6. Buch

Ornament

Übersetzung

1 [160] Welches Ende der vorbeschriebene Antoninus genommen, ist also im Vorigen beschrieben worden1. Nachdem nun Alexander die Regierung übernommen hatte, war er zwar dem äußeren Scheine und dem Namen nach der Träger der kaiserlichen Würde, allein die Führung der Geschäfte und die Reichsverwaltung wurde von den Frauen besorgt, die zugleich sich Mühe gaben, Alles wieder in vernünftigere und würdigere Bahnen zurückzuführen. Zunächst erlasen sie aus dem Senat sechzehn der würdigsten und geachtetsten Mitglieder zu einem Kollegium von Räthen des Kaisers, ohne deren Gutachten und Beistimmung nichts beschlossen oder ausgeführt wurde. Volk und Militär hatten ihr Wohlgefallen an dieser Umwandlung des Kaiserthums aus einer übermüthigen Tyrannenherrschaft in eine Art von Aristokratie. Das Erste, was sie thaten, war, daß sie die Götterbilder, die jener2 von ihren Standorten entfernt und versetzt hatte, in ihre alten, ihnen eigenen Tempel und Heiligthümer zurückschickten. Ferner entzogen sie denen, welche jener leichtsinnig, oder weil sie durch Schandthaten [161] seine Gunst erworben, zu Aemtern und Würden befördert hatte, die ihnen verliehenen Gunstbezeugungen, indem sie jeden in seinen früheren Stand und Rang zurückzukehren zwangen. Zugleich übergab man alle Aemter und Verwaltungsstellen, die staatlichen wie die richterlichen, den kenntnißreichsten und der Gesetze kundigen Personen, sowie die militärischen Befehlshaberstellen solchen Männern, die sich im regelmäßigen Kriege bewährt und durch tapfere Kriegsthaten ausgezeichnet hatten. Nachdem geraume Zeit die Reichsregierung in diesem Sinne geführt worden war, schied die bereits hochbejahrte Mäsa aus dem Leben; sie erhielt die kaiserlichen Bestattungsehren, und wurde, wie es bei den Römern Brauch ist, unter die Götter aufgenommen. Mammäa, die jetzt dem jungen Kaiser allein zur Seite blieb, bemühte sich, denselben in gleicher Weise zu beherrschen und zu beeinflussen. Sie sah jetzt den Jüngling zum Throne gelangt, und es ergriff sie die Furcht, daß seine Jugend, unterstützt von der schrankenlosen Freiheit seiner Stellung, ihn irgend einem Familienfehler in die Arme treiben möchte; sie bewachte also den Hof von allen Seiten, und verstattete keinen wegen üblen Lebenswandels berufenen Personen zu dem jungen Kaiser Zutritt, damit sein Charakter nicht verdorben würde, wenn Schmeichler seine jugendlichen Regungen zu schlechten Begierden aufreizten. Daher hielt sie ihn an, in einem fort fast den größten Theil des Tages Recht zu sprechen, damit er hingenommen von der Beschäftigung mit würdigen und seinem kaiserlichen Amte nothwendigen Verrichtungen keine Zeit für irgend ein Laster haben möchte. Dazu besaß auch Alexander selbst einen natürlich sanften und milden, und zur Menschenfreundlichkeit überwiegend hingeneigten Charakter, wie er das bei fortschreitendem Alter bewährte. In der That hat er während der vierzehn Jahre seiner Kaiserherrschaft ohne Blutvergießen regiert, und Niemand kann einen Menschen nennen, der von ihm getödtet worden wäre3. Und obschon Fälle vorkamen, [162] wo Manche sich der schwersten Vergehungen gegen ihn schuldig machten, so verschonte er sie doch wenigstens in so weit, daß er ihnen nicht das Leben nahm, wie es seit Markus’ Regierung nicht leicht ein anderer Kaiser unserer Zeit gethan und gehalten hat. Vom Alexander aber dürfte wohl Niemand einen Fall nennen oder nachweisen können, wo während so vieler Jahre Jemand von ihm ohne Urtheil und Recht getödtet worden wäre4. Auch schalt und zürnte er oft, wenn er sah, daß seine Mutter geldgierig war, und sich dieser Leidenschaft übermäßig hingab. Während sie nämlich sich stellte, als sammle sie diese Schätze nur, damit Alexander die Mittel habe, die Soldaten stets durch reichliche Geschenke sich geneigt zu erhalten, scharrte sie auf eigene Hand einen Schatz zusammen; und dies brachte in vielen Fällen seine Regierung in üblen Ruf, wo sie, ohne sein Wissen und zu seinem Verdrusse Vermögen und Erbschaftsantheile mancher Unterthanen gewaltsam an sich zog. Auch eine Gattin führte sie ihrem Sohne zu aus einer altadligen römischen Familie; als er aber mit derselben zusammenlebte, und ihr seine Neigung schenkte, vertrieb sie dieselbe aus dem Kaiserpalaste. In ihrem Hochmuthe wollte sie allein Kaiserin sein, und mißgönnte jener diesen Namen, ja sie ging in ihrem Uebermuthe so weit, daß der Vater der jungen Frau, obschon er bei seinem Schwiegersohne Alexander in hoher Achtung stand, sich, weil er die übermüthige Behandlung, welche sich Mammäa sowohl gegen ihn selbst, als gegen seine Tochter erlaubte, nicht ertragen mochte, in das Lager der Leibgarden flüchtete, und dort zwar seine dankbare Ergebenheit gegen [163] Alexander für die ihm erwiesenen Ehren aussprach, aber zugleich sich über die beleidigende Behandlung von Seiten der Mammäa beschwerte. Darüber aufgebracht gab jene den Befehl zu seiner Hinrichtung, während sie die bereits aus dem Palaste vertriebene junge Frau nach Libyen verbannte. Alles dies geschah gegen den Willen Alexanders, der es gezwungen geschehen ließ; denn seine Mutter beherrschte ihn, und zwar übermäßig, und Alles, was sie befahl, das that er. Dies dürfte vielleicht das Einzige sein, was man ihm zum Vorwurfe machen könnte, daß er so, bei seiner übergroßen Sanftmuth und seiner übertriebenen Ehrfurcht gegen die Mutter, derselben selbst in Dingen, die er mißbilligte, dennoch stets Folge leistete.

2 Dreizehn Jahre lang also führte er solchergestalt die Regierung, soviel an ihm lag, untadelhaft. Im vierzehnten Jahre5 aber kamen plötzlich Schreiben von den in Syrien und Mesopotamien stehenden Oberbefehlshabern mit der Anzeige: daß Artaxerxes, der Perserkönig, nachdem er die Parther besiegt und ihrer Herrschaft im Orient ein Ende gemacht, dazu den Artabanus, früher der „Großkönig“ geheißen, und mit zwei Diademen geschmückt, getödtet, und alle ringsumwohnenden Barbarenvölker sich unterworfen und zinspflichtig gemacht habe, nicht mehr ruhe, und sich nicht mehr innerhalb der Grenze des Tigrisflusses halte, sondern dessen Ufer und die Grenzen des römischen Reichs überschreite, Mesopotamien mit Einfällen heimsuche, Syrien bedrohe, und Willens sei, das ganze, Europa gegenüber liegende und von demselben durch das Aegäische Meer und die Meerenge der Propontis geschiedene Festland, und alles, was der Name Asien begreife, dem Perserreiche wieder zurückzuerobern, indem er erkläre: von Kyros, dem Ersten, der die Herrschaft von den Medern auf die Perser übertragen habe, bis zu Darius, dem letzten Perserkönige, dessen Reich Alexander, der Makedonier, erobert, habe [164] Alles, selbst Ionien und Karien mit inbegriffen, unter Persischen Satrapen gestanden; er habe also die Pflicht, den Persern das ganze Reichsgebiet, das sie früher besessen, vollständig wieder herzustellen. Durch diese Nachrichten und Berichte von Seiten der Oberbefehlshaber in den Provinzen des Orients gerieth Alexander bei der ihn so plötzlich und gegen alle Erwartung treffenden Botschaft in nicht geringe Bestürzung, zumal da er von Kindheit an in beständigem Frieden aufgewachsen war, und immer in der Behaglichkeit des hauptstädtischen Lebens gelebt hatte. Zuerst hielt er es daher, nachdem er mit seinen Freunden6 Rath gepflogen hatte, für das Beste, eine Gesandtschaft abzusenden, und durch ein Schreiben dem Andrange und den kühnen Plänen des Barbaren Einhalt zu gebieten. Das Schreiben besagte: Er möge sich innerhalb seiner Grenzen halten, keine Unruhen anfangen, und nicht von eitlen Hoffnungen verleitet einen schweren Krieg entzünden, und überhaupt jeder sich begnügen mit dem, was er besitze. Denn sein Kampf gegen die Römer werde ein anderer sein, wie gegen seine Nachbarn und gegen stammgenössische Barbaren. Das Schreiben erinnerte ferner an die von Augustus7, von Trajanus8, Lucius9 und von Severus10 über sie erfochtenen Siege. Durch ein solches Schreiben glaubte Alexander den Barbaren zu überreden, oder durch Einschüchterung zu bewegen, daß er Ruhe halte. Der aber kehrte sich durchaus nicht daran, sondern vermeinte, daß Händel dieser Art durch Waffen, nicht durch Worte zu entscheiden seien, und fuhr fort, römisches Eigenthum zu rauben und zu plündern, fiel zu Fuß und zu Roß in Mesopotamien ein, trieb die gemachte [165] Beute fort, und berannte die zum Schutze des römischen Reichs an den Flußufern errichteten festen Heerlager. Von Natur prahlerisch und durch die unerwarteten Erfolge noch hochmüthiger gemacht, glaubte er Alles leicht erobern zu können. In der That waren die Beweggründe nicht gering, welche ihn anfeuerten, nach einer Vergrößerung seines Reichs zu trachten. War er doch der erste Perser, welcher es gewagt hatte, das Parthische Reich anzugreifen, und das Königreich der Perser wiederherzustellen. Nach dem Darius nämlich, den der Makedonisde Alexander vom Throne gestoßen, hatten lange Jahre hindurch Makedonier und Alexanders Nachfolger über die Völker des Orients und über ganz Asien11, dessen Länder sie unter sich vertheilt hatten, geherrscht. Als diese unter einander in Hader geriethen, und die Makedonische Macht durch fortwährende Kriege geschwächt worden war, soll zuerst Arsakes12, ein Parther von Abkunft, die entfernteren Barbarenstämme bewogen haben, von den Makedoniern abzufallen, worauf er sich das Diadem aufsetzte, und mit Zustimmung der Parther und der benachbarten Barbaren selbst den Königsthron bestieg, wie denn auch die Herrschaft seinem Geschlechte lange Zeit hindurch verblieb, bis auf den in unsern Tagen lebenden Artabanus, welchen Artaxerxes tödtete, und die Herrschaft den Persern wiedererwarb13, worauf er, nachdem ihm die Unterwerfung der barbarischen Völkerschaften leicht gelungen war, nun auch die Römische Herrschaft anzugreifen suchte.

3 Als Alexander, der zu Rom Hof hielt, die kühnen Unternehmungen des Barbaren im Orient erfuhr, und einsah, daß er diesen Uebermuth nicht ertragen dürfe, entschloß er sich, obenein gedrängt [166] von den seine Hülfe anrufenden Statthaltern der dortigen Provinzen, obschon unmuthig und widerwillig, zu einem Feldzuge in eigner Person. So wurden denn aus Italien selbst, wie aus allen unter römischer Botmäßigkeit stehenden Provinzen alle durch Körperkraft und Blüthe des Alters zum Kriege tauglichen Leute ausgehoben und als Ersatzmannschaften für das Heer zusammengezogen, und das ganze Römerreich ward in die gewaltigste Bewegung gesetzt, weil es galt, den dasselbe mit Einfall bedrohenden Barbaren eine Macht entgegenzustellen, welche an Stärke der gemeldeten Anzahl derselben die Wage hielten. Alexander versammelte die zu Rom befindlichen Soldaten, ließ sie sämmtlich nach dem gewohnten Felde ausrücken, bestieg dort die Rednerbühne, und hielt etwa folgende Anrede: „Gern möchte ich freilich, Kameraden, eine der gewohnten Reden an Euch halten, durch die ich sonst mir als Redner Ehre erwarb, während ich Euch damit erfreute14. Da Ihr nämlich Euch bisher eines langjährigen Friedens erfreut habt, so dürftet Ihr vielleicht, wenn Ihr von Veränderungen unsrer Lage hört, durch den unerwarteten Inhalt meiner Rede in Schrecken versetzt werden15. Indessen ist es die Pflicht tapferer und besonnener Männer, zwar das Beste zu erwünschen, aber auch zugleich sich auf das Zufällige gefaßt zu halten. Denn wenn der Genuß einer behaglichen Lage süß ist, so ist dagegen der Mannesmuth in Vollbringung nothwendiger Thaten ruhmvoll. Den Anfang machen mit ungerechtem Beginnen, heißt unverständige Herausforderung üben; allein sich gegen lästige Angreifer wehren, gibt einerseits in Folge eines guten Bewußtseins Muth, und eben weil man nicht Unrecht thut, sondern solches von sich abwehrt, freudige Zuversicht. Artaxerxes, ein Persischer Mann, hat seinen Herrn, [167] Artabanus, ermordet, dessen Herrschaft an die Perser gebracht, und versucht nun, selbst unsern Waffen Trotz und dem Römerruhme Verachtung bietend, die Besitzungen unseres Reiches zu überziehen und zu schädigen. Diesen Mann habe ich zuerst versucht, durch Briefe und gütliches Zureden von seiner unersättlichen tollen Begier nach fremdem Gute abzubringen. Er aber, gebläht von Barbarenhochmuth, will nicht ruhig in seiner Heimath bleiben, sondern fordert Euch zum Kampfe heraus. Laßt uns denn also nicht säumen und zaudern, sondern erinnert Euch, Ihr, die Ihr die Aelteren seid, an die Siege, die Ihr unter Severus und meinem Vater Antoninus so oft über die Barbaren davongetragen habt; und Ihr, die Ihr in der Blüthe der Jugend steht und nach Ruhm verlanget, zeigt, daß Ihr, wie Ihr im Frieden Ordnung und Mannszucht zu bewahren versteht, so auch das Kriegshandwerk, wenn es die Nothwendigkeit erheischt, tapfer und erfolgreich zu handhaben wißt. Denn das Barbarenvolk zeigt zwar gegen den Nachgebenden und Zaudernden frechen Muth, leistet aber nicht ebenso Widerstand, wenn man ihm seinerseits auf den Leib rückt; denn was ihnen Erfolg verspricht, ist nicht die regelmäßige Schlacht und der Nahekampf Mann gegen Mann, sondern durch schnellen Anlauf oder fliehend vermeinen sie zu gewinnen, was sie so im Raube erhaschen. Wir aber besitzen neben der Disziplin auch die überlegene Taktik und haben gelernt, sie überall zu besiegen.“

4 Nachdem Alexander etwa so geredet hatte, ließ ihn das ganze Heer hoch leben, und versprach ihm allen möglichen Eifer zum Kriege. Er bedachte sie darauf freigebig mit Geschenken16, und befahl ihnen, sich marschfertig zu machen. Zugleich verfügte er sich in den Senat, wo er eine ähnliche Ansprache wie die vorige hielt, und seinen Ausmarsch in’s Feld verkündete. Als der angesetzte Tag herankam, brachte er die bei Auszügen der Kaiser gewöhnlichen Opfer, und brach, geleitet vom Senate und [168] dem gesammten Volke aus Rom, auf, immerfort die Blicke unter Thränen nach der Stadt zurückwendend17. Aber auch unter dem Volke war keiner, der ihm ohne Thränen das Geleite gab; denn er hatte sich seit lange die herzliche Liebe der Bevölkerung erworben, in dessen Mitte er erzogen worden war, und so viele Jahre hindurch mild regiert hatte. Er beschleunigte seinen Zug soviel als möglich, durchzog Illyrien und die dortigen Heerlager, aus denen er gleichfalls große Verstärkungen an sich zog, und gelangte endlich nach Antiochia. Dort traf er alle nöthigen Vorbereitungen zum Kampfe, indem er seine Soldaten exerziren und kriegerische Uebungen anstellen ließ. Dennoch beschloß er, zunächst auf’s Neue eine Gesandtschaft zu dem Zwecke von Friedens- und Freundschaftsunterhandlungen an den Perser zu senden; denn er hoffte, seine persönliche Anwesenheit werde jetzt denselben geneigter machen oder einschüchtern. Allein der Barbar schickte die römischen Gesandten unverrichteter Sache wieder fort, und schickte dagegen seinerseits vierhundert erlesene Perser, seine stattlichsten Krieger, in reicher goldgestickter Kleidung prachtvoll mit Rossen und Waffen ausgerüstet, als Gesandte an den Alexander, in der Meinung, die Römer würden erschrecken über den Anblick und den Aufzug der Perser. Diese Gesandtschaft gab folgende Erklärung ab: „Der Großkönig Artaxerxes gebietet, daß die Römer und ihr Beherrscher ganz Syrien und das Europa gegenüber liegende Asien aufgeben, und die Herrschaft der Perser bis zu Jonien und Karien und über alle Völker zwischen dem Aegäischen Meere und dem Pontus anerkennen. Denn diese Lande seien von Alters her persische Besitzungen.“ Als die vierhundert Gesandten diese ihre Botschaft verkündet hatten, befiehlt Alexander, die Vierhundert gefangen zu nehmen, ließ sie ihres ganzen Schmucks berauben und schickte sie nach Phrygien, woselbst er ihnen Dörfer zum Wohnen und Land zum Ackerbau anwies, und sie nur damit bestrafte, daß sie nicht nach Hause zurückkehren durften. Denn sie zu tödten hielt er für unerlaubt und unwürdig, da sie nicht die Waffen wider ihn geführt und nur den Auftrag ihres Herrn an ihn ausgerichtet hatten. [169] Während dies vorging, und Alexander sich anschickte, über die Ströme zu setzen und sein Heer in das Barbarengebiet überzuführen, ereigneten sich hier und da Meutereien nicht nur unter den Truppen, welche aus Aegypten gekommen waren, sondern sogar auch unter den in Syrien stehenden, welche einen Thronwechsel herbeizuführen beabsichtigten. Die Schuldigen wurden unverzüglich festgenommen und hingerichtet. Außerdem verlegte Alexander auch einige Heerabtheilungen in andere Gegenden, welche geeigneter schienen, den Einfällen der Barbaren zu begegnen.

5 Nachdem er diese Maßregeln ausgeführt und seine ganze Heeresmacht dergestalt versammelt hatte, daß seiner Meinung nach seine Streitkräfte der Masse der Barbaren völlig gewachsen waren, theilte er in Folge eines mit seinen Freunden gehaltenen Kriegsraths das Heer in drei Abtheilungen. Und zwar dirigirte er die eine gegen Norden, durch das mit den Römern für befreundet geltende Armenien mit der Bestimmung in das Mederland einzufallen; die zweite sandte er in östlicher Richtung gegen das feindliche Gebiet dahin, wo, wie man sagt, zahlreiche Sümpfe den Zusammenfluß des Euphrat und Tigris aufnehmen, so daß dies die Ursache sei, weshalb man die Ausmündungen dieser beiden Flüsse allein nie gewahr werde; die dritte und stärkste Abtheilung des Heeres, welche er selbst unter seinem Kommando behielt, verhieß er in der Mitte zwischen der Marschlinie der beiden andern gegen die Barbaren zu führen. Auf diese Weise nämlich glaubte er mittelst verschiedener Angriffslinien unbemerkt und unversehens über sie zu kommen, und die Masse der Perser werde, stets genöthigt, sich gegen die Angreifenden zu theilen, an Zahl sich schwächen und ohne rechte taktische Ordnung fechten. Bekanntermaßen haben nämlich die Barbaren nicht besoldete Truppen, wie die Römer, und ebensowenig stehende, in Lagern versammelte und in allen Kriegskünsten geübte Heere; sondern die gesammte Bevölkerungsmasse der Männer, zuweilen auch der Weiber, versammelt sich, wenn der König befiehlt. Ist der Krieg aus, so geht jeder wieder nach Hause, und sein Gewinn ist das, was er durch Plünderung an sich gebracht hat. [170] Mit Bogen und Rossen gehen sie nicht bloß behufs des Krieges um, wie die Römer, sondern sie verkehren damit von Kindheit an, und beschäftigen sich Tag aus Tag ein mit der Jagd, so daß sie weder je die Köcher ablegen noch von ihren Pferden steigen, sondern dieselben stets, sei es gegen Feinde oder gegen wilde Thiere, in Uebung halten. Solchergestalt hatte Alexander, wie er glaubte, seinen Plan auf das Beste gemacht, allein das Schicksal ließ seinen klugen Anschlag scheitern. Die durch Armenien gesendete Heeresabtheilung nämlich, welche mit Mühe und Noth die überaus rauhen und steilen Gebirge jener Gegend überstiegen hatte, wobei nur der Umstand, daß es noch Sommer war, den Marsch erträglich machte, fiel in das Mederland ein, verwüstete dasselbe, brannte viele Ortschaften nieder und zog mit der Beute davon. Als der Perser dies erfuhr, suchte er nach Kräften ihnen zu wehren, konnte jedoch die Römer nicht völlig von ihrem Thun abhalten. Denn die rauhe Gebirgsnatur der Gegend gestattete zwar dem Fußvolke sicheres Auftreten und leichtes Marschiren; dagegen die Reiterei der Barbaren wurde durch das rauhe Gebirgsterrain in ihrer raschen Bewegung gehemmt, und an der Ausführung von Choc’s und Sturmangriffen gehindert. Zugleich kamen Boten an den Perser mit der Meldung: es zeige sich ein zweites Römerheer in den östlichen Theilen des Partherlandes, und durchziehe plündernd die Ebenen. Auf diese Botschaft fürchtete jener, sie möchten, nachdem sie ohne Schwierigkeit das Parthische Gebiet verwüstet hätten, sich auf das Persische werfen, er ließ daher eine Streitmacht zurück, die er für ausreichend hielt, um Medien zu decken, und zog in eigner Person mit der gesammten Hauptmacht in Eilmärschen den östlichen Theilen zu. Das Römerheer setzte seinen Zug in großer Unbesorgtheit fort, da sich kein Feind sehen ließ und kein Widerstand sich zeigte, zugleich hoffte man, daß Alexander mit der dritten Heeresabtheilung, der größten und stärksten, sich bereits auf die Mitte der feindlichen Vertheidigungslinie geworfen habe, und daß die Feinde durch seinen Angriff hinlänglich zu schaffen haben, und sie ihren Einfall also mit um so mehr Muße und Unbesorgtheit fortsetzen können würden. Sämmtliche Heeresabtheilungen hatten nämlich gleich beim Beginn der Operationen die Weisung erhalten, das Land eilig zu überziehen, [171] und zugleich war ein Ort bestimmt worden, wo sie sich sammeln sollten, nachdem sie alles Aufstoßende und unterwegs Gelegene überwältigt hätte. Allein diesen Plan vereitelte Alexander, indem er weder vorwärts ging, noch mit dem Heer in Feindesland vorrückte, sei es aus Furcht, weil er nicht persönlich Leib und Leben für die Römerherrschaft wagen wollte, oder sei es, daß die Mutter aus weiblicher Feigheit und übermäßiger Liebe zu ihrem Sohne ihn zurückhielt. Denn sie hemmte jeden seiner Aufschwünge zu energischem Handeln, indem sie ihm unaufhörlich einredete: „Andere hätten die Pflicht, sich für ihn auf’s Spiel zu setzen, er selbst brauche sich nicht dem Kampfe bloßzustellen.“ Das brachte dem bereits eingefallenen römischen Heere den Untergang. Der Perser kam demselben nämlich ganz unerwartet mit seiner ganzen Macht über den Hals, umging und umgarnte es gleichsam, beschoß es dann von allen Seiten, und vernichtete so die römische Streitmacht, die zu schwach war, um der Uebermacht widerstehen zu können, und immer nur bedacht war, ihre Blößen, gegen welche die Schüsse gerichtet waren, mit den Schußwaffen zu decken; denn sie waren schon zufrieden, ihre Leiber heil davon zu bringen, ohne sich auf den Kampf einzulassen. So drängten sie sich endlich Alle in einen Knäuel zusammen, bildeten mit vorgehaltenen Schilden gleichsam eine Mauer und suchten sich so wie bei einer Belagerung zu wehren, bis sie von allen Seiten beschossen und verwundet, nachdem sie, so lange es möglich war, mannhaft Stand gehalten hatten, zuletzt sämmtlich erlagen. Solch große und nicht leicht erhörte Niederlage traf hier die Römer durch die Vernichtung einer großen Streitmacht, die an Muth und Streitbarkeit keinem Heere alter Zeit nachstand, während den Perser ein so gewaltiger Sieg zu der Hoffnung größerer Erfolge aufblähte.

6 Als Alexander, der entweder in Folge seiner düstern Stimmung, oder wegen der Ungewohntheit des Klima’s schwer erkrankt war, diese Kunde erhielt, wurde nicht nur er selbst davon schwer betroffen, sondern auch das übrige Heer ward unwillig über Alexander, und zürnte ihm, weil offenbar durch seine Unzuverlässigkeit und sein Nichtausführen [172] des entworfenen Operationsplanes das eingedrungene Heer Preis gegeben worden sei. Jedoch Alexander, der seinen Krankheitszustand und die erstickende Hitze nicht mehr aushalten konnte, und der auch das Heer von Krankheiten ergriffen sah, zumal die Illyrischen Soldaten, die an ein feuchtes und kaltes Klima gewöhnt, und sich nach ihrer Gewohnheit mit Nahrung überladend an bösartigen Krankheiten hinstarben, faßte den Entschluß, sich nach Antiochia zurückzuziehen, und sandte auch an das in Medien befindliche Heer den Befehl zum Rückzuge. Dieses Heer ging größtentheils auf dem Rückzuge in den Gebirgen zu Grunde, und Viele erfroren Hände und Füße in der winterlich rauhen Gegend, so daß nur sehr Wenige von den Vielen zurückkamen. Das bei ihm befindliche Gros führte Alexander nach Antiochia zurück, aber auch von dieser Heeresabtheilung kamen Viele um, was großen Unmuth über das Heer und große Schmach über Alexander brachte, der weder Feldherrntalent bewiesen noch Glück gehabt, und von den drei Divisionen, in die er sein Heer getheilt hatte, den größten Theil durch verschiedene Unfälle: Krankheit, Schwert und Kälte eingebüßt hatte. Sobald jedoch Alexander nach Antiochia gekommen war, genas er nicht nur seinerseits leicht von seiner Krankheit durch die gesunde Luft und das gute Wasser dieser Stadt nach der trockenen Dürre von Mesopotamien, sondern gewann sich auch wieder die Zuneigung der Soldaten, die er über ihre ausgestandenen Leiden durch großartige Geldgeschenke tröstete; denn dies achtete er für das alleinige Universalmittel zur Wiedergewinnung des Wohlwollens seiner Soldaten. Zugleich sammelte er wieder eine Streitmacht, und traf alle Vorkehrungen, als ob er wieder gegen die Perser zu ziehen gedächte, im Falle sie lästig würden und nicht Ruhe hielten. Indessen kam die Nachricht, der Perser habe seine Streitmacht aufgelöst, und seine Soldaten jeden in seine Heimath entlassen. Denn wenn auch gleich in der Hauptsache die Barbaren die Oberhand gehabt zu haben schienen, so hatten sie doch nichtsdestoweniger auch stark gelitten, und sowohl bei den häufigen in Medien vorgefallenen Treffen, als bei der Schlacht in Parthien viele Todte und noch mehr Verwundete gehabt. Denn nicht wohlfeil hatten die Römer ihnen den Sieg verkauft, sondern ihren Feinden große Verluste beigebracht, und sie waren nur unterlegen, weil sie [173] offenbar die Minderzahl waren; so daß, in Betracht der auf beiden Seiten fast gleichen Zahl der Gefallenen, der Rest der Barbaren durch seine Masse, nicht durch seine kriegerische Tüchtigkeit den Sieg davon getragen zu haben scheint. Ein nicht geringer Beweis ferner für den schweren Verlust der Barbaren ist folgender: sie hielten nämlich drei oder vier Jahre lang Ruhe, und griffen nicht zu den Waffen. – Als Alexander dies erfuhr, blieb auch er in Antiochia stehen; und da er wieder muthiger und leichter um’s Herz geworden war, weil er sich von der Sorge für den Krieg erleichtert fühlte, so gab er sich mit Behagen den Genüssen dieser Stadt hin.

7 Während er nun aber dachte, daß der friedliche Zustand der Dinge in Persien ihm Ruhe lassen, und daß die Barbaren Erholung und Zeit bedürfen würden, um ihr Heer wieder auf die Beine zu bringen, das einmal aufgelöst, wie es war, nicht leicht wieder versammelt werden konnte, weil es keine geordnete und stehende Truppe, sondern mehr ein Volksschwarm, als ein Kriegsheer ist, welches an Lebensmittelvorräthen auch nur soviel besitzt, als jeder Einzelne für seinen besondern Bedarf bei seiner Ankunft mitbringt, und sie auch nur schwer und widerwillig sich von den zurückgelassenen Kindern und Weibern und von ihrer Heimathgegend trennen: – da plötzlich erschreckten Boten und Briefe den Alexander, und stürzten ihn in eine viel größere Sorge, indem ihm die mit der Statthalterschaft von Illyrien betrauten Feldherren meldeten: die Germanen hätten Rhein und Donau überschritten, verwüsteten das römische Reichsgebiet, berennten mit großer Heeresmacht die an den Ufern befindlichen Standlager, Städte und Dörfer, und setzten auch die Illyrischen an Italien grenzenden Völkerschaften in nicht geringe Gefahr; es bedürfe demnach seiner eigenen persönlichen Anwesenheit und des gesammten bei sich habenden Heeres. Diese Nachrichten erschreckten natürlich den Alexander, und nicht minder wurden seine bei ihm befindlichen Illyrischen Truppen davon schwer betroffen, die sich von doppeltem Unglück heimgesucht sahen, einmal von dem, was sie im Kampfe gegen die Perser gelitten, und jetzt, wo jeder Einzelne erfuhr, daß seine Angehörigen [174] daheim von den Germanen zu Grunde gerichtet seien. Kein Wunder, daß sie unwillig wurden, und dem Alexander vorwarfen, daß er den Orient durch seine Sorglosigkeit oder Feigheit Preis gegeben, und daß jetzt auch der Norden unter seinem Zaudern und Zögern leide. In der That aber war dem Alexander selbst und seinen um ihn befindlichen Freunden bereits für Italien selbst bange. Denn die Gefahr von Seiten der Perser erschien ihnen ohne Vergleich geringer, als die von Seiten der Germanen. Die Völker nämlich, welche die östlichen Gegenden bewohnen, sind durch weite Länder und große Meeresstrecken so weit vom Lande der Italer getrennt, daß sie dasselbe kaum von Hörensagen kennen. Die Illyrischen Völkerschaften dagegen, eingeengt auf einen schmalen Landstrich und nur einen unbedeutenden Theil des römischen Gebiets innehabend, lassen die Germanen fast als Grenznachbarn der Italioten erscheinen. So befiehlt er denn ungern und widerwillig, aber von der Nothwendigkeit gezwungen, den Ausmarsch zum Feldzuge. Er ließ nur soviel Truppen zurück, als er für hinreichend hielt, um die römischen Ufergrenzen zu decken, verstärkte die Befestigungswerke der Kastelle, und versah sie mit der bestimmten Besatzung, und zog eiligst mit der übrigen Hauptmacht in Person gegen die Germanen. Nachdem er den Weg in forcirten Märschen zurückgelegt hatte, nahm er Stellung an den Ufern des Rheins, und traf Anstalten, die Feindseligkeiten gegen die Germanen zu beginnen. Er ließ von einem Ufer zum andern Fahrzeuge in den Strom bringen und an einander befestigen, zu dem Zwecke, durch eine Schiffbrücke seinen Soldaten den Uebergang zu erleichtern. Es sind dies nämlich die größten Ströme, welche in den nördlichen Gegenden fließen, der Rhein und der Istros (Donau), von denen jener an den Gebieten der Germanen, dieser an dem der Päonier18 vorbeifließt. Sie haben Sommers ein schiffbares Strombett wegen ihrer Tiefe und Breite, während man Winters, wo sie durch die Kälte gefrieren, mit Pferden und Wagen wie über festes Land darüber hinfahren kann. Ja so widerhaltig und fest wird das sonst flüssige Element, daß es nicht nur nicht unter den Hufen der Pferde und unter den Füßen der Menschen einbricht, sondern daß auch [175] die, welche Wasser schöpfen wollen, dazu nicht Eimer oder sonst hohle Gefässe anwenden, sondern Beile oder Haken, womit sie Stücke aushauen, und so das Wasser ohne Gefäß wie einen Stein aufnehmen und wegtragen19. So also ist die natürliche Beschaffenheit dieser Flüsse. Alexander, der sehr viele Maurusier und eine große Anzahl Bogenschützen aus dem Orient und aus dem Lande der Osroener mit sich gebracht hatte, setzte dieselben, sowie auch diejenigen Parthischen Schützen, welche theils als Ueberläufer, theils durch reichen Sold angelockt ihm gefolgt waren, in Bereitschaft, um sie den Germanen entgegenzustellen. Denn gerade diese Truppengattung macht jenen am meisten zu schaffen, indem die Maurusier ihre Wurfspieße aus sehr weiter Ferne schleudern, und ihre Chocs und Rückzugsbewegungen mit großer Leichtigkeit ausführen, während die Bogenschützen die unbedeckten Köpfe und langgestreckten Leiber der Feinde mit großer Geschicklichkeit und aus großer Entfernung für ihre Pfeile zum Ziele nahmen … ja selbst in geordneter Schlacht, Mann gegen Mann, versuchten sie [die Germanen], die Römer im Kampfe zu bestehen, und zeigten sich ihnen wiederholt gewachsen20. In dieser Lage befand sich Alexander. Dennoch ergriff er den Ausweg, eine Gesandtschaft an sie abzuschicken und Friedensunterhandlungen mit ihnen anzuknüpfen. Er versprach ihnen, alle ihre [176] Forderungen zu bewilligen, und das Geld nicht zu sparen. Das letztere nämlich überredet die Germanen am leichtesten, weil sie geldgierig sind, und den Frieden den Römern immer für Gold verhökern. Deshalb versuchte Alexander lieber den Frieden von ihnen zu erkaufen, als sich den Wechselfällen des Krieges auszusetzen. Seine Soldaten jedoch waren damit übel zufrieden, weil sich die Sache ohne Resultat in die Länge zog, und Alexander auch keinen Zug von kriegerischer Tapferkeit und von Eifer für den Krieg zu sehen gab, sondern sich dem Wettfahren und sonstigen Genüssen und Vergnügungen hingab, während es seine Pflicht gewesen wäre, in’s Feld zu ziehen und die Germanen für ihre Frechheiten zu züchtigen.

8 Nun befand sich bei dem Heere Einer Namens Maximinus, gebürtig aus dem innersten noch halbbarbarischen Thrakien, der von irgend einem Dorfe her, wo er früher, wie es hieß, als Knabe das Vieh hütete, später, nachdem er völlig ausgewachsen war, wegen der Größe und Kraft seines Körpers21 zur Reiterei gezogen worden, und dann allmälig an der Hand des Glücks durch alle militärischen Grade gegangen war, so daß ihm Heerkommando’s und Provinzstatthalterschaften anvertraut wurden. Diesen gedachten Maximinus nun also hatte Alexander wegen seiner vorerwähnten Kriegserfahrung an die Spitze der gesammten neu ausgehobenen Mannschaft des Heeres gestellt, um sie einzuexerziren und kriegstüchtig zu machen. Er vollzog diesen Auftrag mit großer Sorgfalt, und erwarb sich zugleich großes Wohlwollen bei den Soldaten, indem er sie nicht nur sehr gründlich in allen Gegenständen des Dienstes unterrichtete, sondern ihnen auch immer in der Ausführung voranging, so daß sie nicht nur Schüler, sondern auch Nacheiferer und Nachahmer seiner soldatischen Tüchtigkeit waren. Dazu hatte er sie sich auch durch Geschenke und vielfache [177] Ehrenauszeichnungen22 geneigt gemacht. Daher hatte die junge Mannschaft, deren größte Masse zumeist aus Päonern bestand, ihre Freude an der soldatischen Tüchtigkeit des Maximinus, während sie über den Alexander spotteten: er lasse sich von seiner Mutter beherrschen, und die Staatsverwaltung gehe nach Laune und Leitung eines Weibes, indeß er leichtsinnig und unmännlich den Krieg betreibe. Sie erinnerten sich unter einander an die im Orient durch sein Zaudern erlittenen Unfälle, und daß er auch, seit er gegen die Germanen den Feldzug eröffnet, noch keinen Beweis von Tapferkeit und jugendlicher Kühnheit gegeben hätte. Da sie nun auch ohnedies zu Neuerungen aufgelegt waren, und die gegenwärtige Regierung ihnen wegen der langen Dauer lästig däuchte, sie auch auf keinen Gewinn mehr rechnen zu können glaubten, da Alexander bereits seine ganze Freigiebigkeit erschöpft hatte, während bei dem zukünftigen und bevorstehenden Regierungswechsel Gewinn, und von Seiten des unverhofft zum Thron Gelangten dankbare Schätzung ihrer Verdienste zu hoffen stand, so faßten sie den Entschluß, den Alexander abzusehen, und dagegen den Maximinus, der doch ihr Kriegs- und Zeltkamerad, und für den gegenwärtigen Krieg durch seine Erfahrung und Tapferkeit der rechte Mann sei, zum Kaiser und Augustus auszurufen. So kamen sie denn in voller Rüstung auf dem Waffenplatze zusammen, als ob es die gewöhnlichen Uebungen gelte, und warfen dem Maximinus, als er zu ihnen hinauskam und das Kommando übernahm, mochte er nun über ihr Vorhaben in Unwissenheit sein, oder dasselbe heimlich angestiftet haben, den kaiserlichen Purpurmantel über die Schultern, und rufen ihn als Kaiser aus. Der aber versuchte anfangs Einreden zu machen, und wirft den Purpur von sich. Als sie aber mit gezogenen Schwertern auf ihn eindrangen, und ihn zu tödten drohten, da zog er die zukünftige der gegenwärtigen Gefahr vor, und nahm die Würde an, da ihm, wie er bemerkt, schon vielfältig früher Orakelsprüche und Träume ein so großes Glück vorausgesagt hätten, [178] indem er gegen die Soldaten äußerte: er nehme es ungern und wider seinen Willen an, nur um ihrem Beschlusse sich zu fügen. Zugleich fordert er sie aber auf, ihren Willen durch die That zu bekräftigen, und dem Gerüchte zuvorkommend mit den Waffen in der Hand eiligst dem mit dem Vorgefallenen noch unbekannten Alexander auf den Leib zu rücken, damit sie die bei ihm befindlichen Truppen und Garden durch Ueberraschung in Bestürzung setzen, und sie entweder zu freiwilligem Anschlusse bewegen, oder unvorbereitet in Folge des Unerwarteten leicht überwältigen könnten. Um sich aber ihres Wohlwollens und guten Willens vollständig zu versichern, verdoppelte er ihre Löhnung, versprach ihnen sehr große Geldvertheilungen und Gnadengeschenke, erließ ihnen sämmtliche Leibes- und Ehrenstrafen, und führte sie dann vorwärs; die Entfernung des Orts, wo Alexander mit den Seinen lagerte, war nicht sehr bedeutend.

9 Als die Botschaft, was mit Maximinus vorgefallen sei, eintraf, gerieth Alexander, von dem Unerwarteten dieser Botschaft wie vom Donner gerührt, in die größte Bestürzung. Er stürzte aus dem kaiserlichen Zelte heraus wie ein Rasender, weinte, zitterte, schalt auf Maximinus als auf einen Treulosen und Undankbaren, zählte alle demselben erwiesenen Wohlthaten auf, klagte bald die junge Mannschaft an, daß sie leichtsinnig und eidbrüchig sich solcher Dinge unterfangen, bald versprach er ihnen alle ihre Forderungen zu bewilligen, und ihren etwaigen Beschwerden abzuhelfen. Die bei ihm befindlichen Truppen geleiteten ihn zwar an jenem Tage mit Lebehochrufen in sein Zelt zurück, nachdem sie ihm versprochen, daß sie ihn mit aller Kraft beschirmen würden. Als aber die Nacht vorüber war, und um die Morgendämmerung Einige meldeten: „Maximinus rücke schon an, der aufgewirbelte Staub sei bereits in der Ferne sichtbar, und man vernehme bereits das Stimmengetön der Heeresmasse“, begab sich Alexander wieder auf den Sammelplatz hinaus, ließ die Soldaten zusammenrufen, und bat: sie möchten für ihn kämpfen und ihn retten, den sie selbst auferzogen und unter dessen Herrschaft sie vierzehn Jahre lang, ohne Ursache zur Klage zu haben, gelebt hätten. [179] Und da er Alle zu Theilnahme und Mitleid aufregte, hieß er sie die Waffen ergreifen, und in Schlachtordnung wider die Gegner auszurücken. Die Soldaten sagten dies anfänglich zu, Einzelne jedoch zogen sich zurück, und bezeigten nicht Lust, die Waffen zu ergreifen. Ein Theil verlangte die Hinrichtung des Kriegsministers und der Räthe Alexanders, unter dem Vorwande, sie seien Schuld an dem Abfalle. Ein anderer Theil schalt auf seine Mutter: sie sei geldgeizig, halte das Geld im Kasten verschlossen, und habe durch ihre Knickerei und ihren Widerwillen gegen das Austheilen freiwilliger Geschenke den Alexander verhaßt gemacht. Längere Zeit schrieen sie solcherlei durcheinander, ohne sich vom Platze zu rühren. Als aber das Heer des Maximinus bereits ihren Blicken sich zeigte, und die junge Mannschaft ihre Kameraden aufforderte, ein knickriges Weib und einen feigen jungen Menschen, der ein Sklave seiner Mutter sei, zu verlassen und sich einem tapfern und verständigen Manne anzuschließen, der ihr Kriegskamerad sei, und sein ganzes Leben unter Waffen und in kriegerischer Thätigkeit hingebracht habe, da ließen sich die Soldaten überreden; sie verlassen den Alexander, und gehen zum Maximinus über, der sofort von Allen zum Kaiser ausgerufen wird. Alexander begibt sich zitternd und halb entseelt wankenden Schrittes in sein Zelt zurück. In die Arme seiner Mutter gesunken, und, wie man erzählt, unter Jammern und Klagen, daß ihm dies um ihretwillen widerfahren, erwartet er seinen Mörder. Maximinus, der nun vom gesammten Heere zum Augustus ausgerufen worden war, sendet einen Tribunen und einige Centurionen ab, um den Alexander nebst seiner Mutter und denen in seiner Umgebung, die sich etwa zur Wehre setzen möchten, niederzumachen. Diese begaben sich auf den Weg, dringen in das Zelt ein, und tödten ihn selbst und seine Mutter, sowie alle die, welche für seine Rathgeber und Vertrauten galten, mit Ausnahme derjenigen, denen es gelang, für’s Erste zu entfliehen, oder sich verborgen zu halten, welche jedoch bald darauf Maximinus sämmtlich in seine Gewalt bekam und tödtete. Solch ein Ende also nahm Alexander mit seiner Mutter, nachdem er vierzehn Jahre lang, was seine Unterthanen betrifft ohne Tadel und ohne Blutvergießen, regiert hatte. Denn von Mordthaten [180] und Grausamkeit und Handlungen ohne Urtheil und Recht hatte er sich fern gehalten, und sich stets vorwiegend der Menschenfreundlichkeit und Wohlthätigkeit zugeneigt. So würde denn auch die Regierung Alexanders vollständigen Beifall verdienen, wenn nicht das Verhalten seiner Mutter den Vorwurf des Geldgeizes und der Knickerei über ihn gebracht hätte.

Anmerkungen

1 Ich bemerke hier ein für allemal, daß stylistische Nachlässigkeiten und Geschmacklosigkeiten, wie sie dieser Satz aufzeigt, mit Fleiß dem Originale nachgebildet sind, weil sie zur Charakteristik des Autors dienen.

2 Eläagabalus.

3 Ich habe mit Fleiß die gewöhnliche deutsche Ausdrucksweise, nach welcher man übersetzt: „den er hätte hinrichten lassen“, nicht angewendet, weil die einfache Ausdrucksweise der alten Schriftsteller, welche in solchen Fällen immer gegen den Regenten selbst handeln läßt, ungleich bezeichnender und gerechter ist. Wer von einem Napoleon sagt: „er erbaute das Museum, das Hospital, schuf das Gesetzbuch“ etc., der muß auch sagen: „er tödtete den Herzog von Enghien, er mordete den Buchhändler Palm.“

4 Lampridius, einer der Kompilatoren der sogenannten „Kaisergeschichte“ (Historia Augusta), beschränkt dies ganze Urtheil Herodians, den er bei dieser Gelegenheit namentlich anführt, darauf, daß Alexander keinen Senator getödtet habe, oder vielmehr, er läßt dies den Herodian selbst sagen. Jedenfalls dachte Herodian auch wohl nur an die, meist von Senatoren ausgehenden Verschwörungen, wenn er die Milde Alexanders hervorhebt, der selbst in solchen Fällen nie Blut vergoß, und überhaupt keine Todesstrafe, außer nach Urteil und Recht, verhängte.

5 Dies ist ein chronologischer Irrthum Herodians. Die Gründung des Neupersischen Reichs geschah schon i. J. 227, im sechsten Jahre nach Alexander Severus’ Regierungsantritt. S. die Chronol. Uebersicht.

6 Das oben erwähnte Staatsrathskollegium von sechszehn erlesenen Senatoren.

7 Ventidius, der Feldherr des Augustus, schlug, als Augustus noch Triumvir war, die Parther im Jahre 39 vor Chr., worauf später der Partherkönig Phraates VI. die dem Krassus abgenommenen Fahnen und Feldzeichen zurückgab. S. Sueton. Leben Augusts Kap. 21.

8 Im Jahre 116 v. Chr. wurde der Partherkönig Cosroes von Trajan besiegt, und aus seiner Hauptstadt vertrieben.

9 Lucius Verus, Mitregent des Kaisers Markus, oder vielmehr sein Feldherr Cassius brachte dem Partherkönige Vologeses im Jahr 170 mehrere Niederlagen bei.

10 S. oben III, 9.

11 Soweit es die Römer kannten.

12 „Stifter des Hauses der Arsakiden (256), welches über das Parthische, den größten Theil des alten Persischen umfassende Reich gegen 480 Jahre herrschte.“

13 Artaxerxes (Ardschir), Sassans Sohn, Stifter des Hauses der Sassaniden, welches über Persien bis zur Eroberung des Reichs durch die Araber (651) herrschte.

14 Aus diesem, an sich so überaus albernen Eingange der kaiserlichen Rede lernen wir doch wenigstens das Eine, daß es Sitte war, von Zeit zu Zeit vor den versammelten Garden, diesen gefürchteten Kaiserwachen, stattliche Prunkreden offiziellen Styls mit den nöthigen Lobeserhebungen und Weihrauchstreuungen für das „herrliche Kriegsheer“ zu halten.

15 Diese Wendung des armseligen Sophisten ist um so alberner, als den Prätorianern von damals die Lage der Dinge im Orient schwerlich unbekannt war. Sie ist auch nur gebraucht, um daran den folgenden prächtigklingenden Gemeinplatz zu knüpfen.

16 D. h. mit außerordentlichen Gratifikationen, Kriegszulagen, Ausrüstungsgeldern und dergl.

17 Hier scheint Herodian als Augenzeuge zu sprechen.

18 Es ist das Süddonauland Pannonien gemeint.

19 Diese ausführliche Schilderung ist darum interessant, weil sie einen Fingerzeig gibt, für welches Publikum Herodian schrieb. Es kann kaum das Publikum der Stadt Rom gewesen sein, denn diesem waren Eis und zugefrorene Flüsse keine solche Wundererscheinungen, da ja Horaz ganz einfach bei der Schilderung des italischen Winters den „mit tiefem Schnee bedeckten Sorakte“, die „schneebelasteten Wälder“ und die „fest gefrorenen Flüsse“ erwähnt, wenn er singt:

Du siehst in tiefem Schnee gefaßt
Weißschimmernd den Sorakte ragen,
Es können kaum noch ihre Last
Die Waldeshaine stöhnend tragen,
Und Wasser, die sonst fließend geh’n,
Erstarrt vom scharfen Froste steh’n.

20 An der bezeichneten Stelle ist im Texte eine Lücke. Es fehlt der Bericht über den Beginn der kriegerischen Operationen und deren Erfolge, und nur der Schluß ist erhalten.

21 Die Schriftsteller der Kaisergeschichte berichten, daß er über acht römische Fuß maß, einen geladenen Lastwagen heben, Steine mit seiner Faust zerdrücken und den Fuß eines Pferdes mit seiner Hand zerbrechen konnte. Gleiches Ungeheure wird von seinem Essen und Trinken berichtet.

22 Solche Dienstauszeichnungen waren: verschiedene Arten von Ehrenkränzen für Tapferkeit im Felde, bei Belagerungen u. s. f., Ehrenwaffen, Roßschmuck u. dgl. m.