Liber de Caesaribus

Ornament

Übersetzung

Octavianus Augustus

1 (1) [97] Ungefähr im Jahre der Stadt 722 kam auch in Rom der Gebrauch auf, einem Einzigen unbedingt zu gehorchen1. Denn Octavianus, ein Sohn des Octavius und Adoptivsohn seines Großoheims Cäsar, der später wegen der Mäßigung in Benutzung seines Sieges über das Vaterland durch einen Senatsbeschluß den Beinamen Augustus erhielt, wußte, nachdem er die Soldaten durch Geschenke und den großen Haufen durch glänzende Aussicht auf Getreidelieferungen gewonnen hatte, die Uebrigen leicht zu unterwerfen. (2) Als auf diese Weise ungefähr vierundvierzig Jahre verflossen waren, starb er zu Nola2 an einer Krankheit, nachdem er dem Reiche Rhätien und Illyrien3 beigefügt und, mit Ausnahme Germaniens, den wilden Muth [98] aller auswärtigen Völkerschaften gebändigt hatte, (3) obgleich er auch nach Besiegung des Antonius als der Dritte seit Numa die Januspforten schloß, was nach römischer Sitte erfolgte, wenn alle Kriege ruhten. (4) In seinem Benehmen war er herablassend und liebenswürdig, doch beherrschte ihn unmäßige Sinnlichkeit, Leidenschaft für [glänzende] Schauspiele und allzu großer Hang zum Schlafe. (5) Den Gelehrten, die es damals in Menge gab, und seinen Vertrauten überaus ergeben, zeigte er auch ein großes Streben nach Wohlredenheit und Sorge für religiöse Gegenstände. (6) Seiner Milde wegen wurde er Vater des Vaterlandes genannt und mit beständiger Tribunengewalt4 bekleidet, ihm auch deshalb, gleich einer Gottheit, zu Rom und in den bevölkertsten Städten aller Provinzen des Reichs sowohl bei Lebzeiten als nach seinem Tode Tempel, Priester und Priestercollegien geweiht. (7) Ihm war, [das Verhalten] seiner Kinder und seiner Gattin jedoch ausgenommen5, ein solches Glück beschieden, daß selbst die Inder, Scythen, Garamanten und Bactrier6 Gesandte zu ihm schickten, die ihn um ein Bündniß angehen sollten.

Claudius Tiberius Nero

2 (1) Hierauf ergriff Claudius Tiberius Nero, ein Stiefsohn des Augustus, aber durch Adoption7 zu dessen rechtem Sohne gemacht, als er sich gegen die Gefahren, die man gefürchtet hatte, hinlänglich gesichert sah, die Zügel der Regierung, verbat sich jedoch aus Schlauheit den Regentennamen. Er war heimtückisch und ziemlich versteckt und stellte [99] sich oft dem, was er am heißesten wünschte, abgeneigt, so wie dem, was ihm verhaßt war, auf hinterlistige Weise nachhangend; er besaß einen, besonders wo es schnelle Entschlüsse galt, scharfen Verstand, war aber selbst schon bei den [guten Anfängen] seiner Regierung Verderben bringend. Seine raffinirten Lüste erstreckten sich fast auf jedes Alter und Geschlecht, und Unschuldige, ebensowohl Glieder seiner eigenen Familie, als ihm fern Stehende, strafte er um so härter. (2) Während er noch den Aufenthalt in Städten und menschlicher Gesellschaft verwünschte, hatte er sich bereits die Insel Capreä8 zum verborgenen Schauplatz seiner Schandthaten erwählt. (3) So wurde bei aufgelöster Kriegszucht ein sehr großer Theil des römischen Reichs geplündert, während nur Cappadocien9, und zwar in den ersten Zeiten seiner Regierung und nach Entfernung des Königs Archelaus10, zur römischen Provinz gemacht und den Raubzügen der Gätulier11 Einhalt gethan wurde, die unter Anführung des Tacfarinas nach allen Seiten hin hervorbrachen. (4) Die bisher in den nächsten Municipien12 und zu Rom in einzelnen Privathäusern zerstreut liegenden prätorischen Cohorten13 zog er in ein Lager bei der Stadt zusammen und nannte die Stelle des Befehlshabers derselben Praefectura oder auch mit dem Zusatze Praetorio; denn die übrigen Trabantencorps und Befehlshaberstellen hatte [schon] Augustus eingerichtet.

Cajus Cäsar Caligula

3 (1) Als Claudius [Tiberius] entweder eines natürlichen oder durch Nachstellungen bewirkten14 Todes gestorben war, nachdem er dreiundzwanzig [100] Jahre lang regiert und das neunundsiebzigste Lebensjahr erreicht hatte, wurde Cajus Cäsar mit dem Beinamen Caligula nach dem Wunsche Aller aus Dankbarkeit gegen seinen Vater und seine Vorältern zum Kaiser gewählt. (2) Augustus war nämlich durch seine Tochter Urgroßvater desselben, seine Großväter aber waren von mütterlicher Seite Agrippa und von väterlicher Drusus, der Vater des Germanicus, von dem er gezeugt wurde. (3) Deren bescheidener Sinn und ihr mit Ausnahme des Augustus frühzeitig erfolgter Tod, zugleich auch der von Tiberius herbeigeführte Untergang der Mutter und Brüder15 des Caligula hatten das Volk gerührt. (4) Deshalb beeiferten sich Alle, das Unglück einer so erlauchten Familie durch die Aussichten des Jünglings zu lindern, dann aber auch, weil er im Lager geboren (woher er auch seinen von den Soldatenstiefeln16 entlehnten Beinamen bekam) für sehr gut angeschrieben und beliebt bei den Legionen galt. (5) Außerdem glaubten alle Einsichtsvolleren, er werde seinen Vätern ähnlich werden, was aber ganz anders kam, gewissermaßen nach einem Gesetze der Natur, welche gleichsam absichtlich sehr oft schlechte Söhne von guten, und ungebildete von gelehrten Vätern gezeugt werden und andere ähnliche oder entgegengesetzte Fälle eintreten läßt; (6) durch welche Erfahrung belehrt nicht wenige weise Männer es für heilsamer hielten, der Kinder ganz zu entbehren. (7) Uebrigens kamen sie in Betreff des Caligula [mit diesem Urtheile] allerdings der Wahrheit sehr nahe, obgleich er die Abscheulichkeit seiner Seele lange Zeit durch sittsames Betragen und unter der Maske der Folgsamkeit versteckt hatte, so daß jene Aeußerung über ihn, es habe weder jemals einen bessern Diener, noch einen grausameren Herrn gegeben, nicht ohne Grund allgemeine Verbreitung fand. (8) Endlich, als er die Herrschaft erlangt hatte, wirkte er, wie denn dergleichen Charaktere ihre wahren Gesinnungen zu verbergen wissen, dem Volk gegenüber, im Senate und beim Heere Treffliches17, [101] und als ihm eine Verschwörung angezeigt wurde, äußerte er gleichsam ungläubig, eine solche sei kaum denkbar gegen einen Mann, dessen Leben Niemandem zur Last falle oder Schaden bringe. (9) Nachdem er aber einmal zuerst nur einige wenige Unschuldige verschiedener ihnen Schuld gegebener Verbrechen wegen hatte hinrichten lassen, ließ er, gleich einem wilden Thiere, das einmal Blut gekostet hat, seiner Natur freien Lauf, und so wurde denn drei Jahre lang das ganze Reich durch vielfache Hinrichtungen der Senatoren und gerade der trefflichsten Männer geschändet. (10) Ja er schritt sogar, indem er Unzucht mit seiner eigenen Schwester trieb und die Ehen der vornehmsten Männer schändete, in Götterkleidung einher und nannte sich seines blutschänderischen Treibens wegen Jupiter18, und wegen des ihn umgebenden bacchantischen Gefolges Liber19. (11) Nicht minder zog er bei der Aussicht zu einem Feldzuge nach Germanien hinüber seine Legionen an einem Orte zusammen und befahl ihnen, am Strande der See Muscheln und runde Steinchen aufzulesen, (12) während er selbst bald in einem wallenden Gewande und in der Tracht der Venus dabei zugegen war, bald im Waffenschmuck sich rühmte, er hole sich Beute nicht von Menschen, sondern von Göttern, weil er nämlich gehört hatte, daß die Griechen, welche Alles gern übertreiben, dergleichen Seegeschöpfe20 Nymphenaugen nennen. (13) Hierdurch übermüthig gemacht, wollte er sich Herr21 genannt wissen und das Zeichen der königlichen Würde um seine Stirne flechten22. (14) Dieß [102] war die Ursache, daß einige Männer, denen noch römischer Mannessinn inwohnte, unter Leitung des Chärea, den Staat durch Ermordung dieses Ungeheuers befreien wollten, und man würde sich, dem Beispiele des Brutus bei Vertreibung der Tarquinier folgend, für diese herrliche That entschieden haben, wenn der Kriegsdienst nur noch von römischen Bürgern versehen worden wäre. (15) Aber seitdem aus träger Schlaffheit das Verlangen entsprang, Ausländer und Barbaren zur Bildung des Heeres zusammenzutreiben, ist durch Sittenverderbniß die Freiheit unterdrückt und die Habsucht vergrößert worden. (16) Während nun nach einem Senatsbeschlusse die Familie und die ganze Verwandtschaft der Cäsaren, auch das weibliche Geschlecht nicht ausgenommen, von Bewaffneten verfolgt wurde, fand zufällig ein aus Epirus gebürtiger Soldat der Cohorten, welche den Palast an den geeignetsten Punkten besetzt hielten, den in einem häßlichen Schlupfwinkel versteckten Tiberius Claudius, zog ihn hervor und rief seinen Kameraden zu, wenn sie klug wären, so hätten sie hier einen Kaiser. (17) Und allerdings erschien er, weil er blödsinnig war, den Unverständigen überaus sanftmüthig, welcher Umstand ihn auch gegen die Verruchtheit seines Oheims Nero geschützt und bei seinem Bruderssohne Caligula keine Eifersucht erregt, ja ihm sogar die Herzen der Soldaten und des Volks gewonnen hatte, da er während der wüthenden Tyrannenherrschaft seiner Verwandten als ein Mitleidswerther verachtet wurde. (18) Während die Meisten sich so über ihn äußerten, umringten ihn plötzlich, ohne daß sich Jemand dagegen erklärte, die Haufen [der Soldaten], welche in der Stadt anwesend waren, und zu gleicher Zeit strömten auch die übrigen und eine große Menge Volks herbei. Als der Senat die Sache erfuhr, schickte er eiligst Abgeordnete, um dem gewagten Unternehmen Einhalt zu thun. (19) Wie aber die Stadt und alle Stände durch mannigfache und gräuliche Aufstände zerrüttet wurden, fügte sich Alles gleichsam wie auf ein Machtgebot. (20) So befestigte sich zu Rom die monarchische Gewalt, und deutlicher als je zeigte es sich, daß alle Unternehmungen der Menschen, wenn sie nicht vom Glücke begünstigt werden, nichtig und erfolglos sind.

Claudius

4 (1) [103] Obgleich also Claudius, einer schändlichen Völlerei ergeben und dabei blödsinnig, von sehr schwachem Gedächtniß, furchtsam und feig war, so traf er doch eben aus Furchtsamkeit sehr viele treffliche Einrichtungen, besonders auf den Rath des Adels, den er aus Furcht berücksichtigte; denn Schwachköpfe handeln gewöhnlich im Geiste ihrer Rathgeber. (2) So unterdrückte er denn, guten Rathschlägen folgend, die herrschenden Laster und in Gallien den berüchtigten Aberglauben der Druiden23, gab recht zweckmäßige Gesetze und widmete auch dem Heerwesen seine Fürsorge. Die Grenzen des römischen Reichs wurden theils aufrecht erhalten, theils neu bestimmt; im Osten bildete sie Mesopotamien24, im Norden der Rhein und die Donau; im Süden wurde Mauritanien25, wo das Königthum nach Juba erlosch, den Provinzen des Reichs beigefügt und eine Schaar der Musalamier26 geschlagen, und im äußersten Westen ein Theil von Britannien unterworfen, die einzige Unternehmung, an der Claudius, von Ostia27 aus zur See dahin reisend, persönlich Theil nahm, denn die übrigen leiteten seine Feldherrn. (3) Außerdem wurde von ihm dem Getreidemangel abgeholfen, den Caligula herbeigeführt hatte, indem er zu allgemeinem Schaden aus dem ganzen Reiche alle Schiffe zusammenbringen ließ, um für Schauspiele und Wagenrennen einen Platz auf dem Meere zu schaffen28. (4) Ebenso erneuerte er auch den Census, und behielt, [104] während er viele Andere aus dem Senate stieß, einen ausschweifenden jungen Mann, von dem sein Vater versichert hatte, er sei mit ihm zufrieden, darin, indem er dabei ganz richtig bemerkte, ein Vater müsse auch Censor seiner Kinder sein. (5) Als er sich aber durch die Verlockungskünste seiner Gemahlin Messalina und seiner Freigelassenen, denen er sich hingegeben hatte, auf Abwege hatte fortreißen lassen, gestattete er sich nicht blos die gewöhnlichen Handlungen von Tyrannen, sondern Alles, was nur die verworfenste Klasse von Weibern und Sclaven bei einem blödsinnigen Gatten und Herrn sich erlauben durfte. (6) Denn hatte seine Gemahlin Anfangs, als ob sie ein Recht dazu hätte, ohne Unterschied der Person vielfach Ehebruch getrieben und sehr Viele, die sich entweder aus [guter] Gesinnung oder aus Furcht des unzüchtigen Umgangs mit ihr enthielten, sammt den Ihrigen in’s Verderben gestürzt, indem sie mit dem gewöhnlichen Kunstgriffe der Weiber diejenigen beschuldigte ihr nachgestellt zu haben, denen sie selbst nachgestellt hatte: (7) so gab sie später, noch heftiger entflammt, alle vornehmeren Frauen und Jungfrauen nach Art öffentlicher Dirnen neben sich selbst Preis und zwang die Ehemänner [als Zuschauer] dabei zugegen zu sein. (8) Wenn Einer davor zurückschauderte, so wurde unter Beschuldigung irgend eines erdichteten Verbrechens gegen ihn selbst und seine ganze Familie gewüthet. (9) Denn den Claudius, einen, wie wir schon oben gesagt haben, von Natur sehr furchtsamen Mann, beunruhigte seine Umgebung durch vorgehaltene Schreckbilder, besonders von Verschwörungen, durch welche Erfindung auch seine Freigelassenen Jeden, den sie wollten, in’s Verderben stürzten. (10) Anfangs waren diese mit ihrer Beschützerin bei Verbrechen Hand in Hand gegangen, als sie aber derselben [an Einfluß] gleich gekommen waren, ließen sie dieselbe zwar ohne Vorwissen ihres Gebieters, aber dennoch wie auf dessen Befehl durch einige Trabanten umbringen. (11) Freilich war dieses Weib so weit gegangen, daß sie, als Claudius zu seinem Vergnügen und seinen Buhlerinnen zu Liebe nach Ostia gereist war, zu Rom mit einem Andern förmlich Hochzeit hielt, wodurch sie um so berüchtigter wurde, da es allerdings wunderbar schien, daß sie lieber an einen Mann aus der Umgebung des Kaisers, als an den Kaiser selbst verheirathet sein wollte. (12) Als so die Freigelassenen die höchste Gewalt erlangt hatten, versetzten sie den ganzen Staat durch Schändungen, [105] Verbannungen, Hinrichtungen und Achtserklärungen in den gräulichsten Zustand, und trieben ihren Herrn in seinem Blödsinn so weit, daß er noch als Greis die Tochter seines Bruders zur Gattin begehrte. (13) Diese29 aber, die für noch unsinniger30 galt, als ihre Vorgängerin, und deshalb ein gleiches Schicksal mit ihr fürchtete, vergiftete ihren Gatten. (14) Im sechsten Jahre seiner Regierung, die überhaupt vierzehn Jahre dauerte, wurde das achthundertste Jahr der Stadt Rom auf’s Glänzendste gefeiert, auch hatte sich während derselben in Aegypten der Vogel Phönix gezeigt, welcher alle fünfhundert Jahre aus Arabien nach dem genannten Lande fliegen soll, und im ägäischen Meere tauchte plötzlich in einer Nacht, wo eine Mondfinsterniß eingetreten war, eine gewaltig große Insel auf. (15) Der schmähliche Tod [des Kaisers] wurde, wie einst beim Tarquinius Priscus, lange Zeit geheim gehalten, indem die durch die List der Frau bestochenen Wachen vorgaben, er sei krank und habe die Besorgung der Regierungsgeschäfte unterdessen seinem Stiefsohne übertragen, den er kurz zuvor an Kindesstatt angenommen hatte.

L. Domitius Nero

5 (1) Auf diese Art wurde Lucius Domitius – denn dieß ist Nero’s eigentlicher Name nach seinem Vater Domitius – Kaiser. (2) Dieser, der die sehr jung angetretene Regierung eine gleiche Reihe von Jahren führte, wie sein Stiefvater, erwarb sich in [den ersten] fünf Jahren besonders durch Vergrößerung der Stadt so großen Ruhm, daß Trajan ihm mit Recht wiederholt das Zeugniß ausstellte, alle Kaiser wären noch weit entfernt von Nero’s [ersten] fünf Jahren. Während derselben wurde auch der Pontus mit Bewilligung des Königs Polemo31 zur Provinz gemacht und diesem Könige zu Ehren der polemonische Pontus benannt, desgleichen die cottischen Alpen32 nach dem Tode des Königs Cottus. (3) An ihm machte man sattsam die Erfahrung, [106] daß kein Alter an Uebung der Tugend hindert, daß aber diese leicht eine Wandelung erfährt, wenn sich das Herz durch Ungebundenheit verführen läßt, und daß das früher gleichsam verleugnete Recht der Jugend [später] nur zum Verderben wieder geltend gemacht wird. (4) Denn sein übriges Leben führte er mit solcher Schande, daß man sich ekeln und schämen muß zu berichten, es habe überhaupt einen Menschen, geschweige vollends einen Kaiser dieser Art gegeben. (5) Denn als er bereits nach griechischer Sitte in öffentlichen Versammlungen um den Kampfpreis eines Kranzes ringend zur Cither zu singen angefangen hatte, ging er zuletzt so weit, daß er, weder seiner eigenen, noch fremder Keuschheit schonend, mit dem Brautgewande sich vermählender Jungfrauen angethan, und nachdem er sich eine Mitgift hatte reichen lassen, in Gegenwart des Senats und während Alle das gewöhnliche Hochzeitfest feierten, mit Einem, den er unter allen unnatürliche Wollust treibenden Männern dazu auserlesen hatte, sich vermählte. (6) Doch dieß ist, wenn von den Schandthaten eines Nero die Rede ist, noch für das Geringfügigere zu halten. (7) Ließ er doch Personen beiderlei Geschlechts gleich Verbrechern an einen Pfahl binden und weidete sich, mit dem Felle eines wilden Thieres bedeckt, am Anblick ihrer Schamglieder, worauf er zu noch größerer Schmach selbst den Vollstrecker der Strafe an diesen Paaren spielte33. (8) Ja Mehrere glauben, daß er sogar seine eigene Mutter befleckt habe, da sie ihn aus Herrschbegierde, gleichviel durch welches Verbrechen, von sich abhängig zu machen wünschte; (9) und obgleich einige Schriftsteller dieser Angabe widersprechen, halte ich sie doch für wahr. (10) Denn hat sich das Laster einmal der Seele bemächtigt, so wird die Gewohnheit zu sündigen keineswegs durch Vernichtung der Schamhaftigkeit fremder Personen auf eine unter Menschen erlaubtere Weise gesättigt34, sondern es gelüstet ihr immer nach neuen und um so süßeren Genüssen, bis sie sich zuletzt selbst an ihren Angehörigen vergreift. (11) Diese Wahrnehmung hat durch jene beiden noch größere Bestätigung gefunden, indem sie gleichsam stufenweise, sie durch Anderer Bemühungen erst zu einer Ehe mit ihrem Oheim und nach mehreren [107] Hinrichtungen nicht mit ihr verwandter Personen zur Ermordung ihres eigenen Gemahls, er allmählich zur Schändung einer Vestalin, dann seiner selbst35 und endlich beide zu dem Verbrechen gegenseitiger Entehrung fortschritten. (12) Und doch konnten sie selbst durch solche zärtliche Hingabe nicht Eines Herzens und Sinnes werden, sondern bereiteten einander, in ihr Verderben rennend, gegenseitig Nachstellungen, durch welche die bethörte Mutter umkam. (13) Nachdem nun Nero durch diesen Muttermord alles göttliche und menschliche Recht mit Füßen getreten hatte und sein Wüthen gegen die trefflichsten Männer mehr und mehr zunahm, verschworen sich zu verschiedenen Zeiten Mehrere zur Befreiung des Staats. (14) Durch ihre Entdeckung und Bestrafung noch wüthender gemacht, beschloß er die Stadt durch Anzündung, das Volk durch überall losgelassene wilde Thiere, den ganzen Senat auf einmal durch eine gleiche Todesart36 zu vertilgen und sich einen neuen Regierungssitz zu suchen, wozu ihn besonders ein parthischer Gesandter veranlaßte, der sich bei der Tafel, wo die Hofleute nach hergebrachter Sitte sangen, einen Citherspieler zum Geschenk erbeten, und auf die erhaltene Antwort, derselbe sei ein freier Mann, mit Hindeutung auf sein bei dem Gastmahl anwesendes Gefolge, entgegnet hatte, der Kaiser möge sich unter denselben auswählen, wen er nur wolle, da es unter einer Monarchenherrschaft keinen freien Mann gebe. (15) Und Nero würde diese so verruchte That ohne Zweifel ausgeführt haben, wenn nicht Galba, der Statthalter von Hispanien, auf die Nachricht, daß seine Hinrichtung anbefohlen sei, ungeachtet seines Greisenalters die Herrschaft an sich gerissen hätte und dem Staate zu Hülfe gekommen wäre. (16) Bei dessen Ankunft von Allen verlassen, außer von einem Verschnittenen, den er einst durch seine Castration in ein Weib umzuformen versucht hatte, durchbohrte er sich selbst, nachdem er lange vergebens gefleht hatte, daß ihn Jemand tödten möchte, als ob er nicht einmal diese Dienstleistung verdient hätte. (17) Ein solches Ende nahm das Haus des Cäsar. Viele Vorzeichen aber hatten es verkündet, namentlich das Absterben eines für die Triumphatoren bestimmten Lorbeerhaines auf ihren Gütern und der Tod der vielen weißen Hühner, die [108] zu religiösen Zwecken so sehr geeignet waren, daß noch jetzt ein Platz in Rom nach ihnen benannt wird37.

Servius Galba

6 (1) Als Galba, ein Mann von nicht minder edler Herkunft38, da er aus dem berühmten Sulpicischen Geschlechte stammte, in Rom eingezogen war, schien er gleichsam als ein Beförderer der Zügellosigkeit oder selbst der Grausamkeit gekommen zu sein, denn überall raubte, plünderte, mißhandelte er und verheerte und schändete Alles auf abscheuliche Weise. (2) Hierdurch um so verabscheuungswerther erscheinend – denn größeren Anstoß erregen die, von denen man ein milderes Verfahren gehofft hat – und weil er überdieß allzu geldgierig auch die Einkünfte der Soldaten geschmälert hatte, wurde er auf Anstiften Otho’s ermordet. Dieser, der es nicht verschmerzen konnte, daß ihm vom Galba Piso in der Adoption vorgezogen worden war, hatte nämlich die Cohorten aufgereizt und bewaffnet auf den Marktplatz geführt; (3) und als Galba, mit einem Panzer bedeckt, dahin eilte, um den Aufruhr zu stillen, wurde er nach einer Regierung von sieben Monaten und sieben Tagen am See des Curtius39 getödtet.

Salvius Otho

7 (1) So bemächtigte sich also Salvius Otho, der einst auch zu Nero in einem ihm zum Vorwurf gereichenden vertrauten Verhältniß gestanden und das Jünglingsalter noch wenig überschritten hatte, der Regierung. (2) Als er sie aber, von Seiten seiner [schlechten] Sitten schon früher bekannt, etwa fünfundachtzig Tage lang geführt hatte, wurde er vom Vitellius, der aus Gallien herabgekommen war, in einem Treffen bei Verona geschlagen und gab sich selbst den Tod.

Aulus Vitellius

8 (1) [109] Auf diese Art ging die Herrschaft auf den Aulus Vitellius über, und sie würde in ihrem Fortgange trauriger, als dieser Anfang gewesen sein, wenn Vespasianus vom jüdischen Kriege, den er auf Nero’s Befehl unternommen hatte, länger festgehalten worden wäre. (2) Als dieser Galba’s Handlungen und Tod erfahren hatte, und überdieß Abgesandte von den in Mösien40 und Pannonien41 stehenden Heeren gekommen waren, die ihn dazu aufforderten, ergriff er die Zügel der Regierung. (3) Denn wie die eben genannten Soldaten hörten, daß Otho von den Prätorianern und Vitellius von den Legionen in Germanien zu Kaisern gemacht worden wären, so drängten sie, eifersüchtig gegen einander, wie sie es gewöhnlich sind, um ihren Kameraden nicht unähnlich zu erscheinen, den Vespasianus [das Scepter zu ergreifen], für welchen sich auch bereits die Cohorten in Syrien seiner vortrefflichen Eigenschaften wegen einstimmig erklärt hatten. (4) Vespasianus war nämlich, obgleich nur Senator aus einer ahnenlosen Familie, dessen Vorfahren aus Reate42 stammten, durch seine Thätigkeit und seine Thaten im Frieden wie im Kriege ein schon sehr angesehener Mann. (5) Als dessen Unterfeldherren nach Italien übergesetzt waren und das Heer des Vitellius bei Cremona geschlagen hatten, schloß dieser mit dem Stadtpräfecten Sabinus, einem Bruder Vespasians, einen Vertrag dahin ab, daß er, wenn die Soldaten damit einverstanden wären, dem Throne für die Summe von hundert Millionen Sestertien43 entsagen wollte. Doch bald darauf glaubte er sich wieder durch falsche Nachrichten getäuscht und ließ gleichsam in neu auflebender Wuth den Sabinus selbst und die übrigen Anhänger der Gegenpartei mit dem Capitol zugleich, das sie als ein sie sicherndes Bollwerk besetzt hatten, verbrennen. (6) Als es sich aber herausstellte, daß jene [110] Nachrichten wahr seien und die Feinde wirklich heranrückten, verbarg er sich in der Hütte eines Thürhüters, und aus dieser hervorgezogen, wurde er, mit einem Stricke um den Hals, gleich einem Hochverräther nach der gemonischen Treppe44 hin und dann diese hinabgeschleppt, zugleich sein Körper durch Schläge und Stöße, wie sie nur Jeder zu geben vermochte, verstümmelt und endlich in die Tiber geworfen, nachdem er etwas älter als fünfundsiebzig Jahre geworden war und seine Tyrannenherrschaft acht Monate gedauert hatte. (7) Alle diese Kaiser, die ich nur mit wenigen Worten geschildert habe, und besonders die aus der Familie Cäsar’s, besaßen so große wissenschaftliche Bildung und Beredtsamkeit, daß, wenn sie nicht, den Augustus ausgenommen, in allen Lastern die Grenzen überschritten hätten, diese so großen Vorzüge mäßige Vergehungen sicherlich verdeckt haben würden. (8) Wenn es nun aber auch ausgemacht ist, daß jene Kenntnisse einen hohen sittlichen Werth verleihen, so ist doch für jeden Menschen, besonders aber für einen Regenten, wo möglich beides45 neben einander nöthig; wo sich aber der Lebensberuf in’s Unendliche hinaus erstreckt, suche man wenigstens durch wissenschaftliche Bildung die nöthige Feinheit des Betragens und Würde zu erlangen46.

Flavius Vespasianus

9 (1) Zu den Regenten dieser Gattung gehörte Vespasianus, ein durchaus unsträflicher Mann, dem es auch zum Aussprechen seiner Gedanken nie an Beredtsamkeit fehlte, und der dem seit langer Zeit erschöpften und ermatteten Reiche neue Kraft verlieh. (2) Zuerst wollte er die Gehülfen der Tyrannei, wenn sie nicht etwa in ihren Abscheulichkeiten [111] zu weit gegangen waren, lieber auf bessere Wege leiten, als unter Martern tödten lassen, weil er sehr richtig urtheilte, daß die Meisten ihre ruchlosen Dienste nur aus Furcht geleistet hätten. (3) Sodann ließ er viele Verschwörungen ungestraft hingehen, indem er mild, wie er war, die Theilnehmer blos der Thorheit beschuldigte, da sie nicht wüßten, welche Last und Beschwerde die Herrscherwürde sei. (4) Zugleich der Wahrsagerkunst ergeben, deren Aussprüche er bei vielen seiner Unternehmungen als wahr erkannt hatte, lebte er der festen Ueberzeugung, daß seine Söhne Titus und Domitianus seine Nachfolger auf dem Throne sein würden. (5) Außerdem beseitigte er durch höchst zweckmäßige Gesetze und, was noch weit wirksamer war, durch das Beispiel seines eigenen Lebens viele der herrschenden Laster. (6) Einige hegen zwar die irrige Meinung, er habe den Reizen des Geldes nicht widerstehen können, während es doch hinlänglich bekannt ist, daß nur die Erschöpfung des Staatsschatzes und der Ruin mehrerer Städte es waren, die ihn zur Einführung neuer und auch nicht lang beibehaltener Abgaben nöthigten. (7) Zu Rom wurden das Capitolium, dessen Niederbrennen ich oben erwähnt habe, der Tempel des Friedens, die Denkmäler des Claudius47, das so gewaltige Amphitheater48 und mehrere andere Bauten, sowie auch ein Forum49, nicht blos angefangen, sondern auch vollendet. (8) Ueberdieß wurden in allen der römischen Herrschaft unterworfenen Ländern Städte mit großer Pracht wieder aufgebaut, große Bauten erfordernde Kunststraßen angelegt und auf der flaminischen Straße50 Berge durchbrochen und ein leichter Durchgang durch sie geschaffen. (9) Alle diese so zahlreichen und [112] großen, in kurzer Zeit und ohne Belästigung des Landmanns ausgeführten Bauten beweisen weit mehr die Klugheit, als den Geiz Vespasians. (10) Zugleich wurde wieder der Census nach alter Sitte gehalten, jeder etwas Anrüchige aus dem Senate gestoßen, die trefflichsten Männer von allen Orten her [für denselben] ausgewählt, und so tausend patricische Familien gebildet, während Vespasian deren kaum noch zweihundert vorgefunden hatte, da die meisten durch das grausame Wüthen der Tyrannen vertilgt worden waren. (11) Den König der Parther Vologesus zwang er zum Frieden und machte Syrien, welches den Namen Palästina führt, nebst Judäa zu römischen Provinzen, letzteres mit Hülfe seines Sohnes Titus, den er bei seiner Abreise nach Italien zur Führung dieses auswärtigen Kriegs zurückgelassen hatte und später als Sieger zum Praefectus praetorio51 erhob, (12) wodurch diese Ehrenstelle, die schon vom Anfang an sehr bedeutend gewesen war, eine noch stolzer machende und die nächste nach dem Kaiserthrone wurde. (13) In unserer Zeit freilich, wo das Ansehen der Ehrenstellen ganz gesunken ist, und Gebildete und Ungebildete, Geschickte und Ungeschickte bunt durch einander gemischt sind, haben die Meisten diese zu einem bloßen Namen ohne Macht herabgesunkene Würde durch ihre Ungerechtigkeiten zu einer ungewöhnlich wichtigen gemacht, die den schlechtesten Menschen verliehen wird und unter dem Deckmantel der Getreideverwaltung zu Räubereien Gelegenheit gibt.

Titus Flavius Vespasianus

10 (1) [113] Uebrigens ist es kaum zu glauben, wie sehr Titus, nachdem er die Regierung erlangt hatte, sein Vorbild52 noch übertraf, namentlich an wissenschaftlicher Bildung, Milde und Freigebigkeit. (2) Da es Sitte war, daß die von früheren Kaisern verliehenen Vorrechte von ihren Nachfolgern bestätigt wurden, so sicherte er dieselben, sobald er die Regierung übernommen, ihren Besitzern durch eine Verordnung aus freien Stücken zu53. (3) Nicht minder edel und mild zeigte er sich in der Schonung derer, die sich etwa gegen ihn verschworen hatten. Als einst zwei Mitglieder des Senats ihre verbrecherische Absicht nicht leugnen konnten und der Senat die Ueberwiesenen einstimmig zur Todesstrafe verurtheilt hatte, nahm er sie mit sich zu den öffentlichen Spielen, ließ sie zu beiden Seiten neben sich Platz nehmen, sich absichtlich das Schwert eines Fechters geben, deren Kämpfen man eben zusah, und überreichte es erst dem Einen, dann dem Andern, gleichsam um seine Schärfe zu prüfen, (4) und als sie nun ganz bestürzt seine Unerschrockenheit anstaunten, sprach er: „Seht ihr nicht, daß Herrschermacht ein Geschenk des Schicksals ist und daß jedes aus Hoffnung auf ihren Besitz oder aus Furcht vor ihrem Verluste unternommene Verbrechen erfolglos bleiben muß?“ (5) Nachdem er so zwei Jahre und etwa neun Monate regiert und sein großes Amphitheater noch vollendet hatte, starb er nach einem Bade an Gift54 im vierzigsten Jahre seines Alters, während sein Vater im siebzigsten Jahre gestorben und zehn Jahre lang Kaiser gewesen war. (6) Sein Tod versetzte die Provinzen in so große Trauer, daß man eine Verwaisung des Erdkreises beweinte und ihn die Wonne des Menschengeschlechts nannte.

T. Flavius Domitianus

11 (1) [114] So wurde also durch die Ermordung des besten Bruders und Kaisers Domitianus [Beherrscher des Reichs], der nach einer schandbefleckten Jugend, noch wahnsinniger geworden durch Verbrechen gegen die Seinigen und gegen den Staat, mit Plünderungen, Mordthaten und Hinrichtungen begann. (2) Er fröhnte den schändlichsten sinnlichen Lüsten und behandelte den Senat mehr als übermüthig, indem er es erzwang, daß man ihn Herr und Gott nennen mußte, Titel, die zwar von den nächstfolgenden Kaisern sofort wieder abgeschafft wurden, aber viel später mit um so größerem Nachdruck auf’s Neue geltend gemacht wurden. (3) Anfangs jedoch heuchelte er Milde und schien nicht ganz unthätig zu Hause und von ziemlicher Ausdauer im Kriege. (4) Daher hatte er auch nach Besiegung der Dacier55 und einer Schaar von Catten56 dem Monat September den Namen Germanicus und dem October seinen eigenen gegeben. Auch vollendete er viele von seinem Vater oder Bruder angefangene Bauwerke, namentlich das Capitolium. (5) In der Folge aber zeigte er durch die Ermordung vieler trefflicher Männer wilde Grausamkeit, und als seine Kräfte zum Genuß der Wollust geschwunden waren, deren schändliche Ausübung er mit dem griechischen Ausdruck κλινοπάλη57 benannte, eine schlaffe Unthätigkeit, indem er auf die lächerlichste Weise, nach Entfernung aller Zeugen, Schwärme von Fliegen verfolgte, was Stoff zu vielen Scherzreden gab. (6) So erhielt Jemand auf die Frage, ob Jemand im Palaste sei, die Antwort: nicht einmal eine Fliege, es müßte denn auf dem Ringplatze sein. (7) Als seine grenzenlose Grausamkeit von Tag zu Tag zunahm und selbst seinen Angehörigen verdächtiger wurde, traf ihn durch einen Anschlag seiner Freigelassenen, mit Vorwissen seiner Gemahlin, welche die Liebe eines Schauspielers der ihres Gatten vorzog, [115] im fünfundvierzigsten Jahre seines Lebens und etwa im fünfzehnten seiner Regierung die verdiente Strafe. (8) Der Senat beschloß, seinen Leichnam gleich dem eines Fechters hinauszuschleppen58 und seinen Namen [von allen Denkmälern] zu vertilgen. (9) Die Soldaten jedoch, denen durch die Verluste des Staats ihre eigenen Vortheile um so reichlicher zufließen, fingen, darüber aufgebracht, nach ihrer Weise ziemlich stürmisch an die Bestrafung der Urheber von Domitians Tode zu verlangen. (10) Versöhnten sie sich nun auch, durch verständige Männer nur mit der größten Mühe beschwichtigt, endlich wieder mit dem Senate, (11) so dachten sie nichts desto weniger im Stillen an einen Kampf, da der Wechsel der Regierung wegen des Wegfalls ihrer Bereicherung durch freigebige Geschenke ihr Mißvergnügen erregte. (12) Bis hierher waren die Beherrscher des Reichs geborne Römer oder doch Italer; von nun an aber Fremde, vielleicht jedoch, wie es bei Tarquinius Priscus der Fall war, bei weitem bessere. (13) Bei mir wenigstens, der ich so Vieles gehört und gelesen habe, steht die Ueberzeugung fest, daß die Stadt Rom besonders durch das Verdienst der Ausländer und die von ihnen dahin verpflanzten Künste an Größe zugenommen habe.

Coccejus Nerva

12 (1) Denn wer übertraf wohl den Nerva aus Narnia59 an Klugheit und Mäßigung? (2) Dieser Mann empfing, schon im Greisenalter stehend, im Lande der Sequaner60, wohin er aus Furcht vor dem Tyrannen sich begeben hatte, durch den Ausspruch der Legionen die Regierung, legte sie aber, als er sich überzeugte, daß dieselbe nur durch Männer geführt werden könne, die ihm an Körper- und Geisteskraft [116] überlegen wären, schon nach sechzehn Monaten wieder nieder, nachdem er vorher noch das sogenannte Forum pervium61 geweiht hatte, wo der Minervatempel hoch und prächtig emporragt. (3) Wenn es überhaupt immer eine treffliche Sache ist, gehörig zu ermessen, wie viel man vermag, und sich nicht vom Ehrgeiz unüberlegt fortreißen zu lassen, so ist dieß besonders auf dem Throne der Fall, nach welchem die Menschen so begierig zu streben pflegen, daß selbst das höchste Greisenalter noch leidenschaftlich darnach trachtet. (4) Hierzu kommt noch, daß auch durch die Trefflichkeit seines von ihm selbst erwählten Nachfolgers immer mehr an’s Licht trat, welche tiefe Einsicht er besaß.

Ulpius Trajanus

13 (1) Er nahm nämlich den Ulpius Trajanus, aus Italica62 in Hispanien gebürtig, der zum Senatorstande gehörte und bereits Consul gewesen war, durch Arrogation63 an Kindesstatt an. (2) Schwerlich dürfte sich ein Fürst finden, der in Krieg und Frieden berühmter gewesen wäre. (3) Denn er war der Erste, oder sogar der Einzige, der das römische Reich über den Ister64 hinaus ausdehnte, indem er nach Besiegung der dacischen Völkerschaften der Pileati und Saci65 [117] unter ihrem König Decebalus, sowie der Sardonier, ihr Land zur römischen Provinz machte. Zugleich wurden im Osten alle Völker zwischen den berühmten Flüssen Indus und Euphrat durch Krieg geängstigt und dem Perserkönig Cosdroës66 Geißeln zu stellen befohlen, während dessen auch eine Straße durch das Gebiet wilder Völker hindurch angelegt, auf welcher man leicht vom pontischen Meere67 bis nach Gallien gelangen kann. (4) Auf bedrohten und vortheilhaft gelegenen Punkten wurden Kastelle errichtet, eine Brücke über die Donau geschlagen und eine Menge Kolonieen aufgeführt. (5) Außerdem wurden zu Rom die vom Domitian angefangenen öffentlichen Plätze vollendet und noch viele andere Gebäude prachtvoll ausgeführt und ausgeschmückt, für beständigen Getreidevorrath durch Einrichtung und feste Begründung einer Bäckerinnung trefflich gesorgt, und um schnellere Kunde von Allem zu erhalten, was sich an allen Orten des Reichs ereignete, öffentliche Posten eingerichtet68; (6) welches höchst nützliche Geschenk freilich durch die Habsucht und den Uebermuth der Späteren zu einem Verderben für das römische Reich wurde, außer daß in den letzten Jahren Illyrien durch die heilende Hand des Statthalters Anatolius zu neuen Kräften gekommen ist. (7) Gibt es doch im Staate keine gute und keine schlechte Anstalt, die nicht durch den Charakter der Statthalter in’s Gegentheil verkehrt werden könnte. (8) Trajan war gerecht, mild, äußerst langmüthig und sehr treu gegen Freunde, wie [118] er denn z. B. seinem vertrauten Freunde Sura ein Bauwerk widmete, welches den Namen Suranen führt. (9) Seiner Rechtschaffenheit war er sich so sehr bewußt, daß er, als er dem Obersten der Leibwache Saburanus, wie es Sitte war, als Zeichen seiner Amtsgewalt einen Dolch überreichte, mehrmals zu ihm sagte: „Ich übergebe dir diesen zu meinem Schutze, wenn ich recht handle, wo nicht, gegen mich;“ weil er glaubte, daß dem Beherrscher des ganzen Staates selbst nur zu irren weniger gestattet sei. (10) Ja sogar seine Neigung sich in Wein zu berauschen, ein Fehler, von dem er gleich Nerva heimgesucht war, hatte seine Klugheit unschädlicher zu machen gewußt, indem er seine nach etwas längeren Gelagen gegebenen Befehle auszuführen verbot. (11) Mit solchen Tugenden hatte Trajan fast zwanzig Jahre regiert, als Antiochia69 und das übrige Syrien durch ein heftiges Erdbeben in das äußerste Elend versetzt wurde und er, auf Bitten des Senats zu einem neuen Feldzug sich rüstend, bereits hochbejahrt an einer Krankheit starb, nachdem er vorher noch seinen Landsmann und Verwandten Hadrianus zum Mitregenten angenommen hatte. (12) Von jetzt an70 haben die Titel Cäsar und Augustus eine verschiedene Bedeutung, und es wurde im Staate die Einrichtung eingeführt, daß zwei oder noch mehrere die höchste Staatsgewalt besitzen konnten, sich aber durch den Titel und den Grad ihrer Macht unterscheiden sollten. (13) Andre freilich glauben, Hadrian habe den Thron durch die Gunst der Plotina, der Gemahlin Trajan’s, erlangt, welche vorgegeben hätte, er sei durch das Testament ihres Gemahls zum Thronerben eingesetzt worden.

Aelius Hadrianus

14 (1) So kehrte denn Aelius Hadrianus, ein Mann, der sich mehr für die Wissenschaften und die Beschäftigungen des Friedens eignete, nachdem er im Orient den Frieden hergestellt hatte71, nach Rom zurück. (2) [119] Hier fing er nach griechischer Sitte oder nach dem Beispiele des Numa Pompilius den religiösen Gebräuchen, der Gesetzgebung, den Gymnasien und den Lehrern der Wissenschaften eine solche Fürsorge zu widmen an, (3) daß er sogar eine Schule der freien Künste, ein Athenäum, wie man es zu nennen pflegt, gründete, (4) und daß Rom nun auch nach Sitte der Athenienser die Mysterien der Ceres und der sogenannten eleusinischen Libera72 eifrig feierte. (5) Darauf, wie es bei ruhigen Verhältnissen gewöhnlich der Fall ist, in seiner Thätigkeit nachlassend, begab er sich auf’s Land und zog sich zuerst nach Tibur73 zurück, indem er die Regierung der Stadt dem Cäsar Lucius Aelius überließ. (6) Er selbst erbaute nun, wie es die Sitte reicher, vom Glück begünstigter Leute ist, Paläste, stellte Gastmähler an, kaufte Statuen und Gemälde, kurz widmete Allem, was Gegenstand des Luxus und der Schwelgerei ist, eine fast zu ängstliche Aufmerksamkeit. (7) Hieraus entstanden ungünstige Gerüchte; man sagte, er habe unzüchtigen Umgang mit Jünglingen gepflogen und sei von schimpflicher Liebesglut für Antinous entflammt gewesen, und dieß sei auch die einzige Ursache, weshalb er eine Stadt, die des Jünglings Namen trage74, erbaut und ihm Bildsäulen errichtet habe. (8) Andre freilich wollen darin eine Handlung gewissenhafter Dankbarkeit finden, weil, als Hadrian eine Verlängerung seines Lebens gewünscht und die Magier verlangt hätten, daß dann ein Anderer sich an seiner Statt freiwillig dem Tode weihen müsse, während alle Uebrigen sich weigerten, Antinous sich dazu erboten habe; darin hätten die oben erwähnten Gunstbezeugungen ihren Grund. (9) Wir wollen die Sache dahingestellt sein lassen, obgleich wir den vertrauten Umgang zwischen Personen von ganz ungleichem Alter bei einem wollüstigen Temperamente immer für etwas verdächtig halten. (10) Da unterdessen der Cäsar Aelius gestorben war, Hadrian selbst aber nicht mehr Geisteskraft genug besaß und daher gemißachtet wurde, so rief er zur Erwählung [120] eines neuen Cäsar den Senat zusammen. (11) Während die Senatoren eiligst herbeikamen, bemerkte Hadrian zufällig den Antoninus, wie er die ängstlichen Schritte seines greisen Vaters oder Schwiegervaters, ihn am Arme führend, leitete. Durch diesen Anblick außerordentlich erfreut, nahm er ihn auf gesetzmäßige Weise an Kindesstatt an und ernannte ihn zum Cäsar, worauf er sogleich eine große Anzahl von Senatoren, welche seiner gespottet hatten, hinrichten ließ75. (12) Nicht lange darauf jedoch starb er zu Bajä76 an der Auszehrung als ein noch ziemlich kräftiger Greis, nachdem er zweiundzwanzig Jahre weniger einen Monat regiert hatte. (13) Der Senat konnte aber nicht einmal durch die Bitten des [neuen] Kaisers dazu bewogen werden, dem Verstorbenen göttliche Ehren zuzuerkennen; so sehr betrauerte er noch den Verlust so vieler seiner Mitglieder. (14) Als jedoch die, deren Tod man betrauert hatte, plötzlich wieder zum Vorschein kamen77 und Jeder seine Anverwandten in die Arme schloß, beschloß der Senat, was er früher verweigert hatte.

Antoninus Pius

15 (1) Aurelius Antoninus mit dem Beinamen Pius78, ein Mann, an dem fast kein Flecken menschlicher Fehler haftete, (2) der Sprößling einer sehr alten Familie aus der Municipalstadt Lavinium79 und römischer Senator, (3) besaß einen sich so gleichbleibenden und rechtschaffenen Charakter, daß er den vollständigsten Beweis lieferte, wie vollendete Menschen sich auch durch anhaltenden Frieden und lange Ruhe nicht verderben lassen und daß die Staaten erst dann glücklich sein werden, wenn [121] die Weisheit ihr Scepter führt. (4) Während der zwanzig Jahre, in welchen er den Staat regierte und in welche auch die prachtvolle Feier des neunhundertjährigen Bestehens der Stadt Rom fiel, blieb er sich immer gleich. (5) Zwar könnte es vielleicht als ein Zeichen von Trägheit erscheinen, daß seine Regierung ohne Triumphe blieb; allein damit verhält es sich ganz anders, da es ohne Zweifel ein größeres Verdienst ist, weder den gegenwärtigen ruhigen Zustand der Dinge auf gewagte Art zu stören, noch, um sich sehen zu lassen, ruhige Völker mit Krieg zu überziehen. (6) Da ihm keine männlichen Erben zu Theil geworden waren, suchte er durch seinen Schwiegersohn das Wohl des Staates zu berathen.

M. Aurelius Antoninus und L. Verus

16 (1) Denn er nahm den Marcus Bojonius, [später] Aurelius Antoninus genannt, welcher aus derselben Stadt gebürtig und von gleich edler Abkunft war, aber hinsichtlich seiner Kenntnisse in der Philosophie und Beredtsamkeit ihn weit übertraf, in seine Familie80 und zur Theilnahme an der Regierung auf. (2) Alle Handlungen und Beschlüsse dieses Mannes im Frieden wie im Kriege waren ganz vortrefflich, doch trübte er ihren Glanz durch die Unfähigkeit, seine Gemahlin zu zügeln, welche in frecher Schamlosigkeit so weit ging, daß sie, in Campanien verweilend, sich immer an den reizendsten Punkten der Küste aufhielt, um aus den Schiffsleuten, die meist ihre Geschäfte nackend verrichten, die zu ihrem Schandleben Tauglichsten auszulesen. (3) Nachdem also sein Schwiegervater zu Lorii81 über fünfundsiebzig Jahre alt gestorben war, nahm er sogleich seinen Bruder Lucius Verus zum Gehülfen in der Regierung an. (4) Unter dessen Anführung wurden die Perser82, [122] nachdem sie Anfangs siegreich gewesen waren, zuletzt unter ihrem Könige Vologesus völlig geschlagen; (5) doch starb Lucius kurze Zeit darauf, und dieß gab Veranlassung zu dem ersonnenen Gerüchte, er sei durch die Hinterlist seines leiblichen Bruders aus dem Wege geräumt worden, (6) von dem es hieß, er habe, von Neid über die Thaten des Verus gequält, bei der Mahlzeit sein Verbrechen ausgeführt. (7) Denn (sagt man) er zerschnitt ein Stück von der Gebärmutter eines Schweins, das absichtlich allein hingelegt war, mit einem an der einen Seite vergifteten Messer und reichte, nachdem er die eine Hälfte selbst verzehrt hatte, die andere, vom Gifte berührte, wie es unter vertrauten Freunden Sitte ist, seinem Bruder hin. (8) Doch dieß von einem solchen Manne zu glauben, vermag blos ein selbst zu Verbrechen geneigtes Gemüth. (9) Denn es ist ja hinlänglich bekannt, daß Lucius zu Altinum83, einer Stadt in Venetien, gestorben ist, und daß Marcus so viel Weisheit, Sanftmuth, Herzensreinheit und wissenschaftliche Bildung besessen hat, daß ihn einst, als er mit seinem Sohne Commodus, den er zum Cäsar ernannt hatte, gegen die Marcomannen84 zu Felde ziehen wollte, eine Anzahl Philosophen umringte, welche ihn beschworen, sich nicht eher den Gefahren eines Feldzugs oder einer Schlacht auszusetzen, als bis er ihnen die schwierigsten und verborgensten Lehren der Philosophie auseinandergesetzt hätte. (10) So sehr fürchtete man die ungewissen Fälle des Kriegs nicht nur seines Lebens, sondern auch der wissenschaftlichen Studien wegen, und die schönen Künste blühten unter diesem Kaiser so, daß ich auch in sie den Ruhm jenes Zeitalters setze. (11) Das Zweideutige in den Gesetzen wurde durch bewundernswerthe Klarheit beseitigt, die hergebrachte Sitte der Bürgschaftleistung vor Gericht aufgehoben und dafür der bequeme Gebrauch eingeführt, daß man einen Proceß blos anzeigte und dann bis zum festgesetzten Tage warten mußte. (12) Das römische Bürgerrecht wurde allen Bewohnern des Reichs ohne Unterschied ertheilt85, viele Städte [123] gegründet, mit Kolonisten bevölkert, wiederhergestellt und verschönert, namentlich in Afrika Carthago86, das eine schreckliche Feuersbrunst verzehrt hatte, in Kleinasien Ephesus87, und in Bithynien Nicomedia88, welche beide durch ein Erdbeben vernichtet worden waren, wie Nicomedia auch zu unserer Zeit wieder unter dem Consulate des Cerealis. (13) Triumphe hielt Antoninus über die Völkerschaften, deren Wohnsitze sich unter der Herrschaft des Königs Marcomar89 von der Stadt Carnuntum90 in Pannonien bis in die Mitte Galliens erstreckten. (14) Er starb im achtzehnten Jahre seiner Regierung und noch ziemlich kräftigem Alter zu Vindobona91 zur größten Trauer aller Welt. (15) Senat und Volk, in anderen Dingen gewöhnlich uneinig, erkannten ihm allein einmüthig alle möglichen [Ehrenbezeugungen] zu, Tempel, Ehrensäulen und Priester.

L. Aurelius Commodus

17 (1) Dagegen galt sein Sohn Commodus gleich vom Anfange seiner Tyrannenherrschaft an für um so verabscheuungswürdiger, besonders wegen des damit ganz in Widerspruch stehenden Andenkens an seine Vorfahren, welches auf den Nachkommen um so schwerer lastet, da sie, abgesehen von dem allgemeinen Hasse gegen ruchlose Menschen, gleichsam als Schänder ihrer Familie um so verwünschenswerther erscheinen. (2) Im Kriege war er ungemein thätig und führte ihn gegen die Quaden92 mit Glück, worauf er den Monat September Commodus [124] nannte. (3) Die Mauern Roms, welche der [jetzigen] Macht der Römer kaum noch würdig waren, verwandelte er in Badehäuser93. (4) Von Charakter war er äußerst grausam und wild, so daß er oft Fechter unter dem Vorgeben, Fechtübungen mit ihnen anstellen zu wollen, ermordete, indem er sich gegen ihre stumpfen Rappiere eines wirklichen Schwertes bediente. (5) Als er auf diese Art schon Mehrere getödtet hatte, schreckte ihn ein Fechter Namens Scäva, der ihn an Kühnheit, Körperkraft und Kampfgeschicklichkeit übertraf, von dieser Beschäftigung zurück, indem er seinen Degen, der ihm, wie er wohl sah, nichts nützte, wegwarf und rief, das Schwert, womit der Kaiser bewaffnet sei, genüge für beide, (6) worauf dieser aus Furcht, das Schwert möchte ihm während des Kampfes, wie es öfters zu geschehen pflegt, entwunden und er damit niedergestoßen werden, den Scäva abtreten ließ, und nun, gegen andere Fechter furchtsamer geworden, seine Wuth gegen wilde Thiere wendete. (7) Da nun Alle vor seinem dadurch unersättlich gewordenen Blutdurste sich entsetzten, verschworen sich gegen ihn die Personen seiner nächsten Umgebung (denn Tyrannen ist Niemand gar treu) und selbst seine Trabanten, indem sie seinen schändlichen und schlimmen Charakter erwogen, und machten sich ungefähr in seinem dreizehnten Regierungsjahre zuerst auf verstecktere Weise mit Gift an ihn, (8) da aber dessen Wirkung durch die Speisen, mit denen er sich gerade vollgestopft hatte, vereitelt wurde, und er doch über Schmerzen im Unterleibe klagte, so rieth ihm sein Arzt, das Haupt der Verschwörung, auf den Ringplatz zu gehen, (9) und hier athmete er sein Leben aus, indem der Diener, der ihn zu salben pflegte (denn auch dieser gehörte zufällig mit in das Complott), wie um ein Uebungskunststück zu machen, seine Arme um ihn schlang und ihm die Kehle kräftig zusammendrückte. (10) Als der Senat dieß erfuhr, der sich des Januarfestes wegen mit Anbruch des Tages zahlreich versammelt hatte, erklärte er sammt dem Volke denselben für einen Feind der Götter und Menschen und verordnete, daß sein Name überall ausgetilgt [125] werden sollte; die Regierung aber wurde dem Stadtpräfekten Aulus Helvius Pertinax übertragen.

Helvius Pertinax

18 (1) Dieser besaß die umfassendste Gelehrsamkeit und altrömische Sitten und glich in seiner gar zu weit getriebenen Sparsamkeit den Curiern und Fabriciern. (2) Daher ermordeten ihn die Soldaten, die trotz der Erschöpfung und dem Ruine des Reiches nie genug bekommen können, auf Anstiften des Didius schon am achtzigsten Tage seiner Regierung auf schändliche Weise.

Didius Julianus

19 (1) Didius Salvius Julianus schwang sich, gestützt auf die Leibgarden, die er durch die glänzendsten Versprechungen94 auf seine Seite gebracht hatte, von der Würde eines Befehlshabers der Stadtwache zum Throne empor. (2) Er war von sehr edlem Geschlecht und besaß eine außerordentliche Kenntniß des städtischen Rechts, da er die Edicte, die bisher von den Prätoren sehr abweichend und verworren bekannt gemacht worden waren, zuerst in eine gehörige Ordnung brachte95. (3) Hieraus aber erkennt man deutlich, daß Gelehrsamkeit allein, wenn sie nicht der Charakter unterstützt, zu schwach ist, um die Leidenschaften zu zügeln; (4) da dieser obendrein strenge Forderer eines sittlicheren Lebens sich zu einem Verbrechen96 hinreißen ließ, für [126] welches er selbst eine neue Art von Strafe festgesetzt hatte. Doch blieb er nicht lange im Besitz des begehrten Gutes. Denn auf die schnell verbreitete Nachricht von den Vorfällen [zu Rom] wurde Septimius Severus, der gerade damals als Statthalter von Syrien97 in den entferntesten Gegenden Krieg führte, zum Kaiser gewählt und besiegte den Julianus in der Nähe der mulvischen Brücke98; und dieser wurde von den ihm auf der Flucht nachgeschickten Verfolgern im Palaste zu Rom getödtet.

Septimius Severus

20 (1) Septimius also, aufgeregt von Haß, Schmerz und Zorn über die Ermordung des Pertinax und die übrigen Schandthaten, verabschiedete sofort die Prätorianercohorten, ließ alle Glieder der Gegenpartei hinrichten und den Helvius durch einen Senatsbeschluß unter die Götter versetzen; den Namen, die Schriften und Handlungen des Salvius aber befahl er der Vergessenheit zu übergeben, das Einzige, was er nicht zu bewirken vermochte. (2) So viel vermag die Gunst, in der die Wissenschaften stehen, daß selbst das schlechte Leben von Schriftstellern ihrem fortdauernden Andenken nicht im Wege steht (3) und daß selbst die Ermordung eines solchen ihm selbst Ruhm, ihren Urhebern aber Verwünschungen bringt. (4) Alle nämlich, besonders aber die Nachkommen, urtheilen so, daß dergleichen Talente nicht anders als durch einen Raub am Publikum und aus Verrücktheit der Vergessenheit hätten geweiht werden können. (5) Dieß muß denn allen rechtschaffenen Männern und auch mir größere Zuversicht verleihen, der ich, auf dem Lande geboren und der Sohn eines geringen und wenig gebildeten Mannes, mein Leben bis jetzt durch so edle wissenschaftlichen Beschäftigungen zu einem geachteten zu machen gewußt habe. (6) Ich betrachte es nämlich als etwas unserm Volke Eigenthümliches, daß es durch eine gewisse Fügung des Schicksals zwar wenig fruchtbar [127] an tüchtigen Männern ist, aber doch auch seine Leute hat, die von ihm zu einer hohen Stufe herangebildet worden sind. So den Severus selbst, den Niemand im Staate an Ruhm übertroffen hat, und bei dessen obgleich in weit vorgerücktem Alter erfolgtem Tode man die allgemeine Trauer durch Gerichtsferien und Lobreden an den Tag zu legen beschloß, indem man dabei äußerte, er hätte entweder gar nicht geboren werden oder nie sterben sollen. (7) Denn hatte man ihn früher für zu streng bei Verbesserung der Sitten gehalten, so hielt man ihn später, als man zur alten Sittenreinheit gleichsam wie zur gesunden Vernunft zurückgekehrt war, für mild. (8) So wird die Tugend, welche Anfangs ängstliche Besorgniß erregt, wenn sie allgemeiner Wurzel gefaßt hat, Gegenstand der Lust und Wonne. (9) Den Pescennius Niger schlug Severus bei Cyzicus99 und den Clodius Albinus bei Lugdunum100 und ließ Beide tödten. Der Erstere von ihnen hatte als Statthalter von Aegypten, aus Hoffnung auf den Thron, einen Krieg erregt, der Andere aber, der den Rath gegeben hatte, den Pertinax zu tödten, hatte, als er aus Furcht deßwegen nach Britannien übersetzen wollte, welche Provinz ihm vom Commodus zuertheilt worden war, in Gallien die Herrschaft an sich gerissen. (10) Des grenzenlosen unter diesen [seinen Gegnern] angerichteten Blutbades wegen wurde Severus für ziemlich grausam gehalten und erhielt den Beinamen Pertinax; obgleich Mehrere glauben, er habe sich vielmehr seiner gleich sparsamen Lebensweise wegen diesen Beinamen selbst beigelegt; ich jedoch bin geneigter zu glauben, er sei ihm seiner Strenge wegen gegeben worden. (11) Denn als Einer seiner Feinde, den doch nur, wie es öfters in Bürgerkriegen der Fall ist, örtliche Umstände der Partei des Albinus zugeführt hatten, nach Auseinandersetzung der Verhältnisse [seine Vertheidigung] mit [128] den Worten geschlossen hatte: „Was würdest du thun, wenn du an meiner Stelle wärest?“ antwortete er: „Ich würde über mich ergehen lassen, was jetzt du;“ (12) eine Aeußerung und Handlungsweise, die für einen rechtschaffenen Mann nicht verletzender sein konnte, da sittlichgute Menschen dergleichen Streitigkeiten, wenn sie auch leidenschaftlicher begonnen haben, dem Schicksale zur Last legen und lieber um ihre Mitbürger zu erhalten, als um sie zu verderben, die Wahrheit entstellen lassen. (13) Jener aber wollte in seinem Eifer, die Parteien zu vernichten, um später desto glimpflicher verfahren zu können, selbst einen Schritt der Nothwendigkeit lieber bestrafen, damit man nicht aus Hoffnung auf Verzeihung zum Verderben des Staats allmählich zu weiteren Verschwörungen fortschreite, zu denen er die Gemüther bei dem verdorbenen Geiste der Zeit nur allzu sehr geneigt sah; und auch ich selbst leugne nicht, daß diejenigen Verbrechen, welche maßlos überhand zu nehmen begonnen haben, nicht streng genug ausgerottet werden können. (14) Severus war so glücklich und so klug, besonders im Kriege, daß er nie anders, denn als Sieger, aus einem Treffen schied, und durch Ueberwindung des Perserkönigs Abgarus das Reich vergrößerte. (15) Ebenso nöthigte er die Araber gleich beim ersten Angriff sich ihm zu unterwerfen und als Bewohner einer römischen Provinz zu betrachten. (16) Auch Adiabene101 wäre ihm zinsbar geworden, wenn man die Unfruchtbarkeit des Landes nicht verachtet hätte. (17) Dieser Großthaten wegen ertheilte ihm der Senat die Beinamen Arabicus, Adiabenicus und Parthicus. (18) Nun sich an noch größere Unternehmungen wagend, schlug er in Britannien, das [dem römischen Staate] so großen102 Nutzen brachte, die Feinde und sicherte es durch eine Mauer, die er quer durch die ganze Insel auf beiden Seiten bis zum Ocean zog. (19) Ja er nöthigte sogar sehr kriegerische Nationen, sich von [der Landschaft] Tripolis103, in deren Stadt Leptis104 er geboren wurde, [129] weit zurückzuziehen. (20) Diese schwierigen Unternehmungen auszuführen wurde ihm um so leichter, da er zwar unerbittlich streng gegen Vergehen war, doch auch jeden Tapfern durch reiche Belohnungen auszeichnete. (21) Endlich ließ er nicht einmal geringe Plünderungen ungestraft, wobei er gegen die am nächsten Stehenden um so strenger verfuhr, weil er als erfahrener Mann einsah, daß sie durch Schuld der Statthalter oder auch durch Parteiungen erfolgten. (22) Der Philosophie, den Redeübungen, kurz der Beschäftigung mit allen schönen Wissenschaften war er sehr ergeben und verfaßte auch eine Geschichte seiner eigenen Thaten mit gleicher Eleganz und Treue der Darstellung. (23) Auch gab er sehr gerechte Gesetze. Die höchste Stufe des Ruhmes jedoch verkümmerten diesem daheim und im Felde so großen Manne die schändlichen Handlungen seiner Gemahlin105, die er mit so tadelnswerther Liebe umfing, daß er sie, selbst nachdem er ihre wollüstigen Ausschweifungen und ihre Theilnahme an einer Verschwörung erfahren hatte, doch noch als Gattin behielt. (24) Dieß aber ist schon für den niedrigsten Mann eine Schande, geschweige für die Mächtigen, und am meisten für den, vor dem sich nicht blos Privatleute und einzelne Personen oder Verbrecher, sondern ganze Reiche, Heere, ja selbst die Laster beugen. (25) Denn als er einst, an den Füßen leidend, die Fortsetzung des Kriegs verzögerte, und die darüber ungehaltenen Soldaten seinen Sohn Bassianus, der als Cäsar ebenfalls zugegen war, zum Kaiser ausgerufen hatten, ließ er sich auf das Tribunal tragen und befahl Allen, dem [neuen] Kaiser, den Tribunen, Centurionen und Cohorten, auf deren Veranlassung es geschehen war, sich wie Angeklagte vor ihm zu stellen. (26) Wie nun das so gewaltige und siegreiche Heer sich von Furcht ergriffen zu Boden warf und um Verzeihung flehte, da rief der Kaiser, mit der Hand den Kopf berührend: „Seht ihr nun, daß nicht die Füße, sondern der Kopf regiert?“ (27) Nicht lange darauf starb Severus an einer Krankheit, [130] im achtzehnten Jahre seiner Regierung zu Eboracum106, einer Municipalstadt Britanniens. (28) Aus einer Familie des Mittelstandes entsprossen, hatte er sich zuerst den Wissenschaften, dann dem Forum107 gewidmet, und da ihn dieses zu wenig begünstigte, so machte er, wie es bei beschränkten Verhältnissen zu gehen pflegt, verschiedene Versuche seine Lage zu verbessern, bis er zuletzt den Kaiserthron bestieg. (29) Hier aber machte er noch herbere Erfahrungen durch Mühen, Sorgen, Befürchtungen und völlige Unsicherheit aller Verhältnisse, und rief, gleichsam als Zeuge des menschlichen Lebens, aus: „Ich bin Alles gewesen; Nichts ist zuträglich.“ (30) Sein Leichnam, den seine Söhne Geta und Bassianus nach Rom gebracht hatten, wurde ausnehmend feierlich bestattet und in dem Grabmale des Marcus beigesetzt, den Severus so ungemein verehrt hatte, daß er ihm zu Ehren sowohl den Commodus unter die Götter versetzt wissen wollte und ihn Bruder nannte, als auch seinem Sohne Bassianus den Beinamen Antoninus gab; wovon der Grund war, daß ihm Jener nach vielen zweifelhaft gebliebenen Erfolgen durch Uebertragung der Anwaltschaft des kaiserlichen Schatzes die Bahn zu weiteren Ehrenstellen geöffnet hatte. (31) In so gutem Andenken stehen bei Leuten, die mit Widerwärtigkeiten zu ringen hatten, die Anfänge ihres Glücks und die Urheber desselben. (32) Seine hinterlassenen Söhne aber entzweiten sich auf der Stelle, als ob sie [von ihrem Vater] den Auftrag erhalten hätten, Krieg mit einander zu führen. Geta, der diesen Namen nach seinem Großvater von väterlicher Seite führte, fand, weil sein sanfterer Charakter den Bruder beunruhigte, seinen Untergang durch Nachstellungen, (33) und die Schändlichkeit dieses Siegs wurde, wie wenigstens die Geschichtschreiber erzählen, noch durch die Hinrichtung des Papinianus erhöht. Dieser soll nämlich damals Geheimschreiber des Bassianus gewesen sein, und beauftragt, die nach Rom bestimmten Schriften, wie es Sitte ist, auf’s Schnellste auszufertigen, [131] voll Schmerz über Geta’s Tod geäußert haben: Ein Brudermord werde nicht mit gleicher Leichtigkeit bemäntelt, wie begangen, deshalb aber mit dem Tode bestraft worden sein. (34) Doch diese ganze Erzählung ist böswillig ersonnen und ungereimt, da es hinlänglich bekannt ist, daß Papinianus Befehlshaber der Leibwache war, und da dieser Mann unmöglich eine solche Beleidigung einem Fürsten in’s Gesicht schleudern konnte, dessen Liebe er besaß und dessen Leitung ihm anvertraut war.

Antoninus Caracalla

21 (1) [3] Antoninus wurde übrigens, weil er die Stadt Rom mit einem bisher noch ganz unbekannten Geschenke, einem bis auf die Knöchel herabreichenden Kleidungsstücke, bedachte, Caracalla108 genannt, während er auf gleiche Weise dieser Kleidung wieder nach sich den Namen der antoninischen verschaffte109. (2) Er besiegte die Alamannen, ein sehr zahlreiches, im Kampfe zu Roß bewundernswürdiges Volk, am Mainflusse, war nachsichtig, herablassend, von ruhigem Charakter, und hatte mit seinem Vater gleiches Glück und gleiche Ehe. (3) Denn er begehrte seine Stiefmutter Julia, deren Schandtaten ich oben erwähnt habe, von ihrer Schönheit bestochen, zur Gemahlin, nachdem diese sehr parteisüchtige110 Frau sich einst den Blicken des Jünglings, [4] als ob sie von seiner Anwesenheit Nichts wüßte, mit unbekleidetem Körper preisgegeben und auf dessen Aeußerung: „Ich möchte wohl [diese Reize] genießen, wenn ich dürfte,“ noch viel frecher geantwortet hatte: „hast du Lust? freilich darfst du;“ (denn sie hatte mit dem Gewande zugleich die Schamhaftigkeit abgelegt.) (4) Durch ihn wurde der ägyptische Gottesdienst nach Rom verpflanzt, die Stadt aber durch den Hinzutritt der „neuen Straße“ bedeutend vergrößert und durch Vollendung prachtvoller Badehäuser verschönert. (5) Nach Ausführung dieser Werke starb er während einer Rundreise in Syrien, im sechsten Jahre seiner Regierung111. (6) Seine irdischen Ueberreste wurden unter öffentlicher Trauer nach Rom gebracht und in der Gruft der Antonine beigesetzt.

Opilius Macrinus und Diadumenus

22 (1) Hierauf wurde Opilius Macrinus, der den Befehl über die Leibwache führte, von den Legionen zum Imperator, sein Sohn, Namens Diadumenus, aber zum Cäsar ausgerufen. (2) Da bei den Truppen eine gewaltige Sehnsucht nach dem verstorbenen Kaiser herrschte, nannten sie den Jüngling Antoninus. (3) Indessen ist uns außer ihrem grausamen und unfreundlichen Charakter von Beiden Nichts bekannt. (4) Sie wurden deshalb, nachdem sie kaum vierzehn Monate lang im Besitz der Herrschaft gewesen waren, von eben denselben, die sie gewählt hatten, getödtet.

M. Aurelius Antoninus Heliogabalus

23 (1) Nun wurde Marcus Antoninus, der Sohn des Bassianus, zur Regierung berufen, der nach dem Tode seines Vaters aus Furcht in der Priesterstelle des Sonnengottes, den die Syrer Heliogabal nennen, gleichsam ein Asyl gegen Nachstellungen gesucht und daher selbst den Namen Heliogabal bekommen hatte. Er versetzte auch das Bild des [5] Gottes nach Rom112 und stellte es in den innern Gemächern des Palastes auf. Ihn übertrafen nicht einmal die verworfensten und frechsten Dirnen an Schändlichkeit, ließ er doch die unzüchtigsten Menschen in der ganzen Welt zusammensuchen, um sich am Beschauen und Betasten ihrer schändlicher Unzucht dienenden Glieder113 zu weiden. (2) Während diese Gräuel von Tag zu Tage zunahmen, die Liebe zu Alexander aber, den auf die Kunde vom Tode des Opilius die Adelspartei114 zum Cäsar ernannt hatte, sich immer mehr steigerte, wurde Heliogabal im dreißigsten Monate seiner Regierung im Lager der Leibwache ermordet.

Aurelius Alexander

24 (1) Sogleich nun wurde, auch durch Mitwirken der Truppen, die Kaiserwürde dem Aurelius Alexander, einem Syrer aus jener Stadt, die den doppelten Namen Cäsarea und Arca führt115, übertragen. (2) Obgleich er noch ein Jüngling war, besaß er doch einen über seine Jahre gehenden Verstand, und unternahm sogleich nach großen Vorbereitungen einen Krieg gegen den Perserkönig Xerxes116; und nachdem er diesen völlig geschlagen und in die Flucht gejagt hatte, eilte er so schnell er konnte nach Gallien, das von den Germanen mit Plünderung bedroht wurde. (3) Hier dankte er mit größter Festigkeit mehrere aufrührerische Legionen ab, welche Handlung ihm für den Augenblick Ruhm, bald darauf aber Verderben brachte. (4) Denn während die Soldaten von Schrecken über eine so kräftige Strenge ergriffen waren [6] (woher ihm auch der Beiname Severus117 zu Theil wurde), ermordeten sie ihn in dem Dorfe Sicila in Britannien118, wo er sich gerade mit wenigen Begleitern aufhielt. (5) Zu Rom führte er ein sehr prachtvolles und berühmtes Gebäude119 auf, und zeigte durch die Verehrung seiner Mutter, die den Namen Mammäa führte, eine mehr als kindliche Liebe. (6) Außerdem bewies er an zwei Rechtsgelehrten, welche große Vorliebe und welches Gerechtigkeitsgefühl gegen die rechtschaffensten Männer ihn beseelte, indem er den Domitius Ulpianus zum Obersten der Leibwache ernannt hatte, im Besitze derselben Würde ließ, und den Paullus gleich beim Beginn seiner Regierung dem Vaterlande zurückgab120. (7) Obgleich er die Herrschaft nicht länger als dreizehn Jahre geführt hatte, hinterließ er doch das Reich auf allen Seiten gesichert. (8) Dieses, das sich schon von Romulus an bis auf den Septimius im Fluge emporgeschwungen hatte, erreichte durch die Maßregeln des Bassianus gleichsam seinen Höhepunkt, und daß es von diesem nicht sofort wieder herabsank, war das Werk Alexanders. (9) Von da an haben [die Kaiser], da sie begieriger waren die eignen Unterthanen despotisch zu beherrschen, als auswärtige Völker zu unterjochen, und die Waffen gegen einander selbst kehrten, den römischen Staat gleichsam in einen jähen Abgrund hinabgestürzt, indem Gute und Schlechte, Edle und Unedle ohne Unterschied, ja selbst viele Barbaren zur Herrschaft gelangten. (10) Freilich, wo sich alle Elemente verworren durch einander treiben und nicht nach ihrem eigenen Gesetz bewegen, und wo Jeder glaubt, daß es ihm, wie in allgemeiner Verwirrung, erlaubt sei fremde Aemter an sich zu reißen, die er nicht zu verwalten versteht, und aus Unkenntniß der Wissenschaften schmählich verunstaltet: (11) da gewinnt die Macht des Schicksals freie Hand und lenkt die Menschen durch verderbliche Leidenschaft. Zwar wird [7] sie noch längere Zeit durch die Tugend, gleichsam wie durch einen Wall, abgehalten; haben sich aber fast Alle der Herrschaft des Lasters gebeugt, so überläßt es auch den Staat Menschen, die sowohl der Geburt als der Bildung nach für den Thron zu niedrig stehen.

Cajus Julius Maximinus

25 (1) Denn Cajus Julius Maximinus, Vorsteher des Kriegswesens121, war der Erste, der, aus dem Soldatenstande hervorgegangen, fast ohne alle wissenschaftliche Bildung, durch die Abstimmung der Legionen die Herrschaft erhielt; (2) welche Wahl jedoch auch der Senat bestätigte, weil er es für gefährlich hielt, ohne Waffengewalt einem Bewaffneten Widerstand zu leisten. Sein Sohn, der, dem Vater gleichnamig, ebenfalls Cajus Julius Maximinus hieß, wurde zum Cäsar ernannt.

Gordianus, Pupienus und Balbinus

26 (1) Als Beide zwei Jahre lang die Herrschaft geführt und nicht ohne Glück gegen die Germanen gekämpft hatten, wurde ganz unerwartet der Statthalter von Africa, Antoninus Gordianus, in seiner Abwesenheit bei der Stadt Thydrus122 vom Heere zum Kaiser ausgerufen. (2) Als er sich auf erhaltene Einladung dahin begeben hatte, ward er, als ob er deshalb erwählt worden wäre, mit einem Aufstande der Soldaten empfangen; und nachdem er denselben leicht gedämpft hatte, begab er sich nach Carthago. (3) Wie er hier, um ungünstige Vorbedeutungen abzuwenden, von denen er nicht ohne Grund beängstigt wurde, unter den gewöhnlichen Gebräuchen ein Opfer vollzog, warf unerwartet das Opferthier ein Junges. (4) Dieß deuteten die Opferschauer, namentlich aber Gordianus selbst, der in dieser Wissenschaft mehr als gewöhnliche Kenntnisse besaß, dahin, daß auch er einem gewaltsamen [8] Tode geweiht sei, die Herrschaft aber seinen Kindern hinterlassen werde; doch gingen sie auch in ihren Vermuthungen noch weiter, und prophezeiten auch den Tod seines Sohnes, der zwar gleich jenem Thiere sanft und unschuldig sein, aber nicht lange am Leben bleiben und Nachstellungen erleben werde123. (5) Als unterdessen der Untergang des Gordianus zu Rom bekannt geworden war, wurden auf Betrieb des Domitius der Stadtpräfect und die andern Angeber124 von den Cohorten der Leibwache ohne Unterschied niedergehauen. (6) Gordianus hatte nämlich, als er sich die Regierung übertragen sah, Gesandte und Briefe mit Verheißungen großer Belohnungen nach Rom geschickt; und so erfüllten nun die durch seine Ermordung in ihren Hoffnungen getäuschten Soldaten, eine sehr geldgierige und blos gegen Bezahlung treue und gutgesinnte Menschenklasse, großen Unmuth. (7) Der Senat aber, welcher fürchtete, es möchten sich bei dem Mangel jeglicher Leiter des Staats Gräuel wie in einer mit Sturm eingenommenen Stadt ereignen, ernannte zuerst mit einander abwechselnde Inhaber der höchsten Gewalt125, bald darauf aber nach Bewaffnung der jüngeren Bürger den Clodius Pupienus und Cäcilius und Balbinus zu Cäsaren126.

Der jüngere Gordianus

27 (1) In denselben Tagen wählten die in Africa stehenden Truppen den gleichnamigen Sohn des Gordianus, der schon als angehender Jüngling der Zeltgenosse seines Vaters gewesen war und sich dann als Oberster der Leibwache bei ihm befunden hatte, zum Kaiser, und der [9] Adel zeigte durchaus keine Abneigung gegen diese Wahl. (2) Nach seiner Ankunft in Rom wurden die Cohorten der Leibwache zwischen den Höhen der Stadt und selbst im Schooße derselben von Fechterrotten und dem Heere der Neuangeworbenen in einer förmlichen Schlacht vernichtet. (3) Während dieser Vorgänge in Rom reisten die beiden Julius Maximinus, die zu jener Zeit gerade in Thracien beschäftigt waren, auf die Nachricht von diesen Ereignissen eiligst nach Italien. (4) Sie wurden in einem Treffen geschlagen, von dem Reste ihres Heeres verlassen und von Pupienus bei der Belagerung von Aquileja getödtet, (5) nachdem ihre [eigentlich nur] zweijährige Regierung durch diese ihren Sturz verzögernden Umstände noch einen Zuwachs von einem Jahre gewonnen hatte. (6) Nicht lange darauf wurden auch Clodius und Cäcilius bei einem Soldatenaufstande im Palaste zu Rom ermordet, und Gordianus besaß nun den Thron allein. (7) Dieser erneuerte and erweiterte noch in demselben Jahre die von Nero zu Rom eingeführten fünfjährigen Wettkämpfe und zog dann gegen die Perser, nachdem er zuvor den Tempel des Janus, welcher von Marcus geschlossen worden war, nach alter Sitte geöffnet hatte. (8) Als er diesen Krieg mit großer Auszeichnung geführt hatte, fand er im sechsten Jahre seiner Regierung durch die Hinterlist des Befehlshabers der Leibwache, Marcus Philippus, seinen Untergang.

Die beiden Philippus, Vater und Sohn

28 (1) So kamen denn nun Marcus Julius Philippus aus der Landschaft Traconitis in Arabien und sein Sohn Philippus, den er zum Mitregenten angenommen hatte, nach Ordnung der Angelegenheiten des Morgenlandes und nach Gründung der Stadt Philippopolis127 in Arabien nach Rom, wo sie jenseit des Tiberis, weil dieser Stadttheil an Wassermangel litt, ein Wasserbassin anlegten und das tausendste Jahr der Stadt Rom durch Spiele aller Art feierten. (2) Weil mich einmal der Name [Philippus] daran erinnert, [so erwähne ich, daß] [10] auch zu unsrer Zeit das tausendeinhundertste Jahr der Stadt unter dem Consulate eines Philippus verflossen ist, ohne, wie jetzt üblich, durch irgend welche Feierlichkeiten verherrlicht zu werden; so sehr vermindert sich von Tag zu Tage die Rücksicht auf die Stadt Rom. (3) Dieß aber war schon zu jenen Zeiten durch Vorzeichen und Wundererscheinungen angedeutet worden, von denen ich nur eine kurz erwähnen will. (4) Als nämlich die Opferthiere nach Vorschrift der Pontifices geschlachtet wurden, zeigten sich am Leibe eines männlichen Schweines weibliche Geburtstheile; (5) woraus die Zeichendeuter die Sittenverderbniß der Nachkommen und eine künftige Herrschaft der Laster prophezeiten. (6) Sowohl weil er die Erfüllung dieser Prophezeihung vereiteln zu müssen glaubte, als weil er im Vorübergehen einen Lustknaben erblickt hatte, der seinem Sohne sehr ähnlich war, faßte Philippus den höchst ehrenwerthen Entschluß, der Benützung solcher Lustknaben ein Ende zu machen. (7) Dennoch aber dauert [dieses Laster] noch fort; denn hat sich auch der Ort der Ausübung verändert128, so wird es doch unter noch schändlicheren Gräueln fortgetrieben, da ja die Menschen nach Gefahrvollem und Verbotenem129 desto begieriger Verlangen tragen. (8) Dazu kommt noch, daß die Weisheit der Etrusker eine ganz andre Lehre verkündigt hat, indem sie versichern, der Sinnlichste werde der Glücklichste sein, während wackere Männer größtentheils verachtet würden. (9) Diese jedoch, meine ich, haben die Wahrheit vollständig verkannt. Denn wie kann Einer glücklich sein, der seine Unschuld verloren hat, mag er sich auch in allen andern Stücken des glücklichsten Erfolges erfreuen! während dagegen, wenn sie sich erhalten hat, alles Andere erträglich ist. (10) Nachdem Philippus das oben Erwähnte vollbracht hatte, ließ er seinen Sohn in der Stadt zurück und zog, wiewohl mit schon altersschwachem Körper, selbst gegen den Decius zu Felde, fiel aber bei Verona nach Besiegung und Verlust seines Heeres; (11) und sein Sohn wurde, als man dieß in Rom erfuhr, im Lager der Leibwache ermordet. Beide hatten fünf Jahre geherrscht.

Decius

29 (1) [11] Decius, in einem zu Sirmium130 gehörigen Dorfe geboren, war von einer im Heere bekleideten Stelle auf den Thron erhoben worden. Voll Freude über den Tod seiner Gegner, machte er seinen Sohn Etruscus zum Cäsar und sendete ihn sogleich nach Illyrien voraus, während er selbst noch einige Zeit in Rom verweilte, um die von ihm erbauten neuen Mauern einzuweihen. (2) Während dessen wurde ihm ganz unerwartet der Kopf des Jotapianus, welcher, stolz auf eine Abstammung von Alexander, in Syrien Neuerungen versucht hatte, aber der Willkür seiner Truppen erlegen war, nach hergebrachter Weise übersendet; allein in denselben Tagen wurde auch dem Lucius Priscus, Statthalter von Macedonien, unter Mitwirkung der Gothen, die nach Verheerung des größten Theils von Thracien bis dorthin vorgedrungen waren, die Herrschaft übertragen. (3) Deshalb reiste Decius, so schleunig er konnte, von Rom ab, wo Julius Valens zu größtem Behagen des Volks die Zügel der Regierung ergriff. Aber er sowohl, als Priscus, welchen der Adel für einen Feind des Vaterlands erklärt hatte, wurden kurz darauf ermordet. (4) Die Decier verfolgten die Barbaren über den Danubius und fielen nach zweijähriger Regierung durch die Hinterlist des Brutus131. (5) Die meisten Schriftsteller aber haben den Tod der Decier verherrlicht. Denn sie berichten, der jüngere sei in der Schlacht gefallen, da er sich zu kühn in das Schlachtgetümmel gestürzt habe, der Vater aber habe, als die darüber bestürzten Soldaten ihn mit vielen Worten zu trösten versucht hätten, munter erwidert, der Verlust eines einzigen Kriegers scheine [12] ihm von geringer Bedeutung. So habe er denn den Kampf erneuert und tapfer kämpfend auf gleiche Weise seinen Tod gefunden.

Gallus und Hostilianus

30 (1) Als der Senat dieß erfuhr, übertrug er dem Gallus und Hostilianus die Würde eines Augustus und dem Sohne des Gallus, Volusianus, die eines Cäsars. (2) Darauf brach eine Pest aus, deren heftiger Wuth Hostilianus erlag. Gallus und Volusianus setzten sich dadurch in Gunst, daß sie sich der Beerdigung auch des Niedrigsten mit dem sorgsamsten Eifer annahmen.

Aemilius Aemilianus

31 (1) Während diese in Rom verweilten, riß Aemilius Aemilianus durch Bestechung der Truppen die Herrschaft an sich. (2) Zu seiner Bekämpfung ausgezogen, wurden sie zu Interamna132 von ihren eignen Leuten getödtet, weil diese vom Aemilius, dem so der Sieg ohne Mühe oder Verlust zu Theil wurde, größere Belohnungen erwarteten, zugleich aber auch, weil sich jene durch übertriebene Verschwendung und Ausschweifungen Beweise des Wohlwollens [von Seiten der Soldaten] verscherzt hatten. (3) Die Regierung aller dieser Kaiser zusammen fällt in den Zeitraum zweier Jahre. Denn auch Aemilianus wurde, nachdem er nur drei Monate lang eine milde Regierung geführt hatte, von einer Krankheit hinweggerafft133, nachdem ihn der Senat zuerst für einen Feind, dann aber, als seine Vorgänger ermordet waren, dem Glücke folgend, wie gewöhnlich, zum Augustus erklärt hatte.

Licinius Valerianus

32 (1) Die Truppen, welche, eines bevorstehenden Krieges wegen von allen Seiten her zusammengezogen, in Rhätien verweilten, übertrugen [13] hierauf die Regierung dem Licinius Valerianus, (2) der, obgleich von sehr vornehmer Herkunft, sich doch der damals herrschenden Sitte gemäß dem Kriegsdienste gewidmet hatte. (3) Seinen Sohn Gallienus ernannte der Senat zum Cäsar; und kurz darauf setzte im Hochsommer der Tiberis, einer Sündfluth gleich, Alles unter Wasser. (4) Die Einsichtsvolleren prophezeiten daraus bei dem Leichtsinne des Jünglings, der auf erhaltenen Ruf aus Etrurien herbeigekommen war, woher auch der eben genannte Fluß kommt, Unheil für den Staat, und dieß ging auch sogleich in Erfüllung. (5) Denn während sein Vater in Mesopotamien Vorbereitungen zu einem mißlichen und langwierigen Kriege traf, wurde er durch die List134 des Perserkönigs Sapor gefangen genommen und starb, auf schmähliche Weise geschunden135, im sechsten Jahre seiner Regierung und in noch ziemlich kräftigem Alter.

Licinius Gallienus und Saloninus

33 (1) Um dieselbe Zeit wehrte Licinius Gallienus die Germanen tapfer von Gallien ab und eilte darauf nach Illyrien hinab. (2) Hier besiegte er den Ingebus, Statthalter von Pannonien, dem auf erhaltene Kunde von Valerians Untergang nach der Kaiserwürde gelüstete, bei Mursia136 und kurz darauf den Regallianus, der die von der Niederlage bei Mursia übriggebliebenen Heerestrümmer gesammelt und mit ihnen den Krieg erneuert hatte. (3) Als ihm dieß so glücklich und über Erwarten gelungen war, wurde er, nach Gewohnheit der Menschen, im Glücke nachlässiger und gab sammt seinem Sohne Saloninus, dem er die Cäsarenwürde verliehen, den römischen Staat gleichsam dem Schiffbruch preis, so daß die Gothen, welche ungehindert bis [14] Thracien vorgedrungen waren, Macedonien, Achaja137 und die benachbarten Striche Asiens, die Parther aber Mesopotamien138 in Besitz nahmen, den Orient Räuber oder ein Weib139 beherrschte, ein Haufe Alemannen Italien und fränkische Völkerschaften nach der Verheerung Galliens Hispanien besetzten, wo sie die Stadt Tarraco140 verwüsteten und beinahe ausplünderten, ja ein Theil von ihnen auf Fahrzeugen, die ihnen gerade zu rechter Zeit in die Hände fielen, nach Afrika übersetzte, während auch die Eroberungen, die Trajan jenseit des Ister141 gemacht hatte, verloren gingen. (4) So wurde, als ob Stürme von allen Seiten hertobten, das Unterste mit dem Obersten, das Kleinste mit dem Größten auf dem ganzen Erdkreise zusammen geworfen. (5) Zugleich wüthete zu Rom die Pest, die oftmals die Folge schwerer Sorgen und der Verzweiflung ist. (6) Während dessen trieb sich der Kaiser selbst in Schenkhäusern und Garküchen herum, hing mit Freundschaft an Kupplern und Weinwirthen, ließ sich von seiner Gemahlin Salonina leiten und ergab sich einer schandbaren Liebe zu einer Tochter des Germanischen Königs Attalus, Namens Pipa142, (7) welches Leben des Kaisers die Ursache von noch weit schrecklicheren Unruhen im Innern wurde. (8) Vor allen Andern nämlich hatte Postumus, der damals gerade Befehlshaber der Barbaren in Gallien war, die Regierung an sich zu reißen versucht; kam aber, nachdem er ein großes Heer Germanen vertrieben und den Lucius Aelianus, der den Kampf mit ihm aufgenommen, mit nicht geringerem Glück geschlagen hatte, bei einem Aufstande seiner eignen Soldaten um’s Leben, weil er ihrem heißen Verlangen, Mogontiacum143 zu plündern, welches den Aelianus unterstützt hatte, nicht willfahren wollte. (9) Nach seiner Ermordung ergriff [15] Marius, der einst ein Handwerksmann gewesen war und auch damals noch wenig kriegerische Berühmtheit besaß, die Zügel der Regierung. (10) So tief war demnach der Staat gesunken, daß Menschen dieser Art mit dem Throne und dem Ehrenpreise der höchsten Verdienste ihr Spiel treiben konnten! (11) Daher schreibt sich jenes Scherzwort, es dürfe keineswegs wunderbar erscheinen, wenn ein Marius dem römischen Staate wieder aufhelfen wolle, da ein [andrer] Marius, ein Mann desselben Gewerbes und Stifter der Familie und des Namens, demselben Festigkeit verliehen hatte. (12) Als dieser schon nach zwei Tagen erwürgt worden war, wurde Victorinus gewählt, ein dem Postumus an Kriegserfahrung gleich stehender, aber von ungezügelter Wollust beherrschter Mann. Anfangs zwar bezähmte er dieselbe noch, später aber schändete er sehr Viele mit Gewalt, und als er nach zweijähriger Regierung der Frau des Attilianus nachstellte und diese ihrem Manne sein Vergehen entdeckt hatte, wurde er von den durch diesen heimlich aufgereizten Soldaten bei einem Aufruhr zu Agrippina144 ermordet. (13) So viel vermögen die Actuarien145, zu deren Classe jener Attilianus gehörte, beim Heere, daß selbst ein so schwieriges, von ihrer Bosheit gefordertes Unternehmen zur Ausführung kommen konnte. Sie sind, namentlich zu unsrer Zeit, eine nichtswürdige Menschenclasse, käuflich, verschlagen, zu Unruhen geneigt, habsüchtig, und wie geboren zur Begehung und Verheimlichung von Betrügereien, als Herren des Getreidewesens denen, welchen die Bersorgung der Lebensmittel obliegt, und dem Wohlstande der Landleute gefährlich, aber klug genug, denen zu rechter Zeit auch wieder reichlich zu spenden, durch deren Einfalt und auf deren Kosten sie Schätze gesammelt haben. (14) Unterdessen machte Victoria nach dem Verlust ihres Sohnes Victorinus, von den durch große Geldsummen erkauften Legionen unterstützt, den Tetricus, der, ein Sprößling edlen Geschlechts, damals Statthalter von Aquitanien146 war, zum Kaiser, während seinem gleichnamigen Sohne die Auszeichnungen eines Cäsars zu Theil [16] wurden. (15) Zu Rom aber, wo man ohne Kenntniß von der unglücklichen Lage des Staates war, behauptete Gallienus frecherweise, daß Alles in Ruhe und Friede sei; auch stellte er, wie bei nach Wunsch ausgeführten Unternehmungen zu geschehen pflegt, Spiele und Triumphfeierlichkeiten an, um seinen Vorspiegelungen um so leichter Glauben zu verschaffen. (16) Als jedoch die Gefahr näher heranrückte, verließ er endlich die Stadt. (17) Denn Aureolus, der die Legionen in Rhätien befehligte, eilte, durch die Schlaffheit des feigen Regenten, wie gewöhnlich der Fall ist, aufgemuntert, nachdem er die Regierung übernommen hatte, auf Rom los. (18) Gallienus aber schlug ihn bei der Brücke, die vom Aureolus ihren Namen erhalten hat147, und nöthigte ihn, sich nach Mediolanum148 zu werfen. (19) Während er jedoch diese Stadt mit Kriegsmaschinen jeder Art bestürmte, fiel er von der Hand seiner eignen Leute. (20) Als nämlich Aureolus jede Hoffnung zu Aufhebung der Belagerung verschwunden sah, ließ er listiger Weise eine Namenliste von Kriegsobersten und Tribunen des Gallienus aufsetzen, wie wenn sie von ihm zum Tode bestimmt wären, und dieselbe so heimlich als möglich von der Mauer herabwerfen. Da nun dieselbe von den darin Verzeichneten gefunden wurde, so erregte sie bei ihnen die Furcht und den Argwohn, ihr Tod sei wirklich befohlen und die Liste nur durch Nachlässigkeit der Diener verloren worden. (21) Deshalb lockten sie ihn auf den Vorschlag des Aurelianus, der bei dem Heere in vorzüglicher Gunst und Ansehen stand, unter dem Vorgeben eines Ausfalls der Feinde, wobei er, wie es bei einem überraschenden und in Bestürzung setzenden Vorfalle zu geschehen pflegt, von keiner Bedeckung begleitet war, in tiefer Nacht aus seinem Zelte, worauf er von einer Waffe durchbohrt wurde, deren Träger in der Dunkelheit unentdeckt blieb. (22) So blieb sein Tod ungerächt, entweder weil man den Urheber des Mordes nicht kannte, oder weil man glaubte, daß er dem Staate zum Vortheil gereichte; (23) obgleich der Sittenverfall schon so weit vorgeschritten ist, daß die Meisten mehr von Rücksicht auf ihren, als auf des Staates Vortheil, mehr von dem Streben [17] nach Macht, als nach Ruhm geleitet, handeln. (24) Daher ist auch die wahre Bedeutung der Sache und der Ausdrücke verdreht worden, und der größere Bösewicht nennt, wenn er durch Waffengewalt die Oberhand behalten, die zum Unglück des Staates von ihm Gestürzten gewöhnlich beseitigte Tyrannen; (25) ja, nicht Wenige, die kaum ein ehrliches Begräbniß verdienen, werden mit gleicher Willkür unter die Zahl der Götter versetzt. (26) Stände solchen Leuten die Wahrhaftigkeit der Geschichte nicht entgegen, die weder die Rechtschaffenen um die Belohnung eines ehrenvollen Andenkens bringen, noch die Ruchlosen einen ewigen und glänzenden Ruhm genießen läßt, so würde alles Streben nach Tugend vergeblich sein, da Parteilichkeit jenen einzigen wahrhaft zierenden Lohn gerade den Schlechtesten zutheilen und den Guten lieblos entziehen würde. (27) So wurde endlich der Senat vom Claudius gezwungen den Gallienus für einen Gott zu erklären, weil jener nach dem Gutdünken des Letzteren die Regierung überkommen hatte. (28) Als nämlich Gallienus bei dem von seiner so schweren Verwundung herbeigeführtem großen Blutverluste seinen Tod herannahen fühlte, hatte er bestimmt, daß die Reichsinsignien an Claudius übergehen sollten, der damals, mit der Ehrenstelle eines Kriegsobersten bekleidet, die Besatzung von Ticinum149 befehligte. (29) Wahrlich [jene Vergötterung] war eine erzwungene; da die Schandthaten des Gallienus, so lange die Welt steht, nie verheimlicht werden können und stets der größte Bösewicht für seines Gleichen gehalten werden wird. (30) Doch nur durch ein ruhmvolles Leben, nicht durch gesuchte und ersonnene Titel, werden, so viel man schließen darf, die Fürsten und die Besten des menschlichen Geschlechts in den Himmel erhoben, oder wegen ihres Rufes bei den Menschen nach Art der Götter verehrt. (31) Sobald aber der Senat Kunde vom Untergange des Gallienus erhalten hatte, beschloß er, daß seine Trabanten und Verwandten die gemonische Treppe150 herabgestürzt werden sollten. Der Anwalt des kaiserlichen Schatzes wurde, wie bekannt genug ist, in die Curie geschleppt und ihm die Augen ausgerissen, während das eindringende Volk mit einstimmigem Geschrei die Mutter Erde und die [18] Götter der Unterwelt anflehte, dem Gallienus die Wohnsitze der Verdammten anzuweisen; (32) und hätte nicht Claudius unmittelbar nach der Einnahme von Mediolanum, gleich als hätte das Heer es gefordert, Schonung gegen die etwa noch übrigen Anhänger desselben geboten, so würden Adel und Volk noch schrecklicher gewüthet haben. (33) Den Senat erbitterte außer dem allgemeinen Elend des ganzen römischen Staates auch noch eine besondere Beschimpfung seines eigenen Standes, (34) weil Gallienus, bei seiner Schlaffheit fürchtend, die Herrschaft möchte den Besten des Adelstandes übertragen werden, den Senatoren den Kriegsdienst, ja sogar einen Besuch beim Heere verboten hatte. (35) Seine Herrschaft dauerte neun Jahre.

Claudius

34 (1) Die Soldaten, welche zuweilen das Unglück des Staates gegen seine Natur die richtigen Maßregeln zu ergreifen nöthigt, ertheilten, als sie Alles in Elend versunken sahen, dem Regierungsantritt des Claudius, eines in Beschwerden ausdauernden, gerechten und dem Vaterlande innig ergebenen Mannes, mit großem Eifer ihre Zustimmung. (2) Er war es ja, der nach einem langen Zwischenraume die Handlungsweise der Decier erneuerte151. (3) Als er nämlich die Gothen, welche die Länge der Zeit152 sehr mächtig und fast zu ansäßigen Bewohnern [des römischen Reichs] gemacht hatte, daraus zu vertreiben wünschte, ward aus den Sibyllinischen Büchern verkündet, daß sich, um den Sieg herbeizuführen, der Erste des Senats freiwillig opfern müßte. (4) Da sich nun derjenige, der dafür galt, dargeboten hatte, bewies Claudius, daß vielmehr ihm diese Pflicht zukomme, der in Wahrheit der Erste des Senats und überhaupt des ganzen Reiches war. (5) So wurden denn die Barbaren ohne einen Verlust des Heeres geschlagen und vertrieben, nachdem der Kaiser sein Leben dem [19] Staate zum Opfer gebracht hatte. (6) So sehr liegt edeln Menschen das Wohl ihrer Mitbürger und ein dauerndes Andenken am Herzen, wodurch sie nicht blos für ihren eigenen Ruhm, sondern gewissermaßen auch für das Glück der Nachkommen sorgen. (7) Denn Constantius, und Constantinus und unsre Kaiser153 – – – – und des Körpers, bei den Soldaten sehr beliebt aus Hoffnung auf Belohnungen oder Ungebundenheit. (8) Der Sieg war aber um so schwieriger und mühevoller, da die Untergebenen ihrer Gewohnheit nach in dem Wunsche, ungestraft sündigen zu können, eine schlaffe Staatsgewalt bereitwilliger vertheidigen, als eine taugliche.

Aurelianus

35 (1) Uebrigens zog Aurelianus, durch einen so glücklichen Erfolg hitziger gemacht, sogleich gegen die Perser zu Felde, als ob nur noch dieser Rest des Krieges übrig wäre. (2) Nachdem er sie vernichtet hatte, kehrte er nach Italien zurück, dessen Städte durch Belästigungen von Seiten der Alemannen litten. (3) Nach Vertreibung der Germanen aus Gallien wurden die Legionen des oben erwähnten Tetricus niedergehauen, indem ihr Anführer selbst den Verräther machte. (4) Tetricus hatte nämlich, als ihm die durch List des Statthalters Faustinus bestochenen Soldaten mehrmals nach dem Leben trachteten, brieflich den Aurelianus um Hülfe angefleht, und ergab sich ihm, als er anrückte, während des Kampfes, nachdem er sein Heer zum Scheine in Schlachtordnung gestellt hatte. (5) So kamen denn, wie gewöhnlich, wo kein oberster Leiter vorhanden ist, die Reihen in Unordnung und wurden niedergehauen; Tetricus selbst aber ward, nachdem er zwei Jahre lang auf der Höhe des Thrones gestanden, im Triumphe aufgeführt und erhielt dann die Statthalterschaft von Lucanien154 und für [20] seinen Sohn Verzeihung und die Senatorwürde. (6) Nicht minder vernichtete Aurelian innerhalb der Stadt Rom die Münzarbeiter, die auf den Rath des Rechnungsführers Felicissimus das Gewicht der Münzen verringert und aus Furcht vor Bestrafung einen so heftigen Krieg erregt hatten, daß sie, als es auf dem Berge Cölius zum Kampfe kam, fast siebentausend Krieger niedermachten. (7) Nach diesen so zahlreichen und wichtigen, mit Glück ausgeführten Unternehmungen erbaute er zu Rom einen prachtvollen Sonnentempel, den er mit reichen Weihgeschenken zierte, und umgab, damit nie wieder vorkommen könne, was unter Gallienus sich ereignet hatte, die Stadt in weiterem Umfange mit sehr starken Mauern. Zugleich sorgte er auf kluge und freigebige Weise für reichliche Vertheilung von Schweinefleisch an das niedere Volk. Die Anklagen wegen Beeinträchtigungen des kaiserlichen Schatzes und der Quadruplatoren155, welche die Stadt in solches Elend gebracht hatten, wurden abgeschafft, indem die Listen und übrigen auf dergleichen Angelegenheiten bezüglichen Schriften verbrannt und nach dem Beispiele der Griechen eine Amnestie verkündigt, zugleich aber auch diejenigen, die aus Habsucht öffentliche Gelder unterschlagen und die Provinzen beraubt hatten, ganz gegen die Sitte des Kriegerstandes, aus dem der Kaiser hervorgegangen war, auf’s Schonungsloseste verfolgt wurden. (8) Dieß war die Ursache davon, daß er durch die verbrecherische Hinterlist eines Dieners, dem er den Posten eines Geheimschreibers anvertraut hatte, bei Cänophrurium156 seinen Tod fand. Dieser hatte nämlich im Bewußtsein seiner Plünderungen und Verbrechen den Kriegsobersten, wie aus Gefälligkeit, einen von ihm listigerweise aufgesetzten Befehl zu ihrer Hinrichtung mitgetheilt, und diese vollbrachten nun, von Furcht getrieben, seinen Mord. (9) Hierauf schickten die Soldaten, ohne selbst einen neuen Fürsten zu ernennen, sofort Abgeordnete nach Rom mit der Bitte, daß der Senat nach seinem Gutdünken einen Kaiser wählen möchte, (10) und als dieser antwortete, daß ihnen dieß Geschäft vorzüglich zukomme, wiesen die Legionen es [21] nochmals an den Senat zurück. (11) So wetteiferte man von beiden Seiten in achtungsvoller Scheu und Bescheidenheit, Tugenden, die, namentlich unter solchen Verhältnissen, überhaupt unter den Menschen selten, den Soldaten aber beinahe unbekannt sind. (12) Jener Mann übte durch seine Strenge und seine unverdorbenen Sitten [auch nach seinem Tode noch] einen solchen Einfluß, daß die Urheber seines Mordes Verderben traf, die Schlechten in Furcht schwebten, die Unentschlossenen angespornt wurden157, alle Besseren Sehnsucht nach ihm erfüllte, und Niemand [durch seine Ermordung] zu Uebermuth oder stolzer Prahlerei verleitet wurde. Auch folgte auf ihn allein, wie auf Romulus, eine Zwischenregierung, die jedoch für ihn weit ruhmvoller war. (13) Dieses Ereigniß vorzüglich beweist, daß in allen Dingen ein gewisser Kreislauf Statt findet, und daß sich Nichts ereignet, was nicht die Kraft der Natur im Verlauf der Zeit abermals hervorzubringen vermöchte; (14) außerdem aber auch, daß durch die Tugenden der Regenten selbst tief gesunkene Staaten leicht wieder gehoben, durch ihre Laster aber auch die festest gegründeten in’s Verderben gestürzt werden können.

Tacitus und Florianus

36 (1) Endlich, ungefähr sechs Monate nach Aurelian’s Ermordung, wählte der Senat aus der Zahl der gewesenen Consuln den Tacitus, einen sehr sanften Mann, zum Kaiser, und fast Alle waren froh, daß das Recht, den Regenten zu wählen, von der wilden Rohheit der Soldaten wieder an den Senat übergegangen war. (2) Allein diese Freude war nur von kurzer Dauer und hatte einen traurigen Ausgang. Denn als Tacitus schon am zweihundertsten Tage seiner Regierung zu Tyana158 gestorben war, nachdem er jedoch vorher noch die Urheber von Aurelian’s Tode, namentlich den Kriegsobersten Mucaper, durch dessen tödtlichen Streich er gefallen war, hatte hinrichten [22] lassen, bemächtigte sich sein Bruder Florianus, ohne weder den Senat, noch die Truppen befragt zu haben, des Thrones.

Probus

37 (1) Kaum jedoch hatte er die Herrschaft einen oder zwei Monate lang behauptet, so wurde er bei Tarsus159 von seinen eigenen Leuten ermordet. (2) Nach ihm machten sie den Probus in Illyrien zum Kaiser, einen Mann von ausgezeichneter Kriegskenntniß und in der Kunst die Soldaten auf mannigfache Weise einzuüben und die junge Mannschaft abzuhärten fast einen zweiten Hannibal. (3) Wie jener einen sehr großen Theil Africa’s durch seine Kriegsschaaren, deren Müßiggang er für dem Staate wie den Heerführern gefährlich hielt, mit Oelbäumen bepflanzen ließ, eben so füllte dieser die Hügel Galliens, Pannoniens und Mösiens mit Weinpflanzungen, nachdem er die barbarischen Völkerschaften, die nach Ermordung unsrer Fürsten von ruchloser Hand ihrer eignen Leute in das Reich eingebrochen waren, geschlagen und zugleich den Saturninus und Bonosus, von denen Jener im Morgenlande, dieser zu Agrippina160 mit Hülfe der Heere, die sie befehligten, die Herrschaft an sich zu reißen versuchten, getödtet hatte. Daher soll Probus, nachdem er Alles zurückerobert und in friedlichen Zustand versetzt hatte, die Aeußerung gethan haben, in kurzer Zeit würden die Soldaten ganz überflüssig sein. (4) Hierdurch noch mehr aufgebracht, tödteten ihn diese nach etwas mehr als sechs Jahren [seiner Regierung] bei Sirmium161, wo sie angehalten wurden, die Umgegend dieser seiner Vaterstadt, die bei ihrer sumpfigen Lage von den Gewässern des Winters viel zu leiden hatte, durch Ausgrabung von Teichen und Gräben trocken zu legen. (5) Von da an erstarkte die Macht des Kriegerstandes und dem Senate blieb das Regiment und das Recht den Kaiser zu wählen bis auf unsre Zeit entrissen, wobei es ungewiß ist, ob nach eigenem Wunsche desselben in Folge träger Schlaffheit, oder aus Furcht [23] und Abscheu vor inneren Zwistigkeiten. (6) Denn nach Aufhebung des Gallienischen Edicts162 hatte das Heerwesen wieder besser organisirt werden können, da die Soldaten, so lange Tacitus regierte, bescheiden nachgaben, und es würde weder Florianus ohne Berechtigung die Regierung an sich gerissen haben, noch würde dieselbe irgend einem, wenn auch braven Manne [blos] durch den Ausspruch der Legionen zuerkannt worden sein, wenn ein so angesehener und hoher Stand163 im Lager sich befunden hätte. (7) Doch während sie sich träger Ruhe erfreuen und zugleich für ihren Reichthum zittern, dessen Genuß und Aufhäufung sie höher achten als Unsterblichkeit, haben sie Kriegsmännern und beinahe Barbaren den Weg zur Herrschaft über sich selbst und ihre Nachkommen gebahnt.

Carus, Carinus und Numerianus

38 (1) So wurde also Carus, der Befehlshaber der Leibwache, zum Augustus und seine Söhne Carinus und Numerianus zu Cäsaren ernannt. (2) Und da nach Bekanntwerden vom Tode des Probus alle möglichen Völkerschaften der Barbaren, die günstige Gelegenheit benutzend, in’s Reich eingefallen waren, so wurde sein älterer Sohn zum Schutze Galliens abgesendet, er selbst aber begab sich in Begleitung des Numerianus schleunigst nach Mesopotamien, weil diese Provinz fast herkömmlich Kämpfen mit den Persern ausgesetzt ist. (3) Als er aber nach Besiegung der Feinde, aus Ruhmsucht unbedachtsam, über Ctesiphon164, die berühmte Stadt Parthiens, hinauszog, wurde er von einem Blitzstrahl getödtet. (4) Einige behaupten, daß ihn dieß mit Recht betroffen habe; denn da ein Orakelspruch verkündet gehabt, daß einem Sieger nur bis zu der erwähnten Stadt vorzudringen erlaubt sei, so habe er, noch weiter fortgezogen, dafür Strafe gebüßt. (5) So ist [24] es also höchst schwierig, seinem Schicksale zu entgehen, und folglich auch die Kenntniß der Zukunft überflüssig. (6) Numerianus aber, der mit dem Verlust seines Vaters auch den Krieg für beendigt ansah, ward, als er das Heer zurückführte, durch Hinterlist seines eigenen Schwiegervaters, des Obersten der Leibwache, Aper, getödtet. (7) Gelegenheit dazu hatte ihm ein Augenleiden des jungen Mannes gegeben. (8) Das Verbrechen wurde lange Zeit verheimlicht, da der Leichnam wie ein Kranker, dessen Augen nicht vom Winde belästigt werden sollten, in eine Sänfte eingeschlossen getragen wurde.

Valerius Diocletianus

39 (1) Als aber durch den Geruch der in Fäulniß übergehenden Glieder das Verbrechen entdeckt war, wurde auf den Rath der Heerführer und Kriegsobersten Varius Diocletianus, der Befehlshaber der Haustruppen, seiner Weisheit wegen zum Kaiser erwählt, ein zwar großer Mann, der jedoch auch folgende [minder zu billigende] Sitten besaß. (2) Er war der Erste, welcher ein Kleid von Goldstoff wählte und den Glanz seidener, purpurner und mit Edelsteinen besetzter Fußbekleidung begehrte. (3) Ist nun schon dieß ein Zeichen von aufgeblasener, hoffärtiger Gesinnung, die sich über den Bürger erheben will, so ist es doch nur geringfügig gegen das Uebrige. (4.) Denn er war seit Caligula und Domitianus wieder der Erste, der sich öffentlich „Herr“ nennen und wie eine Gottheit verehren165 und anreden ließ; (5) woraus ich, so weit meine Einsicht reicht, die Ueberzeugung schöpfe, daß immer die Niedrigsten, besonders wenn sie eine hohe Stufe der Macht erstiegen haben, in Stolz und Ehrsucht alles Maß überschreiten. (6) So zur Zeit unserer Väter Marius, zu unserer aber Diocletianus, die sich, sobald sie über die gewöhnlichen Verhältnisse hinaufgestiegen waren, gleich Einem, der nach langem Fasten wieder durch Speise gestärkt ist, an der früher entbehrten Macht nicht sättigen konnten. (7) Daher [25] scheint es mir seltsam, daß die Meisten nur dem Adel übermüthigen Stolz zuschreiben, während doch derselbe, seiner patricischen Herkunft eingedenk, zur Entschädigung für die Beschwerden, die ihn belästigen, nur ein wenig vor Andern hervorzuragen wünscht. (8) Doch diese Fehler des Valerius werden durch seine übrigen guten Eigenschaften verdeckt; denn während er sich „Herr” nennen ließ, zeigte er sich als Vater, und es ist bekannt genug, daß der einsichtsvolle Mann beweisen wollte, wie schreckliche Handlungen weit mehr schaden, als gehässige Namen. (9) Nachdem unterdessen Carinus Kunde von dem erhalten hatte, was vorgefallen war, eilte er, in der Hoffnung, die ausbrechenden Bewegungen so desto leichter ersticken zu können, mit einem Umwege über Italien nach Illyrien, wo er den Julianus nach Besiegung seines Heeres tödtete. (10) Dieser hatte nämlich als Statthalter von Venetien auf empfangene Nachricht vom Tode des Carus die Regierung an sich zu reißen und seinem heranziehenden Feinde entgegen zu treten gewagt. (11) Carinus griff, sobald er Mösien betreten hatte, den Diocletianus bei Margus166 an, fand aber, als er dessen besiegtes Heer hitzig verfolgte, den Tod von der Hand seiner eigenen Leute, weil er, von ungezügelter Wollust getrieben, die Frauen seiner Soldaten zu verführen suchte. Die darüber aufgebrachten Ehemänner hatten zwar den Ausbruch ihres Zorns und Schmerzes auf den Ausgang des Kriegs verschoben; (12) als aber dieser eine glückliche Wendung nahm, führten sie, aus Furcht, der Sieg möchte einen solchen Charakter nur noch übermüthiger machen, ihren Racheplan [schon jetzt] aus. Ein solches Ende nahmen Carus und seine beiden Söhne; ihre Vaterstadt war Narbo167, ihre Regierung eine zweijährige gewesen. (13) Valerius betheuerte bei seiner ersten Anrede an das Heer, mit gezogenem Schwerte und zur Sonne aufblickend, daß er von der Ermordung des Numerianus keine Kenntniß gehabt und nicht nach der Regierung gestrebt habe, und durchbohrte dann den neben ihm stehenden Aper, durch dessen Hinterlist, wie wir oben berichtet haben, sein trefflicher und beredter jugendlicher Eidam seinen Tod gefunden hatte. (14) [26] Den Uebrigen ward Verzeihung zu Theil, und fast Alle seine Gegner, namentlich der Befehlshaber der Leibwache, Aristobulus, ein ausgezeichneter Mann, wurden in ihren Aemtern belassen: (15) eine seit Menschengedenken ganz neue und unerwartete Erscheinung, daß in einem Bürgerkriege Niemand seines Vermögens, seiner Ehre und Würden beraubt wurde, während man sich gewöhnlich schon als über eine überaus liebreiche und milde Handlungsweise freut, wenn nur den Verbannungen, Aechtungen, ja sogar den Hinrichtungen und dem Blutvergießen Maß und Ziel gesetzt wird. (16) Was soll ich aber davon sagen, daß er Ausländer zu Reichsgehülfen annahm, um das römische Gebiet zu schützen und zu erweitern? (17) Denn als er erfuhr, daß nach des Carinus Tode Aelianus und Amandus in Gallien eine Schaar von Landleuten und Räubern, welche die Eingeborenen Bagauden nennen, aufgewiegelt hätten und, nachdem sie das Land weit und breit ausgeplündert, sich selbst sehr vieler Städte zu bemächtigen suchten, so ernannte er sofort seinen treuen Freund Maximianus, einen zwar nur halbgebildeten, aber kriegserfahrenen und rechtlichen Mann, zum Imperator. (18) Dieser erhielt später wegen seiner Verehrung des Gottes Hercules den Beinamen Herculeus, sowie Valerius den Beinamen Jovius, und daher wurden diese Namen auch auf den bei weitem vorzüglichsten Theil unsrer Hülfsvölker beim Heere übergetragen168. (19) Herculeus schlug, nach Gallien gekommen, die Feinde, oder nöthigte sie zur Unterwerfung, und brachte in kurzer Zeit Alles in friedlichen Zustand. (20) In diesem Kriege hatte sich Carausius, ein Menapier169, durch entschlossene Unternehmungen sehr ausgezeichnet, und deshalb, zugleich aber auch weil er für einen erfahrenen Steuermann galt (denn er hatte sich in dieser Kunst als junger Mann gegen Lohn geübt) trug ihm der Kaiser auf eine Flotte auszurüsten und die Germanen170, welche das Meer beunruhigten, [27] zu verscheuchen. (21) Dadurch stolz gemacht und aus Furcht vor Herculeus, von dem, wie er wußte, bereits Befehl zu seiner Hinrichtung ertheilt worden war, weil er zwar viele Fahrzeuge [der Feinde] vernichtet171, aber nicht die ganze Beute in den Staatsschatz abgeliefert hatte, riß er die Herrschaft an sich und bemächtigte sich Britanniens. (22) Zu derselben Zeit erschütterten die Perser den Orient, Julianus und die Quinquegentanischen Völkerschaften Africa auf’s Heftigste. (23) Außerdem hatte sich zu Alexandria in Aegypten Achilles mit den Abzeichen der Herrschaft bekleidet. (24) Dieser Umstände wegen erwählten die Kaiser den Julius Constantius und den Galerius Maximianus, der den Beinamen Armentarius führte, zu Cäsaren und zogen sie durch Verheirathungen in ihre Verwandtschaft. (25) Der Erstere von ihnen nämlich erhielt die Stieftochter des Herculeus, der Letztere die Tochter des Diocletianus zur Gemahlin, nachdem ihre früheren Ehen aufgelöst worden waren; ganz so, wie es einst Augustus mit Nero Tiberius und seiner Tochter Julia gemacht hatte. (26) Ihrer Aller Vaterland war Illyrien; und obgleich sie nur wenig Bildung besaßen, so waren sie doch, an das Ungemach der Feldarbeit und des Kriegsdienstes gewöhnt, recht tüchtige Regenten. (27) Daraus erhellet, daß der Druck des Elends leichter unsträfliche und einsichtsvolle Männer bildet, solche dagegen, die nichts von Ungemach erfahren haben, weniger tauglich sind, da sie Alle nach ihrer eignen glücklichen Lage beurtheilen. (28) Hauptsächlich aber zeigte die unter ihnen herrschende Eintracht, daß zur Erwerbung von [Herrscher-]tugenden Talent und eine so tüchtige Kriegserfahrung, wie sie diesen Männern in der Schule des Aurelianus und Probus zu Theil geworden war, beinahe ausreichen. (29) Den Valerius ehrten sie Alle wie einen Vater oder gleich einer mächtigen Gottheit, und wie viel dies sagen will, ist durch die Reihe der vom Gründer des Reichs an bis auf unsere Zeiten herab in den Familien der Herrscher verübten [28] Verbrechen klar geworden. (30) Und weil die Kriegsdrangsale, von denen ich oben gesprochen habe, immer heftiger wurden, so ward, gleichsam durch eine Theilung des Reichs, alles Land Galliens jenseits der Alpen172 dem Constantius, Africa und Italien dem Herculius, Illyrien173 bis zur Meerenge des Pontus dem Gallienus überlassen; der übrige Theil des Reichs blieb im Besitz des Valerius. (31) Von dieser Zeit an wurde einem Theile Italiens eine ungeheure Last von Abgaben aufgebürdet. Denn während bisher das ganze Land gleiche und mäßige Abgaben entrichtet hatte, wurde jetzt, um den Unterhalt des Heeres und der Kaiser, die sich beständig oder doch größtentheils in Italien aufhielten, bestreiten zu können, ein neues Gesetz über das Abgabenwesen eingeführt, (32) das zwar bei den bescheidenen Ansprüchen jener Zeiten erträglich war, in unsern Zeiten aber zum Verderben des Staates ausgeschlagen ist. (33) Während unterdessen Jovius gegen Alexandrien zog, wurde dem Cäsar Maximianus der Befehl ertheilt, die Grenzen des Reichs zu überschreiten und nach Mesopotamien vorzurücken, um die Einfälle der Parther abzuwehren. (34) Nachdem er Anfangs von ihnen hart mitgenommen worden war, zog er eiligst ein Heer von altgedienten und neuangeworbenen Truppen zusammen und rückte durch Armenien den Feinden entgegen, welches fast der einzige oder doch der leichtere Weg zum Siege war. (35) Endlich zwang er ebendaselbst den König Narseus, sich nebst seinen Frauen und Kindern und dem ganzen Hofe ihm zu ergeben. (36) Der Sieg war ein so vollständiger, daß, wenn nicht Valerius, nach dessen Willen Alles ging, aus einem uns unbekannten Grunde seine Einwilligung versagt hätte, die römischen Fasces in eine neue Provinz getragen worden wären. (37) Dennoch wurde ein für uns recht nützlicher Landestheil erworben174, zu dessen Wiedererlangung aber freilich [29] jüngst [von den Persern] ein neuer, sehr schwerer und verderblicher Krieg unternommen worden ist175. (38) In Aegypten aber wurde Achilleus mit leichter Mühe besiegt und zur Strafe gezogen. (39) In Afrika wurde mit gleichem Glücke gekämpft, und nur dem Carausius wurde die Herrschaft auf seiner Insel gelassen, da er sich durch seine Anordnungen und die Beschützung der Einwohner gegen kriegerische Völkerschaften als einen dazu recht geeigneten Mann gezeigt hatte. (40) Sechs Jahre darauf jedoch wurde er durch die Hinterlist eines gewissen Allectus, (41) dem er die Oberleitung des Staats überlassen hatte, gestürzt, indem ihm dieser aus Furcht der Todesstrafe wegen seiner Schandthaten verbrecherischerweise die Herrschaft entwand. (42) Nachdem er sie aber kurze Zeit besessen, vernichtete ihn Constantius, der den Asclepiodotus, seinen Obersten der Leibwache, mit einem Theile der Flotte und der Legionen gegen ihn vorausgeschickt hatte. (43) Inzwischen wurden auch die Marcomannen geschlagen und das ganze Volk der Carper176 auf unser Gebiet verpflanzt, dem schon seit Aurelian ein Theil desselben angehört hatte. (44) Mit nicht geringerem Eifer wurde auch für die Geschäfte des Friedens gesorgt durch die gerechtesten Gesetze und durch Beseitigung der verderblichen Menschenklasse der frumentarii177, denen die jetzigen agentes rerum178 sehr ähnlich sind. (45) Da diese, wie es scheint, angestellt waren, um auszukundschaften und anzuzeigen, was für unruhige Bewegungen etwa in den Provinzen entständen, so erregten sie durch ersonnene boshafte Beschuldigungen aller Orten Furcht, besonders bei Allen, die in völliger Zurückgezogenheit lebten, und plünderten Alles auf schändliche Weise aus. Zugleich wurde auf Getreidevorrath für die Stadt und [30] auf das Wohl der Steuerpflichtigen ängstliche und sorgfältige Rücksicht genommen. Durch Beförderung der Rechtschaffeneren und im Gegentheil durch Bestrafung jedes Lasterhaften wurde der Eifer für alle Tugenden erhöht. Die ältesten Religionsgebräuche wurden auf’s Gewissenhafteste gepflegt, und das hohe Rom, sowie die übrigen Städte, namentlich Carthago, Mediolanum179, und Nicomedia180, durch neue Prachtgebäude wunderbar verschönert. (46) Trotz allen diesen Handlungen waren jedoch [die jetzigen Regenten] doch nicht frei von Fehlern. Herculius nämlich wurde von so großer Wollust beherrscht, daß er jene schändlichen Neigungen nicht einmal bei den Geißeln zu zügeln vermochte. Valerius zeigte gegen seine Freunde zu wenig ehrenhafte Aufrichtigkeit, freilich aus Furcht vor Zerwürfnissen, weil er glaubte, die Ruhe ihrer gemeinschaftlichen Regierung könne durch Ausplaudereien gestört werden. (47) Dadurch wurden auch die Kräfte Roms gewissermaßen beschnitten, indem die Zahl der prätorianischen Cohorten und des bewaffneten Volks vermindert wurde, was, wie Mehrere glauben, der Grund war, weshalb [Diocletianus] die Regierung niederlegte. (48) Da er nämlich, als ein eifriger Erforscher der Zukunft, überzeugt zu sein glaubte, daß vom Schicksal beschlossene innere Zerrüttungen und ein krachender Einsturz des römischen Staates bevorständen, so entschlug er sich, nachdem er das zwanzigste Jahr seiner Regierung gefeiert hatte, noch ziemlich kräftig der Regierungssorgen, und bestimmte auch den Herculeus, dessen Herrschaft ein Jahr weniger gedauert hatte, jedoch nur mit großer Mühe, zu demselben Entschlusse. Und mag auch durch die Verschiedenheit der Urtheile über diesen Schritt der wahre Grund desselben entstellt worden sein, so erscheint es mir doch als Beweis einer erhabenen Seele, mit Verachtung des Ehrgeizes [vom Throne] zum Leben eines Privatmanns herabzusteigen.

Constantius und Armentarius, Severus und Maximinus, Constantinus und Maxentius

40 (1) Während nun Constantius und Armentarius diesen in der Regierung folgten, wurden Severus und Maximinus, geborne Illyrier, [31] zu Cäsaren ernannt, und Ersterem Italien, Letzterem aber der frühere Regierungsbezirk des Jovius zugewiesen. (2) Da dies Constantinus, dessen großer und gewaltiger Geist schon von Kindheit an von Herrschbegierde glühte, und der vom Galerius unter dem Vorwande gewissenhafter Beaufsichtigung gleichsam als Geißel gehalten wurde, nicht ertragen konnte, flüchtete er auf listige Weise, indem er, um die Absicht der ihm Nachsetzenden zu vereiteln, auf seinem ganzen Wege die Postpferde tödten ließ, und gelangte so nach Britannien, (3) wo in diesen Tagen sein Vater Constantius gerade mit dem Tode rang. (4) Nachdem derselbe gestorben war, übernahm er mit Zustimmung aller Anwesenden die Regierung. (5) Unterdessen bestätigten zu Rom das Volk und die Leibwache den Maxentius als Kaiser, obgleich sein Vater Herculius es lange zu hintertreiben suchte. (6) Als dies Armentarius erfuhr, befahl er dem Cäsar Severus, der sich zufällig in der Nähe von Rom befand, den Gegner schleunigst zu bekämpfen. (7) Während nun dieser vor den Mauern stand, wurde er von seinen Leuten, die Maxentius durch Belohnungen auf seine Seite gelockt hatte, verlassen, ergriff die Flucht und kam, zu Ravenna belagert, um. (8) Dadurch noch mehr erbittert, ernannte Galerius mit Zuratheziehung des Jovius den durch alte Freundschaft erprobten Cäsar Licinius zum Augustus und brach, nachdem er ihn zum Schutze Illyriens und Thraciens zurückgelassen hatte, gegen Rom auf. (9) Während er mit Belagerung dieser Stadt längere Zeit beschäftigt war, wurden seine Soldaten auf dieselbe Weise verlockt, wie früher die des Severus, und deshalb zog er, aus Furcht, von ihnen verlassen zu werden, aus Italien ab, und starb kurz darauf an einer gefährlichen Wunde181, nachdem er dadurch, daß er ungeheure Wälder ausrotten und dem Pelsosee182 einen Ausfluß in die Donau geben ließ, eine bedeutende Strecke Landes in Pannonien für den Staat ergiebig gemacht (10) und dieselbe nach dem Namen seiner Gemahlin die Provinz Valeria benannt hatte. (11) Seine Regierung währte fünf, die des Constantius nur [32] ein Jahr, nachdem beide dreizehn Jahre lang die Cäsarenwürde bekleidet hatten. (12) Sie waren mit Gaben der Natur so trefflich ausgestattet, daß diese, wenn sie von wissenschaftlicher Bildung getragen worden wären und nicht durch Abgeschmacktheit Anstoß gegeben hätten, ohne Frage für ausgezeichnet hätten gelten müssen. (13) Daher wurde durch ihr Beispiel bestätigt, daß wissenschaftliche Bildung, feiner Anstand und besonders ein herablassendes Wesen einem Fürsten durchaus nothwendig sind, da ohne diese Eigenschaften gute Naturgaben gleichsam reizlos sind, ja sogar als abstoßend verachtet werden; während dagegen jene dem Perserkönige Cyrus einen unsterblichen Ruhm verschafft haben. (14) Zu meiner Zeit aber haben sie den Constantin, obgleich er auch mit den übrigen Tugenden geschmückt war, nach allgemeinem Wunsche zu den Sternen erhoben. (15) Hätte er seiner Prachtliebe, seinem Ehrgeiz und überhaupt den Neigungen Schranken gesetzt, wodurch namentlich kräftige Geister, von Ruhmsucht zu weit fortgerissen, in entgegengesetzte Fehler verfallen, er würde fast ein Gott gewesen sein. (16) Als er erfuhr, daß Rom und Italien verwüstet werde, die Heere und die beiden Imperatoren selbst geschlagen oder durch Bestechung gewonnen seien, so zog er nach in Gallien hergestellter Ruhe gegen den Maxentius zu Felde. (17) Zu dieser Zeit hatte ein gewisser Alexander, der als Statthalter zu Carthago lebte, thörichterweise nach der Herrschaft gestrebt, da er doch schon altersschwach und der Sohn eines pannonischen Bauers war, und nur eilig zusammengeraffte und kaum zur Hälfte bewaffnete Haufen von Soldaten hatte. (18) Der Befehlshaber der Leibwache, Rufius Volusianus, der mit einigen Offizieren und wenigen Cohorten gegen ihn ausgeschickt wurde, vernichtete ihn nach leichtem Kampfe. (19) Nach seiner Besiegung ließ Maxentius die Stadt Carthago, die Zierde des Erdkreises, und zugleich die reizendsten Gegenden Africa’s verwüsten, ausplündern und durch Feuer verheeren. Ueberhaupt war er ein roher, ungebildeter und durch Wollust noch widerwärtigerer Mann, (20) dazu noch feig, unkriegerisch und in so schmähliche Trägheit versunken, daß er, während die Kriegsfackel in Italien loderte und sein Heer bei Verona geschlagen war, nichts desto weniger seinen gewohnten Neigungen fröhnte und selbst beim Tode seines Vaters Herculius ungerührt blieb. (21) Dieser hatte nämlich, von Natur leidenschaftlicher [33] und zugleich in Furcht wegen der Schlaffheit seines Sohnes unbesonnenerweise die Regierung wieder übernommen, (22) aber, während er seinen Eidam Constantin unter dem Scheine der Dienstwilligkeit harte Nachstellungen bereitete, endlich den verdienten Untergang gefunden183. (23) Maxentius, der von Tag zu Tag wilder wurde, rückte endlich, freilich nur mit großem Widerwillen, aus Rom aus und bis zum „rothen Felsen“184, etwa neun Meilen von der Stadt, vor, und fand, als er sich, im Treffen geschlagen, flüchtend nach Rom zurückzog, beim Uebergang über die Tiber durch die Hinterlist185, die er seinem Gegner an der Mulvischen Brücke bereitet hatte, selbst seinen Tod im sechsten Jahre seiner angemaßten Regierung. (24) Unglaublich ist, wie sehr der Senat und das Volk über seinen Tod jubelten und frohlockten, die er aber auch in solchem Grade gequält hatte, daß er einst der Leibwache das Niedermetzeln des Volks erlaubte und zuerst durch eine schändliche Einrichtung den Senat und die Landleute zwang, ihm unter den Namen von Geschenken Geld zu seiner Verschwendung zu beschaffen. (25) Aus Unwillen darüber wurden nun die Legionen der Leibwache und die Hülfstruppen, die zu Meutereien geeigneter waren, als zum Schutze der Stadt Rom, gänzlich aufgelöst und ihrer Waffen und militärischen Bekleidung beraubt. (26) Außerdem weihte der Senat alle von ihm aufgeführten Prachtgebäude, namentlich den Tempel der Göttin Roma und eine Basilica, den Verdiensten des Flavius186, (27) von welchem später auch der Circus maximus außerordentlich verschönert und ein prächtiges Badehaus erbaut wurde, das den übrigen wenig nachstand. (28) An den besuchtesten Orten wurden [34] ihm Bildsäulen errichtet, viele derselben von Gold oder Silber. In Africa wurde für die flavische Familie ein Priesterthum gestiftet, und der Stadt Cirta, welche bei ihrer Belagerung durch Alexander zerstört worden war, ward, nachdem sie wieder hergestellt und verschönert worden war, der Name Constantina beigelegt187. (29) In solchem Grade übertreffen die Vertreiber von Tyrannen alle Anderen an Beliebtheit und Verehrung, und die Gunst, in der sie stehen, steigert sich noch, wenn sie selbst bescheiden und enthaltsam sind; (30) denn das menschliche Herz fühlt sich, in seinen schönen Hoffnungen getäuscht, nur um so bitterer gekränkt, wenn auch nach einem Wechsel der Regenten der Druck des Elends noch fortdauert.

Constantius, Licinius, Crispus, Constantinus, Licinianus, Constans, Dalmatius, Magnentius und Vetranio

41 (1) Während dieser Vorfälle in Italien wurde im Orient Maximinus nach einer Regierung von zwei Jahren von Licinius vollständig geschlagen und fand bei Tarsus188 seinen Tod. (2) So war denn die Gewalt über das ganze römische Reich in den Besitz zweier Männer gekommen, welche, obgleich sie in Folge der Vermählung der Schwester des Flavius mit Licinius durch verwandtschaftliche Bande mit einander verknüpft waren, ihrer ganz ungleichen Charaktere wegen nur mit Mühe drei Jahre lang in Eintracht zu leben vermochten. (3) Constantin nämlich besaß auch alle übrigen großen Eigenschaften in ungewöhnlichem Grade189, Licinius dagegen nur die der Sparsamkeit und zwar einer bäurischen. (4) Jener schützte endlich auch alle seine Feinde im Besitz ihrer Ehrenstellen und ihres Vermögens, nahm sie wieder zu Gnaden an, und fühlte so menschlich, daß er der Erste war, der die uralte Strafe der Kreuzigung und des Räderns190 aufhob; [35] weshalb er für den [zweiten] Gründer des Staats oder für eine Gottheit angesehen wurde. (5) Dem Licinius dagegen genügte es noch nicht einmal, unschuldige und berühmte Philosophen wie Sclaven auf qualvolle Weise hinrichten zu lassen191. (6) Nachdem dieser in verschiedenen Treffen geschlagen worden war, wurden, theils weil es schwierig schien, ihn gänzlich zu stürzen, theils der nahen Verwandtschaft wegen, die beiderseitigen Kinder zu Cäsaren ernannt und als Mitregenten angenommen, nämlich die Söhne des Flavius192, Crispus und Constantinus, und des Licinius Sohn Licinianus. (7) Daß jedoch ihre Herrschaft nicht von langer Dauer und für die angenommenen Mitregenten keine glückliche sein werde, wurde aus einer in diesen Tagen stattfindenden Sonnenfinsterniß klar. (8) Und so ward denn auch Licinius, der nach sechs Jahren den Frieden brach, in Thracien geschlagen und floh nach Chalcedon193, (9) wo er den Martinianus zum Mitregenten annahm und mit diesem zugleich gestürzt wurde194. (10) So begann eine Staatsregierung nach dem Gutdünken eines Einzigen, da die Söhne Constantins den unterscheidenden Namen von Cäsaren beibehielten, welche Auszeichnung um diese Zeit auch unserm Imperator Constantius zu Theil wurde. (11) Als der ältere von jenen195, wir wissen nicht, aus welchem Grunde, auf einen Urtheilsspruch seines Vaters getödtet worden war, hatte sich ein gewisser Calocerus, Aufseher einer Kameelheerde, unsinniger Weise der Insel Cypern bemächtigt, als wollte er hier ein Königreich gründen. (12) Nachdem er, wie er es verdiente, gleich einem Sclaven oder [36] Räuber hingerichtet worden war196, lenkte Constantin seinen gewaltigen Geist [vom Kriege] ab auf Erbauung einer Stadt197, auf Ordnung198 der religiösen Verhältnisse, und auf eine neue Gestaltung des Heerwesens. (13) Unterdessen wurden auch die Völkerschaften der Gothen und Sarmaten besiegt und der jüngste seiner Söhne, Namens Constans, zum Cäsar ernannt. (14) Doch verkündeten wunderbare Anzeichen, daß durch ihn eine große Verwirrung im Staate angerichtet werden würde, denn in der Nacht, die dem Tage seiner Ernennung folgte, stand der ganze Himmel fortwährend in Feuer. (15) Etwa zwei Jahre später machte Constantin auch seines Bruders Sohn, der nach seinem Vater den Namen Dalmatius führte, mit lauter Zustimmung der Truppen zum Cäsar. (16) Er starb im zweiunddreißigsten Jahre seiner Regierung, nachdem er das ganze Reich dreizehn Jahre allein beherrscht hatte, zweiundsechzig Jahre alt, auf dem Landgute Achyrona nahe bei Nicomedien, als er sich zu einem Zuge gegen die Perser anschickte, von deren feindlichem Einfalle er Kunde erhalten hatte. Jenes den Thronen unheilbringende Gestirn, welches man einen Kometen nennt, hatte seinen Tod vorherverkündet. (17) Sein Leichnam wurde in die nach ihm benannte Stadt gebracht, und das römische Volk empfand über sein Hinscheiden außerordentlichen Schmerz, da es die Stadt Rom durch seine Waffen, seine Gesetze und seine milde Regierung gleichsam neu geschaffen betrachtete. (18) Unter ihm wurde eine Brücke über die Donau gebaut und an mehreren vortheilhaft gelegenen Orten Lager und Kastelle angelegt; (19) auch die Oel- und Getreidelieferungen von auswärts her, durch welche Tripolis und Nicäa sehr hart bedrückt wurden, aufgehoben. (20) Die früheren [Einwohner von Tripolis] nämlich hatten aus Freude über die Thronbesteigung des Severus diesem ihrem Landsmanne jene Lieferungen dargeboten, aber die verstellte Unkenntniß dieses Verhältnisses von Seiten [37] der später Lebenden hatte den Dank für ein Geschenk in eine verderbliche Forderung verwandelt. Den Einwohnern der andern Stadt aber hatte Marcus Vojonius199 jene Lieferungen als Strafe auferlegt, weil sie in Unkenntniß davon waren, daß der talentvolle Hipparchus200 in ihren Mauern geboren worden sei. Den fiscalischen Bedrückungen wurde mit großer Strenge gesteuert201 und alle seine Thaten würden der Handlungsweise der Götter gleich erschienen sein, wenn er nicht unwürdigen Menschen den Zutritt zu Staatsämtern gestattet hätte. (21) Obgleich dieß auch sonst öfters der Fall gewesen ist, so stechen doch bei einem Manne von so hohem Geiste und einem für den Staat so ersprießlichen Charakter Fehler, auch wenn sie nur unbedeutend sind, doch mehr hervor und werden um so leichter bemerkt; ja sie schaden oft um so gewaltiger, da sie des Ruhmes desjenigen wegen, der sie begeht, für Tugenden genommen werden und zur Nachahmung reizen. (22) Unmittelbar darauf also202 wurde Dalmatius – man weiß nicht, auf wessen Anstiften – getödtet, und drei Jahre nach dem Tode dieser beiden Herrscher, des jüngsten und des ältesten, fiel in einem unseligen Kriege203 auch [der jüngere] Constantinus204. (23) Constans aber, durch diesen Sieg noch stolzer geworden, zugleich seiner Jugend wegen unbesonnen und von leidenschaftlicher Heftigkeit, dabei sehr zur Habsucht und zur Verachtung der Soldaten geneigt, ward überdieß noch durch die Schlechtigkeit seiner Diener ein Gegenstand der Verwünschungen [38] und im zehnten Jahre nach seinem Triumphe durch die Frevelthat des Magnentius gestürzt205, nachdem er allerdings manche unruhige Bewegungen auswärtiger Völkerschaften unterdrückt hatte. (24) Da er schöne Knaben, welche er von diesen für Geld als Geißeln empfangen hatte, allzu rücksichtsvoll behandelte, so nimmt man für gewiß an, daß er von unreinen Lüsten dieser Art entbrannt gewesen sei. (25) Und dennoch – wäre er doch mit allen seinen Lastern länger am Ruder geblieben! Denn die schwarze und grausame Seele des Magnentius, der ja von einem Barbarenvolke stammte206, und zugleich die folgenden Ereignisse brachten solches Verderben über den ganzen Staat, daß jene Herrschaft207 nicht mit Unrecht zurück ersehnt wurde. (26) Ein anderer Grund dazu war, daß Vetranio, ein Mann ohne alle wissenschaftliche Bildung und von beschränktem Geiste, und daher durch bäuerische Albernheit verächtlich, in den rauheren Gegenden Obermösiens geboren, als Oberbefehlshaber des Fußvolks in Illyrien auf unverschämte Weise die Herrschaft an sich gerissen hatte.

Constantius, Nepotianus, Decentius, Patricius, Silvanus und Julianus

42 (1) Ihn stürzte Constantius etwa nach zehn Monaten durch die Macht seiner Beredtsamkeit vom Throne und drängte ihn in die müßige Ruhe des Privatlebens zurück. (2) Dieser Kaiser ist, seit das Reich steht, der Einzige, dem solcher Ruhm durch Beredtsamkeit und Milde zu Theil wurde. (3) Wie nämlich die beiderseitigen Heere sich zum größten Theil gesammelt hatten, hielt er, unter dem Schein, ihnen die Entscheidung zu überlassen, eine Rede an sie und erlangte durch seine Beredtsamkeit, was ihm sonst vielleicht kaum jemals, oder nur durch vieles Blutvergießen gelungen wäre. (4) Dieser Vorfall zeigte zur Genüge, daß nicht blos zu Hause, sondern auch im Felde Rednertalent einen großen Werth habe, durch welches selbst das Schwierigste mit [39] Leichtigkeit zu Stande gebracht wird, wenn Mäßigung und Rechtschaffenheit hinzu kommt. (5) Dieß erkannte man besonders aus dem Beispiel unseres Kaisers. Seinen sofortigen eiligen Aufbruch nach Italien gegen andere Feinde verzögerten der rauhe Winter und die [durch Schnee] versperrten Alpen. (6) Unterdessen hatte sich zu Rom Potentianus, ein Verwandter des Flavius von mütterlicher Seite, mit Hülfe des bestochenen Pöbels und einer bewaffneten Fechterschaar, zugleich auch begünstigt durch den Haß gegen Magnentius, nach Ermordung des Stadtpräfecten zum Kaiser gemacht. (7) Sein Stumpfsinn brachte solches Verderben über Volk und Senat, daß überall Häuser, Marktplätze, Straßen und Tempel mit Blut und Leichnamen, gleich Leichenbrandstätten, bedeckt waren. (8) Doch nicht blos durch ihn geschah solches, sondern auch die herbeieilenden Schaaren des Magnentius, die am sieben und zwanzigsten Tage [seiner Herrschaft] seine Feinde erschlagen hatten. (9) Aber schon vorher hatten, weil man Bewegungen von Außen her besorgte, Magnentius seinem Bruder Decentius Gallien und Constantius dem Gallus, dessen Namen er nach dem seinigen umgewandelt hatte, den Orient unter Ertheilung der Cäsarenwürde übergeben. (10) Die beiden Kaiser selbst führten drei Jahre lang in mehreren heftigeren Treffen Krieg mit einander, zuletzt aber verfolgte Constantius seinen fliehenden Gegner nach Gallien und nöthigte beide Brüder, sich auf verschiedene Art selbst zu tödten. (11) Unterdessen wurde auch ein Aufstand der Juden, die einen gewissen Patricius ruchloser Weise auf den Thron erhoben hatten, unterdrückt; (12) und nicht lange darauf kam Gallus seiner Grausamkeit und Wildheit wegen auf Befehl des Kaisers um. (13) So kam nach dem langen Zwischenraume von fast siebzig Jahren die Staatsverwaltung wieder in die Hände eines Einzigen. (14) Doch eben erst nach inneren Erschütterungen zur Ruhe gekommen, wurde der Staat vom Silvanus, der zur Uebernahme der Regierung gezwungen worden war, wiederum bedroht. (15) Dieser Silvanus nämlich, in Gallien von barbarischen Aeltern gezeugt, hatte es, nachdem er alle Grade des Militärdienstes durchlaufen, durch seinen Uebergang vom Magnentius zum Constantius noch ziemlich jung bis zur Würde eines Befehlshabers des Fußvolks gebracht; (16) als er aber, sei es aus Furcht, sei es aus Unbesonnenheit, eine noch höhere Stufe erstiegen hatte, wurde er [40] bei einem Aufstande der Legionen, von denen er Unterstützung gehofft hatte, etwa am acht und zwanzigsten Tage [seiner Herrschaft] ermordet. (17) Deshalb übertrug Constantius, um Unruhen von Seiten der von Natur leidenschaftlichen Gallier zu verhüten, besonders, da auch die Germanen den größten Theil jenes Länderstrichs verheerten, dem ihm durch Verwandtschaft theuren Julianus die Cäsarenwürde und die Regierung der jenseits der Alpen gelegenen Länder; und dieser bezwang in kurzer Zeit die wilden Völkerschaften, nachdem er [einige] ihrer berühmten Könige gefangen genommen hatte208. (18) War nun aber dieß ein Erfolg seiner Kraft, so war doch derselbe auch dem Glücke und verständigen Rathe des Kaisers zuzuschreiben; (19) und dieser hat einen solchen Werth, daß [zum Beispiel] Tiberius und Galerius, so lange sie unter der einsichtsvollen Leitung Andrer standen, ihre meisten Unternehmungen herrlich ausführten, sobald sie aber selbstständig und eigenmächtig handelten, sich keines gleich günstigen Erfolgs zu erfreuen hatten. (20) Julius Constantinus nun, der jetzt seit drei und zwanzig Jahren das römische Reich beherrscht, legt, bald von äußeren, bald von inneren Bewegungen in Thätigkeit erhalten, selten die Waffen nieder. (21) Nachdem er in diesen Jahren die angemaßte Herrschaft so Vieler gestürzt und einen Angriff der Perser siegreich bestanden hat, gab er dem Volke der Sarmaten, bei ihnen selbst verweilend, mit großem Gepränge einen König: (22) eine Handlung, die, wie wir wissen, [vor ihm] nur Cnejus Pompejus, der den Tigranes wieder in sein Reich einsetzte, und kaum ein paar Andere der Vorfahren verrichtet haben. (23) Sanft und mild nach Umständen, besitzt er eine sich bis zur Eleganz erhebende wissenschaftliche Bildung und eine sanfte und anmuthige Art der Beredtsamkeit, Ausdauer bei Strapazen und eine außerordentliche Gewandtheit im Zielen mit dem Bogen, weiß die Gelüste des Gaumens, die Wollust und alle andern Begierden zu besiegen, zeigt sich in der Verehrung seines Vaters als liebevoller Sohn und als zu strenger Hüter seiner selbst, wohl wissend, daß von dem [41] Lebenswandel trefflicher Regenten die Ruhe des Staats bedingt wird. (24) Diese großen und herrlichen Eigenschaften hat jedoch seine geringe Vorsicht bei der Bestätigung von Kriegsobersten und Statthaltern, sowie die abgeschmackten Sitten der meisten seiner Diener und die Vernachlässigung gerade der tüchtigsten Männer entstellt; (25) und um die Wahrheit ganz kurz zu sagen, wie es nichts Ruhmwürdigeres gibt, als unsern Kaiser selbst, so auch nichts Erschrecklicheres, als den größten Theil seiner Diener.

Anmerkungen

1 D. h. wurde eine absolut monarchische Regierungsform eingeführt.

2 S. oben S. 65, Note 4.

3 Rhätien im engern Sinne umfaßte namentlich das heutige Graubündten und Tyrol, im weitern aber (mit Einschluß Vindeliciens) auch alles nördlichere Land bis zur Donau von ihren Quellen bis zum Einfluß des Inn. Illyrien war das heutige Dalmatien.

4 Diese (von dem Amte eines Tribunen wohl zu unterscheiden), durch welche die Kaiser für heilig und unverletzlich erklärt wurden, ward ihnen auf Lebenszeit verliehen und ertheilte ihnen die höchste Gewalt in Civilsachen und gesetzlichen Einfluß auf die Beschlüsse des Senats.

5 Seine zweite Gemahlin Livia bereitete ihm durch ihre Intriguen, seine Tochter Julia aber durch ihre Ausschweifungen großen Kummer.

6 Scythen hießen damals die Bewohner der nördlichsten Striche Asiens; die Garamanten waren ein Volk im Innern Africa’s, besonders im heutigen Fezzan, und die Bactrier ein Volk des innern Asiens im heutigen Balkh.

7 Genau übersetzt durch Arrogation. Es gab nämlich in Rom eine doppelte Art, Jemanden an Kindesstatt anzunehmen, durch adoptio blos vor dem Prätor, und durch arrogatio vor dem gesammten Volke in den Comitien.

8 Jetzt Capri, unweit Neapel.

9 Ein Land im Innern Kleinasiens.

10 Den er durch Schmeicheleien zu sich lockte und dann nicht wieder frei ließ.

11 Ein Volk des nördlichen Africa’s im südlichsten Striche des heutigen Marokko und in der Wüste Sahara und deren Oasen.

12 Städte Italiens mit römischem Bürgerrechte, aber eigener Verfassung und eigenen obrigkeitlichen Behörden.

13 D. h. die Garden.

14 Einige glaubten, Tiberius habe ihn entweder durch ein langsam wirkendes Gift oder durch Erstickung im Bette während einer Krankheit aus dem Wege geräumt.

15 Seine Mutter Agrippina, die Tochter Agrippa’s und Gemahlin des Germanicus, gab sich der Mißhandlungen des Tiberius wegen freiwillig den Hungertod, und seine Brüder Nero und Drusus gab Tiberius als vermeintliche Feinde des Staats dem Hungertode preis.

16 Die Halbstiefeln der Soldaten hießen caligae.

17 Ich glaubte, diese sehr verdorbene Stelle so übersetzen zu müssen, als ob der Verfasser geschrieben hätte: uti talia ingenia tegere solent animi sensus, egregia ad populum, inter patres, cum militibus gessit.

18 Welcher bekanntlich seine Schwester Juno zur Gemahlin hatte.

19 D. i. Bacchus, dessen Feste (Bacchanalien) zu Rom (selbst nachdem sie durch einen Senatsbeschluß verboten worden waren) unter den zügellosesten Ausschweifungen gefeiert wurden. Unter dem bacchantischen Gefolge Caligula’s hat man daher auch eine Schaar ausgelassener und unzüchtiger Personen beiderlei Geschlechts zu verstehen.

20 Offenbar bezeichnet der Verfasser durch das Wort pisces (Fische) die Bewohner jener aufgelesenen Muscheln.

21 Der Titel dominus bezeichnet ursprünglich das Verhältniß des Hausherrn zu seinen Sclaven und wurde daher von den ersten Kaisern sorgfältig gemieden. Später aber wurde er immer gebräuchlicher und endlich wurde Dominus et imperator, „unser Herr und Kaiser“ der ganz gewöhnliche Titel der Beherrscher des römischen Reichs.

22 Das Diadem wurde früher von den Römern als verhaßtes Abzeichen des Königthums verabscheut.

23 D. h. der Priester der alten Gallier, deren mächtigen und gefährlichen Einfluß auf’s Volk Claudius unter dem Vorwande, die Menschenopfer abschaffen zu wollen, zu unterdrücken suchte.

24 Das Land zwischen dem Euphrat und Tigris.

25 Vgl. oben S. 58, Note 3.

26 Sie waren nach Tacitus Ann. II, 52. (der sie Musulani nennt) Nachbarn der Mauritanier und der afrikanischen Wüste. Nach Ptol. IV, 3, 24. (wo sie Misulamer heißen) wohnten sie in der Nähe von Cirta (d. h. dem heutigen Constantine).

27 Der Hafenstadt von Rom. Jetzt liegt in Folge von Anschwemmungen und Vorrücken der Küste das Städtchen Ostia 3 Miglien von der See entfernt.

28 Auf einer ungeheuern Schiffbrücke, die er über den Meerbusen zwischen Bajä und Puteoli schlagen ließ.

29 Namens Agrippina.

30 Absurdior; namentlich in Bezug auf ihre Sittenlosigkeit und Ausschweifungen.

31 Polemo verzichtete freiwillig auf sein an der Südküste des schwarzen Meeres (des Pontus Euxinus) in Kleinasien gelegenes Reich.

32 An der Grenze von Frankreich und Italien vom Monte Viso bis zum Mont Cenis.

33 Doch wohl durch ihre Entehrung.

34 In dieser ganz verdorbenen Stelle übersetze ich die Conjectur von Cloß: nequaquam verecundia externis sollicitata humanius saturatur peccandi consuetudo.

35 Durch jene schmachvolle Vermählung mit einem Manne. Vgl. oben §. 5.

36 D. h. durch Vergiftung.

37 Er hieß Ad gallinas albas und fand sich in der sechsten Region der Stadt.

38 Nämlich als die Familie der Cäsaren.

39 Ein heilig gehaltener und eingeschlossener Platz mitten auf dem Forum an der Stelle, wo sich der Sage nach Curtius mit edler Selbstaufopferung zur Rettung Roms in den plötzlich entstandenen Erdschlund gestürzt haben sollte; obgleich sich bei den Alten auch noch andere Ansichten über die Entstehung dieses lacus Curtius finden.

40 Das jetzige Servien und Bulgarien.

41 Welches die östlichen Theile von Oesterreich, Steyermark, Kärnthen, Krain, ganz Ungarn zwischen der Donau und Sau, Slavonien und einen Theil von Kroatien und Bosnien umfaßte.

42 Einer Stadt im Sabinerlande, jetzt Rieti.

43 Nach unserem Gelde etwa 5 Millionen Thaler.

44 Eine wohl nur durch Felsenabsätze gebildete Art von Treppe am steilen Abhange des Aventinus (nach Andern am Capitolinus), welche die im Gefängniß erdrosselten Verbrecher an einem Haken hinabgeschleift wurden, um in die Tiber geworfen zu werden. Ob sie (gleich der Seufzerbrücke in Venedig) ihren Namen von gemere, „seufzen“, oder von einem gewissen Gemonius hatte, bleibt unentschieden.

45 Sittliche und wissenschaftliche Bildung.

46 Ich lese elegantiae satis atque auctoritatis sumat eruditione (statt eruditionem).

47 Ein schon vom Agrippa angefangener, aber vom Nero wieder fast ganz abgebrochener Tempel des Kaisers Claudius.

48 Dieses Riesenwerk (das Amphitheatrum Flavium, dessen Bau Vespasian begann, Titus fortsetzte und Domitian vollendete) ist das noch jetzt in seinen Haupttheilen vorhandene Colosseum.

49 Hier ist wohl das Forum Nervae gemeint, das vielleicht schon vom Vespasian begonnen, vom Domitian weiter gebaut und vom Nerva vollendet wurde. Die von Prachtgebäuden, Basiliken, Tempeln und Säulenhallen umgebenen, aber keinen großen freien Platz bildenden und besonders zu Gerichtshandlungen, Börsengeschäften u. s. w. bestimmten Kaiserfora befanden sich alle neben einander nördlich vom alten Forum Romanum, mit dem sie fast nur noch den Namen gemein hatten.

50 Die große Hauptstraße, welche durch Etrurien nach Oberitalien führte.

51 Der Praefectus praetorio war ursprünglich blos der von Augustus eingesetzte Befehlshaber der prätorianischen Cohorten oder der kaiserlichen Leibwache. Schon unter Tiberius aber erlangte er eine weit größere Macht, indem ihm die ganze Militärgewalt übertragen wurde, wozu später auch noch das oberste Civilrichteramt kam, und je größer nach und nach der Einfluß des Prätorianercorps wurde, desto höher stieg natürlich auch das Ansehen und die Macht seines Anführers, der unter mehreren Kaisern völlig die Rolle eines Großveziers spielte. Constantin d. Gr. beschränkte zwar die Macht desselben bedeutend, indem er das ganze Reich in 4 Präfekturen theilte, einer jeden derselben einen Praefectus praetorio vorsetzte und den nunmehrigen vier Präfecten blos die Civilverwaltung des Reichs ließ, aber auch so hatten sie, denen die oberste Gerichtspflege und die Aufsicht über die Heerstraßen und Posten, über das Münz- und Getreidewesen u. s. w., kurz über Alles, was das öffentliche Wohl betraf, anvertraut war, immer noch eine sehr bedeutende Stellung, so daß, wenn unser Verfasser sagt, diese Würde sei zu einem bloßen Namen ohne Macht herabgesunken, dieß blos in Vergleich mit ihrer früheren Gewalt gesagt sein kann.

52 Natürlich den Vespasianus.

53 Ohne erst ihre Gesuche darum abzuwarten.

54 Andere Schriftsteller wissen von dieser Vergiftung (durch Domitian) nichts und lassen Titus an einem Fieber sterben.

55 Dacien, von einem kriegerischen Volke bewohnt, das unter seinem König Decebalus den Römern schon mehrere Niederlagen beigebracht hatte, umfaßte die heutige Moldau, Wallachei und Siebenbürgen südlich bis zur Donau.

56 Ein streitbares germanisches Volk im heutigen Hessen und einem Theile von Westphalen.

57 D. h. Bettringkampf.

58 D. h. er sollte an einem Haken in das Spoliarium oder den Ort geschleift werden, wohin auf diese Art die Leichname der im Kampfe gefallenen Fechter hingeschleppt wurden.

59 Einer Stadt in Umbrien, jetzt Narni.

60 Einer Völkerschaft in Gallia Belgica in der Gegend von Besançon. Uebrigens irrt hier der Verfasser, denn Nerva hielt sich bei Domitianus Tode in Rom auf und wurde auch da zum Kaiser ausgerufen.

61 Auch Forum transitorium genannt. Beide Namen bedeuten „Durchgangsforum“ und wurden diesem kleinen, zwischen dem Forum Julium und Forum Augusti auf der einen und dem Forum Vespasiani auf der andern Seite gelegene Forum deswegen ertheilt, weil es das einzige Kaiserforum war, welches eine Durchgangsstraße für Reiter und Wagen bildete.

62 Eine Stadt in Hispania Baetica, deren Ruinen sich unter dem Namen Sevilla la vieja bei Santiponce unweit Sevilla in einer Gegend finden, die noch immer la Talca heißt.

63 Vgl. oben S. 98, Note 4.

64 D. h. die Donau in ihrem untern Laufe.

65 Diese, gewiß auch noch von den Abschreibern verdorbene Stelle enthält zuerst einen Irrthum des Verfassers, indem er die Daci pileati (d. h. die Hüte tragenden Dacier) für einen eigenen Volksstamm hält, da sie doch nach Dio Cassius LXVIII, 9. blos die vornehmere Classe des Volks waren, die das Vorrecht hatte Hüte zu tragen, während das übrige Volk (die Daci capillati, d. h. die langhaarigen) in bloßem Kopfe ging, und aus der nach Jornandes 5. u. 11. die Könige und Priester gewählt wurden. Sodann sind die Namen Sacae und Sardonii unstreitig falsch. Die Saken waren ein hierher gar nicht gehöriges scythisches Volk Asiens (im heutigen Tübet und der Wüste Gobi) und Sardonii kennen wir nur als identisch mit Sardi, d. h. den Einwohnern Sardiniens, die auch hier Nichts zu suchen haben. Statt der Saken sollten wahrscheinlich die Jazyges genannt werden, die als westliche Nachbarn der Dacier jenseit der Theiß allerdings auch von Trajan bekriegt wurden, und in Sardonios verbirgt sich vielleicht nur ein zweiter Name des Königs. (Cloß schlägt daher für ac Sardonios vor seu Diurpaneo mit Berufung auf Oros. VII, 10. und Jornand. 13., die diesen Namen statt Decebalus nennen, welcher letztere Name nach Fabricius zu Dio LXVII, 6. = Dacorum Baal, d. i. Beherrscher der Dacier, und bloser Amtstitel war. Demnach wäre vielleicht zu übersetzen: „nach Besiegung der Völkerschaften der (Hüte tragenden) Dacier und Jazyger unter ihrem König Decebalus oder Diurpaneus.“)

66 Richtiger Cosroës oder Chosroës.

67 D. i. dem Pontus Euxinus oder schwarzen Meere.

68 Dieß darf nur so verstanden werden, daß die schon seit Augustus, aber freilich blos für den Staatsdienst bestehenden Posten nun auch dem öffentlichen Verkehr und der Benutzung von Seiten der Privatpersonen übergeben wurden.

69 Noch jetzt Antakia oder Antachia.

70 Hier irrt der Verfasser. Dieser Unterschied bestand schon viel früher, nur wissen wir nicht genau, unter welchem Kaiser er aufkam.

71 Durch einen Friedensschluß mit den Parthern und das Aufgeben aller römischen Provinzen jenseit des Euphrat.

72 D. h. der Proserpina.

73 Das heutige Tivoli in reizender Lage, ein Lieblingsaufenthalt vornehmer und reicher Römer im Sommer.

74 Die prachtvolle Stadt Antinoopolis in Aegypten, jetzt Ruinen Namens Enseneh, beim Dorfe Scheik-Abadeh, nordöstlich von Achmunain, Aschmunein.

75 Vgl. jedoch unten §. 14. und die Note dazu.

76 Ein durch seine warmen Quellen berühmter Badeort in der Nähe von Neapel, jetzt größtentheils vom Meere verschlungen, obgleich ein Kastell an der Küste noch immer den Namen Baja führt.

77 Hadrian hatte zwar den Befehl zu ihrer Hinrichtung gegeben, der Cäsar Antoninus aber denselben nicht vollziehen lassen.

78 D. h. nicht sowohl der Fromme, als vielmehr der Zärtliche, Liebevolle, Kindlichgesinnte. Er führte diesen Beinamen wegen seiner liebevollen Gesinnung gegen seinen Adoptivvater.

79 Eine Stadt Latiums, jetzt Lavigna genannt.

80 Nachdem er ihn schon auf Hadrian’s Geheiß an Sohnesstatt angenommen hatte, gab er ihm auch noch seine Tochter Faustina zur Gemahlin.

81 Lorium oder Lorii (noch jetzt Lori genannt) war eine Stadt Etruriens, etwa 2½ Meilen nordwestlich von Rom, wo Antoninus ein Landgut hatte.

82 Oder vielmehr Parther, deren Herrschaft an die Stelle der persischen trat, weshalb die Namen Perser und Parther von den spätern römischen Schriftstellern sehr häufig verwechselt werden. Vgl. die Anmerk. 28 zu meiner Uebersetzung des Eutrop. S. 66.

83 Als Dorf unter dem Namen Altino noch jetzt vorhanden.

84 Ein mächtiges Volk im südlichen Germanien (namentlich in Böhmen), das sich südlich bis zur Donau ausbreitete und in Verbindung mit andern Nachbarvölkern an diesem Strome einen langwierigen Krieg mit den Römern führte.

85 Hier irrt der Verfasser. Diese allgemeine Verleihung des Bürgerrechts erfolgte erst unter Caracalla, der freilich auch den Namen Marcus Aurelius Antoninus führte.

86 Dessen Ruinen sich zwischen den Dörfern Sidi Bou Said, Malga und Douar bei Tunis finden.

87 Jetzt Ruinen bei Ayasaluk im Sandschak Sighla in Anatoli.

88 Das heutige Ismid, die Hauptstadt des Sandschak Kodscha-Ili in Anatoli.

89 Andre Schriftsteller wissen Nichts von diesem König Marcomar, auch ist es an sich schon höchst unwahrscheinlich, daß alle diese Völker unter der Herrschaft eines einzigen Königs gestanden haben sollten.

90 Ihre Trümmer finden sich zwischen Deutsch-Altenburg und Petronell in Oesterreich.

91 Dem heutigen Wien.

92 Ein germanisches Volk im heutigen Mähren.

93 Also: er riß sie nieder und erbaute an ihrer Stelle Badehäuser; aber doch gewiß nur an einzelnen Punkten. Diese von den Kaisern erbauten Thermen waren übrigens ungemein große und prachtvolle, mit allen nur möglichen Annehmlichkeiten ausgestattete Gebäude, die mit unsern Badehäusern nicht zu vergleichen sind.

94 Es fand fast eine förmliche Versteigerung des Thrones Statt und Julianus überbot seinen Mitbewerber Sulpicianus durch das Versprechen, jedem Prätorianer 25,000 Sestertien (d. h. über 1200 Thaler) zahlen zu wollen.

95 Abermals ein starker Irrthum unseres Verfassers. Jeder Prätor pflegte beim Antritte seines Amts ein sogenanntes Edict, d. h. die Grundsätze bekannt zu machen, nach welchen er Recht sprechen wollte. Diese Edicte nun, die zuletzt einen förmlichen Wirrwarr sich widersprechender Gesetze bildeten, ließ bereits Hadrian durch den berühmten Rechtsgelehrten Salvius Julianus (den Urgroßvater des Kaisers Didius Julianus) zusammentragen und in Ordnung bringen, und wurde so der Schöpfer des im Jahr 131 nach Chr. bekannt gemachten Edictum perpetuum. Aur. Victor hat daher den Kaiser Julianus mit seinem Urgroßvater verwechselt.

96 Es kann hier wohl nur die Ermordung des Pertinax gemeint sein.

97 Ein neuer Irrthum. Severus war allen andern Nachrichten zufolge damals Statthalter von Pannonien; gleichzeitiger Statthalter von Syrien und Aegypten war vielmehr sein nachmaliger Gegner Pescennius Niger.

98 Ueber die Tiber, etwas nördlich von Rom, an der Via Flaminia; jetzt Ponte Molle.

99 Siehe oben S. 86, Note 3. Uebrigens wurde hier nur der Feldherr des Niger, Aemilianus, geschlagen. Niger selbst, der sich auf die Nachricht vom Tode des Pertinax und dem Kaufe des Reichs durch Julianus von seinen Legionen in Syrien zum Kaiser hatte ausrufen lassen, wurde bei Issus in Cilicien besiegt und in der Nähe von Antiochien getödtet.

100 Das heutige Lyon. Albinus war nach dem Tode des Pertinax von den in Gallien und Britannien stehenden Legionen zum Kaiser ausgerufen worden.

101 Eine Landschaft Assyriens.

102 Statt ad ea lese ich adeo.

103 Das noch heute so heißende Land an der Nordküste Afrika’s nebst dem südlichsten Theile von Tunis.

104 Leptis Magna, jetzt Lebida.

105 Mit Namen Julia Domna, aus Emosa in Syrien gebürtig.

106 Das heutige York.

107 D. h. den Geschäften eines Sachwalters.

108 Caracalla ist ein celtisches Wort und bezeichnet einen Mantel, wie ihn die Gallier trugen.

109 Ich folge in dieser verdorbenen Stelle den Conjecturen von Gruter und Casaubonus und lese: – – urbem Romanam adficiens – – – quum pari modo vesti Antonianae nomen e suo daret.

110 Factiosior; vielleicht auch „kokette“, die sich durch Koketterie einen Anhang, eine Partei zu verschaffen sucht.

111 Durch Meuchelmord, den Macrinus veranstaltet hatte.

112 Ein schwarzer, kegelförmiger Meteorstein, der vom Himmel herabgefallen sein sollte.

113 Nach Arntzen’s Conjectur partibus libidinum nefandarum.

114 D. h. der Senat.

115 Sie war noch zu Abulfeda’s Zeiten ein blühender Ort Namens Aarkat. Jetzt erhält wenigstens noch der Hügel Arka zwischen dem Wadi Khereybe und Wadi Arka ihr Andenken.

116 D. i. der von andern Schriftstellern Artaxerxes (Ardschir) genannte Stifter des persischen Sassanidenreichs, das an die Stelle des parthischen Arsacidenreiches trat. Er verlangte von den Römern die Abtretung aller asiatischen Provinzen, die einst zum Perserreiche des Cyrus gehört hatten.

117 D. h. eben der Strenge.

118 Dieß ist ein Irrthum des Verf. Der Ort lag in Gallien bei Mogontiacum (Mainz), gehörte unstreitig den Vangionen und ist wahrscheinlich das heutige Bretzenheim (nach Andern Siklingen).

119 Nach Arntzen’s Conjectur opus florentissimum celebreque. Vermuthlich sind die prachtvollen thermae Severianae gemeint.

120 D. h. aus der Verbannung zurückrief, in die ihn wahrscheinlich Heliogabal mit vielen Anderen geschickt hatte. (Vgl. Lamprid. vita Heliogab. c. 16.)

121 Nach Herodian hatte er nur den Auftrag, die Rekruten des ganzen Heers für den Kriegsdienst einzuüben.

122 Soll heißen Thysdrus. Es war eine Seestadt der Provinz Africa, unweit der kleinen Syrte, die jetzt el Jemme heißt.

123 Hier findet sich im Texte unstreitig eine Lücke.

124 Wahrscheinlich die sogenannten delatores, Leute, die aus Angeberei und Anklagen ein förmliches Geschäft machten. Andere wollen statt indices vielmehr iudices gelesen und unter den „Richtern“ hier sämmtliche Magistratspersonen verstanden wissen. Der vorhergehenden Lücke wegen bleibt das Urtheil über die Stelle unsicher.

125 Ein Collegium von 20 angesehenen Bürgern. Vergl. Jul. Capitol. vita Gord. 22.

126 Richtiger wohl zu Kaisern; denn Julius Capitol. a. a. O. Papienum et Balbinum Augustos appellavit, ambos ex consulibus.

127 Der wahrscheinlich die Ruinen el Ghereysch, zwei Stunden nordöstlich von Bostra, angehören.

128 D. h. darf es auch nicht mehr öffentlich (in öffentlichen Häusern) getrieben werben.

129 Nach verbotenen und daher mit Gefahren verbundenen Genüssen.

130 Einer der bedeutendsten Städte Pannoniens, deren weitläufige Ueberreste sich um das heutige Städtchen Mitrowitz in Slavonien her finden.

131 Da diesen Brutus sonst Niemand kennt, und Decius vielmehr durch den Verrath des Gallus bei Abrutum (auch Forum Trebonii genannt), einem Flecken Mösiens auf dem rechten Donauufer, seinen Tod fand, so hat die Conjectur Abruti („zu oder bei Abrutum”) statt Bruti große Wahrscheinlichkeit, wiewohl Aur. Victor, gleich den meisten andern Schriftstellern, den Decius jenseit der Donau in Feindesland seinen Tod finden läßt. Doch konnte er sich auch leicht über die Lage von Abrutum im Irrthum befinden.

132 Eine Stadt Umbriens, das heutige Terni.

133 Nach allen andern Schriftstellern und nach der Epit. des Aur. Vict. 31. selbst wurde Aemilianus von seinen eignen Leuten ermordet.

134 Sapor lud ihn zu einer persönlichen Unterredung ein und nahm ihn, als er mit wenigen Begleitern erschien, gefangen.

135 Nur aus Mißverständniß läßt ihn Aur. Victor bei lebendigem Leibe geschunden werden. Dieß erfolgte vielmehr erst nach seinem Tode, um seine Haut als Siegeszeichen im Tempel aufhängen zu können. (Vgl. Lactant. de mort. persec. c. 5.) Doch war seine Gefangenschaft allerdings eine sehr schmähliche und mit vielen Demüthigungen verbundene gewesen.

136 Jetzt Essek, die Hauptstadt Slavoniens.

137 D. h. ganz Griechenland, welches wegen der großen Macht des Achäischen Bundes zur Zeit der römischen Invasion als Provinz des Römerreiches den Namen Achaja führte.

138 D. h. das Land zwischen den Strömen Euphrat und Tigris.

139 Zenobia, die Beherrscherin von Palmyra.

140 Das heutige Tarragona.

141 D. h. der Donau. Es ist das Land Dacien gemeint.

142 Nach Trebell. Pollio im Leben des Gallienus Cap. 3 wären Salonina und Pipa eine und dieselbe Person. Richtiger aber war wohl Salonina die rechtmäßige Gattin und Pipa nur die Beischläferin des Kaisers.

143 Das heutige Mainz.

144 Colonia Agrippina, das heutige Cöln.

145 Die ungefähr unsern Kriegskommissären entsprachen.

146 Der südwestlichste Theil von Gallien zwischen der Loire, dem Allier, den Cevennen und den Pyrenäen.

147 Pons Aureoli, jetzt in Ponterolo verunstaltet, eine Brücke über die Adda, zwischen Bergamo und Mailand.

148 Das heutige Milano oder Mailand.

149 Das heutige Pavia.

150 Vgl. 1. Bändch. S. 110.

151 Vgl. de vir. ill. 26 und 27. Uebrigens irrt der Verf., wenn er glaubt, daß Claudius wirklich in Folge einer Todesweihe in der Schlacht seinen Tod gefunden habe. Er starb vielmehr, nachdem er die Gothen mehrmals geschlagen hatte, an einer Krankheit zu Sirmium.

152 D. h. der lange Aufenthalt auf römischem Gebiete.

153 Hier findet sich im Texte eine größere Lücke, in der wahrscheinlich gesagt war, daß die genannten Kaiser solchen Grundsätzen folgten, und der an Claudius’ Stelle zum Kaiser erwählte Aurelianus die durch ihre Eigenschaften des Geistes und Körpers ausgezeichnete und bei den Soldaten sehr beliebte Zenobia besiegte. (Vgl. Flav. Vopisc. vit. Aurel. c. 25.)

154 Eine Landschaft Unteritaliens, welche die Provinzen Principato citeriore und Basilicata des vormaligen Königreichs Neapel umfaßte.

155 Eine gewisse Classe der öffentlichen Angeber, die ihren Namen davon hatten, weil sie den vierten Theil des Vermögens der Verurtheilten zur Belohnung erhielten.

156 Ein festes Schloß in Thracien an der Propontis und der Straße von Selymbria (j. Selivria) nach Constantinopel, vielleicht das heutige Bivados.

157 Statt der verdorbenen und sinnlosen Lesart simulata dubiis übersetze ich die Conjectur Arntzen’s stimulo dubiis.

158 Eine bedeutende Stadt Cappadociens in Kleinasien, das heutige Kiz oder Kilis Hissar.

159 Die berühmte Hauptstadt Ciliciens im Südosten Kleinasiens, noch jetzt Tarsus oder Tarso genannt.

160 Siehe oben S. 15.

161 Stadt in Unterpannonien, an der Mündung der Save (Sau) in die Donau.

162 Vgl. Cap. 33. a. E.

163 D. h. Männer des Senatorstandes, die durch das Edict bes Gallienus aus dem Lager verbannt gewesen waren.

164 Eigentlich eine Stadt Assyriens am Tigris, die Winterresidenz der Parthischen Könige; jetzt ein Theil des großen Ruinencomplexes der drei benachbarten Städte Ctesiphon, Coche und Seleucia, den man mit dem Namen El Madaien („die Städte“) bezeichnet.

165 D. h. namentlich verlangte, daß man sich vor ihm niederwerfe, ihn fußfällig anflehe. Diocletian führte nämlich das ganze Ceremoniel des Persischen Hofes in Rom ein, das von nun an auch von den folgenden Kaisern beibehalten wurde.

166 Gewöhnlich für das heutige Passarovitz gehalten, nach Andern Semendria ober Kastolatz.

167 Eine bedeutende Stadt Galliens, das heutige Narbonne.

168 Die Legio Hercules und Legio Jovia, alte und bewährte, ursprünglich aus Hülfsvölkern bestehende Heerhaufen in Illyrien, welche unter Diocletian die Stelle der Prätorianer vertraten und die kaiserliche Leibwache bildeten.

169 Die Menapier waren ein gallisches Volk, an den Mündungen des Rheins und östlich bis zur Maas wohnhaft.

170 Namentlich Franken und Sachsen.

171 Ich folge der Conjectur Arntzen’s cum paronum multos opprimeret, da die gewöhnliche Lesart cum parum multos oppr. theils an sich seltsam genug ist, theils der Nachricht des Eutropius IX, 13. (multis barbaris saepe captis) direct widerspricht. Ueber die parones oder leichten Schiffe der Sachsen vgl. Sidon. Apoll. VII, 6.

172 Der Verf. spricht hier von der durch Constantin den Großen vorgenommenen Eintheilung des ganzen Reichs in 4 Präfecturen, von denen die Präf. Gallia das eigentliche Gallien, Britannien, Hispanien und die Provinz Tingitana in Africa umfaßte.

173 Die Präfectur Illyricum umfaßte Pannonien, Mösien, Dacien, Griechenland, Macedonien und Thracien.

174 Die Perser mußten den Römern fünf Provinzen Armeniens jenseits des Tigris abtreten.

175 Schon unter Constantin d. Gr. forderten die Perser die abgetretenen Provinzen unter Androhung des Kriegs zurück, und unter Constantius entbrannte derselbe wirklich.

176 Ein Volk in Dacien zwischen der untern Donau und den Carpathen.

177 D. h. Verproviantirer, eine jeder Legion beigegebene Zahl von Soldaten, die das für die Truppen bestimmte Getreide (frumentum) aus den Provinzen in die Staatsmagazine schafften, zugleich aber auch als Kundschafter und Spione benutzt wurden.

178 Oder agentes in rebus, eine Art unterer Polizeibeamten in den Provinzen, die besonders der geheimen Polizei dienten und als Auflaurer und Denuncianten thätig waren.

179 S. oben 16. Es war die Residenz Diocletians.

180 1. Bdchen. S. 123. In ihr residirte Maximianus.

181 Vielmehr an einer ekelhaften Krankheit (der sogenannten Läusesucht, oder vielleicht auch einer syphilitischen Krankheit).

182 Der heutige Palaton oder Plattensee, der noch jetzt durch einen in die Sarvitz geleiteten Kanal einen Abfluß in die Donau hat.

183 Nach einigen Nachrichten erdrosselte er sich selbst, nach andern geschah dieß auf Constantins Befehl.

184 Noch jetzt Grotta Rossa benannt, etwa neun römische Meilen oder drei Stunden nördlich von Rom an der alten Via Flaminia gelegen.

185 Er hatte, um das vielleicht unvorsichtig herandringende Heer Constantins aufzuhalten und wenigstens zum Theil zu vernichten, eine Brücke über die Tiber bauen lassen, deren eiserne Bänder man in der Mitte wegnehmen konnte, und fand so, da die Brücke sich unter ihm löste, selbst in den Fluthen der Tiber seinen Tod.

186 D. h. Constantins, dessen vollständiger Name Flavius Valerius Aurelius Claudius Constantinus war.

187 Sie heißt daher noch jetzt Constantine.

188 S. oben S. 22.

189 Nach Schott’s Emendation praeter modum magna cetera (statt praeter admodum magna cetera).

190 So läßt sich nach unserer Ausdrucksweise das supplicium cruribus suffringendis wohl am passendsten übersetzen.

191 Man glaubt, daß der Verf. hier an die vom Licinius verhängten Christenverfolgungen denke.

192 D. h. eben Constantins d. Gr.

193 Vgl. 1. Bändch. S. 86.

194 Er wurde, nachdem er sich dem Constantin ergeben hatte, nach Thessalonich verwiesen, und bald darauf, einer Verschwörung beschuldigt, auf dessen Befehl getödtet.

195 Crispus, den seine Stiefmutter Fausta, deren Liebesanträge er zurückwies – als eine zweite Phädra – eines blutschänderischen Angriffs auf ihre Keuschheit beschuldigt haben soll. Er endete zu Pola in Istrien entweder durch Henkershand, oder durch Gift.

196 Dalmatius ließ ihn zu Tarsus in Cilicien lebendig verbrennen.

197 Er wollte erst in der Gegend des alten Troja eine neue Hauptstadt des Reichs gründen, beschränkte sich dann aber auf die Vergrößerung und Verschönerung von Byzantium, das nun den Namen Constantinopolis erhielt.

198 Nach Schott’s Conjectur formandis (oder ordinandis) religionibus, statt formidandis.

199 D. i. der Kaiser Antoninus Philosophus.

200 Ein berühmter Astronom und Mathematiker, der um’s J. 160 v. Chr. lebte.

201 Die kaiserlichen Beamten hatten sich viele Bedrückungen der Unterthanen, angeblich im Interesse des Fiscus oder kaiserlichen Schatzes, erlaubt. Constantin ließ solche gewaltthätige Beamten zum Feuertode, und die Angeber, die sie bei ihren Ungerechtigkeiten unterstützten, zum Strange oder Verlust der Zunge verurtheilen.

202 D. h. nach Constantins d. Gr. Tode.

203 Constantin verlangte, daß ihm Constans einen Theil seiner Staaten überlassen, oder eine neue Theilung des Reichs vorgenommen werden sollte, und fiel, da sich derselbe dessen weigerte, in seine Staaten ein, wurde aber geschlagen und getödtet.

204 Der oben §. 6 als Cäsar und Mitregent erwähnte Sohn Constantin’s d. Großen.

205 Magnentius erregte einen Soldatenaufstand und warf sich zum Augustus auf. Constans mußte fliehen und wurde auf der Flucht in Spanien ermordet.

206 Sein Vater war ein Britannier.

207 Die des Constans.

208 Nämlich die Könige der Alemannen, Chnodomar und Vadomar. Ersterer fiel nach der für die römischen Waffen höchst rühmlichen Schlacht bei Straßburg in römische Gefangenschaft, und der Letztere kam durch Hinterlist in Julians Gewalt.