De grammaticis et rhetoribus

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Übersetzung

Grammatiker1

1 (1) [514] Die Grammatik2 war im alten Rom nicht einmal bekannt, geschweige denn geachtet, denn die Stadt war damals noch ohne Bildung und auf das Kriegswesen beschränkt und noch nicht so eifrig den schönen Wissenschaften ergeben. (2) Auch als sie Eingang fand, war sie noch in einem dürftigen Zustande, denn die ältesten Lehrer derselben, welche halbgriechische Dichter und Redner3 in Einer Person waren (ich meine den Livius4) und Ennius, von welchen bekannt ist, daß sie in Rom und auswärts in beiden Sprachen Unterricht gegeben haben), beschränkten sich auf die Erklärung griechischer [515] Literatur; ihre eigenen lateinischen Arbeiten lasen sie bloß vor. (3) Denn gegen die Angabe, derselbe Ennius habe auch zwei Bände über Buchstaben und Silben, und einen dritten über Versmaße herausgegeben, wendet Lucius Cotta mit Recht ein, diese seien nicht von dem Dichter, sondern von einem späteren Ennius, welchem auch ein Werk über die Kunst der Wahrsagung zugeschrieben wird.

2 (1) Der Erste also, welcher das Studium der Grammatik nach Rom verpflanzte, war, wie ich glaube, Krates von Mallus, ein Zeitgenosse des Aristarchus, (2) welcher zwischen dem zweiten und dritten punischen Krieg, eben um die Zeit, da Ennius starb, vom König Attalus als Gesandter an den römischen Senat geschickt wurde. Als er hier in dem Bezirke des Palatiums in ein Loch der Cloake fiel und das Bein brach, hielt er während der ganzen Dauer seiner Gesandtschaft und Genesung sehr viele Musterreden und häufig auch theoretische Lehrvorträge, und wurde so für unsere Landsleute ein Vorbild zur Nachahmung. (3) Jedoch beschränkte sich, was sie sich von ihm aneigneten, darauf, daß sie noch wenig bekannte Gedichte verstorbener Freunde, oder was ihnen von Anderen gefiel, mit größerer Aufmerksamkeit von Neuem durcharbeiteten, und durch Vorlesen und Erklären auch Anderen zugänglich machten; (4) wie z. B. Cajus Octavius Lampadio des Nävius punischen Krieg, welcher ohne Abschnitte in ununterbrochen fortlaufender Erzählung dargestellt war, in sieben Bücher abtheilte, wie es dann später Quintus Varguntejus mit der Chronik des Ennius machte, welche er an bestimmten Tagen vor einem großen Publikum vorlas, und wie es ebenso auch Lälius Archelaus und Vectius Philokomus mit den Satiren ihres Freundes Lucilius machten, welche Pompejus Lenäus im Hause des Archelaus, und Valerius Cato in dem des Philokomus vorgelesen zu haben versichert.

3 (1) Die Grammatik wurde nach allen Seiten hin ausgebildet [516] und bereichert von Lucius Aelius aus Lanuvium, dem Schwiegersohn des Quintus Aelius, und von Servius Clodius, welche Beide römische Ritter und Männer von hoher und vielseitiger wissenschaftlicher und politischer Bildung waren. (2) Lucius Aelius hatte zweierlei Beinamen, den einen, Präconius, davon, weil sein Vater öffentlicher Ausrufer gewesen war, den anderen, Stilo, daher, weil er gewöhnlich den Herren vom Adel ihre Reden verfaßte; er war nämlich ein so treuer Anhänger der Aristokratenpartei, daß er den Quintus Metellus Numidicus in die Verbannung begleitete. (3) Servius, der, weil er seinem Schwiegervater eine noch nicht veröffentlichte Schrift unterschlagen hatte, von diesem verstoßen worden war und dann aus Scham und Verdruß sich aus der Stadt auf das Land zurückgezogen hatte, wurde dort von der Fußgicht befallen, und als sie ihm unerträglich wurde, bestrich er seine Füße so stark mit Gift, daß er sie abtödtete und so noch fortlebte, während dieser Theil seines Leibes schon so gut wie abgestorben war. (4) Darnach nahm das Interesse an dieser Wissenschaft und die Beschäftigung mit derselben immer mehr zu, so daß selbst die berühmtesten Männer nicht umhin konnten, ebenfalls über dieselbe zu schreiben, und daß es in gewissen Zeiten mehr als zwanzig berühmte Schulen derselben in Rom gegeben haben soll; (5) die Preise und Honorare der Grammatiker waren so groß, daß, wie man weiß, Lutatius Daphnis, welchen Lenäus Melissus mit einem Namenswitz Pansliebling nennt, von Quintus Catulus um zweihunderttausend Sestertien gekauft, in kurzer Zeit aber freigelassen wurde, und daß Lucius Appulejus von Eficius Calvinus, einem sehr reichen römischen Ritter, um einen Jahrgehalt von vierhunderttausend Sestertien angestellt wurde und Viele unterrichtet hat. (6) Denn auch in die Provinzen hatte die Grammatik ihren Weg gefunden, und einige der bekanntesten [517] Lehrer derselben haben auswärts5 unterrichtet, besonders im römischen Gallien, so Octavius Teucer, Siscennius Jacchus und Oppius Chares, der Letztere bis in sein höchstes Alter, da er bereits nicht mehr gehen konnte und das Augenlicht verloren hatte.

4 (1) Der Name „Grammatiker“ ist aus dem griechischen Sprachgebrauch erwachsen: ursprünglich hießen sie Literaten. (2) Auch Cornelius Nepos macht in der Schrift, wo er von dem Unterschied zwischen dem Gelehrten und dem Literaten handelt, die Bemerkung, Literaten nenne man gewöhnlich Solche, welche über irgend einen Gegenstand gewählt, geistreich und gelehrt zu reden oder zu schreiben verstehen, eigentlich aber sollte man die Erklärer der Dichter so nennen, welche bei den Griechen Grammatiker heißen. (3) Auch Literatoren nannte man sie, wie aus einem Briefe des Messala Corvinus hervorgeht, wo er sagt, er habe mit Furius Bibaculus nichts zu schaffen und ebenso wenig mit dem Ticida oder dem Literator Cato; er meint damit ohne Zweifel den Valerius Cato, einen sehr bekannten Dichter und Grammatiker. (4) Manche machen einen Unterschied zwischen Literaten und Literatoren, wie die Griechen zwischen Grammatikern und Grammatisten, und behaupten, nur die Ersteren seien vollkommene Gelehrte, die Letzteren dagegen haben nur eine oberflächliche Bildung; (5) und diese Ansicht wird auch von Orbilius durch Beispiele bestätigt. Er bemerkt nämlich, in alter Zeit habe man, wenn das Hausgesinde zum Verkauf vorgeführt wurde, einen Solchen nicht leicht als literatus, sondern gewöhnlich als literator bezeichnet, um damit anzudeuten, daß er keine gründliche, sondern nur eine oberflächliche wissenschaftliche Bildung besitze. (6) Die alten Grammatiker lehrten auch die Redekunst, und von Vielen unter ihnen werden noch Schriften [518] über beide Fächer angeführt. (7) Von dieser Gewohnheit, glaube ich, schreibt es sich her, daß sie auch später, als diese beiden Fächer schon geschieden waren, immer noch einige Lehrstücke zur Vorbereitung auf die Redekunst beibehalten oder auch selbst eingeführt haben, wie z. B. die Lösung von Aufgaben, Umschreibungen, Trostschreiben, Charakterschilderungen u. dergl., damit nämlich die Knaben nicht ganz leer und unvorbereitet in die Hände der Rhetoren kommen; (8) dieß ist aber, wie ich weiß, jetzt abgekommen, ohne Zweifel blos in Folge der Läßigkeit Einzelner und ihrer mangelhaften Redefähigkeit, denn daß man es für überflüssig gehalten, glaube ich nicht. (9) Wenigstens erinnere ich mich aus früher Jugend, daß Einer, Namens Princeps, gewöhnlich abwechselnd den einen Tag eine Rede, am andern eine Disputation hielt, manchmal auch Morgens einen theoretischen Vortrag und dann Nachmittags, nachdem man das Gerüste hinausgeschafft, eine Musterrede hielt. (10) Ich habe auch gehört, daß zur Zeit unserer Väter Mehrere unmittelbar von der Schule eines Grammatikers weg das Forum betreten haben und unter die vortrefflichsten Sachwalter gerechnet worden seien. (11) Der berühmten Lehrer, über welche wir wenigstens Einiges mittheilen können, waren es etwa Folgende.

Saevius Nicanor

5 (1) Sävius Nikanor war der Erste, welcher durch Unterricht zu Ruhm und Ansehen gelangte. Außer seinen Denkschriften, die ihm jedoch größtentheils abgeführt worden sein sollen, schrieb er auch eine Satire, in welcher er selbst erklärt, daß er ein Freigelassener sei und zwei verschiedene Beinamen habe, mit folgenden Worten:
Sävius Nicanor, einst des Marcus Sclav, wird leugnen;
Heißt Postumius auch; doch Marcus wird beweisen.

(2) Manche behaupten, er sei aus irgend einem Grunde in schlechten Ruf gekommen und habe sich deßhalb nach Sardinien zurückgezogen, wo er gestorben sei.

Aurelius Opillus

6 (1) [519] Aurelius Opilius, der Freigelassene eines Epikuräers, gab zuerst in der Philosophie, dann in der Redekunst, zuletzt in der Grammatik Unterricht. (2) Dann gab er seine Schule auf und begleitete den verurtheilten Rutilius Rufus nach Asien, wo sie in Smyrna bis ins hohe Alter miteinander lebten, (3) und schrieb dort eine Anzahl Bände über verschiedene Fächer der Gelehrsamkeit, darunter Ein Werk, welches neun Bände umfaßte, und von welchem er selbst sagt, daß er es nicht ohne Grund, sondern weil nach seiner Meinung die Schriftsteller und Dichter unter dem Schutze der Musen stehen, der Zahl und den Namen dieser Göttinnen entsprechend geschrieben und eingerichtet habe. (4) Seinen Beinamen finde ich in vielen Bücheranzeigen und Büchertiteln nur mit Einem Buchstaben geschrieben, er selbst aber führt ihn in einem Akrostichon in der kleinen Schrift „Pinax“6 mit zwei Buchstaben auf.

Marcus Antonius Gnipho

7 (1) Marcus Antonius Gnipho wurde von freien Eltern in Gallien geboren, aber ausgesetzt, dann von seinem Pflegevater freigelassen, in Alexandria, und zwar nach einigen Angaben in der Schule des Dionysius Skytobrachion, gebildet (was ich nicht wohl glauben kann, weil es mit der Zeitrechnung nicht recht stimmt), soll große Fähigkeiten, ein außerordentliches Gedächtniß und im Griechischen die gleiche Bildung wie im Lateinischen besessen haben; dazu gesellte sich noch sein gefälliges und umgängliches Wesen, wie er denn niemals zum Voraus ein Honorar festsetzte und auf diese Weise von der Freigebigkeit seiner Schüler doch mehr erzielte. (2) Er gab seinen Unterricht zuerst im Hause des vergötterten Julius, der damals noch ein Knabe war, und später in seinem eigenen Hause. (3) Er lehrte auch die Redekunst, in der Art daß er täglich die Theorie derselben vortrug [520] und nur an Markttagen Reden hielt. (4) Seine Schule sollen auch berühmte Männer besucht haben, wie Marcus Cicero, als er schon Prätor war. (5) Er verfaßte viele Schriften, obwohl er nicht über fünfzig Jahre alt wurde; Attejus Philologus jedoch behauptet, er habe blos zwei Bände „über die lateinische Sprache“ hinterlassen, denn die anderen Schriften unter seinem Namen seien nicht von ihm, sondern von seinen Schülern, unter welchen auch sein eigener Name irgendwo sich finden werde.

Marcus Pompilius Andronicus

8 (1) Marcus Pompilius Andronikus, gebürtig aus Syrien, stand in dem Rufe, daß er bei seiner Vorliebe für die epikureische Philosophie für einen Lehrer der Grammatik zu läßig und nicht der Mann sei, seine Schule zu behaupten. (2) Als er daher merkte, daß man ihn in Rom nicht blos dem Antonius Gnipho, sondern auch Anderen der geringeren Sorte nachsetze, zog er nach Cumä und lebte dort als Privatmann und schrieb Vieles, (3) war aber in so dürftigen Umständen, daß er sich genöthigt sah, sein Hauptwerk, das Inhaltsverzeichniß zu Ennius’ Chronik, um sechszehntausend Sestertien zu verkaufen; Orbilius behauptete, er habe diese unterschlagene Schrift wieder an sich gekauft und unter dem Namen des Verfassers herausgegeben.

Lucius Orbilius Pupillus

9 (1) Orbilius Pupillus aus Beneventum, durch den Tod seiner Eltern, welche Beide am gleichen Tage von ihren Feinden meuchlerisch ermordet worden waren, hülflos geworden, diente zuerst als Aufwärter bei Behörden, dann als Adjutant und später als Reiter in Macedonien, nahm aber, nach Ablauf seiner Dienstzeit, seine Studien wieder auf, in denen er sich schon von Jugend auf fleißig umgesehen hatte, war dann lange Lehrer in seiner Vaterstadt, und zog erst in seinem fünfzigsten Jahre, unter Cicero’s Consulat, nach Rom und gab dort Unterricht, der ihm aber mehr Ruhm als Nutzen brachte. Denn schon in sehr hohem Alter gesteht er in einer Schrift, [521] daß er ein armer Mann sei und unter dem Dache wohne. (2) Er schrieb auch ein Buch Perialges, worin er über die Unbilden klagt, welche die Lehrer durch die Gleichgültigkeit und Parteilichkeit der Eltern erleiden. (3) Er war von heftiger Gemüthsart, welche er nicht blos an seinen wissenschaftlichen Gegnern, die er bei jeder Disputation herunterrieß, sondern auch an seinen Schülern ausließ, wie dieß Horatius damit zu verstehen gibt, daß er ihn einen Prügler nennt, und Domitius Marsus in dem Verse:
Wen Orbilius je mit Ruthe und Peitsche gehauen.

(4) Selbst hochstehende Leute verschonte er nicht mit seinem Spotte, wie er denn, als er, damals ein noch unbekannter Mensch, vor einer zahlreichen Gerichtsversammlung Zeugniß ablegen mußte, und Varro,7 der Advocat der Gegenpartei, ihn fragte, was er denn für ein Geschäft treibe, erwiderte, er versetze die Buckeligen aus der Sonne in den Schatten,8 weil nämlich Murena buckelig war. (5) Er erlebte fast das hundertste Jahr, nachdem er längst das Gedächtniß verloren, wie aus folgendem Verse des Bibaculus erhellt:
Wo ist Orbilius, der die Wissenschaft vergaß?

(6) Seine marmorne Bildsäule kann man auf der Burg von Beneventum, auf der linken Seite derselben sehen; er ist sitzend, in griechischer Kleidung abgebildet, neben ihm stehen zwei Bücherkästchen. (7) Er hinterließ einen Sohn Orbilius, der gleichfalls Lehrer der Grammatik war.

Lucius Ateius Philologus

10 (1) Attejus Philologus, ein Freigelassener, aus Athen gebürtig. Von diesem sagt der bekannte Rechtsgelehrte Capito Attejus, er sei der Rhetor unter den Grammatikern und der Grammatiker unter den Rhetoren gewesen. (2) Ueber denselben berichtet Asinius Pollio [522] in der Schrift, in welcher er die Schreibart des Sallustius wegen ihrer gesuchten Ueberladung mit alterthümlichen Ausdrücken tadelt, Folgendes: „Dazu war ihm namentlich behülflich ein gewisser Attejus Prätextatus, ein berühmter lateinischer Grammatiker, der später Nachhelfer und Lehrer in Redeübungen war und sich selbst kurzweg Philologus nannte.“ (3) Er schrieb selbst an Lälius Hermas, er mache in der griechischen Literatur große, in der lateinischen wenigstens einige Fortschitte; er habe den Antonius Gnipho und dessen9 Hermas gehört und sei dann selbst als Lehrer aufgetreten, und zwar habe er viele vornehme Jünglinge unterrichtet, wie die beiden Brüder Appius und Pulcher Claudius, zu deren Gefolge er auch in der Provinz gehört habe. (4) Den Namen Philologus scheint er deßhalb angenommen zu haben, weil er, wie Eratosthenes, der sich diesen Beinamen zuerst beilegte, als ein Mann von umfassendem Wissen in verschiedenen Fächern galt, (5) was auch seine Denkschriften beweisen, so wenige man auch noch hat; wie groß aber die Zahl derselben gewesen, deutet er in einem zweiten Brief an denselben Hermas an, wo es heißt:
Vergiß nicht, auch Anderen mein Material zu empfehlen, das ich, wie du weißt, aus allen Gebieten des Wissens in achthundert Bücher zusammengetragen habe.

(6) Er war später der vertrauteste Verehrer des Cajus Sallustius und nach dessen Tode des Asinius Pollio; als diese sich zur Abfassung geschichtlicher Werke anschickten, verfaßte er für den Ersten eine kurze Uebersicht der ganzen römischen Geschichte zu beliebiger Auswahl, für den Andern eine Anweisung zu geschichtlicher Darstellung. (7) Um so mehr wundere ich mich, wie Asinius Pollio glauben konnte, er habe sich damit abgegeben, alterthümliche Ausdrücke und Wendungen für den Sallustius zusammenzulesen, [523] während er doch wußte, daß er ihm selbst nichts Anderes gerathen, als daß er sich der allbekannten, gangbaren und eigentlichen Sprachweise bedienen und namentlich die Unverständlichkeit des Sallustius und seine Dreistigkeit in der Anwendung uneigentlicher Bedeutungen10 vermeiden solle.

Publius Valerius Cato

11 (1) Valerius Cato war, einigen Angaben zufolge, der Freigelassene eines unbekannten Bursenus aus Gallien; er selbst behauptet in seiner Schrift „Indignatio“,11 er sei von freien Eltern geboren und ein Waise geworden, daher man ihn in der gesetzlosen Sullanischen Zeit um so leichter habe um sein Vermögen bringen können. (2) Er gab vielen, auch vornehmen, Schülern Unterricht, und galt für einen sehr guten Lehrer, namentlich für Solche, welche es auf die Dichtkunst abgesehen hatten, wie man auch aus nachstehenden Versen sehen kann:
Der Grammatiker Cato, Roms Sirene,
Der die Dichter alleinig liest und bildet.

(3) Er schrieb außer grammatischen Schriften auch Gedichte, von welchen namentlich Lydia und Diana Beifall fanden. Der Lydia gedenkt Ticida in dem Verse:
Lydia ist zumeist bei den Gelehrten beliebt.
Der Diana gedenkt Cinna:
Mög’ Jahrhunderte dauern Diana von unserem Cato.

(4) Er erreichte das höchste Alter, lebte aber in äußerster Armuth und fast in wirklicher Noth, vergraben in einer ärmlichen Hütte, seitdem er sein tusculanisches Landgut an seine Gläubiger hatte abtreten müssen, wie Bibaculus bezeugt:
[524] Wer zufällig erblickt das Haus des Cato,
Roth die Schindeln gefärbt, und jenes Gärtchen,
Wo als Wächter Priapus drinnen stehet,
Wird sich wundern, durch welche Wissensfächer
Er so große Geschicklichkeit erworben,
Daß drei Stängelchen Kohl, ein Halbpfund Speltes
Und zwei Trauben ihn nähren unter einem
Einz’gen Ziegel bis fast in’s höchste Alter.

und wieder an einer anderen Stelle:
Das Catonische Tusculanum, Gallus,
Bot der Gläubiger in der ganzen Stadt feil.
Zum Verwundern, daß dieser größte Lehrer
Und Grammatiker, auch der beste Dichter,
Alle Fragen zu lösen soll verstehen,
Und schwer finden die eine, schuldenfrei sein.
Des Zenodotus Kopf, des Krates Leber!

Cornelius Epicadus

12 (1) Cornelius Epicadus, ein Freigelassener des Dictators Lucius Cornelius Sulla und Aufwärter bei der Priesterschaft der Augurn, stand auch bei dessen Sohn Faustus in großer Gunst, daher er sich immer als Freigelassenen von Beiden ausgab. (2) Er hat auch den letzten Band der Lebensgeschichte des Sulla, welchen dieser unvollendet hinterließ, vollends ausgearbeitet.

Staberius Eros

13 (1) Staberius Eros, den sein Herr auf dem Sclavenmarkt gekauft, aber wegen seines wissenschaftlichen Strebens freigelassen hatte, unterrichtete unter Anderen auch den Brutus und Cassius. (2) Nach einigen Nachrichten besaß er einen so edeln Charakter, daß er zur Zeit des Sulla die Söhne der Proscribirten unentgeltlich und ohne alle Vergütung in seinen Unterricht zuließ.

Curtius Nicias

14 (1) Curtius Nikia gehörte zu dem Kreise des Cnejus Pompejus und Cajus Memmius; als er sich aber zum Ueberbringer [525] eines ehebrecherischen Briefes von Memmius an des Pompejus Frau hergab, und von dieser verrathen wurde, fiel er in Ungnade bei Pompejus und es wurde ihm der Zutritt ins Haus untersagt. (2) Er war auch ein Freund des Marcus Cicero, in dessen Brief an Dollabella (Fam. IX, 10) Folgendes über ihn zu lesen ist:
Ueberhaupt sind Briefe von dir für mich viel wünschenswerther als solche von mir für dich. Denn in Rom fällt nichts vor, was dich, wie ich glaube, interessiren könnte, außer wenn es dich interessiren sollte zu erfahren, daß ich zwischen unserem Freund Nikia und Vidius Richter bin. Der Eine, glaube ich, setzt dem Nikia zwei Verse an, der Andere, ein zweiter Aristarchus, bezeichnet sie als unächt. Ich werde, wie ein Kritiker des Alterthums, entscheiden, ob sie vom Dichter oder unterschoben sind.
Ebenso schreibt er an Atticus (XII, 26):
Anbelangend das, was du ihm von Nikia schreibst, so möchte ich ihn sehr gerne um mich haben, wenn ich in der Lage wäre, seinen gebildeten Umgang genießen zu können, aber meine Aufgabe ist gegenwärtig ein einsames Stillleben, und weil sich Sica so gut in dieses gefunden hat, darum vermisse ich ihn so sehr. Außerdem kennst du unsern Nikia, wie schwach, wie weichlich er ist und wie er an seiner gewohnten Lebensweise hängt. Warum sollte ich nun wünschen, ihm lästig zu sein, während er für mich nicht angenehm sein kann? Seinen guten Willen jedoch weiß ich zu schätzen.

(3) Daß er auch über Lucilius geschrieben, ist aus einer Satire desselben ersichtlich.

Pompeius Lenaeus

15 (1) Lenäus, ein Freigelassener Pompejus’ des Großen und sein Begleiter in fast allen seinen Feldzügen, verschaffte sich nach des Pompejus und seiner Söhne Tod seinen Unterhalt durch Unterricht. Und zwar hatte er seine Schule in den Carinen beim Tempel des Tellus, in welchem Bezirk auch das Haus des Pompejus stand, (2) und bewahrte eine solche Anhänglichkeit an das Andenken seines Schutzherrn, [526] daß er den Geschichtschreiber Sallustius, welcher denselben als ein böses Maul und eine schamlose Seele geschildert hatte, in einer beißenden Satire geißelte, worin er ihn einen Hurer, Fresser, Windbeutel und Schlemmer, einen in seinem Leben wie in seinen Schriften ungeheuerlichen Menschen nennt, und ihn noch weiter als den ungeschicktesten Dieb alterthümlicher und Catonischer Redensarten bezeichnet. (3) Man erzählt, er sei in seinen Knabenjahren aus Athen entführt worden, dann aber wieder in seine Heimath entwichen und habe, nachdem er dort die schönen Wissenschaften erlernt, seinem Herrn den Kaufpreis ersetzen wollen, sei aber wegen seiner Talente und Kenntnisse unentgeltlich freigelassen worden.

Quintus Caecilius Epirota

16 (1) Quintus Cäcilius Epirota, aus Tusculum gebürtig, ein Freigelassener des römischen Ritters Atticus, an welchen man Briefe von Cicero hat, kam, als er die an den Marcus Agrippa verheirathete Tochter seines Schutzherrn unterrichtete, in Verdacht des Umgangs mit ihr, wurde deßhalb entlassen, und begab sich zu Cornelius Gallus und lebte mit diesem in vollkommener Freundschaft vereint; es ist dieß einer der schwersten Vorwürfe, welche Augustus dem Gallus machte. (2) Später, nach der Verurtheilung und Hinrichtung des Gallus, eröffnete er eine Schule, und zwar in der Art, daß er nur Wenigen und nur Erwachsenen Unterricht gab, und Keinem, der noch die Prätexta trug,12 außer Solchen, deren Vätern er diese Gefälligkeit nicht verweigern konnte. (3) Er soll zuerst lateinische Disputationen aus dem Stegreife gehalten und mit der Vorlesung des Virgilius und anderer neueren Dichter den ersten Anfang gemacht haben, was auch ein Vers des Domitius Marsus bezeugt:
Epirota, du Amme der jüngsten Dichtertalente.

Marcus Verrius Flaccus

17 (1) [527] Verrius Flaccus, ein Freigelassener, wurde namentlich durch seine Lehrmethode berühmt. Um nämlich die geistige Fähigkeit seiner Schüler durch Uebung auszubilden, ließ er die Schüler von gleichem Alter einen Wettstreit unter einander anstellen, zu dem er ihnen nicht nur das Thema gab, welches sie schriftlich bearbeiten sollten, sondern auch einen Preis für den Sieger aussetzte. Dieser bestand in einem alten, schönen oder seltenen Buche. (2) Daher wählte ihn auch Augustus zum Lehrer seiner Enkel, worauf er mit seiner ganzen Schule in den Palast übersiedelte, jedoch mit der Beschränkung, daß er von da an keine weiteren Schüler mehr aufnahm, und hier im Vorsaal des Hauses des Catilina, welches damals zum Palast gehörte, Unterricht gab, für den er jährlich hunderttausend Sestertien erhielt. (3) Er starb in hohem Alter unter Tiberius. (4) Es steht eine Bildsäule von ihm in Präneste auf dem unteren Theile des Forums dem Halbrund gegenüber, in welchem er einen von ihm angelegten Kalender, in eine Marmorwand gehauen, öffentlich ausgestellt hatte.

Lucius Crassicius Pasicles (Pansa)

18 (1) Lucius Crassitius, ein Freigelassener, aus Tarent, mit dem Beinamen Pasikles, den er aber später mit Pansa vertauschte. (2) Er war anfangs bei der Bühne beschäftigt als Gehülfe der Verfasser mimischer Stücke; später gab er Unterricht in einer Schule, bis er durch die Herausgabe eines Commentars zur Smyrna13 so berühmt wurde, daß folgendes Gedicht auf ihn gemacht ward:
Smyrna bewies, daß nur dem Crassitius sie sich vertraue,
Ungelehrte, jetzt hört auf, sie zum Weibe zu frei’n.
Nur den Crassitius will, wie sie sagt, zum Manne sie nehmen,
Weil nur diesem allein wurd’ ihr Geheimstes bekannt.

(3) [528] Aber während er eben jetzt viele vornehme Schüler, wie den Julius Antonius, des Triumvirs Sohn, zur Ausbildung hatte, so daß er selbst dem Verrius Flaccus gleichgestellt wurde, schloß er auf einmal seine Schule und schloß sich der Schule des Philosophen Quintus Sextius an.

Scribonius Aphrodisius

19 Scribonius Aphrodisius, Sclave und Schüler des Orbilius, von dem ihn später die erste Frau des Augustus, des Libo Tochter, Scribonia, kaufte und dann freiließ, lehrte zu gleicher Zeit mit Verrius, gegen dessen Buch über die Rechtschreibung er auch eine Gegenschrift schrieb voll Hohn über seine Kenntnisse und seinen Charakter.

Gaius Iulius Hyginus

20 (1) Cajus Julius Hyginus, ein Freigelassener des Augustus und geborener Spanier (Manche freilich halten ihn für einen Alexandriner, der nach der Eroberung von Alexandria von Cäsar als Knabe nach Rom mitgenommen worden sei), hörte fleißig und nahm sich zum Vorbild den Cornelius Alexander, einen griechischen Grammatiker, den wegen seiner Kenntniß des Alterthums Viele Polyhistor, Manche Historia nannten. (2) Er war Vorstand der palatinischen Bibliothek, unterrichtete aber dennoch sehr viele Schüler und stand in vertrautester Freundschaft mit dem Dichter Ovidius und dem Geschichtschreiber und Consular Cajus Licinius [Asinius?]; dieser berichtet auch, er sei sehr arm gestorben und er habe ihm das Leben durch seine Mildthätigkeit gefristet. (3) Ein Freigelassener von ihm war Julius Modestus, welcher im Lernen und Lehren den Fußstapfen seines Schutzherrn folgte.

Gaius Maecenas Melissus

21 (1) Cajus Melissus, in Spoletium von freien Eltern geboren, aber in Folge elterlichen Zwistes ausgesetzt, erhielt durch die thätige Fürsorge seines Erziehers eine höhere Bildung, und wurde dem Mäcenas als Grammatiker geschenkt. (2) Wie er fand, daß er diesem so lieb und willkommen sei, wie ein Freund, so verblieb er, obgleich seine Mutter ihn als frei in Anspruch nahm, doch in seinem [529] Stande der Unfreiheit und schlug seine jetzige Stellung höher an, als seinen eigentlichen Geburtsstand. Er wurde daher bald freigelassen, und auch bei Augustus empfohlen, (3) der ihn mit der Ordnung der Bibliotheken in der Halle der Octavia beauftragte. (4) Nach seiner eigenen Angabe begann er im sechzigsten Lebensjahr das Flugblatt „Possen“, das jetzt „Scherze“ heißt, zu schreiben, und brachte es bis auf hundert und fünfzig Stücke, denen er später noch weitere anderen Inhalts folgen ließ. (5) Er erfand auch eine neue Gattung des römischen Nationaldrama’s14 unter dem Titel „Ritterstücke“.15

Marcus Pomponius Porcellus

22 (1) Marcus Pomponius Marcellus, ein pedantischer Verfechter des reinen lateinischen Sprachgebrauchs, fuhr einmal als Advokat (denn er führte manchmal auch Processe) so lange fort, einen von seinem Gegner gemachten Sprachfehler zu rügen, bis Cassius Severus die Richter ansprach und um Verschiebung der Verhandlung bat, damit sein Gegner einen andern Grammatiker beiziehen könne, da dieser hier meine, es handle sich in dem Streite mit seinem Gegner nicht um das Recht, sondern um einen Sprachfehler. (2) Ebenso, als er den Tiberius wegen eines Ausdrucks tadelte und Attejus Capito dagegen behauptete, es sei dieß ganz lateinisch, und würde, wenn es dieß nicht schon wäre, es sicher von jetzt an werden, erwiderte er: „Capito lügt; denn du, Cäsar, kannst wohl den Menschen, aber nicht einem Worte das Bürgerrecht verleihen.“ (3) Daß er früher ein Faustkämpfer gewesen, ist aus folgendem Epigramm des Asinius Gallus auf ihn ersichtlich:
Welcher den Kopf links halten gelernt, der lehret uns alte Wörter:
nicht Worte er giebt, sondern nur Fechtergeschrei.

Quintus Remmius Palaemon

23 (1) [530] Remmius Palämon aus Vicentia, der Haussclave eines Weibes, erlernte nach der Sage zuerst die Weberei, und später, als er den Sohn seiner Hausfrau in die Schule begleitete, die Wissenschaft; (2) hierauf wurde er in Freiheit gesetzt und gab in Rom Unterricht und behauptete den ersten Rang unter den Grammatikern, ob er gleich wegen aller möglichen Laster verrufen war, und Tiberius, wie später Claudius, ganz offen erklärten, man könne Niemand weniger die Heranbildung von Knaben und Jünglingen anvertrauen; (3) allein er gewann die Leute theils durch die Fülle seines Gedächtnisses, theils durch seine Gewandtheit im Sprechen, wie er denn selbst aus dem Stegreif dichtete. Er verfaßte auch Gedichte in verschiedenen und nicht gewöhnlichen Versmaßen. (4) Er war so übermüthig, daß er den Marcus Varro ein Schwein nannte, und prahlte, mit ihm sei die Wissenschaft geboren und mit ihm werde sie sterben, sein Name stehe nicht zufällig in den Bucolica, sondern weil Virgilius vorausgeahnt habe, daß Palämon einst Richter über alle Dichter und Gedichte sein werde. Er rühmte sich ferner, er sei einmal von Räubern wegen seines berühmten Namens geschont worden. (5) Der Schwelgerei gab er sich so ganz hin, daß er täglich mehreremal badete und für seine Ausgaben nicht reichte, obwohl er von der Schule jährlich vierzigtausend Sestertien bezog und nicht viel weniger aus seinem Vermögen, das er sehr haushälterisch umtrieb, wie er denn einen Kleiderladen zum Verkaufe hielt, und seine Güter so baute, daß ein Weinstock16, den er eigenhändig pflanzte, wie allgemein bekannt ist, dreihundert und sechzig Krüge17 ertrug. Vor allem aber entbrannte er in solcher Geilheit auf die Weiber, daß er selbst den Mund nicht unbefleckt [531] ließ, (6) und es soll ihm einmal Einer einen treffenden Spott angehängt haben. Als er nämlich im Gedränge Einen küßte, der ihm, obwohl er ihm zu entwischen suchte, nicht ausweichen konnte, sagte dieser zu ihm: „Willst du, Schulmeister, so oft du Einen wegeilen siehst, ihn ablecken?“

Marcus Valerius Probus

24 (1) M. Valerius Probus aus Berytus bewarb sich lange um eine Hauptmannsstelle, bis er sich, da es ihm zu lange wurde, auf die Literatur warf. (2) Er hatte in der Provinz, wo das Andenken an das Alterthum noch fortdauerte und noch nicht, wie in Rom, ganz verschollen war, bei einem Grammatiker einige ältere Schriften gelesen. (3) Er wünschte nun, diese noch einmal genauer durchzugehen und sodann noch andere kennen zu lernen, und obwohl er sah, daß alle mißachtet werden und den Lesern mehr Schande als Ehre und Genuß bereiten, so blieb er doch seinem Vorsatze getreu, sammelte viele Handschriften, verbesserte ihren Text und versah sie mit Interpunctionszeichen und Anmerkungen; und beschäftigte sich ausschließlich nur mit diesem Theil der Grammatik. (4) Er hatte nicht sowohl Schüler, als vielmehr einige Anhänger. Er gab nämlich den Unterricht nie so, daß er den Lehrmeister machte, sondern ließ den Einen und Andern, oder im höchsten Fall drei bis vier in den Nachmittagsstunden zu sich kommen, hielt dann liegend mit ihnen lange Unterredungen in der Umgangssprache, und las, aber sehr selten, zwischenhinein etwas vor. (5) Er hat nur sehr wenige dürftige Bemerkungen über einzelne geringfügige Fragen herausgegeben, dagegen eine große Sammlung von Regeln der alten Sprache.

Redner18

25 (1) [532] Wie die Grammatik, so kam auch die Rhetorik19 erst spät bei uns in Aufnahme, und hatte selbst noch mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen, da ihr Betrieb bekanntlich nicht selten verboten wurde. Damit Niemand darüber im Zweifel bleibe, will ich einen alten Senatsbeschluß und ein ebenfalls altes censorisches Edict beisetzen.
Unter dem Consulat des Cajus Fannius Strabo und des Marcus Valerius Messala hat der Prätor Marcus Pomponius den Senat befragt. Inwiefern nun sein Vortrag auf die Rhetoren und Philosophen sich bezog, hat der Senat in diesem Betreff beschlossen: Der Prätor Marcus Pomponius solle dieselben unter Aufsicht nehmen und in der Art, wie er es dem Interesse des Staats und seinem Gewissen entsprechend finde, für ihre Entfernung aus Rom sorgen.
In gleichem Betreff erließen einige Zeit nachher die Censoren Cneus Domitius Aenobarbus und Lucius Licinius Crassus folgende Bekanntmachung:
Es ist uns zu Ohren gekommen, daß sich Leute finden, welche ein neues Unterrichtsfach einführen, daß die Jugend zu [533] ihnen in die Schule gehe, daß sie den Namen „Lateinische Rhetoren“ führen, und daß ganz junge Leute den ganzen Tag bei ihnen müßig sitzen. Unsere Vorfahren haben Bestimmung darüber getroffen, was sie ihre Kinder lernen lassen und in welche Schulen sie dieselben gehen lassen wollen; diese Neuerung aber, welche gegen das Herkommen und die alte Sitte verstößt, können wir nicht schön und nicht gut finden. Es scheint uns daher geboten, sowohl Denen, welche diese Schulen halten, als Denen, welche sie zu besuchen pflegen, unsere Meinung kundzugeben, daß wir es nicht billigen.

(2) Mit der Zeit aber wurde es einleuchtend, daß auch die Rhetorik etwas Nützliches und Ehrenhaftes sei, und Viele wandten sich ihr der Sicherheit oder des Ruhmes wegen zu. (3) Cicero übte sich bis zu seiner Prätur im Vortrag des Griechischen, und im Lateinischen noch als hoher Greis, und zwar mit den Consuln Hirtius und Pansa, welche er seine Schüler und große Prätextaten nannte. (4) Und von Cneus Pompejus erzählen mehrere Geschichtsschreiber, daß er gerade zur Zeit des Bürgerkriegs, um dem Cajus Curio, einem sehr tüchtigen jungen Manne, welcher die Partei des Cäsar verfocht, leichter Widerpart zu halten, die Uebungen im Vortrag wieder aufgenommen habe; (5) Marcus Antonius aber und ebenso Augustus haben dieselben nicht einmal im Mutinensischen Kriege ausgesetzt. (6) Nero Cäsar hat im ersten Jahre seiner Regierung und schon zweimal vorher öffentliche Vorträge gehalten, (7) und viele Redner haben auch ihre Reden herausgegeben. Da so in den Leuten großes Interesse dafür erwachte, so schossen auch Lehrer und Gelehrte in Menge auf, und machten solches Glück, daß Mehrere aus den niedrigsten Verhältnissen in den senatorischen Stand und zu den höchsten Würden emporstiegen. (8) Allein die Lehrmethode war nicht bei Allen gleich und blieb sich selbst bei jedem Einzelnen nicht immer gleich, indem Jeder wieder andere Uebungen mit den Schülern vornahm. So pflegten sie schöne Stellen [534] durch alle möglichen Redefiguren auszuführen und mit Beispielen aus dem Leben und mit Fabeln und in jeder anderen Weise zu erläutern; Erzählungen sodann bald kurz und knapp, bald des Breiteren und ausführlich zu erklären; bisweilen übersetzten sie griechische Schriften und lobten oder tadelten dabei berühmte Männer; auch suchten sie von manchen Einrichtungen für den Bedarf des täglichen Lebens ihre Nützlichkeit und Nothwendigkeit oder ihre Schädlichkeit und Ueberflüssigkeit zu erweisen, machten oft Fabeln glaubwürdig und die Geschichte unglaubwürdig, nach Art dessen, was die Griechen Satz, Widerlegung und Beweisführung nennen, bis mit der Zeit dieses Alles außer Gebrauch und die Controverse20 an die Reihe kam. (9) In alter Zeit wurden die Controversen entweder aus der Geschichte genommen, wie dieß allerdings in einzelnen Fällen auch jetzt noch vorkommt, oder aus dem wirklichen Leben, wenn sich etwa in letzter Zeit etwas Bezügliches ereignet hatte. Daher wurden sie selbst mit den Namen der Schauplätze öffentlich angekündigt. Wenigstens finden sie sich so in den Sammlungen, in denen sie herausgegeben sind, und es wird nicht unzweckmäßig sein, beispielsweise die eine und andere Controverse aus denselben wörtlich mitzutheilen.
„Als junge Leute zur Sommerszeit aus der Stadt nach Ostia kamen, giengen sie ans Ufer und trafen hier Fischer, welche eben ihr Netz auswarfen, bedungen dann mit diesen, um wie viel sie den Fang kaufen wollten, und bezahlten die Summe; dann warteten sie lange, bis die Netze aufgezogen wurden, und als dieß endlich geschah, fand sich darin kein Fisch, wohl aber ein verschlossener Korb von Gold. Dann behaupteten die Käufer, der Fang gehöre ihnen, die Fischer aber, er gehöre ihnen.“
„Als Sclavenhändler zu Brundusium eine Sendung junger Sclaven [535] ausschifften, hiengen sie, weil sie den Zoll fürchteten, einem schönen und werthvollen Sclaven eine Bulle und eine Prätexta um, und verheimlichten so den Betrug mit Leichtigkeit. Wie sie aber nach Rom kamen, wurde die Sache ruchbar und der Sklave, weil er mit Einwilligung seines Herrn frei gewesen sei, auf Klage für frei erklärt.“
Solche Streitfragen nannte man früher mit einem griechischen Namen: Zusammenstellungen, später Controversen, aber mit dem Beisatz: „erdichtete“ oder „gerichtliche“.
(10) Berühmte Lehrer, von denen man noch etwas zu berichten wüßte, werden sich nicht leicht weitere finden, als die nachgenannten.

Lucius Plotius Gallus

26 (1) Lucius Plotius Gallus. Ueber diesen schreibt Cicero an Marcus Titinius: „Ich erinnere mich noch, daß in unseren Knabenjahren zuerst ein L. Plotius lateinischen Unterricht zu geben anfieng; da ein großer Zulauf zu ihm entstand, und alle strebsamen Leute sich von ihm bilden ließen, so that es mir sehr leid, daß ich dieß nicht auch durfte. Ich wurde aber durch die Willensmeinung der größten Gelehrten daran gehindert, welche meinten, die Bildung im Griechischen sei eine bessere Geistesnahrung.“ (2) Es ist dieß derselbe – denn er lebte sehr lange – von welchem Marcus Cölius in der Rede, die er zu seiner Vertheidigung gegen die Anklage der Vergewaltigung hielt, behauptete, er habe seinem Ankläger Atratinus die Klagschrift verfertigt; er nannte zwar seinen Namen nicht, aber bezeichnete ihn als einen gersteessenden Rhetor und verspottete ihn als einen aufgeblasenen, unbedeutenden und gemeinen Menschen.

Voltacilius Pitholaus

27 (1) Lucius Otacilius Pilitus soll ein Sclave gewesen und sogar nach alter Weise als Thürhüter an der Kette gelegen sein, bis er wegen seiner Fähigkeiten und seiner Neigung zur Literatur freigelassen wurde und dann eine Klagschrift seines Schutzherrn mitunterzeichnete. (2) Hernach wurde er Lehrer der Rhetorik, unterrichtete den [536] Cneus Pompejus Magnus und beschrieb seine und seines Vaters Geschichte in mehreren Büchern, der Erste Freigelassene, wie Cornelius Nepos meint, welcher anfieng, Geschichte zu schreiben, was bis dahin nur die angesehensten Leute thaten.

Epidius

28 (1) Um diese Zeit eröffnete Epidius, der wegen falscher Anklagen bestraft war, eine Rednerschule, und unterrichtete unter Anderen den Marcus Antonius und den Augustus. Als diese einst dem Cajus Canutius Vorwürfe darüber machten, daß er für die Staatsverwaltung sich vorzugsweise an die Lehre des Consulars Isauricus halte, erwiderte er ihnen, er wolle lieber des Isauricus, als des Verleumders Epidius Schüler sein. (2) Dieser Epidius rühmte sich von dem Epidius Nuncionus abzustammen, welcher nach der Sage in alter Zeit in die Quelle des Flusses Sarnus geworfen, bald darauf mit Hörnern wieder erschien, aber plötzlich wieder verschwand und unter die Götter aufgenommen wurde.

Sextus Clodius

29 (1) Sextus Clodius, aus Sicilien, Lehrer in beiden, der lateinischen und griechischen Redekunst, der schlecht sah, aber ein Spötter war, sagte: „in der Freundschaft mit dem Triumvir Antonius, da war ich ein Augenpaar“.21 Von dessen Frau Fulvia, bei welcher die eine Backe mehr aufgeschwollen war als die andere, sagte er, sie probire die Schärfe ihres Griffels, und machte sich dadurch bei Antonius nicht etwa weniger, sondern noch mehr beliebt. (2) Später, als dieser Consul war, erhielt er von ihm auch ein sehr großes Geldgeschenk, was Cicero Jenem in den Philippiken (II, 17) vorwirft: „Du hältst dir zum Spaß einen Lehrer – einen Rhetor, wie du und [537] deine Zechbrüder behaupten – dem du erlaubst, beliebig über Jedermann zu spotten: gewiß ein großer Witzkopf, doch ist es eine leichte Aufgabe, über dich und deine Genossen Witze zu machen. Aber welcher Lohn wurde dem Redekünstler zu Theil? Hört, hört, versammelte Väter, und erfahret die Schäden des Gemeinwesens. Zweitausend Morgen Leontinischer Ländereien, und noch dazu abgabenfrei, hast du dem Redekünstler Sextus Clodius angewiesen, um für so hohen Lohn dummes Zeug zu lernen.“

Gaius Albucius Silus

30 (1) Cajus Albutius Silus aus Novaria wurde, wie er einmal als Aedil in seiner Vaterstadt zu Gerichte saß, von Denen, gegen welche er entschieden hatte, an den Füßen von seinem Richterstuhle herabgezogen. (2) Darüber entrüstet eilte er auf der Stelle dem Thore zu und von da nach Rom und wurde dort unter die Genossenschaft des Redners Plancus aufgenommen. Da nun dieser, wenn er einen Vortrag hielt, die Gewohnheit hatte, einen Andern aufzustellen, der vor ihm sprach, so übernahm jetzt Jener diese Rolle und füllte sie so aus, daß er den Plancus zum Schweigen brachte, sofern dieser nicht mehr wagte, sich mit ihm in den Wettkampf einzulassen. (3) Dadurch berühmt geworden, richtete er sich einen eigenen Hörsaal ein, wo er gewöhnlich, wenn die Streitfrage gestellt war, sitzend zu sprechen anfieng und erst, wenn er warm wurde, aufstand und deklamirte. Er deklamirte jedoch in verschiedener Manier, bald glänzend und gewählt, dann wieder, um nicht ausschließlich für einen Schulgelehrten gehalten zu werden, kurz und kunstlos und immer nur in den gewöhnlichsten Redensarten. (4) Er führte auch Processe, aber nur selten, weil er nur die bedeutendsten wählte und in keinem etwas Anderes suchte, als eine Gelegenheit zum Deklamiren. (5) Später entsagte er dem Forum, weil er sich theils schämte theils fürchtete. Denn als er in einem Processe vor dem Centumviralgericht seinem Gegner, den er auf Gewissenlosigkeit [538] gegen seine Eltern anklagte, eigentlich nur um eine feine Wendung zu machen, einen Eid zuschob, der so lautete: „Schwöre bei der Asche deiner Eltern, die unbestattet liegen“ und dergleichen, so ergriff dieser den Vorschlag, da auch die Richter nicht dagegen waren, und Albutius verlor den Proceß, was ihm nicht geringen Haß zuzog. (6) Und ein anderes Mal, als er bei einer gerichtlichen Untersuchung wegen Tödtung in Mailand vor dem Proconsul Piso den Angeschuldigten vertheidigte und der Lictor den lauten Beifallsrufen der Zuhörer Einhalt that, gerieth er in solche Wuth, daß er den Zustand Italiens beklagte, das man jetzt wieder zu einer Provinz machen wolle, und den Marcus Brutus, dessen Bildsäule vor Augen stand, als den Begründer und Beschützer der Gesetzlichkeit und Freiheit anrief, und dafür beinahe zur Strafe gezogen wurde. (7) Schon sehr bejahrt aber kehrte er wegen eines Geschwüres, an dem er litt, wieder nach Novaria zurück, ließ dort das Volk zusammenkommen, setzte ihm die Gründe, die ihn zum freiwilligen Tode bestimmen, in längerer Rede, ganz wie vor einer Volksversammlung, auseinander, und hungerte sich aus.

Anmerkungen

1 Diese Abhandlung ist ein Theil eines größeren verlorenen Werkes.

2 Unter „Grammatik“ ist hier und im Folgenden die Sprachforschung überhaupt zu verstehen.

3 D. h. Prosaiker.

4 Livius Andronikus.

5 D. h. außerhalb Italiens.

6 Gemälde.

7 Der vollständige Name ist L. Varro Murena.

8 D. h. er werde den gegnerischen Advokaten herunterstechen.

9 Schüler oder Freigelassenen.

10 Was man „Metaphern“ nennt.

11 Erregung des Unwillens.

12 D. h. vor dem siebenzehnten Jahre.

13 Ein schwerverständliches Gedicht, betitelt „Smyrna“ oder „Myrrha“ von Helvius Cinna.

14 Fabula togata.

15 Fabula trabeata.

16 Ernesti versteht unter vitis einen Morgen Weinberg.

17 Andere lesen statt vasa: uvas Trauben.

18 Lehrer der Beredtsamkeit. – Diese Abhandlung ist noch unvollständiger auf uns gekommen, als die über die Grammatiker.

19 Redekunst.

20 Streitfrage.

21 Der Text ist hier ohne Zweifel verdorben. Statius schlägt vor, statt exstitisse zu lesen extrivisse: er habe während der Freundschaft mit A. seine Augen geschwächt (durch Trinken).