1. Buch
Übersetzung
1 [1] Die Mehrzahl derjenigen, welche sich auf Sammlung geschichtlicher Kunde verlegten, und in dem Bestreben nach unvergänglichem Schriftstellerruhme, der sie dem Schicksal, sich unbeachtet unter dem großen Haufen zu verlieren, entziehen sollte, das Andenken an gewisse Vorfälle alter Zeit zu erneuern suchten, haben sich um die Wahrheit in ihren Darstellungen wenig gekümmert, aber dafür desto mehr Sorgfalt auf den sprachlichen Ausdruck und seine Schönheit verwendet. Sie lebten nämlich der zuversichtlichen Hoffnung, daß, wenn auch der Inhalt ihrer Erzählung manchmal fabelhaft sein möchte, ihnen doch die Anmuth ihrer Darstellung zum Verdienst angerechnet werden dürfte, während es andrerseits nicht leicht sein werde, die größere oder geringere Genauigkeit ihrer Forschung zu untersuchen. Ferner gibt es andere, die aus Feindschaft oder Haß gegen Tyrannen, sowie aus Schmeichelei oder Ehrerbietung gegen Könige, Staat und Privatpersonen, unbedeutende und geringe Thatsachen durch ihre beredte Darstellung zu einer die Wahrheit übersteigenden Wichtigkeit erhöht haben. Ich dagegen habe es unternommen, von geschichtlichen Ereignissen, die ich nicht als unbekannte und unbezeugte von andern entnommen habe, sondern die allen denen, die mein Buch lesen werden, noch in frischem Gedächtnisse sind, mit aller möglichen Wahrhaftigkeit und [2] Genauigkeit eine übersichtliche Darstellung zu geben, deren Lektüre, wie ich hoffe, auch für die Nachwelt nicht ohne Interesse sein wird bei der Menge und Wichtigkeit der Begebenheiten, welche sich innerhalb eines so kurzen Zeitabschnitts ereignet haben. Denn wenn man die ganze Zeit von Augustus an, seit der Umwandlung der Römerherrschaft in eine Monarchie prüfend überblickt, so dürfte man schwerlich, während der ziemlich zweihundert Jahre1 bis zu den Zeiten des Kaisers Markus, eine solche Wechselfolge von Kaiserregierungen, so bunte Wechselfälle innerer und äußerer Kriege, und eine solche Fülle von Völkerbewegungen und Städteeroberungen, theils in unserem eignen, theils in zahlreicher fremder Völker Gebiete, so viele Erdbeben2 und Luftverpestungen, so wundersame Lebensschicksale von Tyrannen und Kaisern finden, dergleichen früher nur selten oder niemals erhört worden sind. Von den letzteren hatten einige eine sehr lange, andere nur eine sehr kurze Regierung, während noch andere es nicht weiter brachten als bis zu dem Titel und einer wenige Tage dauernden Erhöhung, von der sie sofort wieder hinabgestürzt wurden. Da solchergestalt innerhalb sechzig Jahren das Römerreich bedeutend mehr Kaiserregierungen sah, als dieser Zeitraum erforderte, so konnte es an vielen und mannigfachen Begebenheiten wunderbarer Art nicht fehlen. So führten die bejahrteren Herrscher, weil sie mehr Erfahrung in den Geschäften besaßen, ihr Regiment mit größerer Rücksicht für ihren eignen Ruhm und für das Wohl ihrer Unterthanen; die sehr jungen hingegen, welche leichtsinnig in den Tag hinein lebten, machten viele Neuerungen. Daher war natürlich bei solchem Unterschiede der Lebensalter und der Lebensauffassung ihr Thun und Treiben nichts weniger als ähnlich. [3] Den Verlauf aller dieser Dinge nun will ich in chronologischer Ordnung und nach der Folge der Regierungen erzählen.
2 Im Laufe seiner Regierung wurden dem Markus mehrere Töchter, aber nur zwei Söhne geboren. Von diesen Söhnen starb der eine, welcher Verissimus hieß, sehr jung; den überlebenden, welcher Commodus hieß, erzog der Vater mit großer Sorgfalt, indem er von überall her aus den verschiedenen Ländern die berühmtesten Gelehrten unter sehr vortheilhaften Bedingungen an seinen Hof berief, damit sie durch ihren beständigen Umgang seinen Sohn ausbilden sollten. Seine Töchter verheirathete er, als sie mannbar geworden waren, an die ausgezeichnetsten Mitglieder des Senats, indem er nicht solche zu Schwiegersöhnen sich erkor, welche durch eine lange Ahnenreihe zum höchsten Adel oder durch ihr Vermögen zu den Reichsten gehörten, sondern Männer von ausgezeichnetem Charakter und musterhaftem Lebenswandel. Denn diese Eigenschaften allein hielt er für geistige und unverlierbare Besitzthümer. Ueberhaupt war jegliche Art von Tugend Gegenstand seines Bestrebens, und von alterthümlicher Gelehrsamkeit war er ein solcher Freund, daß er Keinem weder unter den Römern noch unter den Griechen darin nachstand. Einen Beweis dafür liefern alle seine uns erhaltenen Reden und Schriften3. Er bewies sich auch gegen seine Unterthanen als einen gütigen und milden Herrscher4, der die ihn antretenden stets freundlich empfing, und seinen Trabanten verbot, irgend wen, der ihm nahen wollte, fortzutreiben. Und wie er der einzige von allen Kaisern war, der die Philosophie nicht durch Redensarten oder dogmatisches Wissen, sondern durch einen würdigen Charakter und weisen Lebenswandel bewährte, so brachte auch sein Zeitalter eine große Anzahl weiser Männer hervor. Denn es ist eine alte Erfahrung, daß die Unterthanen gern der Ansicht des Herrschers nacheifern und nachleben. [4] Was nun seine tapfern und weisen Thaten betrifft, in welchen er als Feldherr und Staatsmann seine großen Eigenschaften sowohl gegen die Barbarenvölker im Norden der Erde als gegen die, welche im Morgenlande ihr Leben führen, bewährt hat, so haben dieselben in vielen gelehrten Männern ihre Darsteller gefunden. Ich dagegen habe dasjenige beschrieben, was ich nach des Markus Tode im Verlaufe meines ganzen Lebens gesehen und gehört, zum Theil auch, während ich in kaiserlichen oder bürgerlichen Aemtern stand, selbst thätig mitgemacht habe.
3 Markus war bereits betagt und nicht nur von Alter, sondern mehr noch von Strapazen und Sorgen gebrochen, als ihn während seines Aufenthalts im Päonerlande5 eine schwere Krankheit befiel. Als er nun ahnte, daß es für ihn mit den Ausrichten zur Genesung schlecht stehe, erfüllte ihn der Hinblick auf seinen Sohn, der eben erst an der Schwelle des Jünglingsalters stand, mit der Furcht, daß derselbe, wenn er in blühender Jugend verwaist, zu völlig unumschränkter Freiheit des Handelns gelange, die Zügel guter Lehren und Grundssätze abstreifen und sich den Trinkgelagen und Unmäßigkeiten hingeben möchte; denn nur allzuleicht weichen die Seelen der Jünglinge, wenn sie unvermerkt den sinnlichen Genüssen anheimfallen, von dem Wege guter Erziehung ab. Und wie er denn ein vielbelesener Mann war, so beunruhigte ihn fortwährend auf das Aeußerste die Erinnerung an alle die, welche in großer Jugend zur Herrschaft gelangt waren, wie z. B. an Dionysius, den Sizilischen Tyrannen6, der aus übermäßiger Lustbegier nach immer neuen Genüssen jagte, auf deren Erfindung er hohe Preise setzte. Er dachte auch an Alexanders Nachfolger [5] und ihre Uebermüthigkeiten und Vergewaltigungen gegen ihre Unterthanen, durch welche sie die Regierung jenes großen Herrschers geschändet; an einen Ptolemäus7, der sogar so weit gegangen war, gegen Makedonische und Hellenische Sitte mit seiner eigenen Schwester Buhlschaft zu treiben; an einen Antigonus, der in Allem dem Bacchus nachahmte, sein Haupt mit Epheu statt mit dem Hute und dem Makedonischen Diadem umwand, und einen Thyrsus statt des Scepters führte. Noch mehr beunruhigte ihn die Erinnerung an Beispiele, welche nicht fernab, sondern noch in frischer Nähe liegen; an Nero’s Thaten, der es bis zum Muttermorde getrieben und sich selbst als Schauspieler vor seinen Völkern lächerlich gemacht hatte, und an die Frechheiten Domitians8, die den Gipfel der Grausamkeit erreicht hatten. Die Vorstellung von solchen Bildern der Tyrannei ließ ihn zwischen Furcht und Hoffnung schwanken. Zugleich beunruhigten ihn nicht wenig die benachbarten Germanen, die er noch keineswegs sämmtlich unterworfen, sondern theils durch Ueberredung zu Verbündeten gemacht, theils mit Waffengewalt besiegt hatte. Einige Stämme waren auch zurückgewichen und hatten ihre Angriffe auf die Reichgrenzen aus Furcht vor der Anwesenheit eines so tapfern Kaisers auf eine günstigere Zeit verschoben. Er besorgte daher, diese würden die Jugend seines Nachfolgers benützen und ihn angreifen. Denn das [6] Barbarenvolk ist sehr geneigt, bei der ersten besten zufälligen Gelegenheit sich in Bewegung zu setzen.
4 Da nun solche Gedanken in seiner Seele auf und ab wogten, berief er seine Freunde und die in seiner Umgebung befindlichen Verwandten, stellte ihnen seinen Sohn vor, und begann, als Alle beisammen waren, mühsam sich von seinem Lager erhebend, folgende Anrede: „Daß Ihr betrübt seid über den Zustand, in welchem Ihr mich erblickt, wundert mich keineswegs. Denn das Menschenherz empfindet von Natur Mitleid mit den Leiden von seines Gleichen, und die Theilnahme steigert sich, wenn diese Leiden unter unsern Augen sich ereignen. In Bezug auf mich aber wird, glaube ich, Euer Mitgefühl noch durch gewisse besondere Umstände gesteigert. Denn nach Maßgabe meiner eignen Gesinnung gegen Euch habe ich es immer für natürlich gehalten, bei Euch ein ähnliches Wohlwollen zu finden. Nun aber ist jetzt der gelegene Moment da, wo ich meinerseits die Erfahrung machen kann, daß ich nicht vergebens so lange Zeit Euch Ehre und Wohlthaten erwiesen habe, und wo Ihr eurerseits mir dadurch danken könnt, daß Ihr zeigt, wie Ihr nicht vergessen habt, was Ihr von mir empfangen. Hier seht Ihr meinen Sohn, den Ihr selbst erzogen habt, der eben erst an der Schwelle der Jünglingsjahre steht, und wie ein Schiff in Sturm und Unwetter Steuermänner nöthig hat, damit das schwanke Fahrzeug seiner ungenügenden praktischen Erfahrung nicht gegen die Klippen schlechter Rathschläge geworfen wird. Werdet Ihr ihm also an meiner Statt viele Väter, die seine Bahn überwachen und ihn auf das Beste berathen. Denn wie einerseits keine Fülle von Schätzen ausreichend ist für die Unmäßigkeit einer Tyrannenregierung, so ist andrerseits auch keine noch so große bewaffnete Macht im Stande, den Regenten zu schützen, wenn seiner Herrschaft Fundament nicht die Liebe der Unterthanen ist. Vorzüglich haben solche Regenten eine lange Herrschaft ungefährdet behauptet, die nicht Furcht durch ihre Grausamkeit sonder sehnsüchtige Erinnerung an ihre Trefflichkeit den Gemüthern ihrer Unterthanen [7] eingeflößt hatten. Denn nicht die, welche Sklaven sind, weil sie müssen, sondern die, welche mit Ueberzeugung Gehorsam leisten, verharren in ihrem Handeln und Dulden unverdächtig und ohne heuchlerische Schmeichelei, und entreißen sich dem Zügel des Gehorsams niemals, außer wenn sie durch gewaltthätige und übermüthige Behandlung dazu gebracht worden. Nun ist es aber schwer, seinen Begierden Maaß und Ziel zu setzen, wenn Unumschränktheit des Handelns zu Diensten steht. Wenn Ihr ihn nun in dieser Weise berathet, und ihm in’s Gedächtniß ruft, was er in diesem Augenblicke mit eigenen Ohren vernimmt, so werdet Ihr aus ihm für Euch und alle andern den besten Regenten machen, und zugleich meinem Andenken den größten Dienst erweisen, da Ihr nur so im Stande sein werdet, dasselbe unsterblich zu machen.“ Als Markus diese Worte gesprochen hatte, überfiel ihn eine Ohnmacht, die ihn aufzuhören zwang, und ihn schwach und athemlos auf sein Lager zurücksinken ließ. Alle Anwesenden aber ergriff ein solches Mitleiden, daß Einige sich nicht enthalten konnten, in lautes Wehklagen auszubrechen. Nachdem er nur noch einen Tag und eine Nacht gelebt hatte, entschlief er, indem er in den Herzen seiner Zeitgenossen Sehnsucht und für die kommende Zeit ein ewiges Gedächtniß seiner Trefflichkeit hinterließ. Als nach dem Hinscheiden des Markus sich die Todeskunde verbreitete, wurde das ganze anwesende Militär und das gesammte Volk gleichmäßig von Schmerz ergriffen. Es war kein Mensch in dem ganzen weiten Römerreiche, der solche Botschaft ohne Thränen empfing, sondern alle nannten ihn wie mit einer Stimme bald einen liebevollen Vater, bald einen trefflichen Kaiser, während ihn andre als tapfern Feldherrn, andre als weisen und tugendreichen Herrscher priesen; und keiner redete die Unwahrheit.
5 Nachdem einige Tage vergangen waren, während deren sie den Sohn mit der Bestattung des Vaters beschäftigten, schien es den Freunden Zeit, den Jüngling dem Heere vorzustellen, damit er zu den Kriegern spreche, und durch Ertheilung des bei einem Thronwechsel üblichen Geldgeschenks, verbunden mit einer großmüthigen [8] freiwilligen Zulage sich das Heer geneigt mache. Es wurde also der Befehl ertheilt, daß alle sich auf dem gewöhnlichen Musterungsplatze einfinden sollten. Darauf erschien Commodus, und nachdem er die kaiserlichen Opfer vollzogen und die für ihn in der Mitte des Heeres aufgerichtete Rednerbühne bestiegen hatte, hielt er, umgeben von den Freunden seines Vaters, deren sich eine große Anzahl trefflicher Männer gegenwärtig befand, folgende Rede: „Daß Ihr meinen Schmerz über das, was uns betroffen hat, theilt, und nicht minder wie ich selbst Trauer darüber empfindet, davon bin ich vollkommen überzeugt. Wußte ich doch, daß ich, so lange mein Vater lebte, nichts vor Euch bei ihm voraus hatte. Liebte er uns doch insgesammt, als wären wir eine einzige Person, und machte es ihm doch mehr Freude, mich, „Kamerad“ als „Sohn“ zu nennen. Denn die letztere Benennung bezeichnete für ihn nur die natürliche, die erstere dagegen die Gemeinschaft der Tüchtigkeit. Wie oft nahm er mich noch im zarten Kindesalter mit sich und vertraute mich Eurer Ergebenheit an! Daher hege ich auch die Hoffnung, daß Ihr Euer ganzes Wohlwollen auf mich übertragen werdet, da die Bejahrteren unter Euch mir dasselbe als ihrem Zöglinge schulden, während ich die mir im Alter nahe stehenden mit Fug und Recht als meine Mitgenossen im Waffenhandwerk begrüßen darf. Denn uns Alle liebte mein Vater wie einen Sohn und erzog uns zu jeglicher Tüchtigkeit. Nach seinem Tode hat mich nun aber das Schicksal Euch zum Kaiser gegeben, nicht als einen adoptirten Erben9, wie es die waren, welche vor mir einer nur zufällig erworbenen Herrschaft sich rühmen durften, sondern ich allein bin im Kaiserpalaste von meiner Mutter zur Welt gebracht worden, und ohne von der Wiege eines Privathauses berührt zu werden empfing mich in dem Augenblicke, wo ich den Schooß der Mutter verließ, der kaiserliche Purpur10, und die Sonne, die mich [9] Mensch werden sah, erblickte mich zugleich als kaiserlichen Thronerben11. Mit Recht werdet Ihr also dieses erwägend mir als einem Kaiser Eure Liebe schenken, der Euch nicht gegeben, sondern geboren ist. Denn während mein Vater sich zum Himmel hinauf geschwungen hat, wo er jetzt bereits als Genosse und Gesellschafter der Götter weilt, liegt uns die Sorge ob, das menschliche Regiment auf Erden zu verwalten. Dieses aber aufrecht zu halten und fest zu stellen, ist Eure Sache, und Ihr könnt es, wenn Ihr die Reste des Krieges mit aller möglichen Energie vertilgt, und das Römerreich bis zum Ozean ausdehnt. Das wird einerseits Euch Ehre bringen, und andrerseits werdet Ihr dadurch den würdigen Lohn Eurer Dankbarkeit dem Andenken unseres gemeinsamen Vaters gewähren, der, wie Ihr überzeugt seid, unsere Worte vernimmt und unser Thun bewacht. Gewiß wird das Glück mit uns sein, wenn wir vor einem solchen Zeugen unsere Pflicht thun. Was Ihr bisher Tapferes vollbracht habt, kommt auf Rechnung seiner Weisheit und Feldherrnkunst; was Ihr dagegen mit mir, dem jungen Kaiser, bereitwillig leisten werdet, dafür werdet Ihr selbst den Ruhm Eurer guten Treue und Tapferkeit davontragen. Und wie Ihr einerseits meiner Jugend durch Eurer Thaten Mannhaftigkeit die nöthige Würde verleihen werdet, so werden andrerseits die Barbaren, wenn sie gleich am Beginne meiner jugendlichen Herrschaft gezüchtigt werden, nicht nur jetzt nicht wagen, im Vertrauen auf meine Jugend ihr Haupt emporzuheben, sondern auch für die Zukunft durch die schreckende Erinnerung an die gemachten Erfahrungen, in Furcht vor uns gehalten werden.“ Nachdem Commodus also gesprochen und mit großartigen Geldgeschenken sich das Heer geneigt gemacht hatte, begab er sich in den kaiserlichen Palast zurück.
6 Einige Zeit lang geschah nun Alles nach dem Rathe seiner väterlichen Freunde, welche Tag aus Tag ein bei ihm waren, ihn auf’s Beste beriethen, und ihm nur soviel freie Zeit ließen, als sie für eine [10] vernünftige Pflege des Leibes ausreichend erachteten. Bald aber schlichen sich einige von den Hofbedienten ein, welche das jugendliche Gemüth des Kaisers zu verderben versuchten. Dazu gesellten sich alle die Tafelschmeichler, welche die Glückseligkeit nach den Genüssen des Bauchs und sonstiger schmählichen Lüste bemessen. Sie erinnerten ihn an das Wohlleben in Rom, sprachen fortwährend von den Augen- und Ohrenschmäusen, die es biete, zählten die Fülle der dortigen Lebensgenüsse auf, und schimpften dagegen auf das ganze Klima an den Ufern des Istros12, das an Früchten unergiebig und stets kalt und eingenebelt sei. „Willst du nicht endlich aufhören, sprachen sie, o Gebieter, hart gefrorenes und aufgegrabenes Wasser zu trinken, während andere die warmen Quellen und das erfrischende Naß, die balsamischen Düfte und die Luft genießen, welche Italien allein so reich darbietet?“ Durch solche Vorstellungen regten sie in dem Jünglinge die Begierden zum Verlangen nach solchen Genüssen auf. Sofort berief er seine Rathgeber, und erklärte ihnen, daß er sich nach der Heimath sehne. Da er aber Scheu trug, die Ursachen dieser plötzlichen Anwandlung zu bekennen, so gab er vor: er hege die Besorgniß, es möchte einer der reichen Patrizier dort ihm in der Besitzergreifung des geheiligten Kaiserpalastes zuvorkommen, und dann wie von einer festen Burg aus, nachdem er sich Macht und Ansehen erworben, die Herrschaft an sich zu reißen versuchen. Die Bevölkerung Roms sei hinreichend, um einem solchen eine große Schaar erlesener junger Mannschaft zu liefern. Während der junge Kaiser solcherlei Vorwände aussprach, wurden alle andern in der Seele niedergeschlagen, und schauten mit [11] düsteren Blicken zu Boden. Pompejanus aber13, der unter ihnen allen der älteste und durch Heirath mit ihm verwandt war, – denn er hatte des Commodus älteste Schwester zur Ehe, – erwiederte ihm: „Dein Verlangen, o Sohn14 und Gebieter, nach der Heimath ist natürlich; sind wir andere doch gleichfalls von Sehnsucht nach unserm Heimwesen ergriffen. Aber die größere Wichtigkeit und Dringlichkeit der hiesigen Verhältnisse legt unserer Sehnsucht Zügel an. Was die Heimath bietet, wirst du auch noch späterhin eine lange Reihe von Jahren genießen können, und was Rom anbetrifft, so ist es da, wo der Kaiser ist15. Aber den Krieg unvollendet aufgeben, ist nicht nur unziemlich, sondern auch gefährlich. Denn dadurch würden wir den Barbaren Muth machen, welche in solchem Thun nicht Verlangen nach der Heimkehr, sondern Flucht und Furcht sehen werden. Deine Ehre aber liegt darin, erst dann, wenn du sie insgesammt unterworfen und den Ocean zur Nordgränze deines Reichs gemacht hast, im Triumphe, gefolgt von den gefangenen und gefesselten Königen und Satrapen der Barbaren, nach Hause zurückkehren. Durch solche Thaten sind auch die Römer vor dir groß und berühmt geworden. Zu fürchten aber, daß dir dort Jemand nach der Krone greifen möchte, hast du keine Ursache. Denn die tüchtigsten Mitglieder des Senats sind hier bei dir, und die gesammte um dich versammelte Streitmacht deines Reiches hält ihren Schild über dir; ebenso befinden sich hier alle kaiserlichen Kassen und das Andenken an deinen Vater hat dir die Treue und Liebe deiner Unterthanen fest gegründet.“ [12] Durch solchen Zuspruch zur Erweckung besserer Regungen brachte Pompejanus den jungen Kaiser für eine Zeit von seinem Vorhaben zurück. Denn Commodus, der über solche Vorhaltungen Scham empfand und außer Stande war, dagegen Vernünftiges zu erwidern, entließ die Freunde mit den Worten: „Er werde die Sache in reiflichere Erwägung ziehen!“16. Da aber seine Hofleute fortfuhren in ihn zu dringen, so machte er seinen Freunden weiter keine Mittheilung mehr, sondern vertheilte mittelst schriftlicher Befehle die Sorge für die Donauufer unter die ihm passend scheinenden Generale mit der Anweisung, die Einfälle der Barbaren zurückzuweisen, und verkündete dann seinen Aufbruch nach Rom. Die Generale vollzogen, was ihnen aufgetragen war: sie unterwarfen in nicht langer Zeit viele Barbarenstämme durch Waffengewalt, und brachten andere durch sehr vortheilhafte Anerbietungen ohne viele Mühe zum Abschluß von Freundschaftsverträgen. Denn die Barbaren sind von Natur geldgierig. Und wie sie die Gefahren verachtend sich durch Ueberfälle und Streifzüge die nöthigen Lebensbedürfnisse zu verschaffen suchen, sind sie auch sehr geneigt, sich durch große Geldsummen den Frieden abkaufen zu lassen. Das wußte Commodus, und um sich Sorgenfreiheit zu erkaufen, gab er, da er Geld im Ueberfluß hatte, alles, was sie forderten17.
7 Als der Abzug des Kaisers verkündet wurde, da entstand natürlich eine gewaltige Bewegung im Lager, und alle wünschten mit ihm zurückzugehen, um von dem Kriegsleben loszukommen und die Ueppigkeiten Roms zu genießen. Da aber die Kunde weiter drang und Boten in Rom anlangten, welche die Ankunft des Kaisers ansagten, da überließ sich das Römervolk unmäßiger Freude, und hegte die besten Hoffnungen von der dauernden Anwesenheit des jungen Selbstherrschers, indem man glaubte, daß er in die Fußtapfen seines [13] Vaters treten werde. Commodus machte die Reise mit jugendlicher Eilfertigkeit, durchzog hastig die auf seinem Wege liegenden Städte, ward überall kaiserlich empfangen, und wo er unter den festlich bewegten Einwohnern sich zeigte, war er der liebevolle und ersehnte Gegenstand aller Blicke. Als er dann in die Nähe von Rom kam, da war kein Halten mehr, sondern der ganze Senat und die gesammte Einwohnerschaft von Rom eilten einer vor dem andern mit Lorbeerzweigen und allen Blumen, welche gerade die Jahreszeit bot, soviel jeder nur konnte, soweit als möglich von der Stadt ihm entgegen, um den jungen hocherlauchten Kaiser zu schauen. Ihre Sehnsucht nach ihm war aufrichtig und berechtigt, da er unter ihnen geboren und erzogen, und durch eine dreifache Geschlechtsfolge rückwärts von kaiserlicher Abkunft, sowie auch von dem ältesten Adel der Römer war. Sein väterliches Geschlecht nämlich gehörte zu den ersten Senatorischen Familien; und Faustina18, seine Mutter, war als kaiserliche Prinzessin geboren, war eine Tochter des Antoninus, der den Zunamen „der Fromme“ führte, stammte mütterlicherseits vom Hadrian ab, und führte ihr Geschlecht auf Trajan, als ihren Urahnherrn, zurück. Solcherart war der Abstammung nach Commodus. Neben der Blüthe seiner Jugend war aber auch sein Aeußeres herrlich anzuschauen wegen seiner ebenmäßig gebauten Leibesgestalt und wegen der Schönheit seines von männlichem Ausdrucke beseelten Gesichts. Heiter und feurig strahlten die Blicke seiner Augen, sein Haar war natürlich gelockt und goldgelb, so daß, wenn er zufällig in der Sonne ging, ein so feuriger Glanz von ihm herleuchtete, daß die Einen glaubten, er lasse es, wenn er ausgehe, mit Goldstaub pudern19, während die Andern voll Staunen meinten, es umgebe sein Haupt von Natur ein himmlischer Glanz. Dazu umsproßte zarter Flaum seine Wangen. Als daher die Römer ihren Kaiser in solcher Gestalt von Angesicht zu Angesicht erblickten, empfingen sie ihn mit allen [14] möglichen Zurufen der Beglückwünschung und überschütteten ihn mit Blumen und Kränzen. Sobald er in Rom eingezogen war, begab er sich in das Heiligthum des Jupiter, und nachdem er sofort die übrigen Tempel der Reihe nach besucht hatte, stattete er dem Senate und den in Rom zurückgebliebenen Truppen seinen Dankgruß ab, daß sie ihm die Treue bewahrt, und zog sich dann in den Kaiserlichen Palast zurück.
8 Ein Paar Jahre lang erwies er den von seinem Vater ihm hinterlassenen Freunden noch alle und jede Ehre, und benutzte in all seinem Thun ihren Rath. Nachdem er aber selbst die Regierung übernommen hatte, ernannte er zum militärischen Oberbefehlshaber den Perennius, einen Mann von Italischer Abkunft, der für einen tüchtigen Kriegsmann galt, weshalb er ihm auch gerade das Kommando der Garden anvertraute. Dieser machte sich die Jugend des Kaisers zu Nutze, ließ ihn sich in Muße seinem Hange zu Vergnügungen und Ausschweifungen hingeben, und zog ihn von aller Sorge und Mühe der Regierungsgeschäfte ab, während er selbst die ganze Verwaltung des Reichs übernahm, wobei er eine unersättliche Habsucht bethätigte, die nie mit dem bereits Erworbenen zufrieden immerfort nach neuen Erwerbungen strebte. So begann er damit, zuerst die väterlichen Freunde bei dem Kaiser anzuschwärzen; und indem er alle Reichen und Vornehmen ihm verdächtig machte, schüchterte er den jungen Kaiser fortwährend ein, damit er ihm gestatten möchte, dieselben aus dem Wege zu räumen und ihr Vermögen an sich zu reißen. Einige Zeit lang hielt nun zwar die Erinnerung an seinen Vater und die Scheu vor dessen Freunden den Jüngling noch in Schranken. Aber gleichsam als ob ein böses und tückisches Geschick beflissen sei, das, was in ihm noch von Mäßigung und Anstand war, zu vertilgen, ereignete sich folgender Vorfall. Commodus hatte eine Schwester, die älteste von allen, Namens Lucilla. Dieselbe war früher mit dem Kaiser Lucius verheirathet gewesen, welchen Markus zu seinem Mitregenten gemacht, ihm seine Tochter zur Ehe gegeben und diese Ehe zu einem festen Bindemittel des gegenseitigen Wohlwollens [15] gemacht hatte. Nach dem Ableben des Lucius hatte sie der Vater mit Belassung der kaiserlichen Ehrenzeichen20 an den Pompejanus verheirathet. Auch Commodus gestattete ihr gleichfalls die Beibehaltung der gedachten Ehrenzeichen. Sie saß im Theater auf dem kaiserlichen Thronsessel, und man trug ihr das Feuer vor. Als aber Commodus selbst eine Gemahlin, die Crispina, heimführte, und die Nothwendigkeit es mit sich brachte, der Gemahlin des regierenden Kaisers den Vorrang zu geben, da nahm dies Lucilla sehr übel, weil sie in dem Vorzuge jener eine Beschimpfung für sich sah. Da sie aber wußte, daß ihr eigener Gemahl Pompejanus dem Commodus sehr zugethan war, so theilte sie diesem zwar von ihrem Anschlage auf den Thron nichts mit, dagegen suchte sie den Kodrates, einen hochgebornen und reichen jungen Mann, mit dem man sie auch heimlichen Umgangs verdächtigte, über seine Gesinnung auszuforschen, klagte ihm beständig über ihren verlorenen Rang vor, und brachte den Jüngling in kurzer Zeit dahin, Pläne zu schmieden, die ihm selbst und dem ganzen Senate verderblich werden sollten. Nachdem er nämlich unter den Vornehmen einige Mitverschworne für seinen Anschlag gewonnen hatte, überredete er einen jungen Mann, der gleichfalls Mitglied des Senats war und Quintianus hieß, einen verwogenen und frechen Gesellen, mit einem Dolche unter dem Gewande Ort und Zeit abpassend den Commodus anzufallen und zu ermorden, indem er versicherte, alles Uebrige werde er selbst durch Geldaustheilung in Ordnung bringen. Dieser postirte sich nun in der Eingangshalle des Amphitheaters – sie ist dunkel, und er hoffte deshalb unbemerkt zu bleiben – zog den Dolch und stürzte auf Commodus zu mit dem lauten Rufe: „Das schicke ihm der Senat!“ Weil er aber nicht vorher den Stoß führte, sondern mit dem Aussprechen jenes Zurufs und mit dem Zeigen des Dolches Zeit verlor, wurde er von den Leibwächtern des Kaisers ergriffen, und litt die gebührende Strafe für die Unbesonnenheit, mit der er das Aussprechen seines Vorsatzes der That voraufgehen ließ, indem er selbst vorher erkannt und gefangen [16] genommen wurde, jenem aber Zeit gewährte, sich auf solche Warnung hin in Acht zu nehmen. Dies also ward für den jungen Kaiser die erste und wichtigste Ursache seines Hasses gegen den Senat. Jene Worte hatten sein Inneres verwundet, und er hielt alle Senatoren insgesammt für seine Feinde, weil er immerfort an den Zuruf jenes Angreifers dachte. Jetzt hatte auch Perennius Vorwand und Anlaß in Fülle, und so rieth derselbe ihm denn auch fortwährend an, unter den Vornehmen mit Hinrichtungen aufzuräumen, wobei er das Vermögen derselben an sich riß, und dadurch zum reichsten Manne seiner Zeit wurde. In Folge der von Perennius angestellten scharfen Untersuchung ließ Commodus schonungslos nicht nur seine Schwester nebst allen wirklichen Mitgliedern der Verschwörung, sondern sogar alle diejenigen hinrichten, auf die man irgend einen beliebigen Verdacht zu bringen wußte.
9 Als nun Perennius alle diejenigen, vor welchen Commodus Achtung empfand, und die ihm von seinem Vater her Neigung gezeigt und Sorge für sein Wohl bewiesen, aus dem Wege geräumt und so sich unumschränkten Einfluß verschafft hatte, trachtete er darnach, sich selbst zum Kaiser zu machen. Er überredete also den Commodus, seinen Söhnen, jungen blühenden Männern, den Oberbefehl über die in Illyrien stehenden Streitkräfte anzuvertrauen, und sammelte für seine Person fort und fort Geldmittel, um durch glänzende Schenkungen das Militär zum Abfall zu verleiten. Seine Söhne suchten insgeheim eine Streitmacht zusammenzubringen, um sobald Perennius den Commodus aus dem Wege geräumt haben würde, sich des Regiments zu bemächtigen. Verrathen wurde dieser Anschlag auf folgende wunderbare Weise. Die Römer feiern ein Festspiel zu Ehren des Kapitolinischen Jupiters, wobei es, wie das bei einem Feste in der kaiserlichen Hauptstadt natürlich ist, alle erdenklichen Schaustücke geistiger und leiblicher Art21 [17] zu sehen gibt. Zuschauer und Kampfrichter dabei ist mit den übrigen Priestern, welche die Reihenfolge nach gewissen bestimmten Zeitfristen dazu beruft, der Kaiser. Als nun Commodus sich von seinem Palaste aus dorthin begab, um den Leistungen der ausgezeichneten Wettkämpfer beizuwohnen, und seinen Sitz in der kaiserlichen Loge eingenommen, das Theater sich in all seinem Glanze gefüllt hatte, die hohen Würdenträger auf ihren besondern Ehrensitzen und alle auf ihren Plätzen ordnungsmäßig sich niedergelassen hatten, da stürzte plötzlich, ehe noch Rede und Handlung auf der Bühne begonnen, ein Mann in Philosophentracht – den Stab in der Hand und einen Reiseranzen über dem halbnackten Leibe hangend – auf die Scene, stellte sich mitten auf derselben hin, gebot dem Volke durch einen Handwink Schweigen, und sprach: „Es ist keine Zeit für dich, o Commodus, zum Festefeiern und zu müssigem Genuß von Schauspielen und Lustbarkeiten. Denn über deinem Nacken schwebt des Perennius Schwert, und wenn du der Gefahr nicht vorbeugst, die nicht von ferne, sondern ganz in der Nähe droht, so wirst du, ehe du es dich versieht, verderben. Denn Perennius selbst sammelt hier gegen dich Streitkräfte und Geldmittel, und seine Söhne sind beschäftigt, das Illyrische Heer auf seine Seite zu bringen. Wenn du ihm nicht zuvorkommst, wird es dein Untergang sein!“ Als der Mann also gesprochen hatte, sei es, gezwungen durch ein dämonisches Verhängniß, oder auch um durch solch ein Wagstück, unbekannt und unberühmt wie er zuvor war, Ruhm und Ehre zu gewinnen, oder endlich in der Hoffnung, eine großartige Belohnung vom Kaiser davon zu tragen, ergriff sprachlose Bestürzung den Commodus, und Alle vermutheten zwar, daß das Gesagte Grund habe, stellten sich aber an, als ob sie demselben mit nichten Glauben schenkten. Perennius befahl sofort, ihn als einen Rasenden und Lügen redenden zu ergreifen und dem Feuertode zu überliefern. So büßte also der Mann seine unzeitige Freimüthigkeit. Die Höflinge des Commodus aber und alle, welche sich ihm ergeben stellten und schon längst gegen Perennius erbittert waren – denn schwer und unerträglich lasteten sein Hochmuth und seine Gewaltthätigkeit auf allen – benutzten die gute Gelegenheit zu dem Versuche, ihn verdächtig zu machen, und so [18] sollte es denn geschehen, daß Commodus der gegen ihn angestifteten Verschwörung entging und Perennius nebst seinen Söhnen schmählichen Untergang fand. Es kamen nämlich nicht lange darauf einige Soldaten ohne Vorwissen des Sohnes von Perennius nach Rom, welche Münzen mitbrachten, worauf jener sein Bildniß hatte prägen lassen. Sie entgingen glücklich der Aufmerksamkeit des Perennius, obschon derselbe Oberkommandant22 war, zeigten dem Commodus die Münzen, unterrichteten ihn von allen Einzelheiten des gegen ihn unternommenen Anschlags und empfingen dafür reiche Geldbelohnungen. Commodus aber schickt bei Nacht zum Perennius, der von alledem nichts wußte und nichts dergleichen auch nur ahnte, und läßt ihm den Kopf abschlagen. Und unmittelbar darauf, um der Kunde des Geschehenen zuvor zu kommen, entsendete er Boten, die schneller jagen mußten, als das Gerücht läuft, damit sie bei dem Sohne des Perennius ankommen könnten, während derselbe noch über das zu Rom Vorgefallene in Unwissenheit war, und in einem freundschaftlich abgefaßten Briefe, in welchem er denselben Aussicht auf noch höhere Stellung eröffnete, befahl er ihm nach Rom zu kommen. Der Jüngling, der weder von den getroffenen Maßregeln und Entschlüssen noch von dem Geschicke seines Vaters etwas wußte, und der von den Boten vernahm, daß auch sein Vater ihnen denselben Auftrag mündlich ertheilt und schriftlich nichts hinzugefügt habe, weil ihm der Brief des Kaisers genügend erschienen, schenkte ihm Glauben und macht sich, obschon unwillig und ärgerlich, weil er die angezettelten Pläne und Anschläge unausgeführt lassen mußte, dennoch guten Muthes im Vertrauen auf die, wie er meinte, noch fest stehende Macht seines Vaters, auf den Weg. Sowie er aber Italien betrat, machten ihn eigends dazu bestellte Leute nieder. Das war nun also das Ende dieser Männer. Commodus aber setzte jetzt zwei oberste Befehlshaber der Garden23 ein, weil er es für sicherer hielt, nicht einem Einzigen [19] eine so große Macht anzuvertrauen, und hoffte, daß dieselbe getheilt nicht stark genug sein werde, um etwaige Gelüste nach dem Kaiserthrone zu unterstützen.
10 Nicht lange darauf wurde ein zweiter Anschlag in derselben Absicht auf folgende Weise gegen ihn vorbereitet. Es war da ein gewisser Maternus, der früher Soldat gewesen war und viele arge Streiche ausgeübt hatte. Er war fahnenflüchtig geworden, hatte auch andere verführt mit ihm aus dem Dienste zu entweichen, und binnen kurzer Zeit eine große Schaar schlimmer Gesellen zusammengebracht, mit welcher er anfangs gegen Flecken und Dörfer sein Raubhandwerk trieb. Nachdem er aber viel Geld zusammengebracht hatte, versammelte er durch die Aussicht auf große Belohnungen und gemeinsamen Antheil an der gemachten Beute eine noch größere Masse von Verbrechern um sich, so daß sie bald nicht mehr das Ansehen einer Räuberbande, sondern eines ordentlichen Feindesheeres bekamen. Denn sie griffen bereits die größten Städte an, erbrachen gewaltsam die in denselben befindlichen Gefängnisse, befreiten die in denselben aus was irgend für einem Grunde in Haft Befindlichen, versprachen ihnen Sicherheit und gewannen sie durch solche Wohlthaten zu ihrer Waffenbrüderschaft. So durchstreiften sie das ganze Kelten- und Ibererland, überfielen die größten Städte, die sie theils verbrannten, theils ausplünderten, und zogen sich dann wieder zurück24. Als [20] Commodus davon Nachricht erhielt, schrieb er unter den heftigsten Zorndrohungen an die Oberbefehlshaber in jenen Provinzen, schhalt ihre Saumseligkeit und befahl, ein Heer gegen die Räuber zusammenzuziehen. Als diese nun erfuhren, daß ein Heer gegen sie zusammengezogen werde, verließen sie die Gegenden, welche sie verwüsteten, und entwichen heimlich in Eilmärschen und auf ungebahnten Wegen in kleinen Trupps nach Italien. Maternus richtete zugleich seine Absicht bereits auf den Thron selbst und auf Unternehmungen größeren Umfangs. Denn da ihm die früheren über alle Erwartung glücklich von Statten gegangen waren, vermeinte er, daß er jetzt auch ein größeres Unternehmen durchsetzen, oder da es sich nun doch einmal um Leben oder Tod handle, wenigstens nicht namenlos und unrühmlich enden müsse. Da er aber seine Streitmacht nicht stark genug glaubte, um Mann gegen Mann und in offener Feldschlacht dem Commodus entgegenzutreten, – denn er brachte in Anschlag, daß die Bevölkerung Roms noch dem Commodus anhange, und seine um ihn befindlichen Garden ihm ergeben seien, – so hoffte er seine Sache durch List und Schlauheit zu gewinnen. Er ersann also folgenden Plan. Alljährlich bei Frühlingsanfang, an einem bestimmten Tage, bringen die Römer der Göttermutter25 einen Festzug dar, beiwelchem Alles, was Jedermann an Zeichen des Reichthums besitzt, sowie die kaiserlichen Kostbarkeiten, mögen sie in reichen Stoffen und Prachtgeräthen oder in Meisterwerken der Kunst bestehen, dem Bilde der Göttin vorangetragen wird. Zugleich genießt alle Welt die unbeschränkte Freiheit zu jedem erdenklichen Scherze; jeder maskirt sich als was er will, und keine Würde ist so hoch und erhaben, die nicht jeder, der Lust hat, in gehöriger Verkleidung spielen und mit solcher Vollendung darstellen dürfte, daß man nicht leicht die wirklich von der [21] nachgeahmten Person zu unterscheiden vermag. Darum schien dies für Maternus eine günstige Gelegenheit zu einem heimlichen Anschlage zu sein. Er gedachte nämlich sich selbst als Leibgardist zu maskiren, seine Genossen ebenso zu verkleiden, dann sich unter das Corps der Lanzenträger zu mischen, und während man ihn für zum Festzuge gehörig ansehen und Niemand gegen ihn auf der Hut sein werde, den Commodus anzufallen und niederzumachen26. Allein der Anschlag ward verrathen. Einige seiner Gesellen kamen früher als er in die Hauptstadt und zeigten den Plan an; es trieb sie nämlich dazu der Neid gegen ihren Hauptmann, den sie, wenn der Plan gelang, statt als Räuberchef zu ihrem Herrn und Kaiser haben sollten. Noch ehe der Festtag anbrach, wurde Maternus ergriffen und enthauptet, und seine Mitverschwornen erlitten die gebührende Strafe. Commodus aber, nachdem er der Göttin Opfer gebracht und Dankgaben gelobt hatte, vollzog die Festfeier und leitete fröhlichen Muthes den Festzug der Göttin, während das Volk mit dem Feste zugleich die Rettung des Kaisers freudejubelnd feierte.
11 Es verehren aber die Römer diese Göttin, wie die geschichtliche Ueberlieferung uns meldet, hauptsächlich aus folgender Veranlassung, die ich hier erwähnen will, weil sie manchen Griechen unbekannt ist. Das Bild selbst, sagen sie, sei vom Himmel gefallen, auch sei weder der Stoff noch der Künstler, der es gemacht habe, bekannt, noch irgend eine Spur von Berührung menschlicher Hand zu bemerken. Vielmehr geht die Sage, dasselbe sei vor uralter Zeit vom Himmel herab auf eine Gegend in Phrygien niedergefallen, welche Pessinus heißt. Der Ort soll nämlich seinen Namen eben von dem aus dem Himmel gefallenen Bilde erhalten haben, welches daselbst zuerst erblickt worden sei27. Wie wir dagegen bei andern lesen, sollen daselbst [22] Ilus der Phrygier und Tantalus der Lydier, nach Einigen wegen der Grenzen, nach andern wegen des Raubes des Ganymedes, mit einander gekriegt, und der Umstand, daß in der lange unentschiedenen Schlacht eine beträchtliche Menge auf beiden Seiten gefallen sei, dem Orte seinen Namen gegeben haben28. Die Sage läßt dort auch den Ganymedes geraubt und unsichtbar werden in dem Augenblicke, wo sein Bruder29 einer- und sein Liebhaber30 andrerseits ihn an sich ziehen wolten, und da der Leib des Jünglings verschwunden sei, so habe man seinen Unfall zu einem göttlichen Wunder und zu dem Mythus von dem Raube des Zeus gemacht31. In dem vorgenannten Pessinus nun feierten die Phrygier von Altersher ein wildes Fest an dem vorbeifließenden Gallusstrome, von welchem die verschnittenen Priester der Göttin den Namen haben32. Als die Macht der Römer gewachsen war, soll ihnen ein Orakelspruch verkündet haben, ihr Reich werde Bestand haben und zu großer Ausdehnung vorschreiten, wenn sie die Pessinuntische Göttin nach Rom versetzten. Da schickten sie denn Gesandte an die Phryger33 und baten um das Götterbild. Sie erreichten leicht ihren Wunsch, indem sie sich auf ihre Verwandtschaft beriefen, und ihre Abstammung von dem Phryger Aeneas für sich geltend machten. Als das Bild nun zu Schiffe gebracht und bis zur Mündung des Tiberstroms gekommen war, deren sich die Römer [23] damals statt eines Hafens bedienten, blieb durch göttliche Kraft das Schiff stehen. Obschon nun die Römer in großen Haufen lange an dem Schiffe zogen, dem der Schlamm Widerstand leistete, begann das Schiff nicht eher wieder seine Bewegung stromaufwärts, bis eine Priesterin der Göttin herbeigebracht wurde, welche eine Priesterin der Vesta war. Diese mußte (als solche) eine Jungfrau sein; man hatte sie aber beschuldigt, daß sie sich habe verführen lassen. Wie nun Gericht über sie gehalten werden sollte, da bittet sie flehentlich das Volk, die Entscheidung der Pessinuntischen Göttin anheim zu geben. Sie löste darauf ihren Gürtel, und band ihn an das Vordertheil des Schiffes, indem sie zugleich das Gebet that: daß wenn sie eine Jungfrau und unbefleckt sei, das Fahrzeug ihr folgen möge; und mit Leichtigkeit folgte, sobald der Gürtel befestigt war, das Schiff ihr nach, die Römer aber bewunderten zu gleicher Zeit das sichtbare Wunder der Göttin und die heilige Reinheit der Jungfrau. Soviel nun von der Pessinuntischen Göttin, von der ich mit gewisser Vorliebe gesprochen habe, weil ich glaubte, daß es für diejenigen nicht ohne Interesse sein würde, welche die römischen Alterthümer nicht genau kennen. Commodus aber, nachdem er dem Anschlage des Maternus glücklich entgangen war, verstärkte seine Leibwache, und erschien von da an nur selten in großen Volksversammlungen, hielt sich meistentheils auf den nahe oder auch fern von der Stadt liegenden kaiserlichen Besitzungen auf, und enthielt sich der Ausübung der Rechtspflege und aller sonstigen Regierungshandlungen.
12 Um diese Zeit geschah es, daß ganz Italien von einer ansteckenden Seuche heimgesucht wurde. Besonders in Rom erreichte dies Leiden den höchsten Gipfel, weil in die schon an und für sich sehr volkreiche Stadt Menschen aus allen Gegenden zusammenströmten. Das Sterben wüthete gleich heftig unter den Hausthieren wie unter den Menschen. In dieser Zeit zog sich Commodus auf den Rath mehrerer Aerzte nach Laurentum zurück. Diese Gegend ist nämlich überaus luftig und von vielen Lorbeerhainen beschattet, wovon sie [24] auch den Namen hat34; daher man sie für gesund hielt, und allgemein sagte: sie gewähre ein Präservativ gegen die schlechte Luft durch den Wohlgeruch und die Ausdünstung des Lorbeers, und durch den erquicklichen Schatten der Bäume. Aber auch die, welche in der Stadt blieben, füllten auf Anrathen der Aerzte Nasenlöcher und Ohren mit überaus wohlriechenden Essenzen, und gebrauchten unaufhörlich Räucherungen und Arome, weil es hieß, solcher Wohlgeruch erfülle die Poren der Sinneswerkzeuge und hindere sie, den in der Luft befindlichen Peststoff aufzunehmen, oder vernichte, wenn davon doch etwas vorher eingedrungen sei, dasselbe durch seine stärkere Kraft. Trotz alledem erreichte die Krankheit eine außerordentliche Höhe, und raffte eine große Anzahl Menschen und Hausthiere hin. Dazu kam über die Stadt auch noch um dieselbe Zeit eine Hungersnoth, wovon die Veranlassung folgende war. Es war da ein gewisser Kleander, ein Phryger von Geburt, ein Mensch, wie sie von Staats wegen verkauft zu werden pflegen. Derselbe war als Sklave in die kaiserliche Hausdienerschaft gekommen, mit Commodus aufgewachsen, und von demselben zu solcher Höhe der Stellung und des Einflusses erhoben worden, daß er nach und nach das Kommando der Leibwache, den Dienst im Innern des kaiserlichen Kabinets und den Oberbefehl über die Heere in seine Hände bekam35. Reichthum und Hoffart erweckten in ihm die Begierde selbst nach der Kaiserwürde. Er sammelte also große Geldsummen, kaufte und speicherte ungeheure Massen von Lebensmitteln auf, indem er hoffte, das Volk und die Truppen zu gewinnen, wenn er, nachdem er sie so in Mangel der nothwendigen Lebensbedürfnisse versetzt hätte, durch glänzende Schenkungen ihr Interesse an sich knüpfte. Zugleich überließ er beiden ein sehr großes Gymnasium36, das er erbaut hatte, als öffentliches [25] Badehaus. Auf diese Weise also bestrebte er sich, das Volk zu ködern. Die Römer aber waren ihm feind, schoben auf ihn die Schuld ihrer Leiden, haßten seine unersättliche Habsucht, und begannen damit, zuerst in den Theatern und in großen Volkszusammenrottungen auf ihn zu schimpfen. Zuletzt zogen sie, während Commodus gerade auf einer Villa nahe bei der Stadt residirte, haufenweis dorthin, und forderten mit Geschrei den Tod des Kleander. Während nun der Lärm so die Villa umtobte, und Commodus, der in dem entferntesten Theile derselben seinen Lüsten nachhing, sich in gänzlicher Unwissenheit über die öffentliche Stimmung befand, weil Kleander es zu hindern wußte, daß ihm irgend eine Meldung von dem, was vorging, gemacht wurde, da erschienen urplötzlich, ohne daß es sich das Volk vermuthete, auf Kleanders Befehl sämmtliche berittene Garden des Kaisers in voller Rüstung, und schossen und stachen blind auf alles, was ihnen in den Weg kam. Das Volk aber war nicht im Stande, unbewaffnet gegen Bewaffnete, zu Fuß gegen Berittene Widerstand zu leisten, und stürzte in eiliger Flucht zur Stadt hin. Dabei verloren viele Menschen das Leben, indem sie nicht nur von den Soldaten erschossen und von den Hufen der Rosse zertreten wurden, sondern auch im eigenen Gedränge und vor den ansprengenden Reitern über einander hinstürzend zahlreich umkamen. Bis zu den Thoren von Rom setzten nun die Reiter ihre Verfolgung ungehindert fort, und metzelten ohne Schonung alles, was ihnen in die Hände fiel, nieder. Als aber die, welche in der Stadt zurückgeblieben waren, das Unheil sahen, welches ihre Genossen betroffen hatte, und von den Dächern ihrer Häuser, deren Eingänge sie verschlossen hatten, herab mit Steinen und Ziegeln die Reiter angriffen, da erlitten diese, was sie bisher gegen andere verübt hatten, indem Niemand ihnen im Nahekampfe sich entgegenstellte, sondern die Volksmasse von sicherer Stellung aus auf sie schoß. Mit Wunden bedeckt und unfähig den Kampf auszuhalten, wandten sie sich zur Flucht, wobei sehr viele von ihnen umkamen. Bei dem unausgesetzten Steinhagel stolperten die Pferde über den Steinen, glitten aus und schleuderten ihre Reiter ab, und während so von beiden [26] Seiten viel Leute fielen, kamen endlich dem Volke auch die in der Stadt liegenden Fußtruppen aus Haß gegen die Reiter zu Hülfe.
13 Während so der volle Bürgerkrieg bereits ausgebrochen war, hatte noch immer Niemand das Herz, dem Commodus die Vorgänge zu melden, weil Alles sich vor der Macht des Kleander fürchtete. Nur die älteste von Commodus’ Schwestern, mit Namen Favilla, eilte zum Kaiser hin (für sie war nämlich als Schwester der Eintritt leicht und unverwehrt), und mit aufgelöstem Haar sich zur Erde niederwerfend, daß sie wie ein reines Bild des Jammers anzusehen war, sprach sie: „O Kaiser! Du sitzest hier ruhig, ohne zu wissen, was vorgeht, und bist dadurch bereits am Abgrunde der Gefahr angelangt, während wir, dein Geschlecht, nur eben noch für jetzt dem Tode entgangen sind. Das Volk und der größte Theil der Truppen ist von dir abgefallen! Was wir von keinem Barbaren befürchteten, das thun gegen uns unsre eignen Landsleute, und die, welche du vorzugsweise mit Wohlthaten überhäuft hast, die sind jetzt deine Feinde. Kleander hat gegen dich das Volk und das Militär bewaffnet. Feindlich gespalten und in entgegengesetzter Gesinnung stehen die Einen aus Haß gegen ihn, das Volk, die Andern aus Liebe für ihn, das ganze Reitercorps, in den Waffen, und haben im wechselseitigen Morden bereits Rom mit Bürgerblut erfüllt. Die Unfälle beider Parteien aber werden uns mit in’s Verderben reißen, wenn du nicht auf der Stelle dem Tode den schlechten Diener übergibst, der bereits für jene die Ursache so großen Unheils geworden ist, und bald auch über uns unerhörtes Unheil bringen wird.“ Als sie dies gesprochen und darauf ihr Gewand zerrissen hatte, faßten sich auch einige andere von den Anwesenden, ermuthigt durch die Worte der Schwester des Kaisers, ein Herz, und drangen mit Vorstellungen auf den Commodus ein. Der aber wurde erschreckt, glaubte in seiner Furcht, daß die Gefahr, in der er schwebe, nicht eine zukünftige, sondern eine bereits gegenwärtige sei, und schickt sofort zum Kleander, der zwar noch nichts von der dem Kaiser gethanen Meldung wußte, aber sie doch vermuthete, läßt ihn sofort bei seinem Eintritt verhaften, ihm den Kopf [27] abschlagen, und denselben aufgesteckt auf einem langen Spieße als freudiges und ersehntes Schauspiel zum Volke hinausschicken. So wurde das Unheil beschwichtigt und beide Theile gaben den Kampf auf: die Soldaten, weil sie den umgebracht sahen, für den sie stritten und zugleich Furcht vor dem Zorne des Kaisers bekamen, – sie begriffen nämlich, daß sie getäuscht worden waren, und daß sie, was sie gethan, gegen seinen Willen unternommen hatten; – das Volk aber gab sich zufrieden, weil es an der Person dessen, der ihm übel gethan, die Strafe vollzogen fand. Nun tödteten sie noch die Kinder des Kleander, deren er zwei männlichen Geschlechts hatte, und machten alle diejenigen nieder, welche sie als seine Freunde kannten, schleppten die Leichen umher, kühlten ihr Müthchen an denselben durch alle erdenklichen Muthwillen, und stürzten sie zuletzt so gemißhandelt in die Abzugsgräben. So endeten Kleander und die Seinen, gleich als ob die menschliche Natur so zu sagen es darauf abgesehen gehabt hätte, an einem Individuum zu zeigen, daß eine kleine und unerwartete Wendung des Geschicks im Stande ist, ein solches aus der tiefsten Niedrigkeit zur höchsten Höhe emporzuheben und ebenso hinwiederum von solcher Hoheit hinabzustürzen. Was den Commodus anlangt, so fürchtete er zwar, daß die Volksbewegung sich auch gegen ihn richten könne, nichts destoweniger aber gab er den Vorstellungen seiner Verwandten nach, und kehrte in die Stadt zurück, wo er von dem Volke mit Jubelrufen aller Art und festlichem Gepränge empfangen, seinen Einzug in den kaiserlichen Palast hielt. Indessen beobachtete er, nachdem er so große Gefahren bestanden hatte, gegen alle Welt ein argwöhnisches Betragen, ließ schonungslos hinrichten, gab allen Anklagen leicht Gehör, ließ auch keinen Mann von Bedeutung mehr in seine Nähe, sondern wandte sich vollständig von allen würdigen Beschäftigungen ab, und wurde Tag und Nacht mehr der Sklave immer neuer zügelloser sinnlicher Lüste. Jeder vernünftige und nur halbwege gebildete Mann ward als gefährlicher Feind des Hofes verfolgt, während Lustigmacher und Gaukler gemeinster Art ihn in ihrer Gewalt hatten. Er nahm Unterricht im Wagenlenken und im Nahekampf mit wilden Thieren, was seine Schmeichler als ruhmvolle Tapferkeit lobpriesen, während er selbst sich [28] diesen Dingen auf eine unverständigere Weise hingab, als es sich mit der Würde eines Kaisers vertrug.
14 Es ereigneten sich um jene Zeit auch gewisse himmlische Vorzeichen. Sterne erschienen vielfach bei Tage am Himmel sichtbar, andere ganz lang geschweift, so daß es aussah, als hingen sie mitten in der Luft. Thiere aller Art, abweichend von ihrer natürlichen Beschaffenheit in fremdartigen Gestaltungen und mit Gliedern des Leibes, welche zu einander nicht paßten, wurden häufig geboren. Das größte Schreckniß aber, welches nicht nur damals allgemeine Trauer verbreitete, sondern auch die Gemüther Aller in Bezug auf die Zukunft als Vorzeichen und böse Vorbedeutung erschreckte, war folgendes. Ohne daß Regen vorhergegangen war oder Wolken sich zusammengezogen hatten, wurde nach einem kurzen Erdstoße, sei es, daß Nachts ein Blitz herniedergefahren, oder in Folge des Erdbebens irgendwo Feuer aus der Erde gebrochen war, der ganze Friedenstempel37, das größte und schönste aller Bauwerke der Stadt, ein Raub der Flammen. Es war das reichste aller Heiligthümer, und wegen der Sicherheit, die es bot, mit goldenen und silbernen Weihgeschenken reich ausgestattet. Auch hatte daselbst Jedermann sein Vermögen deponirt, und so machte das Feuer jener Nacht viele aus reichen zu armen Leuten. Daher bejammerten Alle insgemein die öffentlichen und jeder Einzelne seinen besondern Verlust. Nachdem das Feuer den Tempel und seine ganze Umgebung in Asche gelegt hatte, ergriff es auch eine große Anzahl anderer Gebäude der Stadt, und darunter die schönsten Bauwerke. Bei dieser Gelegenheit sah man, als auch der Vestatempel niederbrannte, sogar das Palladium38 unverhüllt, das von Troja hergebracht worden sein [29] soll und von den Römern hochverehrt in Verborgenheit gehalten wird. Es war das erstemal seit seiner Versetzung von Ilium nach Italien, daß es unsere Zeitgenossen erblickten, als die heiligen Jungfrauen der Vesta das dem Feuer entrissene Bild mitten durch die heilige Straße nach der kaiserlichen Hofburg trugen. Auch viele andere sehr schöne Stadttheile brannten nieder, und eine ziemliche Anzahl Tage fraß das Feuer fort und fort weiter, wie es denn auch nicht eher aufhörte, als bis niederstürzende Regengüsse seiner Gewalt Einhalt thaten.
Daher wurde denn auch die ganze Begebenheit als ein Werk der Götter angesehen, und alle damaliger Zeit lebenden Menschen glaubten, daß Anfang und Ende des Feuers durch den Willen und die Macht der Götter herbeigeführt sei39. Es faßten auch in Folge dieser Ereignisse Einige die Zerstörung des Friedenstempels als ein Vorzeichen von Kriegen auf; jedenfalls bestätigte die Folge, wie wir seiner Zeit erzählen werden, durch den Ausgang die früher vorhandene öffentliche Meinung. Nachdem nun solchergestalt eine fortdauernde Reihe von zahlreichen Unglücksfällen Rom heimgesucht hatte, fing das römische Volk an, nicht mehr mit Zuneigung auf den Commodus zu blicken, sondern die Schuld der Schlag auf Schlag erfolgenden Unfälle auf seine rechtlosen Hinrichtungen und sonstigen Missethaten seines Lebens zu schieben. Denn sein Treiben war bereits Keinem mehr unbekannt, und er selbst wollte auch nicht, daß es unbekannt sein sollte, sondern er war frech genug, die Dinge, mit denen er sich, wie man ihm tadelnd nachsagte, zu Hause zu thun machte, auch dem Publikum zur Schau zu stellen. Ja er ging so weit in dem Taumel seines Wahnsinns, daß er erstens sich den Beinamen seines Vaters verbat, und den Befehl gab, ihn statt, „Commodus“ und „Markus’ Sohn“ vielmehr Herkules und Zeus’ Sohn zu nennen; daß er ferner die römische und kaiserliche Tracht ablegte, und dafür eine [30] Löwenhaut anzog und eine Keule in der Hand trug. Daneben kleidete er sich in purpurne und golddurchwirkte Gewänder, und machte sich so zum Gelächter, indem er in einer Person Weiberputz und Heroenkraft zur Schau trug. In solcher Gestalt also erschien er vor dem Publikum. Ferner aber änderte er auch die Namen der Jahresmonate, schaffte die alten sämmtlich ab und benannte alle nach seinen eignen Beinamen, die sich meistentheils auf den Herkules, als den gewaltigsten der Helden, bezogen. Desgleichen ließ er in allen Theilen der Stadt seine Porträtstandbilder aufrichten, ja sogar eins derselben gegenüber dem Versammlungshause des Senats in der Attitüde eines, der den Bogen gespannt hat. Denn er wollte, daß selbst seine Standbilder drohend und schrecklich sein sollten. Die eben erwähnte Bildsäule ließ indessen der Senat nach seinem Tode fortschaffen und die Statue der Freiheit an dessen Stelle aufrichten40.
15 Commodus, der jetzt gar keine Rücksichten mehr nahm, veranstaltete hierauf Schauspiele, wobei er sich anheischig machte, die wilden Thiere sämmtlich mit eigner Hand zu erlegen und mit den tapfersten Jünglingen im Zweikampfe zu fechten. Als diese Kunde sich verbreitet hatte, strömten aus ganz Italien und den benachbarten Landen Leute herbei, um zu schauen, was sie nie zuvor weder gesehen noch gehört hatten. Denn allerorten sprach man von der Sicherheit seiner Hand als Schütze, und wie er darauf halte, mit Wurfspieß und Bogen nie einen Fehlschuß zu thun. Als Lehrer umgaben ihn die besten Spießkünstler der Parther, und die ausgezeichnetsten Wurfspießwerfer der Maurusier41, und er übertraf sie alle an Geschicklichkeit. Als nun die Tage des Schauspiels herangekommen waren, war das ganze [31] Amphitheater von Menschen erfüllt; für den Commodus aber war eine um den ganzen Kreis sich herumziehende Gallerie hergerichtet worden, damit er nicht durch den Nahekampf mit den wilden Thieren in Gefahr gerathen, sondern von oben herab und aus gesichertem Standorte mit seinen Schüssen mehr seine Schießkunde, als seine Tapferkeit zur Schau stellen konnte. Hirsche freilich und Antilopen und was sonst gehörnte Thiere sind, mit Ausnahme von Stieren, erlegte er, indem er zu ebner Erde sie im Lauf verfolgte, ja sie auch wohl überholte und mit wohl angebrachten Schüssen niederstreckte. Löwen aber und Pardel und sonstige Thiere edler Art erlegte er mit dem Wurfspieß von oben herab, indem er auf seiner Gallerie herumlief; und nie sah man ihn zu einem zweiten Wurfspieße greifen oder einen Wurf thun, der nicht tödtlich war. Denn sowie das Thier vorstürmte, traf er es entweder auf der Stirn oder in’s Herz. Und niemals nahm er ein anderes Ziel, oder traf sein Wurfspieß einen andern Theil des Leibes, ohne zugleich zu verwunden und zu tödten. Die Thiere selbst aber hatte er aus allen Weltenden zusammenbringen lassen, und damals sahen wir, was wir sonst nur in Gemälden angestaunt hatten. Denn aus Indien und Aethiopien, von Süden und Norden her stellte er alle Thiere, zumal die früher noch nicht bekannten, indem er sie erlegte, den Römern zur Schau. Seine Schützengeschicklichkeit aber erfüllte Alle mit Staunen. Einmal nahm er Geschosse, deren Spitzen mondförmig waren, und schoß damit auf Maurusische Sträuße, die sich durch die Behendigkeit ihrer Füße und den Schlag ihrer segelförmig ausgespannten Flügel mit größter Schnelle bewegten, dergestalt oben durch den Hals, daß sie, nachdem ihnen durch die Gewalt des Schusses der Kopf abgerissen war, noch weiter im Kreise herumliefen, als wäre ihnen nichts geschehen. Ein andermal, als ein Pardel im schnellsten Lauf den Mann, der ihn aus dem Käfig hervorlockte, ergriff, traf sein Wurfspieß das Thier in dem Momente, wo es jenen zerreißen wollte, tödtete es und errettete den Menschen, indem die Spitze seines Speeres dem Momente des Bisses der Zähne zuvorkam42. Ein andermal endlich, als hundert Löwen [32] aus den unterirdischen Behältern heraufgelassen wurden, tödtete er sie sämmtlich mit ebenso viel Wurfspießen, so daß, weil die gefallenen Thiere lange da lagen, eben deßhalb Jedermann mit Muße zählen und sehen konnte, daß kein Wurfspieß darüber war43. Mit diesen Dingen erwarb er sich nun, obschon sein Treiben von der kaiserlichen Würde weitab lag, doch wenigstens eine gewisse gute Meinung von seiner Tapferkeit und Geschicklichkeit als Schütze bei seinen Volksgenossen. Als er aber auch nackt die Arena des Amphitheaters betrat, die Rüstung anlegte und als Fechter kämpfte, da sah das Volk zum schmählichen Schauspiel den erlaucht gebornen Römerkaiser, dessen Vater und Vorfahren soviele Siegeszeichen erkämpft hatten, nicht, wie er die Waffen des Kriegers seiner Herrscherwürde geziemend gegen Barbaren ergriff, sondern wie er seinen Rang durch den schmachvollsten und verruchtesten Aufzug entwürdigte. Freilich wurde es ihm bei diesen Zweikämpfen leicht, seine Gegner zu überwinden, ja er ging sogar soweit, sie wirklich zu verwunden, da alle vor ihm zurückwichen, und in ihm den Kaiser, nicht den Gladiator sahen. Er ging aber in seinem Wahnsinn so weit, daß er selbst nicht mehr in dem kaiserlichen Palaste wohnen wollte, sondern überzusiedeln beschloß in die Fechterschule der Gladiatoren. Ihn selbst aber befahl er nicht mehr Herkules, sondern mit dem Namen eines unlängst verstorbenen berühmten Fechters zu benennen. Dazu ließ er dem größten aller (in Rom befindlichen) Kolossalbilder, welches die Römer als das Bild des Sonnengottes44 verehren, den Kopf absägen [33] und den seinen darauf setzen, und als Inschrift auf das Fußgestell wie gewöhnlich die kaiserlichen und vererbten Namen und Titel, aber statt „Germanikus“, die Worte „dem Sieger über Tausend Fechter.“
16 So that es denn wirklich noth, daß er endlich einmal aufhörte zu rasen, und das Römerreich geknechtet zu werden. Das sollte geschehen an dem auf das neue Jahr folgenden Tage. Dies Fest feiern nämlich die Römer, indem sie es auf den ältesten Landesgott Italiens zurückführen. Denn sie haben die Sage, daß selbst Kronos, nachdem er durch Zeus vom Thron gestoßen worden und zur Erde niedergestiegen, bei ihm als Gastfreund geweilt, und aus Furcht vor der Gewaltherrschaft seines Sohnes bei ihm in Verborgenheit gelebt habe, woher auch dieser Landstrich Italiens seinen Namen erhalten habe und Latium benannt worden sei, indem das griechische Wort45 in die Landessprache übertragen wurde. Um deswillen lassen denn auch bis auf den heutigen Tag die Italioten das Kronosfest, welches sie zu Ehren des verborgenen Gottes feiern, dem Feste voraufgehen, welches sie dem einheimischen Gotte Italiens zu Anfange jedes neuen Jahres feiern46. Sein Kultusbild wird mit zwei Gesichtern gebildet, eben weil er Anfang und Ende des Jahres vorstellt. Beim Antritt dieses [34] Festes nun also, in welchem die Römer sich vorzugsweise mit Handschlag und Gruß ansprechen, und durch gegenseitige Geldgeschenke und Mittheilung von allem, was Erde und Meer Schönes hat, sich unter einander erfreuen47, und wo die Magistraten, nach welchen das Jahr bezeichnet wird, zum erstenmale ihre purpurne, während des Jahres beizubehaltende Amtstracht anlegen, hatte Commodus es sich in den Kopf gesetzt, bei der allgemeinen Festfeier nicht, wie es die Sitte war, von dem Kaiserpalaste, sondern von der Fechterschule der Gladiatoren aus den Zug anzutreten, und sich statt des schönverbrämten kaiserlichen Purpurgewandes selbst als Fechter gewaffnet und den Zug der Fechter anführend den Blicken der Römer darzustellen. Als er nun diesen seinen Entschluß der Marcia mittheilte, die er unter seinen Kebsweibern am meisten bevorzugte, und die fast in Nichts einer wirklichen Gemahlin nachstand, sondern alle Auszeichnungen genoß, die einer regierenden Kaiserin zukommen, mit Ausnahme des Feuers48, – als diese also seinen so unklugen und unschicklichen Vorsatz vernahm, legte sie sich zuerst auf’s Bitten, und beschwor ihn fußfällig und unter Thränen, doch nicht die Würde des römischen Kaiserthrons so zu beschimpfen und zugleich sich nicht, indem er seine Person so verworfenen Menschen, wie die Fechter seien, anvertraue, in Gefahr zu begeben. Da sie aber mit allem Flehen nichts bei ihm ausrichtete, entfernte sie sich weinend. Commodus aber ließ den Lätus, den Oberbefehlshaber der Garden, und den Eklektus, seinen Oberkammerherrn, zu sich rufen, und gab ihnen den Befehl, die nöthigen Anstalten zu treffen, weil er die Nacht in der Fechterschule zubringen und von dort aus den Festzug zur Vollziehung der Neujahrsfestopfer antreten wolle, um sich den Römern in Waffenrüstung zu zeigen. Auch sie beschworen ihn vielfach und versuchten ihn zu überreden, doch nicht etwas zu thun, womit er die kaiserliche Würde erniedrige.
17 [35] Commodus aber gerieth in Zorn, schickte sie fort und begab sich in sein Kabinet hinauf, als ob er sich schlafen legen wollte, wie er um die Mittagszeit zu thun pflegte. Dort nahm er eine von den bekannten Schreibtafeln, wie man sie aus Lindenbast von äußerster Feinheit der Arbeit und mit Blättern, die doppelt gebrochen auf beiden Seiten zu beschreiben sind, verfertigt, und verzeichnet auf derselben alle die, welche in der nächsten Nacht ermordet werden sollten. Obenan stand Marcia, ihr folgten Lätus und Eklektus, und auf diese eine große Zahl der angesehensten Senatsmitglieder. Denn er war Willens, sich der bejahrteren und noch übrigen Freunde seines Vaters sammt und sonders zu entledigen, weil er sich schämte, an diesen ehrwürdigen Männern Zuschauer seiner schmachvollen Handlungen zu haben. Das Vermögen der Reichen unter ihnen wollte er zu Geschenken theils an seine Garden, theils an die Fechter verwenden, wofür jene ihn beschützen, diese ihm Vergnügen machen sollten. Nachdem er dies in die Schreibtafel verzeichnet, legt er dieselbe auf sein Ruhebett, in der Meinung, daß Niemand in sein Schlafzimmer und an sein Bett kommen werde. Nun war da aber ein ganz kleiner Knabe, so einer, wie sie alle üppigen römischen Großen und Reichen ganz unbekleidet, aber dafür mit Goldzierrathen und edlen Steinen geschmückt zu ihrem Vergnügen halten49. Den liebte Commodus über die Maßen, so daß er ihn häufig bei sich schlafen ließ. Auch nannte man ihn Philocommodus, so daß selbst der Name das Interesse des Kaisers an dem Knaben bezeichnete. Dieses kleine Knäbchen nun also, das zuerst sich im Freien [36] befand, lief, als Commodus sich zu seinen gewohnten Bädern und Schlemmereien hinbegeben hatte, wie es pflegte, in das Kabinet hinein, nahm sich, um etwas zum Spielen zu haben, die auf dem Ruhebett liegende Schreibtafel und ging aus dem Zimmer. Ein wunderbares Geschick wollte, daß er der Marcia begegnete. Diese, die den Knaben gleichfalls sehr liebte, umarmte und küßte ihn, nimmt ihm aber die Schreibtafel weg, in der Besorgniß, das Kind möchte aus Unverstand irgend etwas Wichtiges, ohne es zu wissen, zerstören. Sie erkannte Commodus’ Hand, und beeilte sich nur um so mehr, die Schrift durchzulesen. Da sie aber nun fand, daß die Schreibtafel todbringend sei, und daß vor allen sie zuerst sterben und Lätus und Eklektus ihr folgen sollten, und das Blutbad all’ der andern, da sprach sie wehklagend zu sich selbst: „Schön, o Commodus! Das also ist der Dank für die Zuneigung und Hingebung, mit welcher ich deinen Uebermuth und deine Trunkenheit so viele Jahre lang ertragen habe! Aber du Trunkenbold sollst einem nüchternen Weibe nicht zuvorkommen!“ Sofort läßt sie den Eklektus zu sich kommen, was ganz in der Ordnung war, da er ihr Kammerherr war, wie man ihr denn auch ein näheres Verhältniß zu ihm nachsagte. Sie gab ihm den Brief mit den Worten: „Sieh, was wir für ein Nachtfest feiern sollen!“ Eklektus las, und erschrack heftig. Als ein Aegypter von Geburt war er aber von Natur verwegen und thatkräftig und leicht von seinem Zorne zu bemeistern. Er versiegelte also die Schreibtafel und schickt sie durch einen seiner Getreuen an den Lätus zum Lesen. Dieser, gleichfalls dadurch bestürzt, begibt sich zur Marcia, als ob er mit beiden über die vom Kaiser ertheilten Befehle und wegen der Uebersiedlung des Hofs in die Gladiatorenschule in Berathung treten wolle. Während sie nun dem Scheine nach über seine Interessen in Berathung traten, vereinigten sie sich dahin, daß sie lieber etwas wagen und ihm zuvorkommen, als sich von ihm verderben lassen wollten, und daß zum Zögern und Aufschieben keine Zeit sei. So wird denn beschlossen, dem Commodus ein tödtliches Gift zu geben, wozu sich Marcia alsbald anheischig machte. Sie pflegte ihm nämlich den ersten Trank zu mischen und zu reichen, damit er ihm aus der Hand der Geliebten desto besser schmecken möchte. Als er nun aus dem Bade zurückkam, warf sie das Gift in den Becher gemischt mit starkduftendem50 [37] Weine, und reicht es ihm dar. Der Kaiser aber, der nach dem langen Bade und den vielen Anstrengungen bei der Jagd der wilden Thiere starken Durst hatte, trank es als seinen gewöhnlichen Labetrank, ohne etwas zu merken, hinunter. Sofort befiel ihn eine Schwere des Kopfes und er fühlte sich von Schläfrigkeit überwältigt, glaubte aber, daß es von der Anstrengung komme, und legte sich zum Schlafe nieder, während Eklektus und Marcia alle seine Umgebungen anwiesen, sich zu entfernen und in ihre Wohnungen zu begeben, um ihm, wie sie sagten, Ruhe zu verschaffen. Dergleichen pflegte Commodus auch sonst wohl in Folge seiner Schlemmerei zu passiren; denn da er oft badete und mehrmals aß, hatte er nie eine festbestimmte Zeit für sein Ausruhen, indem er sich den mannigfaltigsten Vergnügungen im bunten Wechsel ununterbrochen überließ, deren Sklave er denn natürlich war, so oft ihn die Stunde ergriff. Eine kleine Zeit nun lag er ruhig da, als aber das Gift in den Magen und Unterleib trat, ergreift ihn ein Schwindel mit hinzutretendem starken Erbrechen, sei es, daß die vorher genossene Speise nebst vielem Getränk das Gift wieder auswarf, oder wegen des Gegengifts51, das er, wie das Fürsten vor jeder Speise zu thun pflegen, zuvor genommen hatte. Genug, als das Erbrechen sehr stark wurde, geriethen sie in Furcht, daß er das Gift ganz ausspeien, wieder zur Besinnung gelangen und sie allesammt verloren sein möchten, und bereden durch Versprechung großer Belohnungen einen jungen Mann Namens Narcissus, einen verwegenen kräftigen Burschen, zum Commodus in’s Zimmer zu gehen und ihn zu erwürgen. Dieser ging eiligst hinein und tödtete den von Gift und Weinrausch seiner Sinne nicht Mächtigen, indem er ihm die Kehle zuschnürte52. Ein solches Lebensende hatte Commodus, nachdem er seit dem Tode seines Vaters dreizehn Jahre regiert hatte, der erlauchteste an [38] Geburt von allen früheren Kaisern, der schönste Mann seiner Zeit von vollendeter Wohlgestalt des Leibes, und wenn ich von seinen geistigen Eigenschaften etwas sagen darf, keinem nachstehend an Geschicklichkeit als Schütze mit Auge und Hand, nur freilich daß er diese ihm zu Theil gewordene Begabung, wie im Vorigen erzählt ist, durch seine schmachvolle Aufführung schändete53.
Anmerkungen
1 Augustus begründete die Alleinherrschaft durch die Besiegung des Antonius im Jahre 30 vor Christi Geburt; der Kaiser Markus (Aurelius Antoninus) trat die Regierung nach seines Adoptivvaters Tode im Jahre 161 nach Christi Geburt an. Herodian kann also sehr wohl in runder Summe diesen Zeitraum von Augustus bis Markus auf „etwa zweihundert Jahre“ veranschlagen.
2 Von Erdbeben findet sich aber merkwürdigerweise im Verlaufe der Herodianischen Geschichtserzählung nichts weiter erwähnt, als I, 14. der Untergang des Friedenstempels in Rom.
3 Dahin gehören seine auf uns gekommene „moralischen Betrachtungen“, und seine Briefe an Fronto.
4 Im Texte steht „König“, welchen Ausdruck Herodian durchgehend zur Bezeichnung der Kaiserwürde und kaiserlichen Regierung braucht.
5 Das Land der hier gemeinten „Päoner“, wie sie Herodian und Appian statt „Pannonier“ nennen, umfaßte das Gebiet am südlichen Donauufer, welches jetzt einen großen Theil von Oestreich, Steiermark, Krim, Kroatien und Slavonien in sich begreift.
6 Es ist der jüngere Dionysius, Tyrann von Syrakus, gemeint, der bekanntlich, nachdem er durch Timoleon vertrieben worden war, in tiefster Versunkenheit zu Korinth endete.
7 Der hier gemeinte zweite ägyptische König dieses Namens, der seine Schwester Arsinoe heirathete, und mit ihr beiläufig sehr glücklich lebte (Ptolemäus II, Philadelphus), war vierundzwanzig Jahr alt, als er den Thron bestieg. Er paßt aber auch hier als Beispiel um so weniger, als seine 39jährige Regierung im Ganzen sehr viel Glänzendes aufzuweisen hat. – Antigonus, ist vielmehr Demetrius Poliorketes, des Antigonus Sohn. Schwerlich hat indessen der sterbende Kaiser Marc Aurel an diese Fürsten gedacht, als er seines Sohnes Jugend fürchtete. Denn er hätte Ursache gehabt, froh zu sein, wenn er gewiß gewesen wäre, daß sein Commodus keinen schlechten Namen in der Regentengeschichte hinterlassen würde als sie. Man erkennt hier vielmehr den mit seinem kümmerlichen historischen Wissen prunkenden Schriftsteller, der aber doch nicht einmal wußte, daß, nach aegyptischer Sitte, die Heirath zwischen Bruder und Schwester erlaubt, und daß solche Verbindung selbst in Griechenland (wie Cimons u. a. Beispiel beweist) nicht unerhört war.
8 Domitian war volle dreißig Jahre alt, als er den Thron bestieg. Commodus dagegen (geboren 31. August 161) war bei dem Tode seines Vaters (17. März 180) noch nicht neunzehn Jahre.
9 In der That war Commodus in der ganzen Reihe der römischen Imperatoren seit Augustus der erste, welcher als kaiserlicher Kronprinz von einem regierenden Kaiser erzeugt in voller Legitimität des Erbrechts seinem Vater succedirte. Daher läßt ihn denn auch Herodian bei diesem Gedanken mit aller möglichen Ausführlichkeit verweilen.
10 Die römischen Kaiser seit Nero’s Zeit suchten den Purpur für sich allein als Abzeichen der höchsten Würde zu behaupten. Auf einem prachtvollen Purpurteppich ward die Kaiserin entbunden. Vgl. Paully’s Realencykl. VI, 1. S. 50.
11 Vgl. Sueton. Nero Kap. 6.
12 Istros (Ister) ist der griechische Name für den Donaustrom, den die Römer Danubius nannten. „In den Blüthezeichen des römischen Kaiserreichs machte die Donau erst von Regensburg an die Nordgränze des Reichs, mit Ausnahme der kurzen Zeit, während welcher Dacien den Römern unterworfen war. Der Name Danubius war jetzt der herrschende für die ganze obere Hälfte seines Laufs; weiterhin erhielt sich der Name Ister im Gebrauch.“ Paully’s Realencykl. Th. II, S. 856. Unsere Stelle ist von Interesse für vergleichende Betrachtung des heutigen und damaligen Klima’s von Süddeutschland.
13 Claudius Pompejanus, Sohn eines römischen Ritters aus Antiochia, Gemahl der Lucilla, Tochter Kaiser Marc-Aurel’s, als dessen tapferer Feldherr er gegen die Markomannen zugleich mit Pertinax, dem spätern Kaiser, focht, zog sich, nachdem Commodus seine wahre Natur verrathen und sich dem Einflusse der ältern Räthe seines Vaters entzogen hatte, in die Stille des Landlebens zurück, die er erst wieder verließ, als Commodus ermordet und Pertinax zum Kaiser erwählt wurde. Er schlug zweimal den Thron aus, und scheint in der Zurückgezogenheit in hohem Alter natürlichen Todes gestorben zu sein.
14 Der Ausdruck „Sohn“ bezeichnet die nahe Verwandtschaft, in welcher Pompejanus zum Commodus stand.
15 Einst hieß es: „Wo der Senat ist, da ist Rom.“ Vergl. Lucan. Pharsal. V, 26–29.
16 So alt ist das moderne le roi S’avisera!
17 Schon Domitian, Commodus’ würdiger Vorgänger, hatte zu solchem schmachvollen Erkaufen des Friedens das Beispiel gegeben.
18 Faustina, Gemahlin des Antoninus Pius, war die Tochter des Annius Verus und einer Tochter Kaiser Hadrians, welcher letztere als Adoptivsohn Kaiser Trajans dessen Schwestertochter Sabina zur Gemahlin hatte.
19 Was in Rom zuweilen Frauen thaten. Vergl. Böttiger’s Sabina S. 141 und 146.
20 Ueber dieselben s. Paully’s Realencykl. unter dem Worte: princeps. Dort fehlt jedoch die hier erwähnte Vortragung des Feuers, die vielleicht an Orientalische Sitte anknüpfte, vielleicht aber auch mit dem Kultus der Vesta zusammenhing.
21 Schauspiele und Exhibitionen von Athleten und andern „starken Männern“. S. weiterhin III, 8.
22 D. h. der Leibwache, und somit, wie wir sagen würden, auch oberster Stadtkommandant in Rom, ohne dessen Vorwissen Soldaten und Truppentheilen, die nicht in Rom standen, in Rom sich nicht aufhalten durften, sondern sofort gemeldet werden mußten.
23 Die Stelle des „Präfektus Prätorio“, oder wie Herodian sie griechisch nennt, des „Eparchen“, war seit Augustus, unter dem sie nur das Kommando der Gardetruppen in und um Rom in sich schloß, unter Tiber und den folgenden Kaisern zur wichtigsten Stelle des Reichs geworden, je wichtiger für die Besetzung des Thrones die Garden selbst geworden waren. Perennius und seines Gleichen waren die antiken Großveziere. Schon Tiber hatte dadurch, daß er diese wichtige Stellung nur einem allein (dem Sejan) gab, seinen Thron in Gefahr gebracht. Später waren ihrer deßhalb meistens zwei, zuweilen auch drei, und seit Constantin vier, zwei für das Ost-, zwei für das Westreich. Vgl. III, Kap. 13.
24 Wir haben hier ein Beispiel von der geringen Genauigkeit der Angaben des Schriftstellers, der weder bestimmt sagt, von wo die Bewegung ausging, noch wohin sie zurück kehrte, sondern sich ganz im Allgemeinen hält. Auch erfahren wird nicht, daß von den Befehlshabern der in Gallien und Spanien stehenden Legionen irgend etwas gegen diese großartige Raubbande geschah.
25 Ueber diesen Kultus der Göttermutter (Kybele, Rea) und seine Einführung in Rom vgl. Mommsen Röm. Geschichte Th. I. S. 844 (2te Ausg.) und Realencyklop. IV. S. 1206. III. S. 643. Das ihr zu Ehren gefeierte Fest der sogenannten Megalesischen Spiele fiel auf die sechs Frühlingstage vom 4–9. April. Die allgemeine Maskenfreiheit, welche dabei, wie wir bald sehen werden, herrschte, läßt in diesem Feste den Vorgänger des heutigen römischen Karnevals erblicken. „Die Megalesischen Spiele waren hierbei im Wesentlichen Gedächtnißspiele, nach Livius ursprünglich scenische Spiele, dem Heros Attys zu Ehren.“ C. Bötticher: Baumkultus der Hellenen S. 146.
26 Ein ähnliches Stückchen, wie es in unsern Tagen der Kalabrese Milano in Neapel gegen König Ferdinand aufgeführt hat.
27 Pessinus oder Pesinus, dessen Klang an das griechische Zeitwort „pesein“ (πεσεῖν), welches fallen heißt, erinnert, war im Alterthum eine der reichsten Handelsstädte Galatiens, Hauptstadt der Tolistoboger und uralter Sitz des Kultus der Göttin Kybele in Phrygien. Vgl. Realencykl. V, S. 1389.
28 Ilus ist der Großvater des Königs Priamus, Tantalus der Vater des Pelops. In der Uebersetzung „wegen der Grenzen“ folge ich der Vermuthung des Causabonus; die Handschriften haben „wegen der Straßen“.
29 Ilus.
30 Tantalus.
31 Natürlich verhält sich die Sache umgekehrt. Der Mythus vom Raube „des schönsten der Erdensöhne“ durch den Adler des Zeus, den schon Homer (Il. XX, 230 ff.) hat, ist älter, die plattrationelle historische Deutung ist Klügelei späterer Gelehrten. Ueber die Kunstdarstellungen des Ganymedes siehe Torso v. Ad. Stahr I, S. 388.
32 Dies ist eine oberflächliche Ableitung des Namens dieser antiken Derwische, die wahrscheinlich von ihren heftigen Tanzbewegungen Galli genannt wurden; denn das Wort ist phönikischen Ursprungs und bezeichnet einen, der sich voll heiliger Verzückung im Kreise herumdreht. S. Realencyklop. III, S. 642. vgl. 638 ff.
33 Im Jahre 204 v. Chr. Geburt. S. Livius 29, 10–11. und 13. Mommsen a. a. O. S. 844–45.
34 Laurentum, eine uralte Stadt in Latium (nahe bei dem jetzigen Torre Paterno), heißt „Lorbeerwald“. Den Lorbeer erwähnt auch Plinius unter den Gesundheitsmitteln.
35 D. h. er vereinigte in seiner Person, um modern zu reden, die Stellen des Chefs der Leibgarden, den Dienst als Oberkammerherr und die Stellung eines Kriegsministers.
36 Es ist hier von einer jener großartigen Thermenanlagen die Rede, die in Rom die Stelle der griechischen „Gymnasien“ vertraten, und deren Ruinen noch jetzt uns durch ihre Pracht und Ausdehnung in Erstaunen setzen. Vergl. Ein Jahr in Italien Th. II, S. 256–260.
37 Kaiser Vespasian hatte ihn erbaut und mit vielen herrlichen Kunstwerken geschmückt.
38 Im innersten Raume des Tempels der Vesta befand sich unter den Penaten das uralt geglaubte Schnitzbild der Pallas (vielleicht nur ein geglättetes Holzstück), das, wie es hieß, Aeneas auf seiner Reise durch Italien vom Diomedes erhalten hatte. Es galt für das Unterpfand des glücklichen Bestehens von Rom und dem römischen Reiche, wie Cicero sagt. Es war stets in eine mystische Verborgenheit gehüllt, in der es Niemand zu sehen bekam, und ward mehrmals bei Bränden mit Lebensgefahr gerettet. Vgl. Realencyklop. VI, b. S. 2503–2504.
39 Diese Stelle ist eine von denen, in welchen die redseligen wortreichen Wiederholungen ein und derselben Sache den greisen Erzähler zu verrathen scheinen.
40 Ueber die uns erhaltenen Bildnisse des Commodus findet man Näheres in meinem Torso Th. II, S. 437–438. Die vergöttlichte „Freiheit“, die Göttin Libertas, ist eine römische Personifikation, die ihre eignen Tempel hatte und in Frauengestalt, lorbeerbekränzt, mit einer länglich runden Freiheitsmütze (dem sogen. pileus) in der rechten Hand, eine Lanze oder ein Füllhorn in der Linken, von den Künstlern gebildet wurde.
41 Griechischer Name der „Mauren“ in Nordafrika, der Vorfahren der heutigen Kabylen.
42 Auch von dieser ganzen Darstellung, die obenein in vielen Punkten an das Gebiet der sogenannten „Jagdgeschichten“ zu streifen scheint, gilt die zum vorigen Kapitel gemachte Bemerkung über die Weitschweifigkeit des Ausdrucks bei unserem Autor.
43 Dieses letzere halte ich mit gütiger Erlaubniß der Herren Altherthumsforscher und Philologen, die dies bisher auf Treu und Glauben angenommen haben, für eine reine „Jagdgeschichte“, obschon Herodian so spricht, als habe er selbst die Sache mit angesehen. Wer das Buch des größten Löwenjägers der civilisirten Welt Jules Gerard (tueur des lions) gelesehen hat, wird sich schwerlich herbeilassen zu glauben, daß zu irgend einer Zeit und für irgend einen Schützen mit dem Jagdwurfspieße möglich gewesen sei, was heutzutage der beste Schütze mit der besten Büchse und den stahlgespitzten Kugeln Devisme’s nicht leisten dürfte: hundert Numidische Löwen mit hundert Schüssen zu tödten.
44 Vgl. darüber Torso Th. II, S. 460-461. vgl. 276. Der Koloß war ein Werk des berühmten Erzgießers Zenodorus unter Nero, und hundert und zehn Fuß hoch.
45 Das griechische Wort „Lathein“ (λαθεῖν), welches „verborgen sein“ heißt, und sich in dem gleichbedeutenden römischen Worte latere (Latium) wiederfindet. Vergl. über diese und andere Ableitungen Realencyklop. IV, S. 802 bis 803. Der neueste Geschichtschreiber Roms adoptirt die Ableitung, nach welcher Latium „die breite Ebene“ bedeutet, ein Name, der das Gebiet von etwa 34 Quadratmeilen zwischen Tiberfluß, Apennin, Albanergebirg und Meer sich vom Albanerberge, dem jetzigen Monte Cavo aus, darstellt. Mommsen I, S. 33–34 (2te Ausgabe).
46 Das Kronosfest, d. h. auf römisch das Fest der Saturnalien, fiel auf den 17.–24. Dezember. Den doppelköpfigen Janus hält Mommsen eben nur für den personifizirten „Geist der Eröffnung“, dem deshalb Thor und Thüre wie der Tagesanbruch (Janus matutinus) geheiligt war, und den man später an die Spitze des Jahres stellte. (Röm. Gesch. I, S. 153.) Vgl. Realencyklop. IV, S. 20 ff.
47 Auch Kunstwerke fehlten unter solchen Geschenken nicht. S. Torso II, S. 283.
48 S. die Bemerkung zu Kap. 8. Die in der Uebersetzung abgebrochene Konstruktion der Periode ist dem Original nachgebildet, in welchem sich dergleichen künstliche Nachlässigkeiten des Stils finden.
49 Selbst Kaiser Augustus hatte diese Lust an dem Spielen und Tändeln mit solchen noch kleinen, überaus schönen Knaben, an deren Schönheit und liebenswürdigem Geschwätz er in seinen spärlichen Mußestunden seine Freude hatte. Er bezog sie meistens aus Syrien und aus der Barbarei. Vergl. Sueton. Aug. Kap. 83. Etwas davon, nur ohne den antiken Schönheitssinn, ist auch in unserer Zeit bei unsern üppigen Vornehmen und Reichen in der Vorliebe derselben für zwerghafte Grooms zu finden.
50 Die Gourmandise der Römer mischte den Wein nicht selten mit wohlriechenden ätherischen Oelen, oder trank ihn aus Gefässen, in welchen solche gewesen waren.
51 Ueber diese Sitte, vor den Mahlzeiten Gegengift zu nehmen, vergl. Sueton Calig. Kap. 23.
52 Der Mörder war einer von den Athleten des Kaisers.
53 Dieses Endurtheil über Commodus gibt zugleich einen interessanten Maßstab für den Standpunkt der geistigen Bildung und Einsicht des Schriftstellers.
