Einleitung des Übersetzers

Ornament

[5] Die nachfolgenden sechs Schriftsteller gehören sämmtlich dem dritten christlichen Jahrhundert, der späteste und fähigste derselben, Flavius Vopiscus, dem Anfang des vierten an. Sie schrieben unter den Kaisern Diocletian und Constantin und auf deren Wunsch die Biographien der Kaiser von Hadrian bis auf ihre eigene Zeit, und ihre Vorsätze scheinen noch weiter zurück gereicht zu haben. Aus gemeinsamen Quellen schöpfend und dieselben zum Theil wörtlich abschreibend, auch der Zeit nach einander nahe stehend, unterscheiden sie sich von einander sehr wenig, und aus inneren Gründen den Antheil der Einzelnen abzuscheiden ist daher eine Unmöglichkeit; die äußern Kriterien aber lassen um so mehr im Stich, da die einzige Bürgschaft für die Namen auf den Ueberschriften und Unterschriften der Codices beruht, welche vielfachen Zufällen und Mißverständnissen ausgesetzt waren. Es scheint daß ihre Vereinigung erfolgte durch eine spätere Umarbeitung, wobei die Absicht leitete, das Werk des Suetonius fortzusetzen. Ihre Quellen waren für die früheren Biographien (bis Severus) besonders Marius Maximus, für die spätern die archivalischen Urkunden und die Acta diurna. Von Griechen werden Kallikrates, Theoklius [6] (Theo Chius?), Onesimus, Dexippus und Herodian erwähnt. In Ermanglung besserer Darsteller dieses Theils der Geschichte haben diese Schriftsteller für uns keinen geringen Werth, so sehr sie durch die Art ihrer Schriftstellerei sich der Zeit der sie angehören und der Kaiser die sie beschreiben würdig erweisen. Am treffendsten hat dieselben Bernhardy beurtheilt, wenn er (Grundriß der röm. Literatur, zweite Ausgabe, Halle 1850, S. 565) sagt: „An diesen Kram biographischer Kleinigkeiten den Maßstab einer historischen Arbeit zu legen, ist um so weniger möglich, als die Verfasser nicht einmal die mäßigen Ansprüche der allgemeinen Bildung und des gesunden Menschenverstandes immer befriedigen. Sie dachten und schrieben mit dem gemeinen Volke, und ein großer Theil ihres Interesses liegt darin, daß sie für uns die ältesten plebejischen Geschichtschreiber Roms sind, welche mit dem vornehmen und dem niedrigen Pöbel nicht nur den anekdotischen Stoff sammt all seinem Schmutz aufgriffen und ihren Blick auf die glänzenden Ausschweifungen des Lasters hefteten, sondern auch die Idiotismen des sermo plebeius, incorrecte Formen, falsche Structuren und einen unedlen, besonders provincialen, Sprachschatz in die Literatur einführen. Es geht ihnen sogar der Begriff eines Stils und einer logischen Anordnung der Sätze ab: in abgerissenen Satzreihen erzählen sie zuweilen mit rhetorischem Anflug, roh und geschmacklos, ohne Kritik und Urtheil, wenn gleich nicht ohne Moral, selbst unbekümmert um chronologische Folge und Sonderung des gehäuften Materials nach Fachwerken. Sie widersprechen und wiederholen sich unbewußt; es ist ihnen genug, an einem schwachen Faden Wichtiges, Gleichgültiges, Ungereimtes in Thatsachen und Zügen chaotisch anzureihen; kurz, sie stellen die Stumpfheit und den hohen Grad geistiger Unmündigkeit worin das dritte Jahrhundert versunken war auf dem Gipfel dar.“

[7] Literatur über diese Schrifsteller (außer Aelterem): H. E. Dirksen, die scriptores historiae augustae. Andeutungen zur Texteskritik und Auslegung derselben, Leipzig 1842. G. Bernhardy, de scriptoribus h. a. Halle 1845. 4. (Programm) und Grundr. der röm. Lit. A. 233 und 512, S. 295 und S. 564–566 (zweite Ausgabe). Fr. Richter, über die scr. h. a. im Rhein. Museum N. F. VII, S. 16–51. F. D. Gerlach, die Geschichtschreiber der Römer (Stuttgart 1855), S. 229–232.