14. Buch

Ornament

Übersetzung

1 [14] Nach den Ereignissen dieses gefahrvollen Feldzuges1, wo die Gemüther der, durch mancherlei Gefahren und Leiden [15] niedergedrückten Parteien abgespannt waren, wurde der Staat, ehe noch der Klang der Kriegstrompete verhallt, und das Heer in die Winterquartiere vertheilt war, von den Stürmen des zürnenden Geschicks in andere Gefahren gestürzt durch die vielen greuelvollen Unthaten des Cäsar2 Gallus, der, im Beginne seines Mannesalters, aus der traurigsten Lage unerwartet zur fürstlichen Würde erhoben, die Grenzen der ihm übertragenen Macht überschritt, und in unmäßiger Härte Alles mit Blut befleckte. Die Verwandtschaft mit der kaiserlichen Familie, und die Ehre, den Namen Constantius zu führen, machte seinen Stolz rege, und er würde, hätte er es vermocht, wahrscheinlich selbst gegen den Urhener seines Glückes feindselig gehandelt haben. Nicht wenig reizte ihn zu dieser Grausamkeit seine Gemahlin3, welche übermäßig stolz darauf war, eine Schwester des Kaisers zu seyn. Früher war sie schon von ihrem Vater Constantin mit seines Bruders Sohne, dem König Hannibalianus4, vermählt gewesen. Diese Megäre in Menschengestalt war die beständige Aufhetzerin des Wüthenden und selbst nicht minder blutgierig, als ihr Gemahl. Als Beide die Kunst, Andern zu schaden, mit der Zeit ziemlich inne hatten, suchten sie durch heimtückische, schlaue Neuigkeitskrämer, [16] welche Dem, was sie oberflächlich gehört hatten, in böser Absicht Manches hinzudichteten, falsche Nachrichten, die in ihren Plan paßten, zu erhaschen, und erregten gegen unschuldige Menschen den Verdacht des Hochverraths oder verbrecherischer Ränke und verbotener Künste. Bald überschritt die Zügellosigkeit das Maß gewöhnlicher Vergehen, und die scheußliche Ermordung des Clematius, eines edlen Alexandriners, machte von den an Niedern begangenen Gewaltthätigkeiten das meiste Aufsehen. Als nämlich Dessen Schwiegermutter, von unkeuscher Liebe gegen ihn entflammt, die Absicht ihn zu verführen, nicht erreichen konnte, ließ sie sich, wie es hieß, durch eine Hinterthüre in den Pallast führen, und brachte es dadurch, daß sie der Königin einen kostbaren Schmuck überreichte, dahin, daß dem Statthalter des Orients, Honoratus, das Todesurtheil zugeschickt und der ganz unschuldige Clematius, ohne den Mund zur Vertheidigung auch nur öffnen zu dürfen, hingerichtet wurde. Nach dieser ruchlosen Schandthat, welche man auch für Andere fürchten mußte, weil der Zügellosigkeit Alles erlaubt schien, wurden Mehrere, auf einen völlig grundlosen Verdacht, verurtheilt, wovon Einige hingerichtet, Andere, deren Güter man einzog, von Haus und Hof vertrieben wurden, und, nichts behaltend, als Klagen und Thränen, von milden Gaben leben mußten. Reiche und berühmte Häuser standen verödet, da an die Stelle einer gelinden und gerechten Regierung blutige Willkür getreten war. In dieser Zeit endlosen Jammers fand man nicht einmal Kläger, selbst nicht gedungene, nöthig, um wenigstens dem Scheine nach Verbrechen gesetzlich zu strafen, wie wohl oft grausame Fürsten thaten; Was dem unerbittlichen Cäsar [17] einmal beliebte, das mußte, als wäre es wohlerwogenes Recht, auf der Stelle vollzogen werden. Ja es kam so weit, daß man einige unbekannte Menschen, vor denen sich, wegen ihrer Bedeutungslosigkeit, Niemand hütete, in ganz Antiochien umherschickte, um auf die Reden der Menschen zu hören, und sie dann zu berichten. Diese mischten sich, ohne Argwohn zu erregen, in die Zirkel der Vornehmen, oder durchzogen, als Bettler verkleidet, die Häuser der Reichen, wurden sodann heimlich durch Hinterthüren in den Pallast gelassen, und hinterbrachten Alles, was sie gesehen oder gehört hatten. Alle, als hätten sie unter sich Abrede getroffen, logen Manches hinzu, und stellten das Vernommene doppelt gefährlich dar; dabei verschwiegen sie aber, wenn etwas Jemand den Cäsar gelobt hatte, was wohl noch von Manchem aus Furcht vor nahem Verderben gegen seine Ueberzeugung geschah. Oft traf es sich sogar, wenn ein Hausvater im geheimsten Zimmer, wo kein vertrauter Diener zugegen war, seiner Frau etwas heimlich zuflüsterte, daß es am folgenden Tage der Cäsar schon wußte, als hätten es ihm ein Amphiaurus oder Marcius5, die einst so berühmten Wahrsager, enthüllt. Selbst vor den Wänden, die allein um die Geheimnisse wußten, fürchtete man sich schon. Die Begierde, solche und ähnliche Nachrichten aufzufischen, wuchs noch stets; die Königin trieb ihren Gemahl dazu an, und führte dadurch um so schneller seinen Untergang herbei, da sie doch mit weiblicher [18] Sanftmuth ihn auf den Weg der Wahrheit und Menschlichkeit durch guten Rath hätte zurückführen sollen, wie einst des blutgierigen Maximinus Gattin6 gethan, wie ich in der Geschichte der Gordiane erzählt habe. Noch beging Gallus die gefährliche Unbesonnenheit, – durch welche sich auch Gallienus zu Rom ehemals so verächtlich gemacht haben soll, – daß er in Gesellschaft einiger mit verborgenen Waffen versehener Personen des Abends in den Schenken und auf den Straßen verkleidet umherstreifte, und in Griechischer Sprache, deren er sehr kundig war, Jeden frug, was er vom Cäsar dächte. Und er hatte die Frechheit, Dieß in einer Stadt zu thun, wo die Straßenerleuchtung fast der Helle des Tages gleichkömmt. Da er aber endlich mehrmals erkannt wurde, und wenn er wieder erschiene, Aufsehen zu erregen glaubte: so ließ er sich nur bei Tage öffentlich sehen, wenn ernste Geschäfte es nöthig machten. Viele wurden dadurch im Innersten betrübt. Thalassius, der prätorianische Präfekt7, welcher um den Cäsar war, selbst anmaßenden Geistes, sah zwar, wie dessen Härte zum Verderben Vieler wuchs; allein er bemühte sich nicht, sie durch Rath und besonnene Vorschläge zu mildern, wie sonst of höhere Beamte den zürnenden Fürsten besänftigen. Vielmehr steigerte [19] er durch sein Widersprechen und durch Vorwürfe, was gerade am unrechten Orte war, die Wuth desselben; ja er unterrichtete sogar den Kaisern von dem Betragen des Cäsar, selbst mit Uebertreibung, und sorgte dafür, man weiß nicht, in welcher Absicht, daß es nicht unbekannt blieb. Dadurch wurde der Cäsar immer mehr erbittert, ließ seinem hartnäckigen Trotze freien Lauf, und stürmte, ohne Rücksicht auf fremdes oder eigenes Wohl, wie ein reißender Strom, mit unaufhaltsamem Ungestüm, vernichtend über Alles hin, was ihm in den Weg kam.

2 Aber nicht diese Greuel allein bereiteten dem Oriente mancherlei Unheil. Auch die Isaurier8, welche sich oft lange stille halten, und dann wieder eben so oft durch unvermuthete Streifereien Alles in Verwirrung setzen, brachen nun, weil ihre meist heimlichen und bald hier bald da vorfallenden Räubereien unbestraft blieben, und dadurch ihre Kühnheit gesteigert wurde, zu verderblichem Kriege hervor. Lange zwar hatte sie ihr unruhiger und aufrührischer Geist schon in Gährung gehalten; allein sie behaupteten doch, erst die Unthat, daß man Einige ihrer gefangenen Genossen bei Iconium9, einer Stadt in Pisidien, gegen alles Recht öffentlich im Amphitheater wilden Raubthieren vorgeworfen, hätte sie so sehr aufgebracht. Wie nach des Tullius10 Ausspruch wilde [20] Thiere, wenn der Hunger sie treibt, gerne an den Ort zurückkommen, wo sie früher einmal Speise gefunden: so kamen auch sie, wie ein Orkan, von den unersteiglichen, rauhen Berghöhen herab, und begaben sich in die Nähe des Meeres. Hier verbargen sie sich in den engen Wegen und Schluchten, und lauerten, wenn der Abend kam, – (noch stand der Mond im ersten Viertel, und leuchtete nicht in vollem Glanze) – den Schiffern auf. Wenn sie merkten, daß Diese sich zur Ruhe gelegt, krochen sie auf Händen und Füßen nach den Ankerplätzen, schlichen sich leise in die Kähne, und standen unerwartet da. Begierde vermehrte ihre Grausamkeit, selbst der sich Ergebenden nicht schonend, machten sie Alle nieder, und schleppten die kostbarsten Waaren wie die gierigen, ohne Widerstand hinweg. Nicht lange konnte Dieß geschehen. Da man die Leichname der Geplünderten und Ermordeten fand, landete Niemand mehr in dieser Gegend, sondern sie meidend, wie Scirons11 tödtliche Felsen, schiffte man längs den Cyprischen Gestaden, welche Isauriens Klippen gerade gegenüber liegen. Da nun mit der Zeit Niemand mehr dort ankam, so verließen sie die Seeküste, und gingen nach Lycaonien, welches an Isaurien stößt. Hier versperrten sie die Wege durch dichte Verhaue, und nährten sich von den Gütern der Landesbewohner [21] und der Reisenden. Diese Zügellosigkeit regte die Soldaten, welche in den vielen benachbarten Municipien und Vesten umher lagen, auf. Jeder suchte die näher Schleichenden, so gut er konnte, zurück zu treiben; allein sie mochten in Haufen oder zerstreut seyn, man wurde durch die Uebermacht besiegt. Geboren und erzogen zwischen steilen Felsen und gekrümmten Bergschluchten, finden Jene sich darin, wie auf ebenem, bequemem Boden zurecht, die Entgegenkommenden mit Pfeilen empfangend, und mit wildem Geheul erschreckend. Unsere Fußgänger, im Verfolgen derselben, einigemal gezwungen, die steilen Berggipfel zu erklimmen, kamen zwar hinan, wiewohl sie oft ausglitten, und an Buschwerk und Umwegen war es ihnen nicht möglich, sich in Reihe und Glied aufzustellen, oder auch nur festen Schrittes aufzutreten. Indeß schwärmte der Feind umher und wälzte Felsstücke von oben herab, so daß sie entweder mit Gefahr rückwärts wichen, oder, wenn sie, auf’s Aeußerste bedrängt, tapfer kämpften, durch die herabgestürzten Felsenmassen zerschmettert wurden. Deshalb ging man in der Folge vorsichtiger zu Werke, und wenn die Räuber sich auf die Berghöhen zogen, so blieben die Soldaten wegen der ungünstigen Oertlichkeit zurück. Sobald sie aber in der Ebene sich treffen ließen, was fast beständig geschah, wurden sie, wie wehrlose Thiere, niedergehauen, ohne daß man ihnen einmal Zeit ließ, mit dem Arme auszuholen und die Wurfspieße, deren Jeder zwei bis drei führt, zu schwingen. Da nun die Räuber das größtentheils ebene Lycaonien scheuten, weil sie aus häufigen Beispielen wußten, daß sie [22] den Unsrigen in geordnetem Kampfe nicht gewachsen waren: so zogen sie auf abgelegenen Wegen nach Pamphylien, welches zwar lange nicht beunruhigt worden, aber, aus Furcht vor Plünderung und Mord, durch zahlreiche Besatzungen – ringsum standen Soldaten in der Nähe – gedeckt war. Sie eilten daher rasch dahin, um durch möglichste Schnelligkeit dem Gerüchte von ihrer Bewegung zuvorzukommen, auf die Kraft und Gelenkigkeit ihrer Körper vertrauend; aber nur langsam erstiegen sie auf den krummen Pfaden die Höhen der Berge. Da sie endlich die Schwierigkeiten überwunden hatten, und an die steilen Ufer des Melas, eines tiefen Flusses mit Strudeln, welcher die Einwohner wie eine Mauer schützt, gekommen waren, und die weit vorgerückte Nacht die Gefahr erhöhte, so ruhten sie kurze Zeit aus, und warteten auf den Morgen. Sie hofften ungehindert überzusetzen, und in unvermuthetem Ueberfall Alles ringsum zu verheeren; allein sie hatten vergeblich die großen Anstrengungen bestanden. Denn bei Sonnenaufgang wurden sie durch einen zwar schmalen, aber sehr tiefen Strudel vom Uebergange abgehalten, und während sie Fischerkähne suchten, oder auf eilig gemachten Flößen hinübersetzen wollten, rückten auf einmal die Legionen, welche gerade bei Side12 im Winterquartiere lagen, aus, und traten ihnen in raschem Angriff entgegen. Am Ufer pflanzten sie die Feldzeichen auf, um in der Nähe zu fechten, und deckten sich geschickt durch eine Wand von Schilden; Mehrere, die im Vertrauen auf ihre Schwimmkunst, oder in hohlen Baumstämmen unbemerkt über den Fluß wollten, machten [23] sie ohne Schwierigkeit nieder. Endlich, als die Feinde bis auf’s äußerste allerhand Kunstgriffe versucht hatten, ohne etwas damit auszurichten, wurden sie durch Gewalt und Furcht zurückgedrängt, und ungewiß, wohin sie sich wenden sollten, kamen sie in die Nähe des Städtchens Laranda13. Hier erholten sie sich durch Nahrung und Ruhe, und als ihre Furcht verschwunden war, griffen sie die wohlhabenden Dörfer an; da aber zufällig einige Schwadronen Reiter herannahten, und sie in der weiten Ebene nicht zu widerstehen wagten, so zerstreuten sie sich und zogen sich zurück, bestellten aber die in der Heimath zurückgelassene, gesammte junge Mannschaft zu sich. Weil sie jedoch großen Mangel litten, wandten sie sich gegen den Ort Paleä14, welcher gegen das Meer hin liegt, und mit einer starken Mauer befestigt ist, da, wo auch jetzt noch die Vorräthe aufbewahrt sind, die gewöhnlich an die Truppen vertheilt werden, welche die gesammte Grenze Isauriens decken. Drei Tage und drei Nächte umstanden sie diese Veste, und da der Hügel, worauf sie lag, selbst nicht ohne Todesgefahr erstiegen werden konnte, auch keine unterirdischen Gänge anzubringen waren, und kein Belagerungsplan glückte: so gingen sie, von äußerster Noth gezwungen, traurig weg, in der Absicht, Größeres mit Macht zu beginnen. Sie rückten nun, getrieben von größerer Wuth, welche Verzweiflung und Hunger entstammte, mit verstärkter Macht [24] und ungestümer Hitze gegen die Hauptstadt Seleucia15, um sie zu zerstören. Hier lag der General Castricius mit drei in Kriegsstrapazen abgehärteten Legionen. Von ihrer Ankunft waren aber die Befehlshaber der Truppen durch treue Kundschafter schon unterrichtet, sie gaben daher das gewöhnliche Zeichen zum Aufbruch, und führten in der Eile alle bewaffnete Mannschaft hinaus. Mit Schnelligkeit gingen sie über die Brücke des Flusses Calicadnus16, dessen hohe Fluthen die Thürme der Mauern bespülen, und stellten sich in Schlachtordnung auf. Niemand aber trat vor, und erhielt Erlaubniß zum Angriff; denn man fürchtete den wuthentbrannten, an Zahl weit überlegenen Haufen, der blindlings ins Schwert läuft. Als die Räuber das Heer erblickten, und die Zinkenbläser hörten, stutzten sie und machten einen Augenblick Halt; dann zogen sie drohend die Schwerter, und rückten langsam vor. Sie entwickelten in gehöriger Fassung ihre Reihen, und waren im Begriff, ihnen entgegenzuziehen, und schlugen mit den Lanzen an die Schilde, eine Bewegung, wodurch der Unwille und die Wuth der Kämpfenden gereizt wird. Schon konnten die Vordersten ihre drohenden Geberden erblickten, als die Anführer die muthig dem Gefecht Entgegengehenden zurückriefen. Sie hielten es für unzweckmäßig, sich in einen zweifelhaften Kampf einzulassen, da Mauern nahe seyen, durch deren Schutz die Sicherheit Aller ungefährdet bliebe. Aus diesem Grunde wurden die Krieger in die Veste zurückgeführt, [25] verrammelten ringsum die Thore, stellten sich auf die Wehren und Zinnen, wo ihnen von allen Seiten Vorräthe von Steinen und Geschoßen zugebracht wurden, damit, wenn sich Einer etwa heranschliche, Derselbe von der Menge der Pfeile und Steine niedergeschmettert würde. Indeß waren die Eingeschlossenen in nicht geringer Verlegenheit, da die Isaurier, welche die Zufuhrschiffe mit Getreide auf dem Flusse weggenommen, vollauf zu leben hatten, während sie selbst, die noch vorhandenen Nahrungsmittel allmählig aufzehrend, die verderbliche Schreckniß einer nahen Hungersnoth fürchten mußten. Als die Nachricht davon weiter bekannt wurdem und die häufigen Berichte endlich den Mitregenten Gallus bedenklich machten, da wurde, weil der Befehlshaber der Reiterei in weiter Entfernung und beschäftigt war, der Statthalter des Orients, Nebridius beauftragt, rundum Truppen zusammenzuziehen, um die ansehnliche, so vortheilhaft gelegene Stadt von der Gefahr zu befreien, und er kam in Eilmärschen heran. Als die Räuber Dieß erfuhren, zogen sie sich, ohne weiter etwas Merkwürdiges ausgerichtet zu haben, zurück, zerstreuten sich, ihrer Gewohnheit nach, und begaben sich in die unzugänglich hohen Gebirge.

3 So stand die Sache in Isaurien. Der König von Persien war in Kriege mit Nachbarvölkern verwickelt, und hatte einige muthige Völkerschaften von seinen Grenzen abzuwehren, die in ihrem Wankelmuthe bald ihn selbst bekriegen, bald ihm gegen uns Hülfe leisten. Indessen war ein gewisser Nohodares, Einer der Großen, beauftragt, so oft er Gelegenheit dazu fände, in Mesopotamien einzubrechen, und beobachtete unsere Lage sorgfältig, ob er wohl irgendwo einen [26] Ort fände, wo er mit unvermutheter Gewalt durchbrechen könnte. Weil aber die ganze Grenze Mesopotamiens, wegen der häufigen Unruhen durch Verhaue und Wachposten gedeckt war, wandte er sich link, setzte sich an der äußersten Grenze Osdroënes17, ersann einen neuen, wohl schwerlich vorher versuchten, Anschlag, und würde, wäre er ihm gelungen, Alles mit Blitzesschnelle verheert haben. Es war dieser Anschlag nämlich folgender. Die Municipalstadt Batne18, welche vor Alters von den Macedoniern in Anthemusia erbaut war, liegt nicht weit vom Euphrat entfernt, und hat viele reiche Kaufleute. Hier ist jährlich bei einem Feste im Anfange des Septembers ein Markt, auf dem Menschen aus allerlei Ständen herbeiströmen, um die Waaren der Inder und Serer19 einzuhandeln, und was sonst noch zu Wasser und Lande herangebracht zu werden pflegt. Diese Gegend wollte der genannte Anführer an den, zur Feierlichkeit bestimmten, Tagen, durch die Einöden und längs den schilfigen Ufern des Flusses Aboras20 ziehend, überfallen; allein er wurde von den Seinen, welche, aus Furcht vor Strafe für begangene Unthat, zu den Römischen Truppen übergegangen waren, verrathen. Er zog [27] daher, ohne etwas ausgerichtet zu haben, ab, und versank in bewegungslose Unruhe.

4 Unterdeß schwärmten die Saracenen21, die wir uns nie weder zu Freunden noch zu Feinden wünschen sollten, weit und breit umher, und verheerten in kurzer Zeit Alles, was sie finden konnten, ähnlich den raubgierigen Geiern, die, wenn sie aus der Höhe herab Etwas erblicken, es in schnellem Ansturz ergreifen, oder sogleich davonfliegen, wenn sie es verfehlt haben. Obgleich ich von ihren Sitten im Leben des Kaisers Marcus und später einigemal erzählt zu haben, mich entsinne, so will ich doch auch jetzt im Vorbeigehn kurz davon reden. Bei diesen Völkerschaften, die sich von Assyrien bis zu den Cataracten des Nil und den Grenzen der Blemmyer22 hinziehen, sind Alle ohne Unterschied Kriegsleute, halbnackt, mit farbigen Kleidern bis zu den Hüften bedeckt, und schwärmen mit ihren flüchtigen Pferden und gelenkigen Kamelen bald friedlich, bald feindselig umher. Nie faßt Einer von ihnen einen Pflug an, oder pflanzt einen Baum, oder sucht überhaupt durch Landbau seine Nahrung; immer treiben sie sich in entlegenen Gegenden herum, ohne Haus, ohne bestimmten Wohnsitz, ohne Gesetze. Nicht lange halten sie in Einem Himmelsstriche aus, noch gefällt ihnen lange ein und derselbe Boden. Ihr Leben ist ein beständiges Herumziehen. Ihre Weiber miethen sie durch förmliche Verträge auf bestimmte Zeit; damit es aber den Schein einer [28] Eheverbindung habe, so überreicht die künftige Gattin dem Mann als Mitgift eine Lanze und ein Zelt, und kann sich dann, am festgesetzten Tage, wenn sie es will, von ihm trennen. Es ist zum Erstaunen, wie sehr beide Geschlechter bei ihnen der physischen Liebe ergeben sind. So lange sie leben, streifen sie also herum, so daß ein Weib an einem Orte heirathet, an einem andern Mutter wird, und wieder an einem andern ihre Kinder erzieht, ohne daß ihr je Ruhe zu Theil wird. Ihre Nahrung besteht größtentheils aus Wildpret und Milch, woran sie Ueberfluß haben, aus mancherlei Kräutern und aus Geflügel, wenn sie es gerade fangen können. Ich selbst habe Welche gesehen, denen der Gebrauch des Getreides und des Weines völlig unbekannt war. Doch so weit nur von diesem gefährlichen Volke, um unsere Geschichtserzählung weiter fortzusetzen.

5 Während Dieß im Morgenlande vorfiel, fing Constantius, welcher zu Arelate (Arles) überwinterte, und – am 10. October hatte er gerade dreißig Jahre regiert – prunkvolle Spiele im Theater und im Cirkus gab, seinen Uebermuth höher zu treiben an. Wenn ihm etwas noch Zweifelhaftes oder gar Falsches hinterbracht wurde, nahm er es gleich für ausgemachte Wahrheit. So schickte er unter Andern den Gerontius, ehemals Feldherrn bei Magnentius, in eine traurige Verbannung, nachdem er ihn vorher hatte foltern lassen. Und so wie ein krankhafter Körper selbst durch unbedeutende Zufälle angegriffen wird, so glaubte auch er bei seinem engherzigen und schwachen Geist Alles, was ihm bekannt wurde, zu seinem Untergange gethan und gedacht, und [29] machte durch die Hinrichtung von Unschuldigen seinen Sieg23 blutig. Denn wenn Einer vom Kriegerstande, oder ein höherer Beamter, selbst auch ein angesehener Privatmann durch ein bloßes Gerücht in den Verdacht kam, es mit der feindlichen Partei gehalten zu haben, der wurde mit Ketten beladen und wie ein unbändiges Thier umhergeschleppt; wenn auch kein Feind ihn verklagte, so wurde er dennoch entweder mit dem Tode, oder mit Einziehung der Güter bestraft, oder auf öde Inseln verbannt. Es war schon genug, genannt, oder angegeben, oder blos gerichtlich vorgeladen zu seyn. Zu dieser Härte des Kaisers, dem, wenn er sein Ansehen geschmälert oder verletzt glaubte, fast Alles in seinem Grimme verdächtig war, kamen noch die blutdürstigen Schmeicheleien der Höflinge hinzu, welche Vorgefallenes übertrieben, und einen lebhaften Schmerz heuchelten, die Person des Fürsten gefährdet zu sehen, da doch, wie sie stets im Munde führten, das Wohl der Welt allein gleichsam am Faden seines Lebens hinge. Deshalb soll er denn auch nie Jemanden, der aus diesem oder ähnlichen Grunde verurtheilt war, wenn ihm wie gewöhnlich das Todesurtheil vorgelegt wurde, begnadigt haben, was doch zuweilen sonst unerbittliche Fürsten thaten. Dieser unheilbringende Fehler, der wohl bei Andern mit der Zeit sich abkühlt, loderte in ihm desto heftiger, je älter er wurde, und die Rotte der Schmeichler entflammte seinen Starrsinn nur noch mehr. Unter Diesen zeichnete der Geheimschreiber Paulus, ein Spanier von Geburt, sich besonders aus, der sich hinter einem gleißnerischen Gesichte zu [30] verstecken wußte, und heimlich drohende Gefahren auszuwittern, meisterlich bestand. Dieser wurde nach Britannien gesandt, um einige Personen vom Kriegerstande, die, obwohl gezwungen, es mit Magnentius gehalten hatten, abzuholen. Er überschritt willkürlich seine Befehle, untergrub, wie ein reißender Strom, das Glück Vieler, und stürmte über Leichen und Vernichtung; die Edelsten belud er mit Ketten, so daß Einigen gar die Hände von den Fesseln wund wurden, und zwar nur auf erdichtete Verbrechen, die in Wahrheit gar nicht verübt waren. Dieß war die Veranlassung zu einer That, welche die Regierung des Constantius auf ewig brandmarkt. Martinus nämlich, der Unterstatthalter dieser Provinzen, den die Leiden der Unschuldigen mit inniger Wehmuth erfüllten, den die Leiden der Unschuldigen mit inniger Wehmuth erfüllten, und der oft dringend bat, man möchte doch wenigstens der völlig Schuldlosen schonen, drohte endlich, weil seine Vorstellungen fruchtlos blieben, seine Stelle niederzulegen, damit der boshafte Späher, dieß fürchtend, einmal aufhören möchte, friedlich gesinnte Menschen in offenbare Gefahr zu bringen. Paulus aber, der hiedurch seinen Diensteifer beschränkt glaubte – wie er denn überhaupt Geschäfte verwickelt zu machen, meisterhaft verstand, weßhalb er auch den Beinamen Catena (Kette) erhielt – zog den Unterstatthalter, der seine Untergebenen noch immer vertheidigte, mit in die allgemeine Gefahr hinein. Er bestand darauf, ihn nebst einigen andern Tribunen gefesselt vor den Kaiser zu führen. Martinus, darüber außer sich gerathend, und sein nahes Verderben erkennend, ging mit gezogenem Schwerte auf den Paulus selbst los. Weil aber sein matter Arm nicht tödtlich treffen konnte, so stieß er das einmal gezogene Schwert in die eigene [31] Brust; und so endete auf unnatürliche Weise ein höchst rechtlicher Mann, der durch Zögerung die traurigen Leiden Vieler zu erleichtern gesucht hatte. Nach diesem ruchlosen Verfahren kehrte Paulus, mit Blut bedeckt, zum Hoflager des Fürsten zurück, und führte Viele mit sich, welche unter der Last der Ketten fast erlagen, und in Elend und Kummer versunken waren. Kaum waren sie angekommen, als schon der Scharfrichter die Folterbank und Marterwerkzeuge in Bereitschaft setzte. Einige wurden mit Einziehung ihres Vermögens, Andere mit Verbannung bestraft, Andere fielen unter dem strafenden Schwerte. Kaum möchte sich Jemand entsinnen können, daß unter Constantius, wo Alles dieß auf bloße Gerüchte geschah, auch nur Einer freigesprochen worden wäre24.

6 Während dessen regierte Orfitus als Präfekt die ewige Stadt (Rom), und bildete sich unmäßig viel ein auf die erhaltene Würde. Er war zwar ein kluger Mann und den Geschäften des Forums ganz gewachsen, allein weniger wissenschaftlich gebildet, als es einem Manne von Stande geziemt. Während seiner Verwaltung erhuben sich schwere Unruhen wegen Mangels an Wein25, an dessen häufigen Genuß gewohnt, das Volk manchmal zu gefährlichen Unruhen gereizt wird. [32] Weil aber Fremde, welche Dieß einmal zufällig lesen möchten, sich wundern dürften, daß, wenn die Rede auf die in Rom vorfallenden Begebenheiten kommt, von nichts als von Aufruhr, Weinschenken und solchen kleinlichen Dingen erzählt wird: so will ich die Ursachen kürzlich durchgehen, nie absichtlich von der Wahrheit abweichend. Zur Zeit, als in erster Entstehung Rom, das, so lange es Menschen gibt, fortleben wird, sich im Strahle des Lichtes erhob, hatten sich Tugend und Glück, sonst stets uneins, um sein hohes Wachsthum zu fördern, in ewigem Friedensbunde vereint, und nie würde es, hätte die Eine, oder das Andere gefehlt, zu vollendeter Größe sich emporgeschwungen haben. Das Römische Volk hat, von seiner Wiege bis zum Ende seines Knabenalters, welche Zeit etwa dreihundert Jahre umschließt, nur Kriege um seine Mauern bestanden; dann ist es, mehr herangewachsen, nach mannigfachen Kriegsbeschwerden über die Alpen gedrungen und über das Meer; zum Jünglinge gereift und zum Manne, hat es aus jeder Gegend, welche der unermeßliche Erdkreis umschließt, den Siegeslorbeer davon getragen; dem Alter sich nahend und durch seinen Namen noch siegend, ist es zu einem ruhigeren Leben übergegangen26. Darum hat die ruhmvolle Stadt, nachdem sie den Nacken wilder Völker gebeugt und Gesetze gegeben hatte, welche auf immer Freiheit begründen und erhalten, wie eine sorgsame, kluge und reiche Mutter, den Kaisern, als ihren Kindern, die Verwaltung ihres Vermögens übertragen. Und [33] wenn denn auch nun die Tribus geschäftslos, die Centurien in Ruhe sind, wenn auch der Lärm bei den Wahlen verstummt, und die Sicherheit der Zeit des Numa Pompilius zurückgekehrt ist: so wird doch Rom von allen Theilen der Erde, so viele es deren gibt, als Gebieterin geehrt und als Königin, und überall ist das mit Würde gepaarte Greisenalter der Senatoren in Ansehen, und der Name des Römischen Volks mit Ehrfurcht geachtet. Doch wird dieser strahlende Glanz des Volkes durch den unangemessenen Leichtsinn einiger Wenigen verdunkelt, welche, vergessend, daß sie Römer geboren sind, als sey jeder Frevel erlaubt, auf Irrwege gerathen und in Schwelgerei; denn Wer wahrhaft glücklich leben will, muß, wie der Lyriker Simonides lehrt, vor allem Andern ein angesehenes Vaterland haben. Manche, welche sich durch Bildsäulen ein ewiges Andenken bereiten zu können vermeinen, streben rastlos nach dieser Ehre, als wenn eherne Bilder ohne Gefühl herrlicheren Lohn gewährten, als das Bewußtseyn, rechtschaffen und tugendhaft gehandelt zu haben; ja man läßt solche Bildsäulen mit Gold überziehen, welche Auszeichnung zuerst dem Acilius Glabrio27 zu Theil wurde, als er durch Klugheit und Tapferkeit den König Antiochus besiegt hatte. Wie schön es aber ist, diese unbedeutenden Kleinigkeiten zu verachten, und den steilen mühsamen Weg des wahren Ruhmes zu ersteigen, wie der Askräische Dichter28 (Hesiod) sagt, das hat [34] uns Cato29 der Censor gezeigt. Als Dieser nämlich gefragt wurde, wie es komme, daß er allein unter so vielen Edeln keine Bildsäule habe? gab er zur Antwort: Es ist mir lieber, daß die Guten sich wundern, warum mir diese Ehre nicht widerfuhr, als daß sie, wenn ich die Ehre genöße, darüber zu murren Ursache hätten, was weit kränkender wäre. Andere, welche die größte Ehre in ungewöhnlich hohe Karossen und prunkenden Kleideraufwand setzen, schwitzen unter der Last der Oberkleider, welche sie über den Kopf werfen, und am Halse selbst befestigen, und die aus einem ungemein durchsichtigen Gewebe bestehen, so daß bei den häufigen Bewegungen, hauptsächlich der linken Hand, die breiten Borden und die mit allerhand Thiergestalten verzierten Unterkleider deutlich durchschimmern. Andere erzählen ungefragt mit wichtiger Miene, wie unendlich groß ihr Vermögen sey, und prahlen mit den jährlichen Ergebnissen fruchtbarer Fluren, die sie von Osten bis Westen in Menge zu besitzen sich rühmen. Fürwahr, Diese bedenken nicht, daß ihre Vorfahren, durch welche Rom zu seiner Größe gelangte, sich nicht durch Reichthümer hervorthaten, sondern durch kriegerischen Muth; daß sie Alles, was ihnen entgegenstand, mit Tapferkeit überwanden, ohne sich weder hinsichtlich des Vermögens, noch der Lebensweise, noch der Kleidung vor den gemeinen Soldaten auszuzeichnen. Darum wurden die Beerdigungskosten jenes Volksfreundes Valerius durch milde Beiträge bestritten, darum die hülflose Gattin des Regulus mit ihren Kindern durch die Gaben der Freunde ihres Mannes erhalten, und die Tochter [35] Scipio’s auf Kosten des Staats ausgestattet, weil der Adel sich schämte, die erwachsene, blühende Jungfrau, deren unvermittelter Vater so lange in der Ferne weilte, unversorgt zu sehen. Jetzt aber, wenn du als Fremder von ehrbarem Stande zu einem reichen und deshalb schon stolzen Manne kommst, um deine Aufwartung zu machen, wirst du anfänglich als willkommen aufgenommen, nach allerhand gefragt, zu lügen gezwungen: du wirst dich wundern, daß ein so angesehener Mann, ohne dich früher je gesehen zu haben, dir Unangesehenen so viele Aufmerksamkeit beweist, und es wird dich deshalb ärgern, Rom nicht schon zehn Jahre früher besucht zu haben. Wenn du im Vertrauen auf diese zuvorkommende Freundlichkeit dich am folgenden Tage wieder einfindest, dann wirst du wie ein unbekannter und wildfremder Mensch da stehen, weil Der, welcher dich gestern, deinen Besuch zu wiederholen, so freundlich ermunterte, gerade mit Berechnung seiner Zinsen beschäftigt ist, und sich nicht gleich entsinnt, Wer du bist, und von wannen du kommst. Endlich erkennt er dich wieder, du wirst sein Hausfreund, und machst drei Jahre hindurch unverdrossen täglich deine Aufwartung; bist du aber eben so viele Monate entfernt gewesen, und kommst dann wieder, um in das alte Verhältniß einzutreten, dann wird man dich nicht einmal fragen, wo du wohl gewesen? man wird dich gar nicht vermissen, und vergeblich würdest du dich dein ganzes Leben hindurch bemühen, den dummstolzen Klotz geschmeidiger zu machen. Wenn man sich aber auf die von Zeit zu Zeit vorfallenden langen und schädlichen Schmausereien oder [36] öffentliche Spenden30 rüstet, überlegt man mit ängstlicher Sorgfalt, ob man mit Ausnahme Derer, denen man einen Gegenschmaus verschuldet, auch einen Fremden laden solle: und ist Dieß nach möglichst genauer Berathung beschlossen, so zieht man Den hinzu, der vor den Thüren der Wettfahrer lagert, oder gut Würfel spielt, oder geheime Künste zu verstehen vorgibt. Gelehrte und ernste Männer vermeidet man als traurige, in keine Gesellschaft passende Subjekte, zumal auch die Nomenclatoren31 solche Einladungen wohl heimlich für Geld verkaufen, und so manchem Menschen von niedrigem Stande und ohne Ansehen zu einer Spende oder einem Gastmahle verhelfen. Die Schwelgerei bei der Tafel und die Veranlassungen zu mancherlei Ausschweifung übergehe ich hier, um nicht zu weitläufig zu werden, davon berichtend, wie Manche über die geräumigen Plätze der Stadt und über die Kieselpflaster ohne Rücksicht auf Gefahr, als führen sie mit Extrapost, hinrennen, ein Gefolge, gleich einem Räuberhaufen, hinter [37] sich haben, und nicht einmal den Sannio32, wie der Römer sagt, zu Hause lassen. Selbst Matronen ahmen dieß nach, und ziehen, obwohl mit beschleiertem Haupte und in behangenen Sänften, durch alle Theile der Stadt. Und wie geübte Feldherrn die Kerntruppen in’s Vordertreffen, dann die leicht Bewaffneten, hierauf die Pfeilschützen und zuletzt die Reserve stellen, um im Nothfalle vorzurücken: eben so ordnen die Haushofmeister, welche an den Ruthen in der rechten Hand kenntlich sind, die städtische, jetzt arbeitsfreie Dienerschaft mit pünktlicher Sorgfalt, und so zieht denn, als sey das Zeichen zum Aufbruche eines Heeres gegeben, die ganze Weberstube bei’m Wagen vorauf; an sie schließt sich die schwarze Bedienung der Küche, dann die übrigen Sclaven ohne Unterschied, denen sich der müßige Pöbel der Nachbarschaft zugesellt hat; zuletzt eine Menge Verschnittener, vom Knaben bis zum Greisenalter hinauf, von siechhaftem Aussehen mit schrecklich verzerrten Gesichtszügen. Wohin auch Einer gehen mag, da wird er Haufen solcher verstümmelten Menschen sehen, und das Andenken jener Königin der Vorwelt, Semiramis, verfluchen, die zu allererst zarte Knaben entmannte, der Natur Gewalt anthat, und sie in ihrem Laufe hemmte, da schon im Spiele des ersten Werdens selbst der Urkeim des Saamens gelegt, und mit leisem Wink der Weg zur Fortpflanzung des Geschlechts gezeigt wird. Unter diesen Verhältnissen strömen jetzt auch die wenigen Häuser, die früher durch Liebe zu den ernsteren Wissenschaften sich auszeichneten, von Spielereien träger Ueppigkeit über, [38] und ertönen von Gesange und rauschender Musik. Statt des Philosophen hält man sich einen Sänger, statt des Redners einen Lehrer possenhafter Künste. Bibliotheken sind, wie Gräber, ewig verschlossen; dagegen schafft man Wasserorgeln an, riesenhafte Leiern von wagenähnlicher Größe, Flöten und alle mögliche Schauspielergeräthschaften. So weit endlich wird diese Nichtswürdigkeit getrieben, daß man, als vor nicht gar langer Zeit wegen einer befürchteten Hungersnoth die Fremden eilig aus der Stadt gewiesen wurden, die Liebhaber der Künste und Wissenschaften, obschon ihre Zahl sehr unbedeutend war, auf der Stelle rücksichtslos vertrieb, während die Leute vom Gefolge der Schauspielerinnen, und Solche, die für den Augenblick dazu zu gehören vorgaben, und dreitausend Tänzerinnen mit ihren Musikanten und eben so wiel Tanzmeistern ungestört bleiben durften. Auch kannst du, wohin du die Augen wendest, Frauen mit Lockenthürmen in Menge sehen, die, wenn sie verheirathet wären, ihrem Alter nach schon Mütter dreier Kinder seyn könnten, aber lieber (ledig bleiben und) auf getäfelten Böden bis zum Ueberdrusse sich mit geübtem Fuße in mancherlei Wendungen drehen, um zahllose, verschiedene Charaktere, welche in Schauspielen vorkommen, darzustellen. Eben so gewiß ist es aber auch, daß, so lange Rom der Wohnsitz aller Tugenden war, die meisten Vornehmen den Fremden von Stande – wie die Homerischen Lotusesser33 durch die Süßigkeit der Beeren – ihren Aufenthalt durch manche zuvorkommende Gefälligkeit angenehm zu machen suchten. [39] Jetzt aber hält der leere Dünkel der Meisten Alles, was nicht aus der Stadt selbst ist, für gemein, nur Kinderlose und Hagestolze nicht; es ist kaum glaublich, mit welchen Gefälligkeiten man zu Rom Diejenigen überhäuft, die keine Kinder haben. Weil hier, als in der Hauptstadt der Welt, die Krankheiten häufiger sind und die Kunst der Aerzte zur Heilung nicht immer ausreicht, so ist man, um Ansteckung zu verhüten, darauf gekommen, daß Niemand seinen kranken Freund selbst besucht, und verbindet mit dieser Vorsichtsmaßregel noch die, daß die Sclaven, welche man ausschickt, um sich nach dem Befinden seiner kranken Bekannten zu erkundigen, nicht eher zurückkommen dürfen, als bis sie durch ein Bad sich gereinigt haben. So sehr fürchtet man die Seuche, die doch nur fremde Augen gesehen haben. Während man diese Vorsichtsmaßregel beobachtet, würde man, wäre man zu einer Hochzeit gebeten, wo dem Gaste Gold in die hohle Rechte gedrückt wird34, selbst mit geschwächtem Körper sogleich nach Spoleto rennen. So geht es bei dem Vornehmen zu. Was aber die niedere, ärmliche Volksklasse betrifft, so bringen Viele die Nacht in den Weinschenken zu, Andere hinter dem Schatten der Vorhänge in den Theatern, welche der Aedil Catulus35 [40] zuerst, nach der üppigen Mode der Campanier, arbrachte; andere zanken sich herum bei’m Würfelspiel, wobei sie in widerlichem Tone, den Athem durch die schnaubende Nase einwärtsziehend, laut brüllen; Andere, und dieß ist eine Lieblingsbeschäftigung, setzen sich vom Morgen bis zum Abend Wind und Wetter aus, um bis in’s kleinliche die Vorzüge und Mängel der Wettfahrer und ihrer Pferde zu erspähen. Es ist zum Erstaunen, wenn man eine zahllose Volksmenge sieht, die mit begieriger Erwartung auf den Ausgang eines Wettrennens harrt. Bei solchen alltäglichen Vorfällen kann in Rom nichts Merkwürdiges oder nur Ernstes geschehen; daher ich zu meiner Geschichtserzählung zurückehre.

7 Durch immer weiter greifende Zügellosigkeit war der Cäsar (Gallus) allen Guten verhaßt, er kannte in der Folge weder Maß noch Ziel, setzte alle Gegenden des Orients in Furcht und schonte weder Beamte, noch die vornehmen Städter, selbst das Volk nicht. Ja endlich sprach er auf einmal das Todesurtheil über sämmtliche Senatoren Antiochiens aus, deshalb erbittert, weil sie bei bevorstehender Hungersnoth, da er zur Unzeit auf Herabsetzung der Preise drang, dem Hofkurier etwas zu hart antworteten, und sie waren Alle verloren, hätte sich nicht der Unterstatthalter des Orients, Honoratus, mit unerschütterlicher Festigkeit dagegen gesetzt. Ein unzweideutiger und offenbarer Beweis seiner grausamen Gemüthsart war es, daß er an blutigen Kampfspielen Wohlgefallen fand und manchmal, wenn in verbotenem36 Kampfe sechs bis [41] sieben Fechter sich gegenseitig durchbohrten und mit Blut bespritzt waren, bei diesem Anblicke sich so freuen konnte, als hätte er etwas Großes errungen. Es wurde diese natürliche Blutgier noch durch ein gewisses Weib vom niedrigsten Stande gesteigert, welches auf ihr Verlangen in dem Pallast Zutritt erhielt, und berichtete, daß ihm von Soldaten, deren Namen kaum bekannt war, nachgestellt würde. Constantina frohlockte, als wäre das Leben ihres Gemahls gesichert, beschenkte dieses Weib reichlich und ließ sie auf einem Wagen durch die Pforten des Pallastes öffentlich in die Stadt fahren, wahrscheinlich, um dadurch auch Andere anzulocken, Gleiches oder noch Wichtigeres zu hinterbringen. Als Gallus bald darauf nach Hierapolis reisen wollte, um wenigstens dem Scheine nach dem Feldzuge beizuwohnen, trug ihm das Volk Antiochiens die flehentliche Bitte vor, er möchte sie doch von der Furcht der Hungersnoth, die aus mancherlei bedenklichen Ursachen vorauszusehen war, befreien. Allein er traf gar keine Anstalt dazu, und ließ aus benachbarten Provinzen keine Nahrungsmittel kommen, wie sonst die Fürsten pflegen, deren ausgebreitete Macht leicht ein örtliches Uebel heben kann; sondern er wies das Volk, welches das Aeußerste befürchtete, an den neben ihm stehenden consularischen Statthalter Syriens, Theophilus, mit der wiederholten Bemerkung, daß Niemand Mangel leiden könne, ohne des Statthalters Willen. Diese Aeußerung vermehrte die Frechheit des Pöbels, welcher, da der Mangel an Lebensmitteln immer fühlbarer wurde, von Hunger und Wuth getrieben, das prunkvolle Haus des Eubulus, eines unter [42] ihnen angesehenen Mannes, in Flammen setzte, und dann den Statthalter, der ihnen durch des Cäsars Ausspruch gleichsam preisgegeben war, mit Fußtritten und Faustschlägen anfiel, und nach den furchtbarsten Mißhandlungen in Stücke zerriß. Bei diesem höchst traurigen Ende des Mannes sah Jeder in des Einen Untergange das Vorbild eigener Gefahr und fürchtete, nach dem eben gegebenen Beispiele, ein gleiches Schicksal. Zu der nämlichen Zeit wurde der gewesene Statthalter Serenian, durch dessen Nachläßigkeit, wie wir oben erzählt haben, Celse37 in Phönizien verheert worden war, wie er es verdient hatte, des Hochverraths beschuldigt, aber, man begreift nicht, aus welchem Grunde, freigesprochen, obgleich er völlig überwiesen war, einen Vertrauten mit dem Hute, den er gewöhnlich trug und mit verbotenen Zauberkünsten hatte weihen lassen, zu einem Orakel geschickt zu haben, um zu fragen, ob er seinem Wunsch gemäß, auf einen sichern Besitz des ganzen Reiches hoffen dürfe? Auf diese Weise hatten sich also in denselben Tagen zwei traurige Fälle ereignet, daß nämlich der unschuldige Theophilus durch ein grausames Geschick hingerafft wurde, Serenian aber, welcher sich allgemeiner Verwünschung werth gemacht, ungestraft davon kam, so sehr auch beinahe die allgemeine Stimme dagegen erklärte. Constantius, welchem Dieß von Zeit zu Zeit zu Ohren kam und der auch früherhin von Thalassius38, welcher seitdem [43] eines natürlichen Todes gestorben war, zuweilen Berichte darüber erhalten hatte, schrieb dem Cäsar in schmeichelhaften Ausdrücken, entzog ihm aber nach und nach fast alle Truppen, unter dem Vorwande, er besorge, es möchten die in der Ruhe zur Empörung geneigte Soldaten sich gegen ihn verschwören, und so beschränkte er ihn auf das Cadettenkorps, die Leibwache, die Schildträger und Gentilen39. Auch trug er dem gewesenen Schatzmeister Domitian, der jetzt zum Präfekten ernannt war, auf, er solle, wenn er nach Syrien käme, den Gallus, welchen er schon einigemal zu sich entboten hätte, mit Freundlichkeit und Bescheidenheit ermahnen, so bald als möglich nach Italien zu kommen. Dieser beschleunigte zwar deshalb seine Reise; als er aber nach Antiochien gekommen war, fuhr er vor dem Thore des Pallastes vorbei, ohne dem Cäsar, wie es doch schicklich gewesen wäre, aufzuwarten, und zog in feierlichem Aufzug zu seinem Quartier. Lange schützte er Krankheit vor, und kam weder in’s Schloß noch trat er öffentlich auf; im Geheimen sann er auf des Gallus Untergang und fügte den Berichten, welche er von Zeit zu Zeit an den Kaiser abschickte, manches Nachtheilige über Denselben bei. Als er zuletz eingeladen und in den geheimen Rath eingeführt wurde, sagte er ohne alle Umschweife, mit frecher Unbesonnenheit: „Reise ab, Cäsar, wie dir befohlen ist, und zauderst du, so wisse, daß ich deine und deines Hofstaats Einkünfte auf der Stelle werde einhalten lassen!“ [44] Ohne weiter etwas, als diese trotzig gesprochenen Worte, zu sagen, ging er grollend weg, und ließ sich nachher nicht wieder sehen, ungeachtet er mehrmals entboten wurde. Der Cäsar, aufgebracht über diese ungerechte und unwürdige Behandlung, ließ den Präfekten von Vertrauten aus der Leibwache bewachen. Als Montius, damaliger Hofkanzler, ein zwar verschlagener, aber für Milde gestimmter Mann, Dieß erfuhr, wollte er die Sache vermitteln, ließ die Vornehmsten der Hofgarden zu sich kommen, redete sie zuerst sanft an und gab ihnen zu verstehen, ein solches Verfahren sey weder schicklich, noch nütze es zu Etwas; und dann setzte er in scheltendem Tone hinzu: „und wollt ihr es doch, so müßt ihr erst des Constantius Bildsäulen niederreißen, bevor ihr daran denken könnt dem Präfekten das Leben zu nehmen!“ Als Gallus Dieß erfuhr, ließ er, wie eine durch Pfeile oder Steine angegriffene Schlange, welche ihr Ende nahe sieht und sich auf jede mögliche Weise noch zu retten sucht, alle Soldaten zusammen kommen, und redete sie, mit den Zähnen knirschend, also an: „Stehet mir bei, ihr tapferen Männer, da mir, wie euch, Gefahr droht; Montius hat uns durch sein sonderbares und unerhörtes Verfahren in seinen Reden als Verräther an der Majestät des Kaisers dargestellt, unwillig, daß ich einen widerspenstigen Präfekten, der sich stellte, als wüßte er nicht, was die Ordnung mit sich bringt, um ihn zu schrecken, bewachen ließ!“ Ohne lange zu zaudern überfielen nun die Soldaten, denen gewöhnlich Unruhen willkommen sind, zuerst den nahe wohnenden Montius, einen kränklichen Greis von schwachem Körperbau, banden ihm rauhe Seile an die Fußgelenke und [45] schleppten ihn mit auseinander gerissenen Beinen leblos bis zur Wohnung des Präfekten. In derselben Hitze stürzten sie auch den Domitianus die Treppe hinab, knebelten auch ihn ebenfalls mit Seilen, und so schleppten sie Beide aneinander gebunden in einem Laufe durch die ganze Stadt. Als alle Glieder auseinander gerissen waren, traten sie die todten, scheußlich entstellten Leichname mit Füßen, und warfen sie dann, als sie ihre Wuth gesättigt, in den Fluß. Bei dieser frevelhaft vermessenen That reizte ein gewisser Stadtvorsteher Luscus, der sich plötzlich sehen ließ, die bis zum Wahnsinn Wüthenden noch mehr, indem er sie wie ein kreischender Aufseher der Packträger zur schnellen Vollführung ihres Beginnens in wiederholtem Zuruf anfeuerte, weshalb er auch in der Folge lebendig verbrannt wurde. Weil Montius, ehe er unter den Händen seiner Peiniger den Geist aufgab, den Namen Epigonius und Eusebius, ohne jedoch Gewerbe und Amt zu bezeichnen, einigemal schimpfend nannte: so stellte man die sorgfältigste Untersuchung an, Wer Diese wohl seyen? und damit die Sache nicht erkalte, wurden der Philosoph Epigonius aus Lycien und Eusebius von Emissa, mit dem Namen Pittakas, ein heftiger Redner herbeigeschleppt, da doch der Hofkanzler nicht Diese, sondern die Aufseher der Gewehrfabriken damit gemeint hatte, welche mit Waffen zu erscheinen versprochen hatten, wenn es zu unruhigen Auftritten käme. Zu gleicher Zeit forschte Apollinaris, des Domitianus Eidam, der kürzlich noch Haushofmeister bei’m Cäsar gewesen, aber von seinem Schwiegervater nach Mesopotamien geschickt worden war, mit übertriebenem Eifer unter den Reihen der Soldaten, ob sie etwa geheime [46] Briefe von Gallus erhalten hätten, woraus hervorginge, daß er nach höheren Dingen gelüste; als er jedoch erfuhr was zu Antiochien vorgefallen war, machte er sich heimlich durch Kleinarmenien nach Constantinopel auf den Weg, wurde aber von dort durch die Leibwache zurückgebracht und in engem Verwahrsam gehalten. Noch während dieser Vorfälle kam die Nachricht, daß zu Tyrus heimlich ein königliches Gewand gewoben wurde, ohne daß man wüßte, von Wem es bestellt, oder zu Wessen Gebrauche es bestimmt war. Deswegen wurde der Vater des Apollinaris, der denselben Namen führte und damals Statthalter dieser Provinz war, eingezogen, und noch viele Andere wurden aus verschiedenen Städten zusammengeschleppt, denen man schwere Verbrechen aufbürdete. Während so die Trompete innerer Verwüstung ertönte, wüthete der unruhige Geist des Cäsar, der vom Wege besonnener Gerechtigkeit abgewichen war, nicht mehr blos versteckt, wie früher. Niemand untersuchte gerichtlich die wirklichen oder nur ersonnenen Vergehen; zwischen Schuldigen und Unschuldigen war gar kein Unterschied mehr, und alle Gerechtigkeit war aus den Gerichtshöfen gewichen; jede gesetzlich erlaubte Vertheidigung verstummte, man hörte in allen Provinzen des Orients von Nichts als raubgierigen Henkern, von Hinrichtung und Einziehung des Vermögens. Diese Provinzen zu beschreiben halte ich nun für angemessen, mit Ausnahme des bereits in der Geschichte der Partherkriege beschriebenen Mesopotamiens und Aegyptens, das ich aus Gründen auf eine andere Zeit erspare.

8 [47] Ist man über die Gipfel des Berges Taurus gekommen, die gegen Morgen hin sich höher erheben, so ligt Cilicien in weiter Ausdehnung da, ein Land das mit allen Gütern gesegnet ist und längs seiner rechten Seite erstreckt sich Isaurien, welches gleich beglückt von üppigen Reben ergrünt und mancherlei Früchten; mitten durchschneidet es der schiffbare Fluß Calycadnus. Diese letztere Provinz ist, außer vielen kleinern, hauptsächlich durch zwei große Städte geschmückt, Seleucia40 ein Werk des Königs Seleucus, und Claudiopolis41, eine vom Kaiser Claudius angelegte Colonialstadt. Isaura42, einst übermächtig, doch früherhin als verderbliche Empörerin zerstört, zeigt kaum noch einige wenige Spuren voriger Größe. Cilicien aber, stolz auf seinen Strom Cydnus, verherrlicht Tarsus, die ansehnliche Stadt – diese soll Perseus gebaut haben, Jupiters Sohn und der Danae, oder was gewisser scheint, ein reicher, angesehener Mann, Sandan mit Namen, der aus Aethiopien gekommen war – und Anabarzus, die den Namen ihres Gründers führt, auch Mopsuestia43, der Sitz des Wahrsagers Mopsus, der auf dem Argonautenzuge, als man das goldene Vließ erbeutet hatte und zurückkehrte, von der Argonautengesellschaft sich verirrte, an Afrika’s Küste verschlagen und von plötzlichem Tode weggerafft wurde, dessen mit Punischem Rasen bedeckte Heldenmanen seit der Zeit allerhand Leiden wunderbar heilen. Als diese beiden Provinzen im Piratenkriege sich mit [48] den Seeräubern eingelassen hatten, wurden sie vom Proconsul Servilius unterworfen und zinsbar gemacht44. Diese, gleichsam auf einer hervorragenden Erdzunge liegenden Gegenden werden durch den Berg Amanus45 von dem Morgenlande getrennt. Die Grenze des Orients läuft gerade aus in die Länge, von den Ufern des Euphrat bis zu den Ufern des Nil, links an die Sarazenischen Völker stoßend, rechts an die tosenden Fluthen des Meeres. Diese Gegend hat Nikator Seleucus sich unterworfen und ungemein erhoben, da er nach dem Tode Alexanders von Macedonien als Nachfolger das Persische Reich bekam, ein König voll glücklicher Thatkraft, wie schon sein Beiname46 bezeugt. Weil ihm ein zahlreiches Volk zu Gebot stand, über welches er im Frieden lange herrschte, so erbaute er aus ländlichen Wohnplätzen wohlhabende feste Städte, von denen die meisten jetzt noch, neben den Griechischen Benennungen, die ihnen nach dem Gutdünken ihres Begründers beigelegt wurden, auch ihre ursprünglichen Namen nicht verloren haben, die ihnen von ihren Urstiftern in Assyrischer Sprache gegeben waren. Nach Osdroena, welches, wie gesagt, von dieser Beschreibung ausgeschlossen bleibt, erhebt sich zuerst Commagena, jetzt Provinz des Euphrat genannt, in sanften Anhöhen, berühmt durch die angesehenen Städte Hierapolis, einst Ninus genannt, und Samosata. [49] Darauf dehnt sich Syrien in lieblicher Ebene weithin aus. Es ist berühmt durch die weltbekannte Stadt Antiochien, mit welcher nicht leicht eine andere durch herzuströmenden und innern Reichthum wetteifern möchte; ferner durch Laodicea, Apamia und Seleucia, welche ebenfalls seit ihrer Entstehung im blühendsten Zustande sind. Dann lehnt sich an den Berg Libanon Phönizien, ein Land voller Anmuth und Naturschönheiten, geziert durch große, schöne Städte, unter denen durch die herrliche Lage und die Berühmtheit des Namens Tyrus hervorragt, nebst Sidon und Berytus, dem Emissa und Damaskus gleichstehen, in grauer Vorzeit erbaut. Diese Provinzen, welche der Fluß Orontes47 umströmt, der, wenn er den Fuß jenes hohen Berges Cassius auf seinem Laufe bespült hat, sich in’s Parthenische48 Meer ergießt, hat Cnejus Pompejus, nach seinem Siege über den Tigranes, vom Armenischen Reiche losgerissen und mit dem Römischen Gebiete vereint. Die äußerste Provinz Syriens ist Palästina, in große Flächen gedehnt, reich an gesegneten, lieblichen Fluren, mit mehrern trefflichen Städten, deren keine der andern nachsteht, sondern jede der andern die Wage halten kann; Cäsarea, welche Herodes, zur Ehre des Kaisers Octavianus, erbaute, Eleutheropolis, Neapolis, nebst Ascalon und Gaza, in früherer Zeit erbaut. In diesen Gegenden ist kein schiffbarer Fluß zu sehen, dagegen brechen an vielen Stellen warme Quellen hervor, welche mancherlei Krankheiten heilen. [50] Auch dieß Land hat Pompejus, nach Besiegung der Juden und Eroberung Jerusalems, zur Provinz gemacht und einem Landpfleger die Regierung übergeben. Dicht daran stößt Arabien, von der andern Seite an die Nabatäer grenzend, reich durch mancherlei Handelszweige und übersäet mit festen Schlössern und Burgen, die zur Abwehrung der feindlichen Einfälle der Nachbarvölker durch die wachsame Sorgfalt der Alten auf gut gelegenen, sichern Anhöhen errichtet worden sind. Unter den vielen kleinern hat es auch einige sehr große Städte, Bostra, Gerasa und Philadelphia durch starke Mauern gesichert. Diesem Lande hat der Kaiser Trajan den Namen einer Provinz und einen Statthalter gegeben, unsern Gesetzen zu gehorsamen es zwingend, indem er der Bewohner unruhigen Geist einigemal dämpfte, als er in ruhmvollem Kriege Medien und die Parther49 bedrängte. Auch die fern vom Festlande liegende, hafenreiche Insel Cypern hat unter manchen Municipialstädten zwei größere Städte, Salamis und Paphus, deren eine den berühmten Tempel des Jupiter, die andere den der Venus hatte. Diese Insel ist durch ihre ungemeine Fruchtbarkeit so reich an Erzeugnissen aller Art, daß sie ohne fremde Hülfe und mit eigenen Kräften vom Kielholze an bis zu den höchsten Wimpeln ein mit allem nöthigen Zugehör ausgerüstetes Lastschiff zur See stellen kann. Auch muß man gestehen, daß das Römervolk aus Ländergier mehr, als aus gerechten Ursachen, diese Insel an sich riß. Denn als der mit uns verbündete [51] König Ptolemäus, blos unsere leere Staatskasse zu füllen, ohne irgend eine Verschuldung, geächtet worden war, und durch Gift sein Leben freiwillig geendet hatte, wurde sie zinsbar gemacht und ihre Schätze, wie eine Kriegsbeute, von Cato auf der Flotte nach Rom geschleppt. Doch zurück zum Faden der Geschichte.

9 Bei diesen so vielfachen traurigen Begebenheiten wurde Ursicinus, dem ich durch kaiserlichen Befehl untergeben war, von Nisibis50 aus, wo er sein Standquartier hatte, entboten und wider Willen beauftragt, die Ursachen dieses verderblichen Zwistes zu untersuchen; vergeblich suchte er Auswege, um die Sache abzulehnen, da Schaaren von Schmeichlern ihn laut überstimmten. Er war zwar ein kriegerischer Mann, tapferer Soldat und guter Heerführer, aber ganz unbekannt mit den gerichtlichen Streitigkeiten. Besorgt für sein eigenes Leben sah er überall angestiftete Kläger und Richter, einverstanden mit einander, aus einer und derselben Höhle hervorkriechen, zeigte dem Kaiser Alles, was im Stillen und öffentlich geschah, in geheimen Briegen an, und bat ihn dringend um Unterstützung, damit der Cäsar in Furcht gesetzt, und dessen bekannte kochende Hitze gedämpft werde. Aber diese allzu große Vorsicht gereichte ihm selbst zum Schaden, wie ich nachher erzählen werde, da seine Neider schweren Verdacht gegen ihn zu erregen wußten bei Constantius, welcher zwar sonst ein erträglicher Regent, aber wenn ihm auch nur ein Unbekannter etwas der Art in’s Ohr raunte, [52] hart und unversöhnlich war, und auf den Grund solcher Beschuldigungen nicht folgerecht handelte. Der zu den traurigen Verhören bestimmte Tag erschien. Aber der Befehlshaber der Reiterei (Ursicinus) saß als bloßer Scheinrichter da, indem die Beisitzer alle schon im Voraus unterrichtet waren, was geschehen sollte. Hin und wieder standen Schreiber, welche jede Frage und jede Antwort dem Cäsar flugs hinterbrachen, auf Dessen grausamen Befehl und auf das Betreiben der Königin, welche zuweilen gar hinter der Tapete lauschte, die Meisten zum Tode verurtheilt wurden, ohne die Unwahrheit Dessen, was man ihnen vorwarf, beweisen und sich vertheidigen zu dürfen. Zuerst wurden Epigonius und Eusebius vorgeführt, die wegen bloßer Namensverwandtschaft waren eingezogen worden; denn vorhin habe ich erzählt51, daß Montius sterbend diese Namen nannte, indem er die Vorsteher der Gewehrfabriken anklagen wollte, welche ihm Unterstützung bei etwaigen Unruhen zugesagt hatten. Epigonius, blos der Kleidung nach ein Philosoph, wie es sich zeigte, versuchte Bitten, aber umsonst; auf die Folter gespannt that er aus Todesfurcht das schimpfliche Geständniß, Theilnehmer eines Planes gewesen zu seyn, der gar nie vorhanden war, da er doch in Staatssachen sich nie gemischt und weder Etwas gesehen noch gehört hatte. Eusebius aber, seiner Unschuld sich bewußt, läugnete die Wahrheit der ihm gemachten Beschuldigungen, blieb auf der Folter gleich standhaft, und rief fortwährend, er sey in einer Mördergrube und nicht vor einem Gerichte. Als er, mit dem [53] Gesetze vertraut, durchaus einen Kläger und ein rechtmäßiges Verfahren verlangte, hielt der Cäsar diese Freimüthigkeit für Trotz, und gab den Befehl, ihn als einen widerspenstigen Tollkopf noch mehr zu martern; aber auch da selbst, als kaum noch ein Glied mehr an ihm war, woran die Marterwerkzeuge angebracht werden konnten, rief er den Himmel laut um Gerechtigkeit an, blickte wild umher mit unerschütterlicher Festigkeit, und ließ weder auf sich, noch auf einen Andern Etwas kommen. Endlich wurde er ohne Eingeständniß und unüberwiesen nebst seinem verworfenen Gefährten mit dem Verbrechertode gestraft. Unverzagt wandelte er zum Richtplatze, voll edeln Trotzes gegen die Ungerechtigkeiten dieser Zeit, ähnlich dem Zeno, jenem Stoiker der Vorzeit, der, als man ihn, um ihn zu einer Lüge zu zwingen, lange marterte, sich die Zunge aus dem Halfe riß, um sie mit dem blutigen Speichel dem König von Cypern, der ihn in Untersuchung zog, in’s Gesicht spie. Jetzt wurde die Sache mit dem königlichen Gewande vorgenommen, und als die Purpurfärber auf der Folter gestanden hatten, daß ein Brustwamms ohne Aermel gewoben worden, wurde ein gewisser Maras vorgeführt, ein Diaconus, wie die Christen es heißen; man legte einen in Griechischer Sprache von ihm an den Vorsteher einer Tyrischen Weberei geschriebenen Brief vor, worin er, ohne die Sache zu benennen, das Bestellte zu beschleunigen, dringend anempfohlen hatte. Auch Dieser wurde fast zu Tode gemartert, ohne daß ein Geständniß aus ihm herausgepreßt wurde. Nun verbreitete sich die Untersuchung über Menschen verschiedenen Standes und weil Einiges zweifelhaft blieb, auch Manches unerheblich [54] erschien, so wurden nach vielen Hinrichtungen die beiden Apollinare, Vater und Sohn, verwiesen, aber bei ihrer Ankunft zu Craterä, ihrem vier und zwanzig Meilen von Antiochien gelegenen Landgute, dem heimlichen Befehle gemäß, nachdem man ihnen die Beine entzwei geschlagen, getödtet. Nach diesen blutigen Hinrichtungen fuhr Gallus fort zu wüthen, wie ein von Menschenfleisch gesättigter Löwe, und spähte nach ähnlichen Veranlassungen zum Mord. Doch es ist nicht der Mühe werth, dieß Alles bis in’s Einzelne zu erzählen, damit ich nicht, was ich zu vermeiden strebe, die Grenzen des mir gesteckten Zieles überschreite.

10 Während der Orient lange unter diesen Leiden seufzte, und die mildere Jahreszeit zurückgekehrt war, ging Constantius in seinem siebenten und des Cäsars dritten Consulate von Arelate (Arles) nach Valentia (Valence), um sich gegen die Brüder Gundomad und Vadomar, Könige der Alemannen, durch deren häufige Streifzüge die an ihrer Grenze liegenden Provinzen Galliens verwüstet wurden, zu Felde zu ziehen. Während er dort lange verweilen und auf die Zufuhr warten mußte, deren Herbeischaffen aus Aquitanien die ungewöhnlich starken Frühlingsregen und die angeschwollenen Flüsse hinderten, kam Einer von der Leibwache an, Herculanus mit Namen, Sohn des gewesenen Generals der Reiterei, der nach unserer frühern Erzählung zu Constantinopel bei einem Volksauflauf in Stücke zerrissen worden war. Von Diesem erfuhr der Kaiser auf’s genaueste, wie Gallus wirthschaftete, und ungeachtet er über das Geschehene innig betrübt und wegen der Zukunft besorgt war, so suchte er doch seine [55] innere Unruhe, so lange er es konnte, zu stillen. Unterdessen hatte sich das ganze Heer bei Cabillo (Chalons sur Saone) versammelt und war wegen des langen Aufenthalts um so aufgebrachter, als es am Nöthigsten fehlte, und die Zufuhr an Lebensmitteln noch nicht angekommen war. Dieser Umstand brachte den zeitigen Prätorianischen Präfekten Rufinus in große Lebensgefahr. Er wurde nämlich beauftragt, zu dem vom Mangel und eigenem Uebermuthe gereizten Heere, welches außerdem gegen andere Behörden hergebrachter Weise feindselig gesinnt und frech ist, sich zu begeben, um es zufrieden zu stellen und ihm die Ursachen auseinander zu setzen, welche bisher die Herbeischaffung des Getreides verhindert hätten. Dieß hatte man mit absichtlicher List angeordnet, um in dieser Schlinge den Oheim des Gallus umkommen zu lassen, dessen Ansehen Demselben bei seinem verderblichen Beginnen vielleicht nur desto mehr Zuversicht einflößen möchte. Da er aber eifrige Unterstützung fand, so hob man den Plan für jetzt auf, und der Kammerherr Eusebius wurde mit einer Geldsumme nach Cabillo geschickt, um heimlich Gold an die unruhigen Aufwiegler zu vertheilen, wodurch die Hitze der Soldaten sich legte und das Leben des Präfekten gerettet wurde. Bald darauf kamen Lebensmittel in Ueberfluß an und das Heer brach an dem dazu festgesetzten Tag auf. Man hatte mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, und die meisten Wege waren noch mit Schnee bedeckt. Als man bei Rauracum (Augst bei Basel) an die Ufer des Rheinstroms gekommen war, stand ein Alemannisches Heer gegenüber und die Römer wurden bei der Uebermacht des Feindes und unter einem Hagel von [56] Pfeilen, eine Schiffbrücke zu schlagen verhindert. Dem Kaiser leuchtete die Unmöglichkeit davon ein; verschiedene Pläne durchkreuzten sich in seinem Kopfe und machten in unentschlossen, was er nun zu beginnen habe. Da fand sich auf einmal unvermuthet ein der Gegend kundiger Wegweiser, der für erhaltenen Lohn in der Nacht eine seichte Stelle im Flußbette zeigte, wo man über den Strom setzen konnte. Das Heer, auf diesem Punkte übergesetzt, hätte, da die Feinde ihre Aufmerksamkeit auf einen ganz andern Punkt gerichtet hatten, unerwartet Alles verwüsten können, wenn nicht einige, aus diesem Lande stammende höhere Kriegsbeamte unseres Heeres ihre Landsleute durch geheime Boten davon unterrichtet hätten, wie wenigstens Viele glaubten. Dieser schimpfliche Verdacht traf hauptsächlich den Befehlshaber der Haustruppen, Latinus, den Oberstallmeister Agilo und den Befehlshaber der Schildträger Scudilo, welche damals allgemein in einer so hohen Achtung standen, als ruhe das Wohl des ganzen Staates in ihrer Hand. Die Barbaren aber faßten nun nach Verhältniß der Umstände und vielleicht nach Entscheidung ihrer Wahrsager, oder weil das Ansehen ihrer Priester den Kampf widerrieth, einen andern Entschluß; ihr fester Muth, mit dem sie sich so zuversichtlich widersetzt hatten, wurde lau, und sie schickten einige Vornehme ab, Verzeihung für das Geschehene und Frieden zu erbitten. Man hielt die Gesandten beider Könige zurück, und da man nach sorgfältiger geheimer Erwägung der Sache für die Bewilligung des unter billigen Bedingungen verlangten Friedens stimmen mußte, den die allgemeine Stimmeneinheit ohnehin für vortheilhaft hielt: so berief der Kaiser [57] das Heer zu einer Versammlung, um es mit den Umständen bekannt zu machen. Von der Schaar hoher Beamten umgeben, bestieg er die Bühne und hielt folgende Anrede: „Wundere sich Niemand, wenn ich nach langem, mühseligem Marsch und im Ueberfluß von Zufuhr, da ich im Vertrauen auf eure Tapferkeit in die feindlichen Gauen gelangt bin, auf einmal meinen Plan zu verändern scheine und mildere Maßregeln ergreife. Wenn Jeder von euch, nach seiner Lage und seiner Gesinnung, nachdenkt, so wird er es leicht als wahr erkennen, daß der Soldat überall, selbst bei der kräftigsten Gesundheit, nur sich selbst und sein eigenes Leben im Auge hat und vertheidigt; daß aber der Feldherr, wenn er, seiner Pflicht eingedenk, und über fremde Wohlfahrt mit gleicher Alle umfassender Sorgfalt wachend, bedenkt, daß das Wohl seiner Untergebenen auch sein eigenes befördert, alle Mittel rasch ergreifen muß, welche der Stand der Dinge zuläßt, und welche eine günstige Gottheit ihm darbietet. Um kurz zu seyn und euch zu zeigen, warum ich Alle berufen ließ, meine treuesten Kampfgenossen, so vernehmet wohlwollend, was ich euch in aller Kürze auseinandersetzen will; denn die Sprache der Wahrheit ist immer verständlich und einfach. Euer emporstrebendes Vorschreiten auf der Bahn des Ruhmes, welches der Ruf in wachsender Herrlichkeit auch den Bewohnern der fernsten Gegenden kund machte, hat die Völker und Könige der Alemannen in Schrecken gesetzt. Durch die Gesandten, welche ihr hier seht, bitten sie mit gebeugtem Nacken um Vergebung für das Geschehene und um Frieden, den ich nach reiflicher mit Vorsicht gepflogener Ueberlegung als nützlich erkenne und, wenn ihr damit einverstanden [58] seyd, gewähren zu müssen glaube, in mehr als einer Rücksicht; zuerst, um den zweifelhaften Ausgang des Krieges zu vermeiden; dann um statt Feinde Bundesgenossen zu haben, wie sie versprochen; dann, weil nun ohne Blutvergießen der Uebermuth sich legen wird, der unsern Provinzen oft so verderblich war; endlich auch in Erwägung, daß nicht der Feind allein besiegt wird, welcher der Waffengewalt und Heeresmacht auf dem Schlachtfelde erliegt, sondern sicherer noch der, welcher, ohne der Kriegstrompete Ruf, sich freiwillig unter das Joch schmiegt, weil er aus Erfahrung weiß, daß es uns eben so wenig an Tapferkeit gegen Friedensstörer, als an Milde gegen Bittende fehlt. Kurz, ich erwarte, was ihr, als Schiedsrichter, rathet, als ein friedliebender Fürst, der des ihm zugefallenen Glückes sich nicht zu überheben gesonnen ist. Nicht der Feigheit, sondern nur der Mäßigung und Menschenliebe, glaubt es mir, wird man diesen wohl überlegten Entschluß zuschreiben.“ Kaum hatte er ausgeredet, als Alle dem Willen des Kaisers sich gerne fügten, seinen Rath lobten und für den Frieden stimmten, wohl dadurch dazu bewogen, weil sie aus den häufigen Feldzügen wußten, daß sein guter Genius nur bei innern Unruhen über ihm wachte, daß ihm aber, wenn er auswärtige Kriege unternahm, gewöhnlich Trauriges begegnete. Als darauf das Bündniß nach dem Gebrauche jener Völker52 geschlossen war, ging der Kaiser, nach Beendigung dieser Feierlichkeit, nach Mailand in’s Winterquartier.

11 [59] Hier warf er die Last jeder andern Sorge von sich und war, als gälte es die Lösung des gordischen Knotens, darauf bedacht, wie er den Cäsar durch kräftige Maßregeln stürzen könnte. Nachdem er mit seinen Vertrauten in geheimen nächtlichen Unterredungen überlegt hatte, auf welchem Wege und durch welche Mittel Dieß zu bewerkstelligen sey, bevor der Uebermüthige mit noch größerer Hartnäckigkeit seine Macht zu erweitern vermöchte: gefiel es ihm, den Gallus unter dem Vorwande eines wichtigen und dringenden Staatsgeschäftes durch freundliche Briefe zu sich zu entbieten, um ihn, aller Hülfe entblößt, ohne irgend ein Hinderniß, zu stürzen. Aber die Masse unsteter Speichellecker (unter welchen Arbetio, zur Cabale von Natur geneigt und der Kammerherr Eusebius, welcher Andern ohne Rückhalt zu schaden suchte) widersprach dieser Meinung und suchte es wahrscheinlich zu machen, es sey gefährlich, daß Ursicinus nach des Cäsars Entfernung im Orient bliebe, da er, wenn ihm Niemand mehr im Wege stände, nach höheren Dingen streben möchte. Ihnen traten außerdem die kaiserlichen Verschnittenen bei (deren Habsucht um diese Zeit unmenschlich hoch stieg), die bei ihrem Dienste dem Kaiser nahe standen und durch geheime Einflüsterungen erdichteten Anklagen neue Nahrung gaben. Sie suchten durch schwere Beschuldigungen den wackern Mann zu stürzen und machten den Kaiser darauf aufmerksam, wie Dessen erwachsene Söhne, durch ihre Schönheit schon und ihr Alter einnehmend, zum Throne reiften, und wie sie ihre ausgebreiteten militärischen Kenntnisse und ihre körperliche Gewandtheit bei den täglichen Uebungen des Heeres darum absichtlich zur Schau trügen; Gallus, von Natur schon zur [60] Härte geneigt, sey durch eigends dazu gedungene Leute zu Unthaten deßhalb angereizt worden, damit er von allen Ständen mit Grund gehaßt und verabscheut würde, und dann den Söhnen des Generals desto leichter die fürstliche Würde übertragen werden könnte. Als solcherlei Beschuldigungen beständig zu den Ohren des Kaisers kamen, die solchen Einflüsterungen stets ausgesetzt waren und offen standen, entwarf er bei sich allerlei Pläne und wählte dann den folgenden als den ausführbarsten. Er entbot also zuerst in den ehrenvollsten Ausdrücken den Ursicinus zu sich, unter dem Vorwande, daß dringende Verhältnisse seine Gegenwart nöthig machten, um in gemeinschaftlicher Berathung ausfindig zu machen, wie man das Heer verstärken und das Ungestüm der Parthischen Völker, die mit Krieg drohten, demüthigen könnte. Um keinen Verdacht zu erregen, wurde der Unterstatthalter Prosper geschickt, um bis zu seiner Rückkehr seine Stelle zu vertreten. Nach Empfang dieses Schreibens, welchem zugleich die Erlaubniß, die kaiserlichen Fuhrwerke zu gebrauchen, beigefügt war, eilten wir in großen Tagereisen nach Mailand. Nun blieb noch übrig, daß der entbotene Cäsar eben so schnell folgte. Um jeden Schein des Verdachtes zu verwischen, bat Constantius seine Schwester, des Gallus Gemahlin, mit vielen Schmeichelworten, wobei er es doch nicht herzlich meinte, endlich einmal zu ihm zu kommen, da er, sie wieder zu sehen, sich sehne. Obgleich ihr die Sache bedenklich schien, weil sie seine gewöhnliche Härte fürchtete, so reiste sie dennoch in der Hoffnung ab, ihn, als ihren leiblichen Bruder, besänftigen zu können; als sie aber nach Bithynien [61] gekommen war, starb sie auf der Station, welche Cänos gallicanos genannt wird, an einem plötzlichen, heftigen Fieber. Nach ihrem Tode sah ihr Gemahl ein, daß die einzige Stütze, worauf seine Hoffnung ruhte, gesunken sey, und dachte ängstlich hin und her, was er zu beginnen habe. In dieser verwickelten und wankenden Lage beängstigte ihn Das am meisten, daß Constantius, blos nach seinem Sinne verfahrend, weder eine Entschuldigung annehmen, noch gegen seine Verirrung nachsichtig seyn, sondern ihm, wie er denn zum Verderben seiner Verwandtschaft geneigt war, eine Falle legen, und wenn er sich unvorsichtig fangen ließe, ihn mit dem Tode strafen möchte. In dieser Verlegenheit mußte er, so viel war ihm deutlich, das Aeußerste fürchten, wenn er nicht wachsam war. Deßhalb gedachte er, sich, wenn sich nur eine Gelegenheit dazu fände, zum Kaiser aufzuwerfen; allein er fürchtete die Treulosigkeit seiner Umgebungen aus dem zweifachen Grunde, daß man ihn als blutgierig und unbeständig verabscheute und auch das größere Glück des Constantius bei innern Unruhen fürchtete. Unter diesen steten Sorgen erhielt er ein Schreiben über das andere vom Kaiser, der ihn dringend aufforderte und bat, zu ihm zu kommen, auch mit zweideutigen Worten zu verstehen gab, der Staat könne und dürfe keine Theilung leiden, sondern Jeder müsse demselben in der schwankenden Lage nach Kräften beistehen, auf die traurige Verwüstung Galliens hindeutend. Auch fügte er, als ein, noch in frischem Andenken stehendes Beispiel hinzu, daß dem Diocletian und seinen Mitregenten ihre Cäsarn als dienende Gehülfen nicht in Ruhe sitzend, sondern überall umherziehend, zu gehorchen bemüht [62] gewesen; daß in Syrien Galerius im Purpur sogar tausend Schritte weit vor dem Wagen des ihm zürnenden Kaisers zu Fuße einhergegangen sey. Nach vielen Andern kam endlich auch Scudilo, Tribun der Schildträger an, der, unter der Hülle eines unbeholfenen Wesens, schlau zu überreden meisterlich verstand. Dieser allein vermochte ihn in einschmeichelnder, mitunter ernster Rede zur Reise zu bewegen, mit erheuchelter Gutmüthigkeit gar oft versichernd, sein Vetter, der Kaiser, brenne vor Sehnsucht, ihn bei sich zu sehen; er würde als ein gnädiger, milder Fürst, was aus Unbedacht geschehen, gerne vergessen, und ihn, längst Mitbesitzer der Majestät, auch zum Genossen der Anstalten machen, welche die lange gebeugten, nördlichen Provinzen erforderten. Und wie überhaupt der Mensch, wenn sein Verhängniß mit Gewalt auf ihn eindringt, seine Besinnung verliert und betäubt wird, so ließ auch er sich durch diese Vorspiegelungen zu neuen Hoffnungen verleiten und reiste, von zürnender Gottheit geleitet, aus Antiochien ab, völlig nun, wie das alte Sprichwort sagt, aus dem Rauch in’s Feuer zu rennen. In Constantinopel angekommen ließ er, als befände er sich in den glücklichsten Umständen und in völliger Sicherheit, ein Wagenrennen veranstalten, und setzte einem gewissen Corax, der den Preis davon getragen, die Siegerkrone mit eigener Hand auf. Als Constantius Dieß erfuhr, überstieg sein Zorn fast alle menschliche Grenzen, und damit Gallus nicht etwa, über sein Schicksal ungewiß, etwas zu seiner Rettung zu unternehmen unterweges Gelegenheit hätte: so wurden absichtlich alle Garnisonstruppen aus den Städten entfernt, durch welche er [63] kommen mußte. Um diese Zeit reiste Taurus, dex gerade als Quästor nach Armenien ging, ohne ihm seine Aufwartung zu machen, oder anzuhalten, keck an ihm vorbei. Allmählig wurde er auf des Kaisers Befehl von Mehreren umgeben, die unter dem Scheine von mancherlei Dienstleistungen ihn bewachen mußten, daß er sich nicht regen und insgeheim etwas zu seiner Rettung versuchen konnte. Unter ihnen befand sich Leontius, der nachherige Stadtpräfekt als Quästor, Lucillianus als Befehlshaber der Haustruppen, und Bainobaudes als Oberst der Schildträger. Als er nach Zurücklegung der großen Wegstrecke durch die Ebene nach Adrianopel, einer Stadt am Hämus, früher Uskudama genannt, gekommen war und hier in zwölf Tagen seine, durch Anstrengung erschöpften Kräfte wiederherstellen wollte, erfuhr er, daß die in benachbarten Städten stehenden Thebäischen Legionen einige Abgeordnete geschickt hätten. Diese hatten die Absicht, ihn, durch feste und treue Versprechungen, zu bewegen, im Vertrauen auf sie, die in großer Anzahl die benachbarten Posten besetzt hätten, zurückzubleiben; allein seine Umgebung hatte ein so wachsames Auge, daß er keinen Augenblick erstehlen konnte, sie zu sehen, oder ihre Botschaft zu hören. Da nun hier ein Brief über den andern kam und er weiter zu reisen gedrängt wurde, erhielt er, auf Befehl, zehn kaiserliche Wagen und ließ seinen ganzen Hofstaat, mit Ausnahme der wenigen mitgebrachten Köche und Kammerdiener, zurück. Mit Staub bedeckt, wurde er, durch wiederholte Nöthigung, zur Eile gezwungen, und verwünschte manchmal mit Thränen seine Unbesonnenheit, die ihn verächtlich gemacht [64] und der Willkühr der niedrigsten Diener freigestellt hatte. Aber auch selbst wenn die erschöpfte Natur ihm Schlaf gewährte, wurde er von umherschwirrenden Schreckgestalten gequält; die Schaaren der Ermordeten, den Domitian und Montius an ihrer Spitze, ergriffen ihn in seinen Träumen und schleuderten ihn in die Marterzangen Furien. Denn Geist, der von den Banden des Körpers entfesselt, wirkt in steter Thätigkeit fort, ist denselben Gedanken und Sorgen unterworfen, die der Sterblichen Gemüth beängstigen, und nächtliche Gesichte, die wir Erscheinungen nennen, stellen sich ihm dar. Indem also ein trauriges Loos des Schicksals, das ihm Leben und Thron zu rauben bestimmt war, ihm den Weg bahnte, kam er, durch häufiges Wechseln der Gespanne den langen Weg rasch zurücklegend, in Petobio53, einer Stadt Norikums, an. Hier enthüllten sich auf einmal die versteckten Gänge der Ueberlistung. Unvermuthet nämlich erschien Barbatio, der unter ihm die Haustruppen befehligte, nebst dem Hofagenten Apodemius, begleitet von Truppen, welche der Kaiser mit Wohlthaten sich verpflichtet, und deßhalb hiezu ausersehen hatte, überzeugt, daß sie weder durch Belohnung, noch durch Mitleid sich umstimmen ließen. Jetzt wurde die Sache nicht mehr mit verstellter List getrieben; der ganze, außer der Ringmauer belegene Pallast wurde mit Bewaffneten umgeben. Mit Anbruch der Nacht hielt der Cäsar seinen Einzug; Barbatio nahm ihm sofort die königliche Kleidung ab, legte ihm eine Tunika und ein gewöhnliches [65] Oberkleid an, und gab ihm im Namen des Kaisers durch wiederholte Schwüre die Versicherung, daß ihm nichts widerfahren sollte. Dennoch sagte er alsbald: „Brich auf, Cäsar!“ setzte ihn unvermuthet auf einen Privatwagen, und brachte ihn nach Istrien, in die Nähe des Städtchens Pola, wo, der Sage nach, auch Crispus, Constantius Sohn, gemordet wurde54. Hier wurde er in strengster Haft gehalten, aus Furcht vor dem nahen Untergange schon halb todt. Da eilten Eusebius, damals Kammerherr, und der Staatssecretär Pentadius und Mellobaudes, der Oberste der schwerbewaffneten Garde herbei, um eine in’s Einzelne gehende Rechenschaft von ihm zu verlangen, aus welcher Ursache er jeden der zu Antiochien Getödteten hätte hinrichten lassen? Todtenblässe55 übergoß ihn und er vermochte nur so viel zu reden, daß er die Meisten auf Anstiften seiner Gattin Constantina gemordet habe. Dabei war ihm fürwahr unbekannt, daß Alexander der Große seiner Mutter, welche auf die Fällung eines Todesurtheils gegen einen Unschuldigen drang und um ihn desto eher dazu zu bewegen, hinzufügte, daß sie ihn neun Monate unter ihrem Herzen getragen, die vernünftige Antwort gab:„Verlange einen andern Lohn, beste Mutter; denn keine Wohlthat wiegt das Leben eines Menschen auf!“ [66] Als der Kaiser Dieß erfuhr, wurde er von unversöhnlichem Zorn und Unwillen ergriffen, und sah den einzigen Weg, seine eigene Sicherheit zu begründen, im völligen Sturze des Gallus. Er fertigte daher den Serenianus, der, wie oben erzählt, des Hochverraths angeklagt, aber durch allerhand Schleichwege losgekommen war, den Staatssekretär Pentadius und den Hofagenten Apodemius ab, das Todesurtheil zu vollstrecken. Da wurden ihm denn, wie einem gemeinen Räuber, die Hände zusammengebunden und das Haupt abgeschlagen. Als verstümmelter Leichnam, des Antlitzes und Hauptes Würde beraubt, lag er nun da, er, vor dem noch kurz zuvor Städte und Länder gezittert hatten. Doch es wacht in allen Dingen eine gerechte, höher waltende Gottheit. Dem Gallus bereiteten seine grausamen Handlungen den Untergang und nicht lange nachher wurden die Beiden von schmerzlichem Tode hingerafft, welche ihn, wenn auch schuldig, durch Schmeichelei und Meineid bis zum Mordstahle geleitet hatten; denn Scudilo starb an einer Lungenschwindsucht, und Barbatio, der schon lange falsche Beschuldigungen gegen ihn ersonnen hatte, wurde, weil ihn Einige durch Einflüsterungen verdächtig gemacht hatten, als wolle er über seine Befehlshaberstelle hinaus und höher steigen, zum Tode verurtheilt und sühnte so durch traurigen Untergang die Manen des durch Hinterlist gefallenen Cäsars. Solches und Unzähliges der Art wirkt zuweilen – und, möchte sie es doch immer! – die Bestraferin ruchloser Thaten, der guten Belohnerin, Adrastea, die wir auch mit anderm Namen Nemesis nennen; die erhabene Macht einer wirksamen Gottheit, die nach Mancher Meinung hoch über [67] dem Weltbezirk und der Mondsphäre thronet, oder nach Andern ein mächtiger Schutzgeist ist, leitend Jeden in dem ihm bestimmten Geschicke; die alten Theologen geben sie für eine Tochter der Gerechtigkeit aus und lehren, daß sie aus einer verborgenen Ewigkeit herabschaue auf das Treiben der Welt. Sie, als die Königin aller Ursachen, als die Schiedsrichterin und Lenkerin der Dinge, mischt die Loose in der Urne des Schicksals und leitet den Wechsel der Ereignisse; sie führt unsere Pläne oft zu einem andern Ausgang, als wir beabsichtigten, und läßt vielfältig aus den Handlungen entgegengesetzte Erfolge hervorgehen. Sie ist es, die mit unauflöslichen Banden den vergeblich sich blähenden Stolz der Sterblichen umschlingt und, Steigen und Fallen nach Verdienste lenkend, bald den hochfahrenden Stolz niederdrückt und beugt, bald die Guten von der niedrigsten Stufe aufstreben läßt und sie zu glücklichem Leben emporhebt. Deßhalb hat ihr fabelhafte Alterthum Schwingen angedichtet, damit man begreifen möge, daß sie mit der Schnelle des Fluges überall gegenwärtig sey; deßhalb hat es ihr ein Steuer in die Hand und ein Rad unter die Füße gegeben, damit es nicht unbekannt bleibe, daß sie, durch die Elemente sich verbreitend, das Weltall regiert. So erlag er denn einem frühen Tode, selbst schon des Lebens überdrüssig, im neunundzwanzigsten Lebensjahre, nach einer vierjährigen Regierung. Er war geboren auf dem veternensischen Gute56 in Tuscien; sein Vater Constantius [68] war ein Bruder des Kaisers Constantin, seine Mutter Galla, eine Schwester des Rufinus und Cerealis, welche Beide mit Ruhm die Würde des Consulats und der Präfekrur bekleidet hatten. Schöne Gesichtsbildung zeichnete ihn aus; edel war die Haltung seines Körpers; alle Glieder im gehörigen Ebenmaße; blond sein Haupthaar und weich; sein Bart keimte in zartem Flaum zwar jetzt erst empor, obwohl er schon früher ein männliches Ansehen besaß; vom gemäßigten Betragen seines Bruders Julian war er so weit entfernt, als Domitian und Titus, Vespasians Söhne, von einander verschieden waren. Emporgehoben zur höchsten Stufe des Glücks empfand er der Glücksgöttin Wankelmuth, die mit den Sterblichen ihr Spiel treibt und Manche bald bis zu den Sternen erhebt, bald in die Tiefe des Cocytus hinabstürzt. Unter den zahllosen Beispielen zum Belege dieser Wahrheit will ich nur wenige oberflächlich anführen. Diese launisch wankelmüthige Fortuna hat den Sikuler Agathokles vom Töpfer zum Könige, und den Dionysius, einst der Völker Schrecken, zum Schulmeister in Corinth gemacht. Sie hat den in der Walkmühle gebornen Andriscus57 aus Adramyttum, unter dem falschen Namen des Philippus erhöht und den rechtmäßigen Sohn des Perseus das Schmiedehandwerk gelehrt, um sich den nothdürftigen Lebensunterhalt zu erwerben, Sie ließ den Feldherrn Mancinus58 den Numantinern ausliefern, den Veturius59 der Wuth der Samniten, den Claudius60 [69] dem Corsenvolke preisgeben und den Regulus61 Carthagischer Wildheit; sie ließ den Pompejus62, nachdem er sich durch das Gewicht seiner Großthaten den Beinamen des Großen erworben, in Aegypten unter dem Schwerte elender Verschnittener fallen. Und hat nicht der aus dem Arbeitshause entwichene Eunus63 in Sicilien die Flüchtlinge als Befehlshaber geführt? Wie viele Edelgeborne haben nicht auf den Wink dieser Weltbeherrscherin des Viriathus64 Knie, oder des Spartacus65, bittend umfaßt? Wie viele Häupter, vor denen die Welt erzitterte, sind nicht unter entehrendem Henkerschwerte gefallen? Der Eine geräth in Fesseln, der Andere gelangt zu unerwarteter Macht, ein Anderer wieder wird vom höchsten Gipfel der Ehre hinabgestürzt! Alle diese so häufigen Wechselfälle aufzählen zu wollen, wäre eben so thöricht, als wenn man die Sandkörnlein zählen und der Gebirge Last abwägen zu können vermeinte.

Anmerkungen

1 Gegen den Magnentius, der sich (350) in Gallien zum Gegenkaiser aufgeworfen hatte, aber durch erlittene Niederlagen genöthigt wurde, sich selbst den Tod zu geben (353). Gibbon 4, S. 237–254.

2 D. h. kaiserlicher Prinz. Gallus war Neffe Constantins des Großen.

3 Constantina.

4 Constantin hatte ihm Pontus, klein Armenien und Cappadocien zugetheilt, allein kaum war Constantin todt, als ihn Constantius ermorden ließ. Gibbon 4, 178 ff.

5 Pausanias Corinth. C. 16. u. Att. C. 34. Marcius soll die Schlacht bei Cannä vorher prophezeit haben. Livius XXV, 12.

6 Ihr Name ist unbekannt, wahrscheinlich ist sie aber, wie schon Wagner nach Vaillant und Andern bemerkt hat, die Diva Paulina, die auf einer Silvermünze vorkommt. Spanh. de us. et praest. num. II, p. 300.

7 Dieser Name bezeichnete damals nicht, wie früher, einen General der Leibwache, sondern einen obersten Civilstatthalter.

8 Ein Gebirgsvolk im Süden von Kleinasien. Mannert, Geographie der Griechen und Römer, VI, 2, 182.

9 Heutzutage Cunjah oder Cogni; S. Mannert Geogr. VI, 2, S. 195 ff. wegen Pisidien ebendas. 168.

10 Rede f. d. Cluentius, C. 24.

11 Sciron war ein gefürchteter Straßenräuber, welchen Theseus erschlug. Als dessen Gebeine zwischen dem Piräischen Hafen und Megara in’s Meer fiel, verwandelten sie sich in Felsen. Nach Andern hatte er auf jenen Felsen seinen Aufenthalt.

12 Mannert, VI, 2, 125.

13 Jetzt Larenda. Mannert, VI, 2, 208 ff.

14 Scheint nicht sowohl eine Stadt, als vielmehr eine Burg gewesen zu seyn, und zwar nach Wesseling ad Itinerar. p. 709 in Isauria.

15 In Cilicien durch den Beinamen Trachea von andern gleichnamigen Städten unterschieden.

16 Jetzt Fiume die Ferro; nach Andern: Kelikdeni.

17 Eigentlich nur ein Theil Mesopotamiens; Mannert, V, 2, 261 ff.; allein nach Constantin wahrscheinlich von Mesopotamia getrennt. Wesseling, a. a. O. S. 713.

18 Südwestlich vom heutigen Orfa im fruchtbarsten Theile Mesopotamiens, welcher Anthemusia hieß.

19 Ein Volk an der Grenze von China.

20 Heutzutage Khabur.

21 Unten Sceniten genannt, XXII, 15, u. XXIII, 6. Vergl. Mannert, VI, 1, 197 ff. Bolney Reisen, II, 305.

22 Ein Volk in Nubien.

23 Ueber den Magnentius.

24 Vergl. unten B. 21, C. 16.

25 Constantin hatte angefangen, unentgeldlich Wein unter das Volk austheilen zu lassen, so wie schon früher Getreide, Brod und Oehl ausgetheilt wurde, worüber der Stadtpräfekt die Oberaufsicht hatte.

26 Auch Florus hat die verschiedenen Epochen Roms ähnlich bezeichnet, B. I. z. A. Vergl. Seneka bei Laktanz VII, 15.

27 Livius XL, 34; Valer. Max. II, 5.

28 Werke und Tage I, 287–290.

29 Plutarch Lebenbeschr. Cato, C. 19.

30 Da die Zahl der Clienten eines vornehmen Römers so groß war, daß nicht Alle bei Schmausereien zugezogen werden konnten, so erhielten die Nichtgeladenen besonders bei festlichen Gelegenheiten Eßwaaren und Wein, und späterhin statt dessen wohl auch Geld.

31 Nomenclator war der Sclave, dessen Geschäft es war: Namen, Stand und Gewerbe möglichst vieler Bürger zu behalten, um seinem Herrn, wenn er ausging, die ihm Begegnenden namhaft zu machen, besonders wenn er sich um ein Ehrenamt bewarb, und die Stimmfähigen um ihre Stimme bat. In der spätern Zeit scheint es ihr Hauptgeschäft gewesen zu seyn, Diejenigen einzuladen, welche zur Tafel gezogen werden, oder Spenden empfangen sollten.

32 Possenreißer.

33 Homer, Odyssee, IX, 84 ff. Heerens Ideen (1ste Ausg. 1793) I, 63 ff., wo man sieht, daß auch jetzt noch die Frucht des Rhamnus Lotus Linn. in diesen Gegenden – Carthag. Gebiet, wo die Lotophagen wohnten – zur gewöhnlichen Nahrung dient.

34 Gehört zu den oben erwähnten Spenden. Vergl. Plin. d. J. X, Br. 117–18.

35 Val. Max. II, 4.

36 Zuerst von Constantin, nach ihm, weil das Volk sich diese Kampfspiele nicht nehmen lassen wollte, von Constantius, Julianus u. A. unter schärferen Strafen.

37 Mannert hält diesen Ort für einen und denselben mit Thelseä. VI, 1, 416.

38 S. oben C. 1.

39 Nicht Römische Truppen. Gibbon, IV, 119 ff.

40 Mannert, VI, 2, 79. Jetzt Seleukie.

41 Jetzt Erekli.

42 Jetzt Serki Serail.

43 Jetzt Messis.

44 Florus, III, 5.

45 Jetzt Almadaghi.

46 Nikator bedeutet: der Sieger.

47 Jetzt Aasi.

48 Vgl. unten B. XXII, C. 15.

49 Dio Cassius, LXVIII, 32.

50 Hauptstadt der Landschaft Mygdonia in Mesopotamien.

51 Oben Cap. 7.

52 Vielleicht der Gebrauch, von dem Tacitus spricht, Annal. XII, 47.

53 Jetzt Petau, an der Drau in Steyermark.

54 Gibbon IV, 163 ff.

55 Im Texte: Adrasteische Blässe: wahrscheinlich eine Anspielung auf Adrast, König von Argos, der im Kriege gegen Theben unglücklich war, und nur durch schnelle Flucht sich rettete.

56 Massa kann ein Gut überhaupt, aber auch ein Ortsname seyn. Ein Städtchen Massa existirt noch bei Siena in Toskana.

57 Florus II, 14.

58 Derselbe II, 18.

59 Livius IX, 10.

60 Valer. Max. VI, 3.

61 Florus II, 2.

62 Dio Kassius, XLII, 4, 5.

63 Florus III, 19.

64 Florus II, 17.

65 Florus III, 20.