7. Buch
Übersetzung
1 [181] Welch ein Leben Alexander geführt, und welch ein Ende er nach vierzehnjähriger Regierung genommen hat, haben wir im Vorigen erzählt. Maximinus brachte gleich nach Antritt der Herrschaft eine große Veränderung hervor, indem er seine Gewalt auf das Härteste und zu allgemeinem Schrecken ausübte. Nach der früheren milden und überaus sanften Regierung drückte er allen seinen Handlungen den Stempel grausamer Tyrannei auf, in dem Bewußtsein, daß die allgemeine Stimmung wider ihn sei, weil er als der Erste aus der tiefsten Niedrigkeit sich zu solchem Glücke hinaufgeschwungen hatte. Von Natur war er an Charakter wie seiner Abkunft nach ein Barbar; und da die Neigung zum Blutvergießen ihm von Abstammung und Heimath angeerbt war, so war er fort und fort darauf bedacht, durch Grausamkeit sein Regiment zu befestigen, weil er fürchtete, dem Senate und den Unterthanen als ein Gegenstand der Verachtung zu erscheinen, die nicht sowohl auf seine gegenwärtige Glücksstellung, als auf die niedrige Wiege seiner Geburt sehen würden. Denn in Aller Munde hatte sich unter spöttischen Anmerkungen das Gerücht verbreitet, daß er, der auf den Thrakischen Gebirgen einst das Vieh gehütet, und sich dann wegen seiner Größe und Körperstärke als gemeiner Soldat in seiner Heimath anwerben lassen, von der Hand des Glücks auf den römischen [182] Herrscherthron geführt worden sei. Sobald als möglich entledigte er sich daher aller der aus dem Senate ausgewählten Vertrauten, welche den Rath Alexanders gebildet hatten, indem er die Einen nach Rom zurückschickte, Andere unter dem Vorwande von Verwaltungsaufträgen sich vom Halse schaffte; denn er wollte im Heere der Alleingebieter sein, und Keinen neben sich haben, der sich ihm an Geburt überlegen fühlte, um wie von einer Hofburg herab, durch Niemanden beschränkt, dem er hätte Hochachtung zollen müssen, ungehindert seine tyrannischen Maßregeln ausführen. Zugleich entließ er die sämmtliche Dienerschaft, welche den Alexander so viele Jahre hindurch umgeben hatte, vom kaiserlichen Hoflager. Sehr Viele davon ließ er sogar umbringen, weil er in ihnen geheime Feinde sah; denn er wußte, daß sie um ihres Herren Ermordung Kummer empfanden. Noch mehr aber reizte seine Grausamkeit und seinen Zorn gegen alle Welt die Entdeckung einer gegen ihn angezettelten Verschwörung, in welcher viele Centurionen und fast alle Senatsmitglieder verwickelt waren. Es war da ein gewisser Magnus, ein Patrizier und gewesener Konsul; dieser wurde angeklagt, daß er Mannschaft gegen ihn sammle, und hin und wieder Soldaten dafür zu gewinnen suche, daß sie ihm die Herrschaft übertrügen. Der Plan, hieß es, sei folgendermaßen entworfen. Maximinus, der die Schiffbrücke vollendet hatte, stand im Begriff, gegen die Germanen über den Strom zu gehen. Er hatte nämlich gleich nach seinem Regierungsantritte die kriegerischen Unternehmungen begonnen, und da Jedermann glaubte, daß er wegen seiner Körpergröße, seiner soldatischen Tüchtigkeit und Kriegserfahrung zum Herrscher erwählt sei, so suchte er diesen Ruf und diese Meinung der Soldaten durch die That zu bestätigen, und ließ es sich angelegen sein, den Beweis zu führen, daß Alexanders Zaudern und Feigheit in kriegerischen Unternehmungen mit Recht bestraft worden sei. Er übte und exerzirte daher seine Truppen unaufhölich, wobei er immer selbst unter den Waffen war und das Heer anfeuerte. Jetzt also hatte er die Schiffbrücke vollendet, und war im Begriff, gegen die Germanen überzusetzen. Nun hieß es, Magnus habe eine nicht geringe Anzahl Soldaten, und zwar Kerntruppen, und ganz besonders die, welche die Besatzung und Deckung der Brücke bildeten, dahin überredet, dem Maximinus nach dem Uebergange durch Abbrechen der Schiffbrücke [183] den Rückzug abzuschneiden, und ihn dadurch den Barbaren in die Hände zu liefern. Denn bei seiner Breite und Tiefe war der gewaltig fluthende Strom, sobald die Brücke abgebrochen war, unpassirbar, da es auf dem feindlichen Ufer keine Schiffe gab. So also lautete das Gerücht von der entdeckten Verschwörung, mochte dasselbe nun wirklich wahrheitsgemäß oder vom Maximinus geschmiedet worden sein. Jedenfalls ist es nicht leicht, darüber in’s Klare zu kommen, da die Sache ununtersucht blieb; denn ohne sie einem Gericht zu übergeben, und Vertheidigung zu verstatten, ließ er Alle, auf die er Verdacht hatte, augenblicklich festnehmen und schonungslos umbringen. Es erfolgte ferner auch ein Abfall der Osroënischen Bogenschützen, welche, äußerst betrübt über das Ende des Alexander, einen von Alexanders Freunden, einen gewesenen Konsul, – er hieß Quartinus, und Maximinus hatte ihn eben erst vom Heere entlassen, – als er ihnen zufällig in die Hände gerieth, festhielten und ihn wider seinen Willen und sein Wissen zu ihrem Feldherrn machten, ihm den Schmuck der so verderblichen Throninsignien: Purpurmantel und Feuer1 verliehen, und ihn, ohne daß er im Geringsten dazu Lust hatte, zum Regiment erhoben. Er wurde jedoch, während er in seinem Zelte schlief, plötzlich bei Nacht meuchlings ermordet von seinem Begleiter und scheinbaren Freunde, dem früheren Befehlshaber der Osroëner – Makedon war sein Name – obgleich derselbe ursprünglich das Corps der Osroener zu der gewaltsamen Wahl und zu dem Abfalle angestiftet hatte. Der Mensch tödtete also, ohne irgend einen Grund zu Feindschaft oder Haß zu haben, denselben Mann, den er mit Gewalt und Ueberredung zur Annahme der Kaiserwürde genöthigt hatte, und in der Meinung sich beim Maximinus große Dankansprüche zu erwerben, schnitt er dem Ermordeten den Kopf ab, und überbrachte ihm denselben. Der Kaiser aber, dem zwar die That sehr recht war, und der sich, wie er glaubte, dadurch von einem Feinde befreit sah, ließ nichtsdestoweniger den Mörder, obschon derselbe sich große Hoffnungen machte, und einer ausgesuchten Belohnung sicher zu sein [184] glaubte, um’s Leben bringen, weil er einmal der Urheber des ganzen Aufstandes gewesen sei, und dann den Mann, den er selbst gegen seinen Willen zur Auflehnung bewogen, getödtet und sich als Verräther an seinem Freunde bewiesen habe. Von dieser Art also waren die Veranlassungen, die die Seele des Maximinus noch mehr zur Härte und Grausamkeit stachelten, die schon zuvor von Natur sich dazu hinneigte. Auch sein Anblick war überaus furchterweckend, und er hatte eine solche Körpergröße, daß sich ihm nicht leicht weder von den Hellenischen Athleten noch von den streitbarsten Barbaren irgend einer vergleichen konnte.
2 Nachdem er das im Vorigen Erzählte abgemacht hatte, zog er sein ganzes Heer zusammen, überschritt furchtlos die Rheinbrücke, und war eifrig dahinter her, den Germanen eine Schlacht zu liefern. Er hatte allerdings eine gewaltige Truppenmasse, ja fast die gesammte Kriegsmacht der Römer bei sich, darunter eine große Anzahl Maurusischer Speerschleuderer, Osroëmischer und Armenischer Bogenschützen, die theils Unterthanen, theils Freunde und Bundesgenossen waren, ferner eine Anzahl Parther, die theils durch Geld gelockt als Ueberläufer, theils in Folge der Gefangennehmung als Kriegsgefangene im römischen Heere dienten2. Diese Massen Kriegsvolk waren bereits früher vom Alexander zusammengezogen, vom Maximinus aber noch verstärkt und gehörig zum Kriegsdienste eingedrillt worden. Besonders gelten die Speerwerfer und Bogenschützen als geeignet zu den Kämpfen gegen die Germanen, weil sie sich mit Leichtigkeit auf den nichts vermuthenden Feind werfen, und sich ebenso gewandt zurückziehen. Indessen war Maximinus nach seinem Einrücken in Feindesland eine große Strecke weit vorgedrungen, ohne daß sich ihm Jemand in den Weg stellte, vielmehr hatten sich die Barbaren zurückgezogen. So verwüstete er denn die Gegend weit und breit, zumal da die Saaten der Reife nahe waren, steckte die Dörfer in Brand und überließ sie seinem Heere zur Plünderung. Sehr leicht nämlich verzehrt dort das [185] Feuer selbst die Städte, die sie haben, nebst allen Wohngebäuden. Denn während bei ihnen an Bruchsteinen und gebrannten Backsteinen Mangel ist, haben sie reichliche Waldungen, besitzen daher Ueberfluß an Holz, und schlagen sich deshalb ihre zeltartigen Wohnungen aus an einander befestigten und in einander gefügten Balken zusammen. Maximinus drang also in der vorher angegebenen Weise weit vor, überall Raub und Beute wegführend, wobei er dem Heere die jeder Abtheilung in die Händ gerathenden Viehheerden überließ. Die Germanen ihrerseits hatten sich zwar von den freien Ebenen und überall, wo die Gegend waldfrei war, zurückgezogen, dagegen hielten sie sich in den Wäldern versteckt, und hielten sich in der Nähe der Sümpfe auf, um von dort aus ihre Angriffe und Ausfälle zu machen, weil hier die Dichtheit des Waldes ihnen Schutz vor den Pfeilen und Wurfspeeren der Feinde gab, und die Tiefe der Sümpfe den Römern wegen ihrer Unkenntniß des Terrains gefährlich werden mußte, während es ihnen, bei ihrer Kenntniß der Gegend, vermittelst deren sie genau wußten, wo es ungangbar war, und wo der Boden widerhielt, ein Leichtes war, höchstens bis an’s Knie benetzt durchzukommen. Dazu sind sie auch sehr geübt im Schwimmen, da ihr einziges Bad ihre Flüsse sind. In jenen Gegenden nun geschahen vorzugsweise die Treffen, und hier war es, wo auch der Kaiser persönlich auf das Tapferste einmal den Kampf begann. Bei einem großen Sumpfe, in welchen sich die Germanen zurückzogen, während die Römer zur Verfolgung dahin einzudringen zauderten, warf Maximinus sich zuerst mit seinem Rosse in den Sumpf, obgleich das Wasser dem Pferde bis über den Bauch ging, und hieb die Widerstand leistenden Barbaren nieder, so daß das übrige Heer, das sich schämte, den für die Seinen kämpfenden Kaiser im Stiche zu lassen, sich gleichfalls ein Herz faßte, und ihm nach in die Sümpfe eindrang, wobei eine große Menge Menschen auf beiden Seiten fiel. Auf Römischer Seite3 … ; auf Seiten [186] der Barbaren dagegen fast die gesammte dort vereinte Streitmacht, wobei der Kaiser vor Allen Wunder der Tapferkeit verrichtete, so daß der Sumpf sich mit Leichen füllte, und das mit Blut vermischte Wasser des Sees dem eine Landschlacht schlagenden Heere den Anblick einer Seeschlacht gewährte. Diese Schlacht und seine in ihr vollbrachten persönlichen Heldenthaten machte er nicht nur durch schriftlichen Bericht dem Senate und Volke bekannt, sondern befahl auch ein Gemälde mit kolossalen Porträtfiguren davon zu entwerfen4, welches er vor dem Versammlungshause des Senats weihend aufstellen ließ, damit die Römer Gelegenheit hätten, das Geschehene nicht nur zu hören, sondern auch anzuschauen. Dieses Gemälde ließ jedoch später der Senat mit den andern Ehrendenkmälern des Kaisers vernichten. Es fielen auch noch andere Treffen vor, in welchen er persönlich und eigenhändig sich am Kampfe betheiligte und überall das erste Lob der Tapferkeit davontrug. So zog er, nachdem er eine große Anzahl der Feinde zu Gefangenen gemacht hatte, mit reicher Beute an Heerden und Vieh, als der Winter bereits einzubrechen begann, in das Päonerland zurück, wo er sein Hauptquartier in Sirmium5 nahm, welches für die bedeutendste Stadt jenes Landes galt, und für die Wiedereröffnung des Feldzugs zum nächsten Frühjahre die nöthigen Vorbereitungen traf. Denn er drohte, – und er wäre der Mann dazu gewesen, seine Drohung auszuführen – alle barbarischen Germanenstämme bis zum Ocean auszurotten und zu unterwerfen.
3 [187] Solcher Art waren seine kriegerischen Verdienste; und er würde sich Ruhm durch seine Thätigkeit erworben haben, hätte sein Regiment nicht auf seinen Umgebungen und auf seinen Unterthanen allzu schwer und schrecklich gelastet. Denn was hatte man davon, daß er Barbaren umbrachte, wenn daneben die Zahl der in Rom selbst und den unterthänigen Provinzen verübten Mordthaten noch größer war? oder daß er den Feinden Kriegsbeute abgewann, wenn er daneben seine eignen Hofbeamten ausplünderte, und ihres Hab’ und Guts beraubte? Denn nicht bloß jeder mögliche Spielraum, sondern besser gesagt alle und jede Aufmunterung ward den Angebern zu Theil, ihre Schikanen zu üben, langverjährte Händel wieder aufzurühren, selbst wenn es sich traf, daß sie unermittelte und nicht mehr nachweisbare Gegenstände betrafen. Ja es war hinreichend, von einem solchen Angeber bloß vor Gericht gezogen zu werden, um sofort im Prozeß verurtheilt und aller seiner Habe beraubt zu werden. So konnte man jeden Tag Leute sehen, die gestern noch die reichsten gewesen waren, und Tags darauf um Almosen bettelten; so groß war die Habsucht dieser Tyrannei, der die unaufhörliche Geldausgabe für die Soldaten zum Vorwande diente. Dabei war sein Ohr allen Verläumdungen leicht zugänglich, ohne daß er auf Alter und Ansehen6 Rücksicht nahm. Daher ließ er viele mit der Leitung von Provinzen und Heeren betraute Männer, welche Konsulate bekleidet oder ruhmvolle Schlachten gewonnen hatten, auf geringfügige und nichtige Anschuldigung hin plötzlich verhaften, ohne Dienerschaft allein auf Wagen setzen, und in ununterbrochener Fahrt Tag und Nacht hindurch, wie es fiel, von Osten oder Westen, und vom heißen Süden nach Pannonien schleppen, wo er seinen Sitz hielt; und dort bestrafte er sie, nachdem er sie beraubt und gemißhandelt, mit Exil oder Tod. So lange indessen diese grausamen Handlungen nur Einzelne betrafen, und das Unheil im Kreise der dem Kaiser am nächsten [188] stehenden Personen7 blieb, fand dasselbe bei der großen Masse des Volks der Städte oder der Provinzen nicht eben große Theilnahme. Denn die Unfälle derer, welche für große Herren oder reiche Leute gelten, sind für die Pöbelmassen nicht nur kein Gegenstand theilnehmenden Interesses, sondern für gar viele Schlechtgesinnte und Nichtsnutzige zuweilen sogar ein Gegenstand der Schadenfreude aus Mißgunst gegen die Höherstehenden und Reichen. Anders aber gestaltete sich die Sache, als Maximinus, nachdem er die meisten vornehmen Häuser an den Bettelstab gebracht hatte, da er die so gewonnenen Summen für klein und unbedeutend, und seinem Verlangen nicht entsprechend achtete, jetzt sich an das Vermögen der Gemeinden machte, auf alle öffentlichen Gelder, die zu Kornanschaffungen oder zu Spenden für das niedere Volk aufgesammelt waren, oder für Theatervorstellungen und Feste als Fonds dienten, Beschlag legte, und Tempelweihgeschenke, Götterbilder und Ehrenstatuen der Heroen, sowie jeden Schmuck eines öffentlichen Gebäudes oder einer Zierde der Stadt, ja selbst jedes Material, woraus Geld gemacht werden konnte, sammt und sonders einschmelzen ließ. Das verursachte denn natürlich große Aufregung bei den Bevölkerungen, und eine allgemeine Trauer erregte der Anblick einer solchen Stadtverwüstung mitten im Frieden, so daß an manchen Orten das Volk sich mit erhobenen Händen zum Schutz seiner Tempel aufstellte, und bereit war, lieber todt vor den Altären zu fallen, als solche Beraubung der Vaterstadt mitanzusehen. Seitdem steigerte und verbreitete sich das Mißvergnügen in den Gemüthern der Volksmassen durch Städte und Provinzen. Auch die Soldaten waren unzufrieden mit solchem Verfahren, da ihre Verwandte und Landsleute es ihnen mit Erbitterung vorwarfen, daß Maximinus solche Frevel um ihretwillen verübe.
4 Solcherlei Ursachen nun also, und zwar keineswegs unvernünftige, stachelten überall den großen Haufen zu Haß und Abfall an. [189] Aber freilich, obschon Alle derartige Wünsche hegten und zu deren Erfüllung die beleidigten Götter anriefen, so wagte doch Keiner den Anfang zu machen, bis endlich gerade am Ende des dritten Jahrs seiner Regierung aus einem kleinen und unbedeutenden Anlasse (wie denn die Tyrannei gewöhnlich an solchen zu Grunde geht), zuerst die Libyer die Waffen gegen ihn erhoben, und entschlossen gegen ihn zum Aufstande vorschritten. Der Anlaß war folgender. Es war ein Statthalter über das Karthagische Land, der sein Regiment auf das härteste übte, und mit jeder erdenklichen Brutalität eine Verurtheilung und Vermögenskonfiskation über die andere verhängte, in der Absicht, sich beim Maximinus in Gunst zu setzen. Denn dieser erlas nur solche zu seinen Günstlingen, von denen er wußte, daß sie mit seinen Maximen übereinstimmten; und die damaligen Vorsteher der Finanzen – wenn sich auch hier und da als seltene Ausnahme ein ehrlicher Mann darunter befand – machten es im Angesichte der augenscheinlichen Gefahr und bei ihrer Kenntniß von der Habsucht des Kaisers den übrigen nach. Der obengedachte Landpfleger von Libyen nun also, der gegen alle Welt gewaltthätig verfuhr, hatte unter andern auch über einige reiche Jünglinge des dortigen einheimischen Adels die Verurtheilung verhängt, und machte sich daran, die verhängten Geldstrafen auf der Stelle einzuziehen, und sie ihrer von Vätern und Urvätern her vererbten Güter zu berauben. Die Jünglinge geriethen darüber in Verzweiflung. Sie versprachen das Geld aufzubringen, und baten nur um einen Aufschub von drei Tagen. Inzwischen stifteten sie eine Verschwörung an, zu welcher hinzuzutreten sie alle diejenigen bewogen, von denen sie wußten, daß sie entweder bereits eine ähnliche Mißhandlung erfahren hatten oder eine solche zu erleiden befürchteten; dann heißen sie die jungen Bursche8 vom Lande Nachts mit Keulen und Aexten bewaffnet herbeikommen. Diese, dem Befehl ihrer Herren gehorsam, begaben sich vor Tagesanbruch in die Stadt auf den angewiesenen Sammelplatz, indem sie ihre improvisirten Kriegswaffen unter den Kleidern verbargen. So versammelte sich ein starker Haufe; denn das von Natur stark bevölkerte Libyen hatte eine ganz besonders zahlreiche [190] landbauende Bevölkerung. Mit Anbruch des ersten Frühroths traten die Jünglinge aus ihrer Wohnung, und hießen die Masse ihrer Leute ihnen folgen, doch so, als ob sie zu dem übrigen Volke der Straßen gehörten, indem sie ihnen die Weisung gaben, ihre bei sich habenden Waffen erst dann zu entblößen und tapfer drauf loszuschlagen, wenn etwa Soldaten oder Bürger sie angreifen sollten, um sie für ihr vorhabendes Werk zu strafen. Sie selbst mit kurzen Schwertern im Faltenbausche ihrer Gewänder begaben sich zum Landpfleger, als ob sie mit ihm wegen Auszahlung der Gelder verhandeln wollten, überfielen ihn plötzlich und ohne daß er sich dessen versah, und stießen ihn nieder. Als darauf die in seiner Nähe befindlichen Soldaten die Schwerter zogen, und sich anschickten, den Mord zu rächen, warfen sich ihnen die vom Lande herbeigekommenen Leute zum Schutze ihrer Gebieter mit ihren Keulen und Aexten entgegen, und schlugen sie nach kurzem Kampfe in die Flucht.
5 So war nun zwar die That gelungen. Allein die einmal in Verzweiflung gesetzten Jünglinge begriffen, daß die einzige Rettung für sie darin bestehe, wenn sie ihr Unternehmen in größerem Maßstabe weiter führten, den Oberstatthalter der Provinz zum Theilnehmer ihres Wagestücks gewännen, und die ganze Bevölkerung der Provinz zum Aufstande bewegten, die, wie sie wußten, aus Haß gegen den Maximinus längst einen solchen herbeiwünschte, aber bisher durch Furcht davon zurückgehalten worden war. Demgemäß begaben sie sich mit ihrem ganzen Anhange, nachdem es unterdessen bereits Mittag geworden war, zu der Wohnung des Prokonsuls. Derselbe hieß Gordianus, das Prokonsulat war ihm durch’s Loos zugefallen, er selbst war ein Greis, der bereits im achtzigsten Jahre stand, und hatte früher schon über viele Provinzen das Regiment geführt, und seine Tüchtigkeit durch die wichtigsten Verwaltungsgeschäfte bewährt. Daher glaubten sie, er werde gern die Kaiserwürde annehmen, als letztes krönendes Ziel seiner früheren Staatsämter, und der Senat und das Volk von Rom werde ihn mit Freuden anerkennen, da er ein [191] Mann von gutem Adel9 und in einer langen Reihenfolge von großen Staatsämtern gleichsam stufenweise zu solcher höchsten Würde gelangt sei. Nun traf es sich, daß sich an jenem Tage, wo das oben Erzählte geschah, Gordianus der Muße pflegend in seinem Palaste befand, um sich von seinen anstrengenden Regierungsmühen und Geschäften zu erholen. Die Jünglinge, welche das Schwert in der Faust mit ihrem ganzen Anhange nach Ueberwältigung der Thürhüter zu ihm eindrangen, finden ihn auf einer Art von Ruhebett liegend, umringen ihn, werfen ihm rasch ein Purpurgewand über, und begrüßen ihn mit dem kaiserlichen Ehrengruße. Gordianus, durch das Unerwartete solchen Vorgangs zum Tode erschreckt, und das Ganze für eine ihm hinterlistig gelegte Versuchung und Falle haltend, warf sich von seinem Ruhebette zur Erde und flehte: man möge einen alten Mann verschonen, der Keinem etwas zu Leide gethan habe, und dem regierenden Kaiser die Treue und Ergebenheit bewahren. Als aber die mit den Schwertern in ihn zu dringen fortfuhren, während er, furchtbetäubt und unwissend, wie er war, keine Ahnung von dem Vorgefallenen, und von der Ursache des ihm angebotenen Glücks hatte, so hieß der eine von den Jünglingen, der unter ihnen an Adel und Beredtsamkeit den ersten Rang einnahm, die übrigen schweigen, und sich ruhig verhalten, und sprach, den gezückten Dolch in der Rechten, folgendermaßen zu ihm: „Zwei Gefahren liegen vor dir, eine gegenwärtige und eine zukünftige, eine bereits augenscheinlich gewisse und eine von ungewissem Ausgange; du hast also zu wählen, ob du dich heute mit uns erretten und dich einer besseren Zukunft, auf die wir Alle unser Vertrauen gesetzt haben, anvertrauen, oder augenblicklich von unsern Händen den Tod erleiden willst. Wählst du das Erstere, so ist vieles vorhanden, was gute Hoffnungen zu nähren vermag: Maximinus’ Verhaßtheit bei aller Welt, das Verlangen nach Erlösung von seiner grausamen Tyrannei10, der Ruhm und die Achtung, die du dir in [192] deinen früheren hohen Stellungen erworben hast, und ein bei Senat und Volk von Rom von alter Zeit her wohl bekannter ausgezeichneter Name und Ruf. Widersagst du uns aber, und willst du nicht mit uns gemeinsame Sache machen, so mußt du noch heute sterben. Auch wir werden, wenn’s sein muß, zu sterben wissen, nachdem wir vorher Andere getödtet haben. Denn wir haben bereits eine That gewagt, der eine noch verzweifeltere folgen muß. Der Diener der Tyrannei liegt am Boden, und hat den Lohn seiner Grausamkeit von unsern Dolchen erhalten. So stehen die Sachen; trittst du also jetzt zu uns, und wirst Theilnehmer an unseren Gefahren, so wirst du als Lohn die Kaiserwürde haben, und unsre That wird nicht Strafe, sondern Lob ernten.“ Während der Jüngling also sprach, hielt sich die übrige Menge kaum so lange, sondern rief, da auf das Gerücht bereits die ganze städtische Bevölkerung zusammengeströmt war, den Gordianus zum Kaiser aus. Zwar suchte dieser es anfangs bittend abzulehnen und sein hohes Alter vorzuschützen, allein ehrgeizig, wie er war, ließ er es sich doch nicht ungern gefallen, und wählte lieber die zukünftige als die gegenwärtige Gefahr; entschlossen, in seinem hohen Alter sich nichts daraus zu machen, falls er auch, wenn es sein müßte, mit der kaiserlichen Würde bekleidet, den Tod erleiden sollte. Natürlich gerieth die ganze Provinz Libyen sofort in heftige Bewegung. Man riß die Ehrenbildsäulen des Maximinus nieder, und schmückte die Städte mit den Bildnissen und Standbildern des Gordianus, und legte dem ursprünglichen Namen desselben nach dem eigenen Lande den Beinamen Afrikanus bei; denn so heißen die südlichen Libyer in Römischer Sprache.
6 Gordianus verweilte einige Tage zu Thystros, dem Schauplatze er oben erzählten Vorgänge, und brach dann, bereits mit Titel und Abzeichen eines Kaisers bekleidet, von Thystros11 auf, und zog nach [193] Karthago, das als die größte und volkreichste Stadt bekannt war, um von hier, als von einem zweiten Rom aus, Alles zu leiten. In der That steht diese Stadt an Größe des Reichthums und Zahl der Bewohner, sowie an Umfang nur allein Rom nach, und streitet mit der Stadt des Alexandros in Aegypten um den zweiten Rang. Er erschien begleitet von dem ganzen kaiserlichen Pompe. Sein Gefolge bildeten die dort befindlichen Soldaten, und eine Schaar der hochgewachsensten Jünglinge der Stadt in Tracht und Rüstung der Leibwache zu Rom schritt ihm voran. Seine Fasces waren mit Lorbeer geschmückt, was das Unterscheidungszeichen der kaiserlichen von denen eines Unterthanen ist. Auch das Feuer ward ihm vorauf getragen, so daß die Stadt der Karthager auf kurze Zeit den Anblick und die Rangstellung von Rom wie in einem Abbilde gewährte. Gordianus sandte sofort eine Menge von Schreiben nach Rom an alle, die dort als Männer vom ersten Range galten, sowie an die angesehensten Mitglieder des Senats, unter denen er sehr viele Verwandte und Freunde besaß. Zugleich erließ er öffentliche Schreiben an Volk und Senat von Rom, in welchen er Kunde gab von der einhellig auf ihn gefallenen Wahl der Libyer, und die Grausamkeit des Maximinus schalt, die, wie er wußte, auf das Aeußerste verhaßt war, für seine Person ein möglichst mildes Regiment versprach, alle Angeber mit dem Exil belegte, allen ungerecht Verurtheilten Revision ihres Prozesses verhieß, und alle Exilirten wieder in ihre Heimath zurückrief. Den Soldaten versprach er Antrittsgeschenke zu einem Betrage, wie sie noch nie zuvor ein Kaiser gegeben, und dem Volke verhieß er öffentliche Spenden. Daneben traf er Maßregeln, vor allen Dingen den Befehlshaber der Gardecorps zu Rom aus dem Wege zu räumen. Derselbe hieß Vitalianus, war als ein Mann von grausamster und brutalster Handlungsweise und als ein treuester und geschworener Anhänger des Maximinus bekannt. Von diesem nun vermuthete Gordianus, daß er sich seinen Unternehmungen energisch widersetzen, und daß aus Furcht vor ihm keiner seine Partei zu ergreifen wagen würde. Er schickt also seinen Provinzialquästor, einen jungen Mann von unternehmendem Charakter, nicht unbedeutender Leibesstärke und blühender Jugendkraft, der für ihn zu jedem Wagnisse bereit war, nach [194] Rom, und gibt ihm einige Centurionen und Soldaten mit, denen er versiegelte Schreiben auf zusammengefalteten Täfelchen einhändigte, wie die sind, mittelst deren den Kaisern verborgene und geheime Berichte übermacht werden12. Diesen Leuten gibt er die Weisung: sie sollten vor Tagesanbruch in Rom eintreffen, und dann sogleich den Vitalianus antreten, während derselbe noch mit der Entscheidung von Rechtshändeln beschäftigt zurückgezogen in dem kleinen Pavillon des Gerichtshauses sich befinde, wo er allein solche tiefgeheime Depeschen, von denen er annahm, daß sie das Wohl des Kaisers beträfen, zu eröffnen und zu untersuchen pflegte. Dort sollten sie ihm melden, sie brächten ihm geheime Depeschen an Maximinus, zu deren Ueberbringung sie eigens von demselben gesendet seien, weil es die Sicherheit des Kaisers gelte; zugleich sollten sie sich stellen, als hätten sie mit ihm noch besonders zu reden, und ihm mündliche Aufträge auszurichten. Wenn er dann seine Aufmerksamkeit auf die Untersuchung der Siegel richte, sollten sie thun, als ob sie ihm etwas sagen wollten, und ihn dann mit den in ihren Gewändern verborgen gehaltenen Dolchen niederstoßen. Das Alles ging von Statten, wie es Gordianus befohlen hatte. Es war noch Nacht – denn Vitalianus war gewohnt, vor Tage an die Geschäfte zu gehen – als sie zu ihm kamen, während er allein war, und überhaupt nur noch wenige Menschen in seiner Nähe waren; denn Einige waren noch gar nicht erschienen, Andere, die schon vor Tage Audienz bei ihm gehabt hatten, waren bereits wieder fortgegangen. So war also noch Alles stille, und wenig Menschen befanden sich im Vorzimmer, als jene sich bei ihm mit den oben angegebenen Vorwänden melden ließen, und sofort angenommen wurden. Sie überreichten ihm darauf die Depeschen, und als jener seine Blicke auf die Siegel richtete, rissen sie die Dolche vor, und stoßen ihn nieder. Darauf stürzen sie, das gezückte Eisen in der Faust, aus dem Zimmer. Die dort Anwesenden wichen erschreckt zurück, weil sie glaubten, Maximinus habe den Befehl (zu dieser That) gegeben; denn er verfuhr in dieser Art oftmals selbst gegen solche, die für seine ergebensten Freunde [195] galten. So gingen sie denn gradenwegs die heilige Straße hinab, machen das Schreiben des Gordianus dem Volke bekannt, und übergeben den Konsuln und den übrigen Senatsmitgliedern die für sie mitgebrachten Briefe. Zugleich sprengen sie das Gerücht aus: auch Maximinus sei umgebracht.
7 Als dieses bekannt wurde, lief aller Enden das Volk wie außer sich zusammen. Denn der Pöbel ist zwar überall leicht bei der Hand, wo es Neuerungen gilt, allein das Volk von Rom bei seiner ungeheuren buntgemischten Masse und dem vielen Gesindel aus allen Ländern ist vorzugsweise leicht beweglichen und veränderlichen Sinnes. So reißen sie denn sofort die Bildsäulen, Porträtbilder13 und alle sonstigen Ehrenzeichen des Maximinus nieder14, und der zuvor aus Furcht verborgene Haß ergoß sich jetzt, da man ihn ohne Furcht frei äußern konnte, in schrankenloser Weise. Zugleich versammelte sich der Senat, und ehe man noch Gewisses über Maximinus wußte, im blinden Vertrauen, daß die Zukunft dem gegenwärtigen glücklichen Ereignisse entsprechen werde, rufen sie den Gordian sammt seinem Sohne zu Kaisern aus, und vernichten die Ehrenzeichen des Maximinus. Die öffentlichen Angeber, oder wer sonst irgend wen angeklagt hatte, ergriffen theils die Flucht, theils wurden sie von denen, die durch sie in’s Unglück gekommen waren, ermordet. Die Finanzbeamten und Richter, die Helfershelfer seiner Grausamkeit, wurden vom Volke durch die Straßen geschleift, und dann in die Kloaken gestürzt. Natürlich kamen auch viele Menschen, die nichts Unrechtes begangen hatten, dabei um’s Leben. Man überfiel Gläubiger oder Gegner in einem Rechtshandel, oder gegen wen einer sonst irgend eine geringe Veranlassung zum Hasse hatte, in ihren Wohnungen, mißhandelte [196] sie als Angeber, plünderte sie aus und ermordete sie zuletzt. So wurden unter dem Vorwande der Freiheit und friedlichen Sicherheit Gräuel des Bürgerkriegs verübt, wie denn sogar der damalige Stadtpräfekt, Sabinus mit Namen, ein Mann, der vielmals das Konsulat bekleidet hatte, als er dem Unwesen Einhalt thun wollte, durch einen Schlag auf den Schädel, den er mit einem Knittel erhalten hatte, sein Leben verlor. So verfuhr das Volk. Der Senat aber, der sich einmal so weit in die Gefahr gestürzt sah, wandte jetzt aus Furcht vor Maximinus alles Mögliche an, um die Provinzen zum Abfall von ihm zu bringen. Gesandtschaften wurden daher sofort an alle Statthalter abgeschickt, wozu man bedeutende Männer aus dem Senate selbst und aus dem Ritterstande erwählte, und Briefe überall hin gesendet, welche von dem Entschlusse der Römer und des Senats Kunde gaben, die Statthalter aufforderten, den Beschlüssen der gemeinsamen Vaterstadt und des höchsten Raths beizutreten, die Provinzen ermahnten, dem Römischen Volke Gehorsam zu leisten, das von jeher der Inhaber der höchsten Gewalt, und dem sie seit ihrer Vorfahren Zeiten stets gewärtig und getreu gewesen. Die meisten nahmen die Gesandtschaft willfährig auf, bewogen ihre untergebenen Provinzen zum Abfalle, was bei der Verhaßtheit von Maximinus’ Tyrannei eine leichte Sache war, tödteten die dortigen Beamten die es mit dem Maximinus hielten, und machten gemeinsame Sache mit den Römern. Nur einige Wenige ermordeten entweder die an sie geschickten Gesandten, oder lieferten sie unter Bedeckung an Maximinus aus, der sie gefangen nehmen und grausam hinrichten ließ.
8 Dies also war in Rom die Lage der Dinge und die Stimmung des Volks. Als Maximinus das Vorgefallene erfuhr, verfinsterte sich sein Blick, und schwere Sorgen bemächtigten sich seiner, doch stellte er sich, als ob er das Ganze als unbedeutend verachte. Den ersten und [197] zweiten Tag blieb er ruhig in seinem Palaste15, und hielt Rath mit seinen Freunden, was zu thun sei. Das ganze um ihn befindliche Heer und sämmtliche Bewohner der dortigen Gegend hatte zwar von der eingelaufenen Botschaft Kunde bekommen, und alle Gemüther geriethen über das kühne Wagniß einer so großen Revolution in Aufregung, aber Keiner sprach ein Wort zum andern, oder that auch nur, als ob er etwas wisse. Denn so groß war die Furcht des Maximinus, daß seiner Aufmerksamkeit nichts entging, und daß er überall nicht bloß überwachen ließ, was Zunge und Mund sprach, sondern selbst, was man durch Blicke und Winke äußerte. Am dritten Tage aber trat Maximinus, nachdem er das gesammte Heer sich auf der Ebene vor der Stadt hatte versammeln lassen, aus seinem Palaste, bestieg die Rednerbühne mit einer schriftlichen von seinen Vertrauten für ihn verfaßten Rede in der Hand, und las folgende Ansprache vor: „Unglaublich und wunderlich werden Euch, wie ich glaube, die Dinge vorkommen, die ich Euch sagen werde. Ich meinerseits jedoch bin der Ansicht, daß sie nicht Verwunderung, sondern Spott und Gelächter verdienen. Die Waffen erheben gegen Euch und Eure Tapferkeit nicht die Germanen, die wir so oft besiegten, nicht die Sauromaten, die alle Tage uns um Frieden anflehen. Auch die Perser, die sonst Mesopotamien plündernd heimzusuchen pflegten, halten sich jetzt ruhig, und sind zufrieden, wenn sie ihr Land im Frieden behalten können; denn eure rühmlich bekannte Tapferkeit, von der sie durch meine Thaten, als ich den Oberbefehl in jenem Stromlande führte, eine Probe gemacht haben, hält sie im Zaum. Nein nicht diese, sondern – fast ist es lächerlich, davon zu reden – die Karthager sind toll geworden, und haben einen unglücklichen Greis, den sein hohes Alter blödsinnig gemacht hat, mit Zureden oder mit Gewalt dahin vermocht, daß sie mit ihm wie bei Festaufzügen Kaiser spielen16. Auf welche Heeresmacht vertrauen sie, bei denen zum [198] Dienste des Statthalters Liktoren genügen? Mit welchen Waffen werden sie sich zum Kampfe stellen, sie, die nichts haben, als ihre elenden Spieße, mit denen sie gegen die wilden Thiere kämpfen? Ihre kriegerischen Uebungen sind Reigentänze, Witzworte und Verse. Lasse sich auch keiner von Euch durch die Nachrichten aus Rom schrecken. Vitalianus ist allerdings hinterlistiger und meuchlerischer Weise ermordet worden. Aber was das Volk von Rom betrifft, so kennt Ihr gar wohl seinen Leichtsinn und seine wankelmüthige Sinnesart, und wißt, daß sein Muth nicht über das Geschrei hinausgeht. Wenn sie bloß zwei oder drei Soldaten sehen, da flieht Alles, und drängt und tritt einer den andern unter die Füße, und jeder ist froh für sich selbst, mit heiler Haut aus der Gefahr zu kommen, ohne sich um die allgemeine Sache zu kümmern. Sollte ferner Jemand auch die Handlungen und Beschlüsse des Senats zu Eurer Kunde gebracht haben, so wundert Euch nicht darüber, wenn das, was bei uns für weise Strenge der Zucht gilt, ihnen als Härte erscheint, während das ihrer eigenen Sinnesart gemäße üppige Leben eines Gordianus17 Gegenstand ihrer vorzugsweisen Verehrung ist, und wenn sie ernstes und tapferes Thun furchtbar nennen, dagegen an einer schlaffen und weichlichen Handlungsweise, als an einer humanen ihre Lust haben. Ebendeswegen sind sie gegen mein Zucht und Ordnung haltendes Regiment feindlich gesinnt, während ein Mann, der den Namen Gordianus führt, nach ihrem Geschmack ist, dessen übel berufener Lebenswandel Euch nicht unbekannt ist. Mit solchen Leuten also und ihres Gleichen haben wir Krieg zu führen, wenn man anders dem Dinge diesen Namen geben will. Denn ich meinerseits bin der Ansicht, wie die Meisten, um nicht zu sagen Alle, daß sie, sobald wir den ersten Fußtritt auf Italiens Boden setzen, sich mit Friedenszweigen und ihren Kindern auf den Armen um Gnade flehend zu unsern Füßen stürzen, und der Rest in seiner Feigheit und Jämmerlichkeit die Flucht ergreifen wird, so daß ich meinerseits in der Lage bin, Euch ihr sämmtliches Eigenthum zu schenken, während Ihr ohne alle Mühe zum Genusse desselben kommen werdet.“ [199] Nachdem er solchergestalt gesprochen, und zwischendurch viele Schimpfreden gegen Rom und den Senat ausgestoßen hatte, wobei die drohenden Bewegungen seiner Hand und die wilden Mienen seines Angesichts von der Art waren, als ob er die Gegenstände seines Grimmes vor sich habe, kündigt er den Aufbruch nach Italien an. Nur noch einen Tag ließ er verstreichen, vertheilte während desselben große Geldsummen an die Soldaten, und setzte sich darauf in Marsch. Er führte mit sich ein gewaltiges Heer, und zog die gesammte verfügbare römische Streitmacht der Hülfstruppen an sich. Auch folgte ihm eine nicht unbeträchtliche Zahl Germanen, theils solche, die er im Kriege unterworfen, theils solche, die er durch friedliche Verhandlungen zu Freundschaft und Bündniß bewogen hatte, desgleichen Kriegsmaschinen und Geschütz, und was er sonst auf seinen Feldzügen gegen die Barbaren mit sich zu führen pflegte. Uebrigens ging sein Marsch ziemlich langsam, weil man die nöthigen Wagen und sonstigen Bedürfnisse erst unterwegs von allen Seiten her zusammenbringen mußte. Denn da ihm dieser Zug gegen Italien plötzlich über den Hals gekommen war, so hatte er nicht, wie er sonst pflegte, lange zuvor die nöthigen Maßregeln überlegen können, sondern mußte in der Eile und im Drange der Noth des Augenblicks die Bedürfnisse für das Heer herbeizuschaffen suchen. Er beschloß also, die Päonischen Schaaren als Vortrab vorauf zu schicken; denn auf diese vertraute er vorzugsweise, weil sie ihn als die Ersten zum Kaiser ausgerufen hatten, und auch jetzt sich jeder Gefahr für ihn freiwillig unterziehen zu wollen erboten. Er gab ihnen also Befehl, dem übrigen Heere voraus zu marschiren, und die Ortschaften Italiens zu besetzen.
9 Während solchergestalt Maximinus und sein Heer sich auf dem Marsche befanden, gingen zu Karthago die Sachen nicht, wie man gehofft hatte. Dort befand sich nämlich ein gewisser Capellianus, ein Senator, als Statthalter derjenigen den Römern unterworfenen Maurusier, welche Numider heißen. Diese seine Provinz war stark mit Truppenlagern befestigt, weil sie rings von zahlreichen Stämmen freier Maurusier umgeben war, deren räuberische Einfälle er im Zaum zu [200] halten hatte. Er hatte also eine sehr bedeutende Streitmacht unter seinem Befehl. Mit diesem Capellianus nun stand Gordianus seit langer Zeit in Feindschaft aus Anlaß irgend eines bürgerlichen Rechtshandels. Jetzt, wo er den Kaisertitel führte, sandte er demselben einen Amtsnachfolger, und gebot ihm, die Provinz zu verlassen. Capellianus, darüber aufgebracht, und ein geschworener Anhänger des Maximinus, von dem er mit der Statthalterschaft betraut worden war, versammelte sein ganzes Heer, bewog die Soldaten, dem Maximinus ihren geleisteten Treuschwur zu halten, und marschirte gegen Karthago an der Spitze einer großen Streitmacht, die aus tapfern und wohlgerüsteten kräftigen jungen Leuten aller Waffengattungen bestand, und kampfgewohnt und streitgeübt durch beständige Kämpfe mit den Barbaren zum Schlagen bereitwillig war. Als Gordianus erfuhr, daß das Heer gegen die Stadt anrücke, gerieth er selbst in die äußerste Furcht, und auch die Karthager wurden sehr bestürzt. Jedoch in der Hoffnung, die Ueberzahl der Masse des Volks werde über die geregelte Streitmacht den Sieg davon tragen, zog Alles in großen Schaaren aus, um sich mit dem Capellianus zu messen. Der Greis Gordianus jedoch verfiel, als jener in das Karthagische Gebiet einrückte, wie Einige berichten, in Verzweiflung, weil er im Hinblick auf die für Maximinus fechtende Streitmacht erkannte, daß er derselben in Libyen keine Macht, welche ihr die Waage halten könne, entgegenzustellen habe, und erhenkte sich. Man hielt indessen seinen Tod geheim, und wählte seinen Sohn zum Anführer des Volkshaufens. Als es zum Treffen kam, hatten zwar die Karthager an Masse die Ueberzahl, aber sie waren ohne kriegerische Ordnung und Uebung, denn sie waren in tiefem Frieden aufgewachsen, hatten sich stets nur mit Festen und Lustbarkeiten beschäftigt; auch waren sie ohne ordentliche Waffen und Kriegswerkzeuge. Jeder führte, was er gerade zu Hause hatte, ein Schwert, oder eine Axt, oder ein Paar Jagdspieße, und dazu hatten sie sich aus beliebigem Leder und zersägten Brettern von jeder beliebigen Form Schutzwaffen für den Leib gemacht. Die Numider dagegen sind treffliche Bogenschützen und die besten Reiter, die selbst ohne Zügel bloß mit einer Gerte den Lauf ihrer Rosse zu lenken vermögen. Sie schlugen also leicht die Karthagerhaufen in die Flucht, die ihren vollen Angriff gar nicht [201] abwarteten, sondern Alles wegwarfen, und die Flucht ergriffen. Im Gedränge erdrückten und zertraten sie sich unter einander selbst, so daß mehr Menschen durch ihre eigene Masse, als von der Hand der Feinde umkamen. Hier kam auch Gordianus’ Sohn mit allen seinen Begleitern um’s Leben, und die Masse der Gefallenen war so groß, daß es weder möglich war, die Leichen zum Begräbniß vom Schlachtfelde wegzuschaffen, noch den Leichnam des jungen Gordianus aufzufinden. Nur Wenige, welchen es gelang, fliehend sich in die Thore von Karthago zu drängen, und in der ungeheuren Stadt zerstreut sich zu verbergen, wurden von der großen Anzahl gerettet. Die übrige Masse, die sich an den Thoren staute, weil jeder sich hineinzudrängen trachtete, fiel unter den Pfeilen und Speeren der feindlichen Bogenschützen und Soldaten. Furchtbar war in der Stadt das Wehgeschrei der Weiber und Kinder, vor deren Augen ihre Theuersten niedergemacht wurden. Ein anderer Bericht sagt dagegen, daß Gordianus, der seines Alters wegen daheim geblieben war, als er die Nachricht von diesem Unglück erhielt, und man ihm meldete, Capellianus dringe bereits in Karthago ein, sich allein in sein Gemach begeben habe, als wolle er sich schlafen legen, dort den Gürtel, den er trug, um seinen Hals geschlungen, und so durch Erhängen seinem Leben ein Ende gemacht habe. Ein solches Ende nahm Gordianus, der nach einem früheren glücklichen Leben zuletzt, nachdem er das bloße Scheinbild der Kaiserherrschaft genossen, seinen Tod fand18. Capellianus ließ gleich, nachdem er in Karthago eingerückt war, alle bedeutenden Männer, soviel sich deren etwa noch aus der Schlacht gerettet hatten, umbringen. Desgleichen plünderte er schonungslos die Heiligthümer, und raubte Privat- und öffentliches Vermögen. Dann überzog er die andern Städte, welche des Maximinus Ehrenzeichen niedergerissen hatten, ließ die Vornehmen umbringen, und jagte die geringeren Leute in die Verbannung. Das platte Land und die Dörfer übergab er seinen Soldaten zu Brand und Plünderung, angeblich zur Strafe der gegen Maximinus begangenen Vergehen, in [202] der That aber mit der geheimen Absicht, sich dadurch die Gunst der Soldaten zu erwerben, um, wenn es etwa mit Maximinus schlecht gehen sollte, selbst an der Spitze einer ihm ergebenen Truppenmacht sich des Throns zu bemächtigen. – Dies also war die Lage der Dinge in Libyen.
10 Als die Kunde von dem Ende des Greises nach Rom kam, gerieth das Volk und vor Allem der Senat in sprachlose Bestürzung, da der, auf den sie ihre Hoffnung gesetzt hatten, sein Ende gefunden hatte. Sie wußten, daß Maximinus [auf’s Aeußerste in Wuth war], und daß von ihm Niemand Schonung zu hoffen hatte. Denn wenn er schon früher von Natur Abneigung und Haß gegen sie hegte, so hatte er jetzt gegründete Ursachen, ihnen als offenbaren Feinden zu zürnen. Sie entschlossen sich daher, zur Berathung zusammen zu treten, und zu überlegen, was zu thun sei, und da sie sich einmal in die Gefahr gestürzt hatten, den Krieg zu beginnen, und neue Kaiser ihrer Wahl an die Spitze zu stellen. Diese sollten das Regiment unter sich theilen, damit nicht die in einer einzigen Hand vereinigte Macht wieder zur Tyrannei führe. Sie versammelten sich also nicht in ihrem gewöhnlichen Rathhause, sondern in dem Tempel des Kapitolinischen Zeus, welchen die Römer auf der Stadtburg verehren. Dort also schlossen sie sich allein in dem innern Heiligthum ein19, und wählten gleichsam unter den Augen und unter der Aufsicht des Zeus aus den körperlich und geistig tüchtigsten und angesehensten Mitgliedern durch Stimmenabgabe die Kaiser, wobei zwar auch andere einzelne Stimmen erhielten, die überwiegende Mehrzahl sich aber auf Maximus und Balbinus vereinigte, welche man denn ausrief, und zu Kaisern machte. Von ihnen hatte Maximus bereits zahlreiche Militärkommando’s geführt, war auch Präfekt von Rom gewesen, und hatte dies Amt mit rücksichtsloser Gerechtigkeit verwaltet, weshalb er denn auch bei der Bevölkerung als ein Mann von großer Einsicht [203] und tadellosem Lebenswandel in Achtung stand. Balbinus seinerseits war von altem Adel, hatte es zu zwei Konsulaten gebracht, Provinzen untadlig verwaltet, und war von ungewöhnlich schlichtem Charakter. Nachdem also das Wahlergebniß sie als die Erwählten ausgewiesen hatte, wurden sie als Kaiser ausgerufen, und der Senat legte ihnen durch ein Dekret den Schmuck aller kaiserlichen Ehren bei. Während nun dieß auf dem Kapitol vorging, versammelte sich das Volk, entweder aufgehetzt von einigen Freunden und Anhängern des Gordianus, oder weil irgend eine Kunde20 verlautbart war, an den Eingangsthoren, versperrte jeden Zugang zum Kapitol durch Pöbelhaufen, und schleppte Steine und Prügel herbei, indem es sich entschlossen zeigte, gegen die Beschlüsse des Senats aufzutreten, und namentlich gegen den Maximus Protest einzulegen. Denn derselbe hatte sein städtisches Regiment etwas strenge gehandhabt, und war gegen das schlechte und lüderliche Gesindel sehr nachdrücklich verfahren. Er war deshalb gefürchtet, und ein Gegenstand ihrer Abneigung, und man schrie und drohte, die neuerwählten Kaiser zu ermorden. Man forderte nämlich, daß ein Kaiser aus der Familie des Gordianus gewählt werden, und der kaiserliche Herrschertitel bei diesem Hause und Namen bleiben solle. Balbinus und Maximus ihrerseits versammelten alle jungen Leute des Ritterstandes, und die zu Rom befindlichen Soldaten mit gezogenen Schwertern um sich, und versuchten mit Gewalt, sich einen Weg vom Kapitol zu bahnen, wurden jedoch durch die Menge von Steinwürfen und Knitteln daran gehindert, bis sie endlich durch eine List, die ihnen irgend Jemand an die Hand gab, das Volk beschwichtigten. Es befand sich nämlich zu Rom ein unmündiger Knabe, ein Tochterkind des Gordianus, der den Namen seines Großvaters führte. Sie schickten also einige ihrer Begleiter ab, und lassen diesen Knaben holen. Jene fanden ihn mit Spielen beschäftigt zu Hause, nahmen ihn auf ihre Schultern, und trugen ihn mitten durch die Volksmenge, zeigen ihn den Pöbelhaufen, sagten ihnen: dies sei ein Abkömmling des Gordianus, nennen ihn mit dessen Namen, und führen ihn so auf das Kapitol unter dem Beifalljauchzen des Volks, das Blumen [204] auf seinen Weg streute. Der Senat erklärte ihn hierauf zum Cäsar, und da er doch seiner Jugend wegen nicht an die Spitze der Regierungsgeschäfte treten konnte, so legte sich die Aufregung des Volks, und es ließ jene beiden ihren Einzug in die kaiserliche Hofburg halten.
11 Nun traf aber zu derselben Zeit die Stadt Rom ein großes Unheil, in Folge und auf Veranlassung der tollkühnen Verwegenheit von zwei Männern, welche Mitglieder des Senats waren. Sämmtliche Senatoren hatten sich nämlich in die Kurie begeben, um dort über die Lage der Staatsangelegenheiten zu berathen. Als dies die Soldaten erfuhren, welche Maximinus im Lager zurückgelassen hatte – es waren dies nämlich solche, deren Dienstzeit dem Ende nahe war, und die ihres Alters halber zu Hause geblieben waren – begaben sie sich an den Eingang des Senatsgebäudes, in der Absicht, etwas von dem, was man dort verhandelte, zu erfahren. Sie waren ohne Waffen in gewöhnlichen Bürgerkleidern und Ueberwurfmänteln, und standen dort vermischt unter dem übrigen Volke. Alle andern blieben vor den Thüren, nur zwei oder drei, die ganz besonders gern etwas von den Berathungen zu erhorchen wünschten, gingen in den Sitzungssaal selbst hinein, so daß sie den dort aufgerichteten Altar der Victoria überschritten. Einer der Senatoren aber, der eben erst Konsul gewesen war, Gallikanus mit Namen, ein Karthager von Geburt, und ein anderer, ein Mann von Prätorsrange, Mäcenas geheißen, zogen ihre Dolche, die sie im Busen versteckt trugen, und stießen sie den Soldaten, die sich keines Args versahen, und ihre Hände ruhig unter den Mänteln hielten, mitten in’s Herz; bei der damaligen Aufregung und Verwirrung führte nämlich Jedermann theils heimlich, theils versteckt eine Waffe bei sich, um gegen plötzliche Angriffe von feindlicher Seite zur Abwehr gerüstet zu sein. So lagen denn also die Soldaten, die, wie gesagt, unversehens, ohne sich dagegen schützen zu können, den Todesstoß erhalten hatten, zu Füßen des Altars. Bei diesem Anblick erschracken die übrigen Soldaten über das Schicksal ihrer Kameraden, und da sie sich vor dem Volke fürchteten, und ohne Waffen waren, ergriffen sie die Flucht. [205] Gallikanus aber stürzte aus dem Senat mitten unter das Volk, zeigte sein blutiges Schwert und seine blutige Hand, und forderte das Volk wiederholt auf, diese Feinde des Senats und der Römer, und Freunde und Bundesgenossen des Maximinus zu verfolgen und zu tödten. Die Soldaten jedoch, die einen Vorsprung hatten, erreichten, nur hier und da einzeln von einem Steinwurfe verwundet, glücklich ihr Lager, schlossen dessen Thore, griffen zu den Waffen, und besetzten die Mauer des Lagers. Gallikanus aber, der sich nun einmal auf ein solches Wagstück eingelassen hatte, fuhr fort, über die Stadt Bürgerkrieg und großes Unheil heraufzubeschwören. Er reizte die Pöbelmassen an, die öffentlichen Zeughäuser zu erbrechen, deren Waffen eigentlich mehr die Bestimmung hatten, bei festlichen Aufzügen, als zum wirklichen Kampfe zu dienen, und sich daraus nach Lust und Belieben mit Schutz- und Trutzwaffen zu versehen. Zugleich ließ er die Fechterherbergen öffnen, und führte die darin befindlichen Fechter, jeden mit der ihm eigenthümlichen Bewaffnung versehen, heraus. Ebenso ließ er überall, was von Spießen, Schwertern und Beilen in Privathäusern oder Werkstätten sich befand, sammt und sonders mit Gewalt wegnehmen, während das in Wuth gesetzte Volk aus allem und jedem Werkzeug, dessen Stoff zum Dreinschlagen dienen konnte, sich eine Waffe machte. Darauf sammelten sich die Haufen, und zogen gegen das Lager, das sie zu stürmen versuchten, indem sie sich gegen die Thore und Mauern stürzten. Allein die Soldaten, die, kriegserfahren, wie sie waren, sich wohl vorgesehen hatten, und hinter ihren Zinnen und Schilden gedeckt standen, streckten sie mit ihren Geschossen nieder, und stießen die zum Sturme Ansteigenden mit ihren langen Speeren von der Mauer zurück. Endlich wurde das Volk müde, die Fechter waren zahlreich verwundet, und man begann, da der Abend bereits hereinbrach, abzuziehen. Als die Soldaten sahen, daß sie Kehrt machten, und ihre Rücken Preis gaben, weil sie glaubten, eine so kleine Anzahl werde nicht wagen, auf eine so große Masse einen Ausfall zu machen, öffneten sie plötzlich die Thore, stürzten sich auf das Volk, und tödteten die Fechter, während vom Volke durch das Gedränge eine große Masse Menschen um’s Leben kam. Die Soldaten setzten ihre Verfolgung auf eine nicht allzugroße Entfernung von ihrem Lager fort, und zogen sich dann wieder in dasselbe zurück.
12 [206] Dadurch wurde die Erbitterung des Volks und Senats nur noch größer. Man ernannte ordentliche Anführer, und berief bewährte Kriegsmänner aus ganz Italien. Zugleich sammelte man die ganze junge Mannschaft zum Dienste, und versah sie mit Waffen, so gut man sie in der Eile auftreiben konnte. Mit dem größten Theile der so zusammengebrachten Mannschaft rückte Maximus selbst aus, um den Feldzug gegen Maximinus zu beginnen. Der Rest blieb in Rom zurück, um die Stadt zu bewachen und zu schirmen. Wiederholentlich wurden nun Sturmangriffe gegen die Verschanzung des Lagers unternommen. Aber man richtete nichts aus, da sich die Soldaten von der Mauer herab tapfer wehrten, und die Stürmenden mußten endlich, von Pfeilschüssen und Wunden aller Art übel zugerichtet, das Unternehmen aufgeben. Balbinus, der in Rom zurückgeblieben war, erließ jetzt einen Aufruf, in welchem er das Volk beschwor, sich auf gütliche Unterhandlungen einzulassen, während er den Soldaten Amnestie versprach, und Verzeihung für alle ihre Vergehen gewährte; aber er fand bei keiner von beiden Partheien Gehör. Vielmehr wurde der Haß täglich ärger, da das Volk sich darüber nicht zufrieden geben konnte, sich trotz seiner großen Anzahl von so Wenigen verhöhnen zu lassen, und die Soldaten sich tief gekränkt fühlten, von Römern eine Behandlung wie von Barbaren zu erleiden. Zuletzt endlich, als man mit dem wiederholten Stürmen gegen die Mauer nichts ausrichtete, beschlossen die Anführer, alle in das Lager fließenden Wasserleitungsröhren abzuschneiden, und die Soldaten durch Durst und Wassermangel zur Ergebung zu zwingen. Man machte sich also an’s Werk, leitete das gesammte Wasser des Lagers in andere Kanäle, und zerstörte und verstopfte alle in das Lager führenden Wasserleitungsröhren. Die Soldaten, welche die Gefahr, die ihnen drohte, vor Augen sahen, geriethen in Verzweiflung, öffneten die Thore, und machten einen Ausfall. Es entspann sich ein gewaltiger Kampf, die Volkspartei ward in die Flucht geschlagen, und die Soldaten verfolgten sie bis tief in die Stadt hinein. Als die Volksmassen sahen, daß sie bei jedem Nahekampf den Kürzern zogen, [207] stiegen sie auf die Hausdächer, und warfen mit Ziegeln auf die Soldaten, und setzten ihnen mit Herabwerfen von Steinen und sonstigen Scherben zu. Die Soldaten ihrerseits wagten bei ihrer Unkenntniß der Häuser nicht, ihnen nachzusteigen; dafür aber legten sie an die Thüren der verschlossenen Wohnhäuser und Werkstätten, und wo sich irgend ein hölzerner Vorbau befand, dergleichen es nicht wenige in der Stadt gab, Feuer an; und wegen der Nähe der dicht an einander stoßenden Häuser und der Menge von Holzwerk gerieth bald ein großer Theil der Stadt in Flammen, so daß viele reiche Leute zu Bettlern wurden, indem große und weitläuftige Besitzungen, werthvoll durch reiche Einkünfte und kostbare Ausstattung, zu Grunde gingen. Auch eine große Menge Menschen kam in den Flammen um, weil das Feuer zuerst die Ausgänge ergriff. Dazu wurde alles Hab’ und Gut reicher Leute ausgeplündert, weil sich verbrecherisches und lüderliches Volksgesindel des Raubens wegen unter die Soldaten mischte. Der vom Feuer verwüstete Stadttheil aber war so groß, daß sich keine, selbst der größten Städte damit an Umfang messen konnte. So ging es also in Rom zu. Unterdessen machte Maximinus, der seinen Marsch zurückgelegt hatte, an Italiens Gränzen Halt, vollzog an den Gränzaltären die Opfer, und schickte sich an, in Italien einzufallen, wobei er den Befehl gab, daß das ganze Heer vollständig zum Kampf gerüstet sein, und in strenger Ordnung vorwärts gehen solle. So habe ich denn den Abfall Libyens und den Bürgerkrieg in Rom, sowie die Maßregeln, welche Maximinus traf, und die Ankunft desselben in Italien geschildert. Der weitere Verlauf soll in den jetzt folgenden Abschnitten erzählt werden.
Anmerkungen
1 Dem Kaiser ward bei festlichen Aufzügen Feuer vorangetragen. Siehe zu I, Kap. 8.
2 Ist bereits oben Buch VI, Kap. 7. gesagt.
3 Die hier im Texte befindliche Lücke enthielt die Angabe des Verlustes der Römer. Möglicherweise ist diese Lücke uralt, da vielleicht der Verfasser selbst, da er keine Auskunft über die Zahl der gefallenen Römer fand, die Ausfüllung derselben auf spätere Nachforschungen verschob.
4 Diese Sitte finden wir schon in der republikanischen Zeit von Rom, wo Aemilius Paullus sich den Athenischen Maler Metrodor nach Rom verschrieb, um seinen Triumph zu verherrlichen, und der Feldherr Hostilius Mancinus im Jahre 148 vor Chr. dem Volke ein öffentlich aufgestelltes Gemälde von der Eroberung Karthago’s erklärte. Vgl. Ad. Stahr: Ein Jahr in Italien 3, S. 337–338.
5 Sirmium, dessen Ruinen in der Nähe des heutigen Mitrowitz in Slavonien sich finden, war in der römischen Kaiserzeit ein Hauptwaffenplatz und Niederlage aller Kriegsbedürfnisse in den Kämpfen gegen die Daker und andere Donauvölker. Die Stadt hatte eine eigene kaiserliche Hofburg (Palatium), ein großes Forum, beträchtliche Waffenfabriken, und war der Geburtsort des Kaisers Probus.
6 Des Verläumdeten.
7 Was Herodian hier und zuvor οἰκεῖοι (wörtlich: „Hausgenossen“, „Hausverwandte“) nennt, sind die höheren Staatsdiener, Hof- und Militärbeamten, die gleichsam das Haus des Kaisers bilden.
8 D. h. ihre Knechte und Dienstleute auf den Gütern.
9 Gordian führte sein Geschlecht von väterlicher Seite auf die Gracchen, von mütterlicher auf Kaiser Trajan zurück. Gibbon.
10 Ich übersetze nach I. Bekkers Vermuthung: πόθος – ἀπαλλάξεως – εὐδοκίμησις.
11 Auch Thysdros oder Tusdra, eine nicht unbedeutende freie, feste Stadt in der Mitte zwischen Thapsus und Thenä, westlich vom Vorgebirge Brachodes; jetzt El Dschem, mit vielen Ruinen.
12 Es kann dem Texte nach auch heißen: „mittelst deren die Kaiser geheime Befehle zu senden pflegen.“
13 Zu diesen (εἰκόνες) gehören auch Gemälde, wie das oben Kap. 2. erwähnte.
14 Das hier gebrauchte griechische Zeitwort (κατασπᾷν) zeigt, daß dies Niederreißen mit Stricken und Ketten geschah, wie man weiland in Paris 1815 Napoleons Statue auf diese Weise von der Vendomesäule zu reißen versuchte.
15 Ganz entgegengesetzt schildert Capitolinus (Maximin. 17.) das Betragen des Tyrannen, den er rasen und wüthen läßt.
16 Erinnerung an das Spiel der Kinder, die den zum Könige wählen, der bei dem Ballspiele seine Sache am besten macht. Vergl. die Ausleger zu Horaz’ Epist. I, 1, 59.
17 Gordianus hielt auf gut morgenländisch einen zahlreichen Harem, und war daneben ein Mann von Sinn und Interesse für Litteratur und Kunst, der selbst als Schriftsteller auftrat.
18 Seine Regierung hatte nur sechsunddreißig Tage gewährt.
19 Selbst die Diener des Hauses, die Schreiber etc. waren ausgeschlossen, und Senatoren übernahmen ihre Verrichtungen.
20 Ueber die neugewählten Kaiser.
