch jetzt, nachdem er ihn ertheilt hatte, ganz auf seine vorhabende Beschäftigung28. Als Makrinus sich zurückgezogen hatte29, erbricht er die Briefe, und so fällt ihm denn auch der ihm Tod bringende in die Hände, und öffnet ihm die Augen über die Gefahr, an deren Abgrunde er steht. Da er den Jähzorn des Antoninus kannte, und sich [133] vorstellen konnte, zu welchem blutigen Verfahren ihn ein Schreiben solcher Art bewegen würde, zumal hier obenein noch ein sehr scheinbarer Vorwand gegeben war, so unterschlägt er diesen Brief, und meldet in Betreff der übrigen, daß nichts Außergewöhnliches darunter sei.
13 Da er nun aber besorgte, daß Maternianus ein zweites Schreiben gleichen Inhalts abgehen lassen möchte, so beschloß er, lieber selbst eine That zu wagen, als unthätig leidend sein Schicksal zu erwarten. Er unternimmt also folgendes Wagstück. Unter den Leibwächtern des Antoninus befand sich ein gewisser Centurio Namens Martialios, welcher den Kaiser immer begleitete. Dessen Bruder hatte derselbe auf eine bloße Verläumdung hin ohne überführende Beweise vor wenigen Tagen hinrichten lassen, ihn selbst, den Martialios, aber mit Spöttereien beleidigt, ihn einen Unmännlichen und Feigling und einen Spießgesellen des Makrinus genannt. Von diesem Manne wußte Makrinus, daß er sich schwer grämte über seines Bruders Ermordung, und zugleich keine Lust hatte, die ihm widerfahrenen Beleidigungen zu ertragen; er läßt ihn also zu sich kommen – er hatte nämlich großes Vertrauen auf seine Ergebenheit von langer Zeit her, die er sich auch durch viele ihm erzeigte Wohlthaten erworben hatte – und redet ihm zu, eine günstige Gelegenheit wahrzunehmen, und dem Antoninus den Garaus zu machen. Der Centurio, auf den die Versprechungen des Makrinus großen Eindruck machten, und der auch ohnedieß von Haß erfüllt war und für seinen Bruder Rache zu nehmen Verlangen trug, verspricht, daß er gern sein Bestes thun wolle, sobald er eine günstige Gelegenheit gefunden haben würde. Nun traf es sich nicht lange nach dieser Berathung, daß Antoninus, der in der Mesopotamischen Stadt Karrhä30 verweilte, Lust bekommen hatte, von seinem kaiserlichen Hoflager aus einen Abstecher [134] nach dem Tempel der Selene zu machen, welcher die Eingebornen dort eine ganz besondere Verehrung erwiesen. Nun war der Tempel aber weit von der Stadt entfernt, so daß es einer förmlichen Reise dahin bedurfte. So trat er denn mit wenigen Reitern, um nicht das ganze Heer in Athem zu setzen, die Reise an, weil er eben nur der Göttin zu opfern und dann sofort zurückzukehren beabsichtigte. Auf der Hälfte des Weges hieß er, gedrängt von einer Nothdurft, alle seine Begleiter zurückbleiben, und ging mit einem einzigen Diener beiseite, um sich seiner Beschwerniß zu entledigen. Natürlich hatten sich alle sofort abgewendet, und möglich weit zurückgezogen, wie es Schicklichkeit und Ehrfurcht verlangten. Martialios aber, der unaufhörlich auf eine günstige Gelegenheit lauerte, sah ihn nicht sobald allein, als er angeblich von ihm durch einen Wink berufen, um eine Frage zu beantworten oder einen Auftrag zu vernehmen, zu ihm hinlief, in dem Augenblicke, wo er sich die Kleider von den Hüften niederzog, auf ihn eindrang, und ihn von hinten mit einem Dolche stach, den er unbemerkt in Händen gehabt hatte. Der Stoß war tödtlich, denn er traf genau das Genick, und Antoninus wurde unvermuthet und unversehens ein Raub des Todes. Als er niederfiel, schwang sich Martialios auf ein Pferd und floh. Allein die Germanischen Reiter, die Lieblingsleibtrabanten des Antoninus, die nicht soweit entfernt standen, wie die andern, und zuerst das Geschehene bemerkten, setzten dem Martialios nach, und erschossen ihn mit ihren Wurfspeeren. Als nun auch das übrige Heer Kunde von dem Geschehenen erhielt, entstand ein allgemeiner Zusammenlauf, und Makrinus war der Erste, der zu dem Gefallenen hintrat, und sich in heuchlerisches Wehklagen und Jammern ergoß. Das gesammte Heer war schwer betrübt über das Geschehene, denn sie sahen es an, als ob sie einen Kameraden und Lebensgenossen, nicht aber ihren Herrscher verloren hätten. Auch hatten sie keinen Verdacht, daß die Nachstellung von Makrinus ausgegangen sei, sondern vermeinten, Martialios habe aus persönlichem Hasse sich gerächt. So gingen sie denn Alle zu ihren Zelten zurück. Makrinus aber übergab die Leiche dem Feuer, sammelte die Asche in einer Urne, und übersandte sie der in Antiochia Hof haltenden Mutter zur Bestattung. Diese aber, nachdem sie von ihren beiden Söhnen solches Schicksal erfahren hatte, starb, man weiß nicht, ob freiwillig [135] oder gezwungen, den Hungertod. – Ein solches Ende nahmen Antoninus und seine Mutter Julia, nachdem sie gelebt hatten, wie im Vorigen erzählt worden ist. Die Summe aber der Zeit, in welcher er allein die Kaiserwürde bekleidete, ohne Vater und Bruder, betrug gerade sechs Jahre.
14 Nachdem Antoninus gestorben, war das Heer durchaus unschlüssig, was es beginnen und thun sollte. Sie verblieben zwei Tage lang ohne Kaiser, und sannen hin und her, wen sie zum Kaiser machen sollten. Denn bereits hieß es, daß Artabanus mit viel Volk und Heeresmacht heranrücke, um gerechte Rache zu nehmen für die mitten im Frieden und Freundschaftsbunde Hingemordeten. So erwählen sie denn zuerst zum Kaiser den Adventus, den sie als einen tüchtigen Kriegsmann und nicht schlechten Präfekten kennen gelernt hatten. Dieser aber schützte sein Alter vor, und lehnte die Wahl ab. Darauf wählten sie den Makrinus auf Zureden der Tribunen, die auch später in den Verdacht kamen, Mitverschworene und Genossen des Makrinus bei seinem Anschlage gegen den Antoninus gewesen zu sein; jedenfalls wurden sie nach dem Tode des Makrinus bestraft, wie wir weiterhin an seiner Stelle erzählen werden. So erhielt denn Makrinus die Kaiserwürde nicht sowohl durch die Liebe und das Zutrauen der Soldaten, als vielmehr im Drange der Noth des gegenwärtigen Augenblicks. Während dies vorging, erscheint Artabanus mit ungeheurem Volk und Heeresmacht, zahlreicher Reiterei und vielen Bogenschützen, sowie mit Panzerreitern31, die von Kameelen herab lange Spieße warfen. Auf die Nachricht von seinem Heranrücken berief Makrinus seine Soldaten zusammen, und hielt folgende Rede:„ Daß Ihr alle schwer betrübt seid über den Verlust eines solchen Kaisers, oder, um die Wahrheit zu sagen, eines solchen Kameraden, ist kein Wunder. Allein vernünftigen Menschen ziemt es, Unglücksfälle zu ertragen und Schicksalsschläge gelassen hinzunehmen. Sein [136] Andenken wird in Euren Herzen ruhen, und von Euch der Nachwelt überliefert werden, wo es zum unsterblichen Ruhme der großen Thaten gereichen wird, die er gethan, und der Liebe und Zuneigung, die er Euch bewiesen, und der Mühsale, die er gemeinsam mit Euch bestanden hat. Jetzt aber, wo Ihr dem Angedenken des Verstorbenen die gebührende Ehre erwiesen, und allen heiligen Pflichten gegen ihn Genüge geleistet habt, ist es Zeit, uns an dasjenige zu machen, was dringend Noth thut. Ihr seht, daß der Barbar mit der gesammten Heeresmacht des Morgenlandes uns auf den Leib rückt, und daß er wohl gegründeten Anlaß zu seiner Feindseligkeit zu haben glaubt. Denn wir haben ihn herausgefordert, indem wir die Verträge gebrochen, und in tiefem Frieden den Krieg angefacht haben. So hängt denn jetzt das ganze Römerreich von Eurer Tapferkeit und Treue ab. Denn es handelt sich bei diesem Kampfe nicht um Grenzen des Landes, oder um Flüsse und Ströme, sondern um Alles32, gegenüber einem mächtigen Könige, der seine Kinder und Verwandten rächen will, die er ungerechterweise und gegen beschworene Verträge hingemordet glaubt. So laßt uns denn zu den Waffen greifen, und uns mit der den Römern gewöhnlichen guten Haltung in Schlachtordnung stellen. Denn in regelmäßigen Feldschlachten wird sicher die ungeordnete und zufällig zusammengestellte Masse der Barbaren sich selber hinderlich sein, während Eure wohlgeordnete und gut geübte kampferfahrene Streitmacht Euch zum Heile und jenen zum Verderben gereichen wird. So kämpft denn fröhlichen Muthes, wie es Römern ziemt und eigen ist. Denn dadurch werdet Ihr die Barbaren zurückwerfen, und, mit Ruhm und Ehre bedeckt, vor den Römern und allen Menschen zugleich die frühere Siegesnachricht zu einer Wahrheit machen, indem Ihr nicht mit List und Betrug Verträge gebrochen und Unrecht verübt, sondern mit gewaffneter Hand zugleich die Feinde überwunden habt.“ Nachdem er dergestalt gesprochen hatte, stellten sich die Soldaten, welche den Drang der Nothwendigkeit einsahen, in Schlachtordnung, und blieben unter den Waffen. Mit Aufgang der Sonne erschien Artabanus mit ungeheurer Heeresmacht. Die Barbaren begrüßten, wie es bei ihnen Sitte ist, [137] die Sonne, erhoben ein gewaltiges Schlachtgeschrei, und machten unter beständigem Pfeilschießen Reiterangriffe auf die Römer. Die Römer aber, welche ihre Schlachthaufen in guter Ordnung und Deckung aufgestellt, an den beiden Flügeln die Reiterei und die Maurischen Schützen postirt, und die Zwischenräume mit leichtem zum schnellen Vorbrechen geschickten Fußvolke gefüllt hatten, empfingen die Barbaren sehr tapfer. Die Barbaren freilich thaten ihnen großen Abbruch durch die Menge ihrer Bogenschützen und durch die langen Speere der Panzerreiter, mit welchen diese von ihren Pferden und Kameelen herab ihnen überall Wunden beibrachten. Die Römer dagegen gewannen über die im Nahekampfe mit ihnen Streitenden leicht die Oberhand, da aber die zahlreiche Reiterei und die vielen Kameele ihnen großen Schaden thaten, so machten sie einen Scheinrückzug, und warfen dabei Fußangeln und andere eiserne Werkzeuge, mit sehr spitzen Widerhaken versehen, auf das Feld, die im Sande verborgen und, von den Roß- und Kameelreitern nicht gesehen, ihnen sehr verderblich wurden. Denn sobald die Pferde und namentlich die Kameele, die sehr zarte Hufe haben, darauf traten, so knickten sie ein, wurden lahm und warfen ihre Reiter ab. Nun aber kämpfen die dortigen Barbaren, so lange sie auf ihren Pferden und Kameelen sind, sehr tapfer, sind aber, sobald sie von denselben absteigen und herunter geworfen werden, sofort in der Hand der Feinde, da sie den Nahekampf nicht bestehen können, während sie, wenn es zu fliehen oder zu verfolgen gilt, durch ihre Kleidung gehindert werden, welche ihnen in weiten Falten Schenkel und Füße umbauscht. Indessen kämpfte man am ersten und zweiten Tage von früh bis zum Abend, und nur die einbrechende Nacht machte dem Kämpfen ein Ende, worauf dann beide Theile sich in der Ueberzeugung, gesiegt zu haben, in ihre Lager zurück begaben. Am dritten Tage rückten sie auf’s Neue auf demselben Felde gegen einander zum Kampfe. Die Barbaren, welche den Unsrigen an Zahl bedeutend überlegen waren, versuchten, die Römer zu umgehen und zu umzingeln. Die Römer aber stellten ihre Abtheilungen33 nicht mehr in Tiefstellung auf, sondern zogen sie in langer Linie auseinander, und verhinderten [138] so stets den Versuch der Umgebung. So groß war die Menge der erschlagenen Menschen und Thiere, daß das ganze Blachfeld davon voll wurde, und ungeheure Leichenhaufen sich hoch emporthürmten, zumal von Kameelen, die über einander hinstürzten. Natürlich wurden dadurch die Streitenden am Sturmangriffe gehindert, ja sie konnten einander nicht einmal mehr recht sehen, da so zu sagen ein großer und schwer übersteiglicher Wall in der Mitte von den Leichen sich aufgehäuft hatte, der sie verhinderte, sich gegenseitig anzugreifen. So zogen sich denn beide Theile in ihr Lager zurück. Makrinus indessen glaubte zu bemerken, daß Artabanus aus keiner andern Ursache so hartnäckig den Kampf fortsetze, als weil er glaubte, daß er gegen Antoninus fechte; – denn während sonst die Barbaren gewöhnlich sehr leicht müde zu werden und den Kampf aufzugeben pflegten, sobald sie nicht in den ersten Angriffen einen Erfolg davontragen, harrten sie jetzt aus, entschlossen nach Wegräumung und Verbrennung ihrer Todten den Kampf zu erneuern, da sie nicht ahnten, daß der Urheber aller Feindseligkeit todt sei. Er schickt also eine Gesandtschaft, und läßt dem Partherkönige sagen: der Kaiser, welcher wider den beschworenen Vertrag gefrevelt habe, sei todt, und habe den gerechten Lohn seiner Thaten empfangen; die Römer, denen die Herrschaft gehöre, hätten ihm die kaiserliche Gewalt in die Hände gelegt, und er seinerseits mißbillige nicht nur das Vorgefallene, sondern sei auch bereit, die noch vorhandenen Gefangenen freizugeben und das geraubte Gut zurückzuerstatten, aus einem Feinde einen Freund zu machen und den Frieden durch beschworene Verträge zu besiegeln. Als Artabanus hiervon Kenntniß erhielt, und durch die Abgesandten die Ermordung des Antoninus erfuhr, glaubte er, daß der Bundbrüchige genügende Strafe empfangen habe, und da sein Heer starke Verluste erlitten hatte, war er es wohl zufrieden, die Gefangenen und das geraubte Gut ohne weiteres Blutvergießen zurückzuerhalten; er schloß also mit dem Makrinus Frieden, und kehrt in sein Reich zurück. Dieser aber machte dem weiteren Verweilen des Heeres in Mesopotamien ein Ende, und zog gen Antiochia.
Anmerkungen
1 Der römische Kaiserpalast war in der That ein stadtgroßer Complex von Gebäuden mannigfacher Art, die sich in zwei Haupt-Abtheilungen, in das „Haus des Augustus“ und das „Haus des Tiberius“ schieden. Die letztere Abtheilung bedeckte den Theil des Palatinhügels, der nach der Seite des Circus Maximus sich hinstreckt. Caligula und zumal Nero erweiterten den Umfang bis zu den Esquilien hinüber (s. Sueton Nero Kap. 31.), doch beschränkte Kaiser Vespasian, der übrigens dort zu wohnen vermied, den Umfang des Palatiums wieder auf die alten Grenzen, indem er den größten Theil von Nero’s Neubauten in gemeinnützige Anlagen (Bäder etc.) verwandelte und Privaten überließ. Domitian vollendete dagegen den Prachtbau der römischen Kaiserhofburg, die sich theilweise noch bis in’s Mittelalter in wohnlichem Zustande erhielt. Vgl. Realencyklop. Th. VI. 1. S. 521 und Ein Jahr in Italien I, S. 164–165. II, S. 277 und 281.
2 Nach Casaubonus war dies Heiligthum das sogenannte Antonineum, d. h. das Mausoleum des Antoninus, zu welchem Severus noch ein eigenes unter dem Namen des Septizonium hinzugefügt hatte. Vgl. Ein Jahr in Italien II, 277.
3 Ist nicht genau. Die Apotheose war eine Ehre, die von dem guten Willen des Nachfolgers und der Bestimmung des Senats abhing. Ein so apotheosirter Kaiser hieß Divus, so Cäsar Divus Julius. Vgl. Suet. Cäsar Kap. 88. Auch Kaiserinnen wurden zuweilen dieser Ehre der „Consetration“, wie es die Römer nannten, gewürdigt. Vergl. Sueton Claud. Kap. 11.
4 Ueber diesen Eid spricht Plutarch im Leben des Cicero Kap. 23. Die Konsuln schworen am Ende ihres Magistratsjahres feierlich: daß sie ihr Amt den Gesetzen und der Verfassung getreu verwaltet. Vgl. Realencyklopädie II, S. 628.
5 Dieser Name kommt von der Insel Pharus bei Alexandria, auf welcher König Ptolemäus II. von Aegypten einen grandiosen Leuchtthurm aus weißem Marmor aufführen ließ.
6 „So nannte man in Griechenland einen Waffentanz, in welchem die kriegerischen Bewegungen des Angriffs und der Vertheidigung nach dem Schalle der Musik im Takte dargestellt wurden.“ Osiander. Aus Abbildungen bei Bisconti (Mus. Pio-Clem. IV, 9.) ersehen wir, daß dabei zwei Ordnungen Bewaffneter in rhythmischem Takte bald vordringend, bald zurückweichend sich gegen einander bewegten.
7 Geta’s, der sich mit Gelehrten, Künstlern u. s. f. zu thun machte.
8 Wörtlich: Vormeer des Pontus, d. h. das kleine Meer (Mare di Marmora), welches durch den Hellespont mit dem „innern Meer“ und durch den Thrazischen Bosporus mit dem Pontus Euxinus (dem schwarzen Meere) in Verbindung steht.
9 Hier folgt im Texte eine Lücke, welche in einer Handschrift mit einigen Veränderungen so ergänzt wird: „Als sie daher einst ihre Mutter besuchten, Geta aus kindlicher Liebe, Antoninus aus hinterlistiger Absicht, so erstach dieser seinen Bruder.“ Dio Cassius 77, 2 erzählt: Geta sei durch die Offiziere des Antoninus in dessen Gegenwart und in den Armen seiner Mutter, der Kaiserin Julia Domna, ermordet worden. Osiander.
10 Es liegt neben dem Gräßlichen der Greuelthat auch etwas eigenthümlich Gassenbubenhaftes in diesem Behaben des kaiserlichen Brudermörders, das allerdings wohl geeignet war, selbst den römischen Pöbel zu erschrecken, wie es für uns kaum einen Zug gibt, der klarer als dieser die sittliche Versunkenheit dieser Cäsarenzeit darstellte.
11 Gegen sechshundert Thaler Preußisch.
12 Hier hören wir den leibhaften Pedanten Herodian in eigener Person deklamiren.
13 Ueber den Mord, den Nero an seinem Stiefbruder Britannikus (Germanikus hieß er früher) und Domitian an seinem leiblichen Bruder Titus verübte, lesen wir das Nähere bei Sueton Nero Kap. 33. Domit. Kap. 2.
14 Capitolinus (Leben Marc Aurels Kap. 15.) erklärt dies Gerücht für eine nichtswürdige Verläumdung.
15 Die nächsten Vertrauten und Hofbeamten wohnten im Palaste. Vgl. Sueton’s Nero Kap. 47.
16 Dio Cassius rechnet die Zahl der Opfer des Tyrannen auf zwanzigtausend.
17 Augustus hatte dagegen für sich und seine Familie sogar verboten, die Soldaten mit dem Worte Kameraden (commilitones) anzureden, weil ihm das der Würde des Kaiserthums unangemessen schien (Sueton. Aug. Kap. 25.). Anders wurde dies in den Zeiten, wo die Kaiser sich mehr und mehr allein auf die Soldaten stützten, und, wie hier Caracalla, nach dem Ruhme eines ächten Unteroffiziers geizten. Hatte doch selbst Severus seinen Söhnen die Maxime hinterlassen: „Nur die Soldaten gut zu halten, und alle übrigen Unterthanen für Nichts zu achten!“ In den noch späteren byzantinischen Zeiten war diese Schmeichelei gegen die Soldaten etwas ganz Gewöhnliches. In der militärischen Rhetorik eines anonymen byzantinischen Schriftstellers (Anonymi Byzant. Rhet. militaris I, p. 14 ed. Köchly) heißt es in einem Briefe eines Kaisers an die Soldaten, den der General erdichtet, um das Heer zu ermuthigen: „Seid eingedenk der Liebe, die ich Euch bewiesen, und wie ich aus Wohlgefallen an Euch mich selbst Soldat (στρατιώτης) nennen zu lassen liebe, um Euer Kamerad (συστρατιώτης) heißen zu dürfen.“
18 Vgl. Torso von Ad. Stahr Th. II, S. 33–34.
19 So hieß der Makedonische Hut.
20 Auf Griechisch „Lochos“, was etwa der römischen Kohorte entspricht. Die Abtheilungen wurden jedoch von Caracalla sicher nicht Kohorte, sondern „Lochos“ genannt. Pitana war eine Ortschaft nahe bei der lakonischen Hauptstadt. Ueber den Pitanatischen Lochos vgl. Göller zu Thucyd. I, 20.
21 Pergamon, seit Lysimachus und den Pergamenischen Königen eine durch Reichthum, Wissenschaft und Kunst berühmte Stadt (s. Torso II, S. 71–72), war zugleich die Vaterstadt des berühmten Arztes Galen, und der Sitz eines uralten Kultus des Heilgottes Asklepios.
22 „In den Tempeln des Aesculapius suchten die Alten Hülfe in Krankheiten, indem sie sich dort zum Schlafe niederlegten, und meinten, daß ihnen der Gott im Traume die Heilmittel offenbare.“ Osiander.
23 Man vergl. Homer: Iliade 23, 135–149. und Arrian: Feldzüge Alexanders I, 11. 12.
24 Den Aegyptischen Gott Serapis.
25 Jocaste, Gattin des Oedipus, und von diesem Mutter des Eteokles und Polynices, suchte diese feindlichen Brüder vergebens zu versöhnen. Da sie nach der Fabel auch Mutter des Oedipus war, so liegt hierin wohl auch eine Anspielung auf die Nachricht des Spartianus (in Car. Kap. 10.) und Aurel. Victor (von den Kaisern Kap. 21.) und Eutrop. (VIII, 11.), daß Caracalla seine Stiefmutter Julia geheirathet habe.
26 Es ist interessant, die Wiederkehr dieses Gedankens bei Herodian in ähnlichen Fällen zu beachten (vgl. beim Tode des Commodus I, 16. z. Anf.). Bei den beiden grausenvollsten Tyrannen der von ihm geschilderten Zeit scheint der Gedanke: „daß endlich doch auch ihr Wüthen nothwendig ein Ende haben mußte“, sein einziger Trost gewesen zu sein, und wahrscheinlich spricht sich darin die ganze Zeitstimmung aus, die Alles ertrug, und auch das Grausenvollste über sich ruhig ergehen ließ, „weil es doch nicht ewig währen könne!“
27 „Die Dämonen“, sagt Herodian.
28 Das Wagenrennen im Hippodrom.
29 Herodian sagt: „als er mit sich allein war.“ Man hat sich vorzustellen, daß Makrinus, der sich als Präfekt der Leibwache beim Kaiser befand, und im Begriff war, ihn zum Hippodrom zu begleiten, sich jetzt auf Befehl seines Herrn in ein besonderes Kabinet zurückzog, um die Briefe ungestört durchzusehen.
30 „Das Haran der Bibel. Es wurde daselbst der Mond unter männlichem Namen verehrt (Spartian. Carac. 6, 7.).“
31 Diese sogenannten „Kataphrakten“.
32 D. h. um unsere und des römischen Reiches Existenz.
33 Im Original: „Die Phalangen“.
