5. Buch
Augustus
1 [139] Die Regierung und das Ende des Antoninus sind in dem vorhergehenden Buche geschildert worden, desgleichen die Verschwörung gegen ihn und der Thronwechsel1. Nach seiner Ankunft zu Antiochia sendet Makrinus an das römische Volk folgendes Sendschreiben: „Bei Eurer Bekanntschaft mit den von jeher befolgten Grundsätzen meiner Lebensführung, mit meiner Neigung für die Rechtlichkeit und mit der Milde meiner früheren Amtsverwaltung, in welcher ich fast kaiserliche Machtgewalt besaß, da ja auch der Kaiser selbst der Treue seiner Oberbefehlshaber der Leibwache anvertraut ist, halte ich es für überflüssig, viele Worte zu machen. Denn Ihr wisset, daß ich keinen Gefallen fand an dem Thun und Treiben des Kaisers, und daß ich mich häufig Euretwegen in Gefahr setzte in Fällen, wo er jeder beliebigen Verläumdung Gehör gebend schonungslos gegen Euch verfuhr. Auch mich schalt er übel aus, indem er mir vielmais öffentlich mein gemäßigtes und menschenfreundliches Betragen gegen die Unterthanen zum Vorwurfe machte, und es als Nachlässigkeit und Charakterschwäche verspottete, während er, ein Freund der Schmeichelei, [140] diejenigen, welche ihn zur Grausamkeit anspornten, zu seinen Wuthausbrüchen ihm die Losung gaben, und seinen Zorn durch Verläumdungen anfachten, für wohlgesinnte und treue Freunde achtete. Ich aber habe nun einmal von Natur eine Neigung zur Milde und Mäßigung. So haben wir denn den Krieg gegen die Parther, der höchst bedeutend war, und durch den das ganze Römische Reich sich in Gefahr befand, beendigt, haben einerseits in mannhaftem Kampfe und in offener Feldschlacht ohne den geringsten Schaden an unserer Waffenehre uns mit dem Feinde gemessen, und demnächst durch den Friedensvertrag einen mit gewaltiger Heeresmacht gegen uns ausgerückten großen König aus einem schwer zu bekämpfenden Feinde in einen zuverlässigen Freund verwandelt. Unter meiner Regierung soll Jedermann ohne Furcht und ohne Blutvergießen leben, und sie soll mehr für eine aristokratische, als für eine monarchische angesehen werden. Möge sich Niemand daran stoßen oder es für einen Mißgriff des Geschicks halten, daß es mich, der ich doch nur zum Stande der Ritter gehöre, zu solcher Stellung erhoben hat. Denn was nützt edle Geburt, wenn sie nicht mit Güte des Herzens und Menschenfreundlichkeit des Charakters verbunden ist? Des Geschickes Gaben fallen auch Unwürdigen zu, aber Seelenadel verleiht jedem Ruhm, der sein Eigenthum ist. Hohe Geburt und Reichthum, und was dergleichen mehr ist, preist man zwar als Glücksgüter, aber man zollt ihnen kein Lob, weil sie Gaben sind, die wir von Andern haben. Herzensgüte dagegen und Rechtlichkeit werden nicht nur bewundert, sondern geben auch dem, welcher sie mit Erfolg ausübt, ein gewisses Anrecht, die jenen Tugenden gezollten Lobsprüche auf seine Person zu beziehen. Was hat Euch denn auch die hohe Geburt des Commodus und die regelrechte väterliche Erbnachfolge des Antoninus genützt? Solche Herrscher betrachten den Thron als ein ihnen von Rechtswegen gehörendes Erbschaftsstück, und verfahren in dem ihnen von ihren Ahnen her zukommenden Besitze solchen Eigenthums mit Uebermuth. Dagegen diejenigen, welche ihn von Euch empfingen, blieben ewig Eure dankbaren Schuldner, und versuchen denen wiederzuvergelten, die sich durch Gutthaten früher Anspruch auf ihren Dank erworben haben. Und bei den hochgebornen Kaisern verleitet die edle Geburt zum Uebermuth, der sich in der Verachtung der Unterthanen als viel [141] geringerer Wesen kund gibt. Die aber, welche aus mittleren Verhältnissen zu solcher Stellung gelangen, schätzen dieselbe als etwas durch Mühe Erworbenes, und erweisen, wie sie es gewohnt sind, Ehre und Achtung denen, welche einst über ihnen standen. Was mich betrifft, so beabsichtige ich nichts ohne Euren Beirath zu thun, und Euch als Genossen und Berather der Regierung zu betrachten. Ihr dagegen werdet in Sicherheit und Freiheit leben, die Ihr unter den hochgebornen Kaisern entbehren mußtet, während früher Markus und später Pertinax, welche beide als bürgerlicher Leute Kinder gewiegt worden waren, Euch diese Güter wiederzugeben versuchten. Denn selbst Anfang eines ruhmwürdigen Geschlechts sein ist auch für das folgende Geschlecht besser, als den von den Ahnen überkommenen Ruhm durch Schlechtigkeit der Sitten zu schänden!“2.
2 Nachdem dieses Schreiben verlesen worden war, begrüßt der Senat den neuen Kaiser mit Beifallsjubel, und erkennt ihm durch Beschluß alle kaiserlichen Ehren zu. Doch freuten sich Alle nicht sowohl darüber, daß gerade Makrinus die Nachfolge angetreten hatte, sondern der Umstand, daß sie den Antoninus los waren, war es vielmehr, der allgemeinen Jubel und Festfreude hervorrief. Glaubte doch jeder, zumal von denen, welche irgendwie in Ansehen und Würden standen, ein über seinem Nacken hängendes Schwert weggenommen zu sehen. Sofort wurden die Angeber und alle Sklaven, welche ihre Herren denunzirt hatten, gepfählt; und da solchergestalt die römische Hauptstadt und so zu sagen die ganze den Römern unterworfene Erde von schlechten Menschen gereinigt wurde, indem sie theils ihre Strafe empfingen, theils verbannt wurden, und selbst die wenig verborgen gebliebenen sich aus Scheu ruhig verhielten, – so lebte man jenes ganze Jahr hindurch, auf dessen Dauer die Regierung des Makrinus [142] beschränkt war, in vollkommener Sicherheit, und in einem Zustande, der ein Bild der Freiheit war. Er machte nur den einzigen Fehler, daß er nicht sofort die verbundenen Heerlager auflöste, die einzelnen Corps in ihre Standquartiere entließ3, und selbst nach dem ihn sehnlich erwartenden Rom eilte, wo ihn der stürmische Ruf des Volks wiederholt zu sehen verlangte, sondern in Antiochia sitzen blieb, wo er seinen Bart pflegte, seine über Gebühr langsamen Spaziergänge machte, und denen, welche ihm aufwarteten, kaum oder zu schläfrig eine Antwort gab, daß man ihn oft wegen seines leisen Sprechens gar nicht verstand. Er legte großen Werth darauf, in diesen Dingen dem Markus nachzuahmen, während er ihn in seiner übrigen Lebensweise nicht zum Vorbilde nahm, sondern sich mehr und mehr der Ueppigkeit ergab, seine Zeit mit Balletvorstellungen und allen Arten von Musik- und Tanzkünstlern verbrachte, ohne sich um die Regierungsgeschäfte zu bekümmern4. Dazu erschien er öffentlich mit kostbaren goldenen edelsteinbesetzten Spangen und Gürteln geschmückt, während solche Pracht bei den römischen Soldaten nicht beliebt war, vielmehr in ihren Augen für barbarisch und weibisch galt. Daher waren ihm die Soldaten, die dies sahen, von vorn herein nicht günstig, während sie auch an seiner Lebensweise Anstoß nahmen, die ihnen zu weichlich für einen Soldaten dünkte; und wenn sie vergleichend der Lebensweise des Antoninus gedachten, die so knapp und soldatenmäßig gewesen war, so schalten sie auf Makrinus’ Ueppigkeit. Dazu waren sie übel zufrieden, daß sie selber unter Zelten und in fremden Lande leben mußten, zuweilen selbst am Nothwendigsten Mangel litten, und obschon doch Friede sei, nicht in ihre Heimath zurückkehren durften, während sie den Makrinus in Herrlichkeit und Freuden leben sahen. So fingen sie denn bald an aufsässig zu werden, und unter einander auf ihn zu schimpfen, und verlangten sehnlich nach einem beliebigen Vorwande, um sich des Urhebers ihrer Beschwerden zu entledigen.
3 [143] So sollte denn Makrinus, nachdem er ein kurzes Jahr lang die Kaiserherrlichkeit genossen hatte, Leben und Thron zugleich verlieren, da der Zufall den Soldaten eine unbedeutende und geringfügige Gelegenheit zur Erfüllung ihrer Wünsche bot. Es lebte damals eine Frau Namens Mäsa, von Geburt eine Phönikerin aus der Emesus5 geheißenen Stadt in Phönikien. Sie war eine Schwester der Julia, der Gemahlin Sever’s und Mutter des Antoninus. So lange ihre Schwester lebte, hatte sie eine Reihe von Jahren hindurch, während der Regierung des Severus und Antoninus, in der kaiserlichen Hofburg gewohnt. Dieser Mäsa nun hatte Makrinus, nach dem Tode ihrer Schwester und nach Ermordung des Antoninus, angewiesen, in ihre Heimath zurückzukehren, und mit Beibehaltung ihres ganzen Vermögens in ihrer Familie zu leben. Nun war sie aber im Besitze großer Schätze, da sie so lange die Vortheile kaiserlicher Macht genossen hatte. Die alte Dame ging also in ihre Heimath zurück, und lebte dort im Schooße ihrer Familie. Sie hatte aber zwei Töchter, von denen die ältere Soämis, die zweite Mammäa hieß. Die ältere hatte einen Sohn Namens Bassianus, die jüngere einen, der Alexianus hieß; diese wurden unter Aufsicht ihrer Mutter und der Großmutter erzogen, und Bassianus zählte etwa vierzehn Jahre, während Alexianus im zehnten Jahre stand6. Beide waren dem Gott Helios zu Priestern geweiht, den die Landeseinwohner unter dem phönikischen Namen Eläagabalus7 verehren. Es war [144] ihm daselbst ein sehr großer Tempel errichtet, der mit vielem Gold und Silber und prächtigen Edelsteinen ausgestattet war, auch wird er nicht bloß von den Eingebornen hoch verehrt, sondern auch alle benachbarten Satrapen und Barbarenkönige senden wetteifernd dem Gotte alljährlich kostbare Weihgeschenke. Ein Kultbild zwar, ein von Menschenhand gemachtes, wie bei Griechen und Römern, steht nicht in dem Tempel, wohl aber ist daselbst ein gewaltiger Stein, von unten her rund und in eine Spitze auslaufend, von kegelförmiger Gestalt und schwarz von Farbe. Der fromme Glaube nennt ihn vom Himmel gefallen, sie zeigen an demselben kleine Erhöhungen und Eindrücke auf, und wollen in ihm ein nicht von Menschenhand gemachtes Bild des Helios erkannt wissen, welches sie selbst in ihm sehen. Diesem Gotte nun also war Bassianus als Priester geweiht, denn ihm, als dem älteren, hatte man den heiligen Dienst übertragen; und so zeigte er sich denn öffentlich in Barbarentracht, bekleidet mit goldgestickten purpurnen, bis an die Hände und Füße reichenden Untergewändern, während Kleider von gleich bunten Gold- und Purpurstoffen die Beine von den Hüften bis zu den Zehen bedeckten. Den Kopf schmückte ein Kranz von künstlichen, aus Gold und Edelsteinen bunt zusammengesetzten Blumen. Er war in der Blüthe der Jugend, und von Ansehen der schönste Jüngling seiner Zeit, und es war ganz natürlich, daß man bei dieser Vereinigung von Leibesschönheit, Jugendblüthe und zierlicher Kleidung den Jüngling mit den schönen Bildnissen des Dionysos vergleichen mochte. Wenn er nun so die Kultopfer vollzog, und nach dem Klange der Flöten, Syringen und vieler anderer Instrumente nach Sitte der Barbaren um die Altäre tanzte, sahen ihm alle Leute mit besonderer Theilnahme zu, vorzüglich aber die Soldaten, welche wußten, daß er von kaiserlicher Abkunft war, während seine Jugendschönheit aller Blicke auf sich zog. Damals lag gerade in der Nähe der Stadt ein großes Heer, bestimmt, Phönikien zu decken, welches jedoch später verlegt wurde, wie wir weiterhin erzählen werden. Es kamen also die Soldaten bei jeder Gelegenheit in die Stadt, wo sie natürlich der Verehrung wegen in den Tempel gingen, und mit Freuden den Jüngling anblickten. Unter ihnen befanden sich denn auch einige Schützlinge und Klienten der Mäsa, zu denen diese, als sie den Jüngling bewunderten, sei es [145] wahr oder erdichtet, geäußert hatte: „er sei ja auch von Geburt eigentlich der Sohn des Antoninus, wenn er auch für den Sohn eines Andern gelte. Denn Antoninus habe seiner Zeit ihre Töchter, als sie jung und schön in der kaiserlichen Hofburg bei ihrer Schwester8 lebten, häufig besucht.“ Kaum hatten jene dies vernommen, so erzählten sie es alsbald ihren Kameraden wieder, so daß sich im Fortgange des Gerüchts die Kunde durch das gesammte Heer verbreitete. Von der Mäsa aber hieß es: sie habe ganze Haufen Geldes, und werde bereitwillig alles den Soldaten hingeben, wenn sie ihrem Geschlechte den Kaiserthron wieder verschafften. Als die Soldaten nun den Vorschlag machten, ihr und den Ihrigen, wenn sie unter dem Schutze der Nacht heimlich zu ihnen herauskommen wollten, die Thore zu öffnen, sie mit ihrem ganzen Geschlechte aufzunehmen, und ihren Enkel als Sohn des Antoninus und zum Kaiser auszurufen, so willigte die alte Frau ein, entschlossen, lieber sich in alle mögliche Gefahr zu stürzen, als länger im Privatstande zu leben und in den Augen der Menschen als eine Gestürzte zu gelten. So verließ sie denn Nachts heimlich die Stadt mit ihren beiden Töchtern und Enkeln. Als sie geführt von den vertrauten Soldaten an die Mauer des Heerlagers gelangten, wurden sie ohne Schwierigkeit eingelassen, und sofort begrüßte das ganze Heer den jungen Menschen mit dem Namen Antoninus, sie warfen ihm den Purpurmantel über die Schultern, und behielten ihn in ihrer Mitte. Darauf brachten sie alle nöthigen Lebensbedürfnisse, sowie ihre Frauen und Kinder, und was sie sonst in den umliegenden Dörfern und Feldern hatten, in’s Lager, verrammelten die Thore, und bereiteten sich vor, im Falle der Noth eine Belagerung auszuhalten.
4 Als Makrinus, der immer noch in Antiochia verweilte, diese Kunde erhielt, und zugleich das Gerücht alle Heerlager durchlief, daß Antoninus’ Sohn aufgefunden sei, und die Schwester der Julia Geld [146] vertheile, geriethen die Soldaten, die Allem, was gesagt wurde, mochte es nun bloß möglich oder wirklich wahr sein, Glauben schenkten, in fieberhafte Aufregung. Es reizte und spornte sie zum Umsturz der bestehenden Regierung einerseits der Haß gegen Makrinus, andrerseits das schmerzliche Andenken an den Antoninus, und vor Allem die Aussicht auf Geld, so daß Viele sogar als Ueberläufer sich zu dem neuen Antoninus begaben. Makrinus seinerseits, der den ganzen Handel als eine Kinderei verachtete, und sich seiner gewohnten Sorglosigkeit überließ, bleibt für seine Person ruhig zu Hause, und sendet nur einen der Befehlshaber des Heeres ab, dem er eine, wie er glaubte, zur gründlichen Vernichtung der Abtrünnigen hinlängliche Truppenmacht mitgab. Als aber Julianus, so hieß dieser Befehlshaber, anlangte und gegen die Mauern9 anrückte, da stiegen von innen die Soldaten auf die Thürme und Zinnen, zeigten dem belagernden Heere draußen den jungen Menschen, den sie als Antoninus’ Sohn mit Hochrufen begrüßten, und zeigten ihnen ihre mit Geld gefüllten Beutel10 als Lockspeise des Verraths. Diese nun glaubten, daß jener Antoninus’ Sohn sei, und zwar sein leibhaftes Ebenbild – denn sie wollten dasselbe in ihm sehen; sie schneiden also dem Julianus den Kopf ab, den sie dem Makrinus zuschicken, und wurden darauf sammt und sonders nach Oeffnung der Thore in das Lager aufgenommen. Durch diesen Zuwachs war die Streitmacht der Aufständischen in der Lage, nicht bloß eine Belagerung abzuwehren, sondern sogar sich in offener Feldschlacht mit den Gegnern zu messen; und dazu erhielt dieselbe noch durch die Menge der von Zeit zu Zeit, wenn auch nur in kleinen Trupps ankommenden Ueberläufer eine immerhin beträchtliche Verstärkung. Als Makrinus dies erfuhr, sammelte er das ganze um sich habende Heer, und zog heran, um, wie er meinte, die zu seinem Gegner Uebergetretenen zu belagern. Antoninus aber, dessen Soldaten keine [147] Lust hatten, sich belagern zu lassen, und voll Siegeshoffnung und Kampflust auszuziehen und sich mit Makrinus in offener Feldschlacht zu messen verlangten, führt seine Streitmacht aus dem Lager in’s Feld. Der Zusammenstoß beider Heere erfolgte auf der Grenze von Phönikien und Syrien. Die Soldaten des Antoninus stritten tapfer schon aus Furcht vor der Strafe für ihren Verrath, welche im Falle einer Niederlage ihrer harrte, während die des Makrinus ohne rechten Ernst in den Kampf gingen, und theilweise desertirten und zum Antoninus übergingen. Als Makrinus dies sah, ergriff ihn die Furcht, völlig von seiner Streitmacht verlassen als Gefangener in die Hände der Feinde zu fallen und von ihnen schimpfliche Mißhandlungen zu erleiden. Er warf also, während die Schlacht noch stand, bei Einbruch des Abends seinen Purpurmantel und alle übrigen Zeichen kaiserlicher Würde von sich, und entflieht mit einigen seiner getreuesten Centurionen, nachdem er, um sich unkenntlich zu machen, den Bart abgeschoren und ein Reisekleid angezogen hatte, und den Kopf auf der Flucht stets verhüllt hielt. So reiste er Tag und Nacht fort, überall dem Gerüchte seines Unglücks zuvorkommend, indem die Centurionen mit großem Eifer überall die Beschaffung der Fuhrwerke beeilten, als ob sie von dem Kaiser Makrinus in wichtigen Angelegenheiten gesendet seien. Dieser also, wie gesagt, floh. Das Kriegsvolk aber setzte auf beiden Seiten den Kampf fort; für Makrinus fochten die Leibgarden und Trabanten, die sogenannten Prätorianer, welche dem ganzen übrigen Heere als ein starkes und erlesenes Corps allein noch tapfern Widerstand leisteten, während bereits die ganze übrige Masse für den Antoninus stritt. Als jedoch die, welche für ihn fochten, den Makrinus und die kaiserlichen Insignien längere Zeit hindurch nirgends mehr erblickten, wurden sie natürlich stutzig, wo er wohl sein möchte, ob er sich unter der Masse der Gefallenen befinde, oder ob er sich aus dem Staube gemacht habe, und wußten nicht, wie sie sich in der Sache verhalten sollten. Denn sie hatten keine Lust, für den nicht mehr Anwesenden zu streiten, und andrerseits war es ihrer Ehre zuwider, sich auf Gnade und Ungnade so zu sagen kriegsgefangen zu geben. Inzwischen hatte Antoninus von den Ueberläufern die Flucht des Makrinus in Erfahrung gebracht, er sandte also Herolde ab, und [148] läßt ihnen durch dieselben zu wissen thun, daß sie zwecklos für einen Feigling und Ausreißer kämpfen, er verspricht ihnen eidlich Sicherheit und Straflosigkeit, und fordert sie auf, auch bei ihm den Dienst als Leibgarde zu übernehmen. Natürlich gingen sie darauf ein, und traten zu ihm über. Antoninus sandte hierauf Mannschaft zur Verfolgung des Makrinus aus, der inzwischen einen bedeutenden Vorsprung gewonnen hatte. In Chalcedon, einer Stadt Bithyniens, wurde er jedoch ergriffen, wo er schwer erkrankt und von der anhaltenden Fluchtreise erschöpft darniederlag. Dort fanden ihn die Verfolger in dem Verstecke irgend eines vorstädtischen Landhauses, und schnitten ihm den Kopf ab. Wie es hieß, beabsichtigte er, nach Rom zu eilen, im Vertrauen auf die Zuneigung des Volkes für ihn. Er segelte schon über die Meerenge der Propontis der Küste von Europa zu, und näherte sich bereits der Stadt Byzanz, als, wie man sagt, ein Widerwind sein Schiff erfaßte, und ihn in sein Verderben zurückführte. So nahe also war Makrinus daran, seinen Verfolgern zu entgehen, und ein so schmähliches Ende fand er, weil er zuletzt nach Rom gehen wollte, während er das zuerst hätte thun müssen. So brachte ihn seine Kopflosigkeit ebenso wie sein Schicksal zu Falle. Das also war das Ende des Makrinus, und mit ihm ward sein Sohn um’s Leben gebracht, den er zum Cäsar gemacht und Diadumenianus genannt hatte.
7, 10 unsicher
5 Nachdem das gesammte Heer sich auf die Seite des Antoninus gestellt und ihn zum Kaiser ausgerufen hatte, übernahm er die Regierung, indem er die dringendsten Geschäfte im Orient von seiner Großmutter und den um ihn befindlichen Freunden besorgen ließ – denn er selbst war noch zu jung an Jahren, und ohne Geschäftserfahrung und Kenntniß – verweilte aber nicht lange (im Orient), sondern beeilte seine Abreise, da zumal die Mäsa nach ihrem altgewohnten Kaiserpalaste in Rom Verlangen trug. (2) Als dem Senate und Volke von Rom das Vorgefallene mitgetheilt wurde, so hörten zwar Alle die Kunde sehr ungern, fügten sich aber der Nothwendigkeit, da [149] das Heer einmal sich so entschieden hatte. Man schalt auf Makrinus’ Lässigkeit und weichliche Sitten, und sagte, daß kein anderer als er selbst Schuld sei an seinem Ausgange. (3) Antoninus, der indessen aus Syrien aufgebrochen und nach Nikomedien gekommen war, überwinterte daselbst, da die Jahreszeit es so verlangte. Sofort begann er hier sein bacchantisches Leben, und beeiferte sich, den Priesterdienst seines heimischen Gottes, in welchem er erzogen war, mit großem Pompe zur Schau zu stellen, indem er sich in die allerkostbarsten Gewänder kleidete, sich mit purpurnen golddurchwirkten Stoffen, Halsbändern und Halsketten putzte, und auf dem Kopfe eine Krone in Form einer Tiara von Gold und kostbaren Edelsteinen trug. (4) Seine äußere Erscheinung war ein Mittelding zwischen dem Anzuge eines Phönikischen Priesters und der weichlichen Mederkleidung. Alle römische oder hellenische Tracht war ihm zuwider, die, wie er sich ausdrückte, aus Wolle, einem so gemeinen Stoffe, gemacht sei; die Serischen11 Gewebe hatten allein seinen Beifall. Er zeigte sich öffentlich unter Flöten- und Trompetenklang, als wolle er dem Gotte zu Ehren Orgien feiern. (5) Die Mäsa sah dies Alles sehr ungern, und versuchte ihn durch inständiges Bitten dahin zu bringen, jene Kleidung mit der römischen Tracht zu vertauschen, damit er, der doch im Begriff stehe, in Rom einzuziehen und den Senat zu besuchen, nicht durch fremdartige oder völlig barbarische Kleidung die Augen der Zuschauer beleidige, die derselben ganz ungewohnt waren, und nach deren Ansicht solcher Aufputz sich nicht für Männer, sondern nur für das weibliche Geschlecht passe. (6) Er aber verachtete die Worte der alten Dame, und ließ sich auch von keinem Andern rathen, wie denn auch Niemand zu ihm gelassen wurde, als Leute seines Schlags und Schmeichler seiner Ausschweifungen; vielmehr wollte er Senat und Volk von Rom an den [150] Anblick seiner Kleidung gewöhnen, und zugleich einen Versuch machen, wie sie in seiner Abwesenheit den Anblick seiner äußern Erscheinung aufnähmen. Er ließ also ein sehr großes Porträt seiner ganzen Gestalt malen, in dem Aufzuge, wie er öffentlich und bei Opfern zu erscheinen pflegte, und ihm zur Seite auf dem Gemälde das Bild des heimischen Gottes, dem er opferbringend dargestellt war12. (7) Dies Gemälde schickte er nach Rom, und befahl, dasselbe recht in der Mitte des Senatsgebäudes möglichst erhaben gerade über dem Haupte der Bildsäule der Siegesgöttin anzubringen, damit beim Eintritt in den Senat jeder Weihrauchopfer und Weinspende demselben darbringe. Ferner verordnete er, daß alle römischen Magistrate, sowie jeder, dem die Verrichtung von öffentlichen Opfern obliege, vor allen Göttern, welche sie sonst anrufen, zuerst den Namen des neuen Gottes Eläagabalus zu nennen habe. Als er darauf selbst in dem vorbeschriebenen Aufzuge nach Rom kam, sahen die Römer in demselben nichts Auffallendes mehr, da sie sich durch jenes Gemälde bereits daran gewöhnt hatten. (8) Er gab dem Volke die bei dem Regierungsantritte der Kaiser üblichen Spenden, richtete Schauspiele aller Art mit großer Sorgfalt und Pracht aus, und erbaute darauf seinem Gotte einen überaus großen und schönen Tempel, um welchen herum er eine große Anzahl von Altären errichten ließ. Er selbst begab sich allmorgentlich dorthin, wo er Hekatomben von Stieren und eine große Menge Schafe schlachtete, und auf die Altäre legte, alle Arten von Räucherwerk in Fülle aufhäufte, und von dem ältesten und kostbarsten Weine viele Amphoren13 als Opferguß vor den Altären spendete, so daß ganze Ströme von Wein und Blut gemischt dahinflossen. (9) Dann führte er um die Altäre Tänze auf unter dem Klange von allerlei Musikinstrumenten, wobei Weiber aus seiner Heimath mit ihm im Reigen tanzten, und mit [131] Cymbeln oder Blasinstrumenten in den Händen sich um die Altäre schwangen, während der ganze Senat und der Ritterstand wie im Theater sie als Zuschauer im Halbkreise umstanden. Die Eingeweide aber der geopferten Thiere und das Räucherwerk trugen in goldenen Gefässen nicht etwa Diener oder sonst Menschen geringen Standes auf dem Haupte, (10) sondern die Befehlshaber der Heere und die höchsten Staatsbeamten, angethan mit weiten, Füße und Hände bedeckenden Unterkleidern nach Phönikischer Tracht, mit einem einzigen Purpurstreifen in der Mitte. Dazu hatten sie aus Leinwand verfertigte Schuhe, wie die, welche in jener Gegend das Wahrsagen und Priesteramt bekleiden; und wen er an diesem Opferdienste Theil nehmen ließ, dem glaubte er die höchste Ehre anzuthun.
6 Obschon er nun in einem fort mit Chortanz und Opferdienst beschäftigt schien, so brachte er doch viele unter den Vornehmen und Reichen um’s Leben, die man bei ihm verläumdete, als ob sie an seiner Lebensweise keinen Gefallen fänden, und dieselbe verspotteten. Zur Frau nahm er sich die edelste Römerin, die er als kaiserliche Majestät ausrufen ließ14, aber nach kurzer Zeit wieder verstieß, ihr die kaiserlichen Ehren entzog, und ihr im Privatstande zu leben befahl. (2) Nach ihr stellte er sich (um doch auch sich als Mann zu zeigen), von Liebesleidenschaft ergriffen zu einer Jungfrau, welche eine Priesterin der römischen Hestia15 und nach den Religionsgesetzen verpflichtet war, unbefleckt und bis an ihr Lebensalter Jungfrau zu bleiben, entführte sie gewaltsam der Vesta und dem heiligen Wohngebäude16 der Vestalinnen, und machte sie zu seiner Gemahlin. In seinem Erlasse an den Senat entschuldigte er dies so ungeheure Sakrileg und Frevelstück mit den Worten: „Es sei etwas Menschliches, was ihm begegnet sei, es sei Liebesleidenschaft für das Mädchen, was ihn ergriffen habe, und übrigens sei auch die Ehe eines Priesters [152] mit einer Priesterin ganz in der Ordnung.“ Trotzdem verstieß er auch diese nicht lange darauf, und heirathete eine Dritte, die ihre Abkunft auf Kommodus zurückführte17. (3) Aber nicht nur mit menschlichen Ehen trieb er sein Spiel, sondern auch für den Gott, dessen Dienst er versah, suchte er eine Frau. So ließ er denn das Bild der Pallas, das den Blicken entzogen und in Verborgenheit von den Römern verehrt wird, in sein Kabinet bringen. Dies Bild, das, seit es von Ilium kam, nie von seiner Stelle gerückt worden war, außer bei der Feuersbrunst, welche den Tempel verzehrte18, rückte dieser Mensch von seiner Stelle, und führte es zur Hochzeit, wie er sagte, in die kaiserliche Hofburg seinem Gotte zu. (4) Bald aber erklärte er, derselbe finde keinen Gefallen an der von Kopf bis zu Fuß bewaffneten kriegerischen Göttin, und ließ deshalb das Bild der Urania nach Rom kommen, welches die Karthager und die übrigen Bewohner Libyens mit besonderer Andacht verehren. Die Sage will, Dido, die Phönikerin, habe dasselbe gestiftet, als sie dazumal die alte Stadt Karthago durch Zerschneidung der Rindshaut gründete19. Die Libyer, um auf die Göttin zurückzukommen, nennen dieselbe Urania, die Phöniker dagegen Astroarche, womit sie die [153] Selene20 bezeichnen. (5) Antoninus nun, der eine Ehe des Helios mit der Selene für eine sehr passende Verbindung erklärte, befahl, das Bild nebst allen seinen Goldschätzen von dort nach Rom zu senden, und zugleich noch eine große Menge Geld, als „Mitgift“21, wie er sich ausdrückte, in den Kauf zu geben. Als es nach Rom gebracht worden war, that er es wirklich mit seinem Gotte in ein und demselben Raum zusammen, und verordnete, daß alle Einwohner von Rom und Italien ein Fest begehen, und dasselbe durch alle möglichen Ergötzlichkeiten und Gastmäler sowohl öffentlich als privatim feiern sollten, „weil“, wie er sich ausdrückte, „Götter Hochzeit hielten.“ (6) So baute er denn auch in der Vorstadt einen überaus großen und prachtvollen Tempel, in welchen er alljährlich um die Sommermitte seinen Gott hinführte. Dabei feierte er allerlei rauschende Feste, wozu er Hippodrome und Theater herrichten ließ, und durch Wagenrennen, Schauspiele und Ohrenschmause aller Art das Volk, das sich Tag und Nacht diesen Festgenüssen hingab, zu erfreuen meinte. Den Gott selbst setzte er auf einen mit Gold und den kostbarsten Edelsteinen geschmückten Wagen, und führte ihn von der Stadt in die Vorstadt hinab. (7) Den Wagen zog ein Sechsgespann von sehr großen fehlerfreien Rossen, strotzend von Gold und buntem Geschirr; die Zügel hielt er (der Gott) selbst. Es durfte nämlich niemals ein Mensch den Wagen besteigen, darum wurden die Zügel dem Gotte selbst, als ob er der Wagenlenker sei, umgehängt. Antoninus aber lief vor dem Wagen her, rückwärts gehend und auf den Gott blickend, und die Pferde am Zaume führend; und so machte er den ganzen Weg rückwärts laufend, und den Blick auf die Vorderseite des Gottes geheftet. (8) Damit er selbst aber dabei nicht stolpere oder einen Fehltritt thun möchte, weil er nicht sah, wohin er trat, war der Weg dick mit [154] Goldsand bestreut, und die Trabanten bildeten auf beiden Seiten Spalier, um für die Sicherheit eines solchen Zuges zu sorgen. Das Volk seinerseits lief von beiden Seiten nebenher, theils Fackeln tragend, theils Kränze und Blumen zuwerfend. Dem Festzuge vorauf zogen die Bilder sämmtlicher Götter, sowie alle ihre kostbarsten Weihgeschenke, alle Insignien oder sonstigen kostbaren Schätze des Kaiserthums, desgleichen die Ritter und das gesammte Militär. (9) Nachdem er solchergestalt den Gott in den Tempel geführt und ihn daselbst aufgestellt hatte, vollzog er die oben genannten Opfer und Festlichkeiten. Dann bestieg er gewaltige hohe Thürme, die er eigens dazu hatte errichten lassen, und warf unter die Pöbelmassen, denen männiglich frei zuzugreifen erlaubt war, goldene und silberne Trinkgeschirre, Kleidungsstücke und kostbare Arzneimittel aller Art, desgleichen alle möglichen Thiere, sowohl zahme als wilde22, nur keine Schweine; denn deren enthielt er sich, nach Phönikischer Satzung. (10) Bei dem Aufraffen kamen natürlich viele Menschen um’s Leben, die theils im gegenseitigen Gedränge zertreten wurden, theils sich an den Lanzen der Soldaten spießten, so daß sein Fest Unglück über Viele brachte. Er selbst trat dabei wiederholentlich als Wettfahrer und Tänzer auf, denn er strebte nicht einmal darnach, seine Ausschweifungen zu verbergen. So erschien er auch mit bemalten Augen und rothgeschminkten Wangen, indem er sein natürlich schönes Gesicht durch häßliche Schminken schmählich entstellte.
2, 7 unsicher
7 Mäsa, die dies mit ansah, und wohl vermuthen konnte, daß die Soldaten an einem solchen Leben ihres Kaisers Anstoß nähmen, während sie zugleich bei einem etwaigen Sturze desselben wieder in den Privatstand zurückzusinken fürchtete, redet dem in aller Beziehung leichtsinnigen und unverständigen Jünglinge fortwährend zu, seinen Vetter, ihren Enkel von der zweiten Tochter Mammäa, als Sohn zu [155] adoptiren und zum Cäsar zu machen. (2) Seinem Ohre gefiel ihre Rede, wenn sie ihm vorstellte: daß er seinerseits ja seine ganze Zeit für den Dienst und die Verehrung seines Gottes, für bacchische Aufzüge und Feste, und für die Kultverrichtungen nöthig habe; ein Anderer müsse dazu da sein, der die irdischen Geschäfte versehe, und ihm selbst nur den mühe- und sorgenlosen Theil des Kaiseramtes übrig lasse. Freilich dürfe er dazu keinen Fremden, oder eine Person außerhalb seiner Familie wählen, sondern müsse seinem Vetter dies übertragen. (3) Sofort mußte denn Alexianus seinen Namen umändern, und sich Alexander nennen lassen, indem man seinen großväterlichen Namen in den des Makedoniers umwandelte, sowohl aus dem Grunde, weil der letztere so hochberühmt, als auch deßhalb, weil er auch von ihrem beiderseitigen angeblichen Vater überaus hoch verehrt worden war. Denn des sträflichen Verkehrs rühmten sich beide Töchter der Mäsa, ja die alte Dame selbst, um dadurch die Soldaten zu bewegen, die Söhne als die Kinder jenes Kaisers nur um so werther zu halten. (4) So wird denn Alexander zum Cäsar und zum Mitconsul des Antoninus ernannt, worauf er sich in den Senat begab, und diese Verfügungen bestätigen ließ. Es waren wohl die lächerlichsten aller Beschlüsse, welche hier der Senat auf Befehl faßte: daß der etwa siebzehnjährige Kaiser als Vater, und Alexander, der im zwölften Jahre stand, als Sohn gelten sollte. Nach dieser Ernennung des Alexander zum Cäsar verlangte Antoninus, daß derselbe seine Beschäftigungen mittreibe, daß er tanzen, und den Reigen führen, und an dem Kultus in gleicher Tracht und gleichen Verrichtungen Theil nehmen solle. (5) Allein seine Mutter Mammäa zog ihn ab von solchen unanständigen und einem Kaiser nicht geziemenden Dingen, sie hielt ihm heimlich Lehrer in aller Bildung, übte ihn in allen nützlichen Wissenschaften, gewöhnte ihn an die Ringschule und deren männliche Leibesübungen, und ließ ihm in Hellenischer wie in Römischer Literatur Unterricht ertheilen. Darüber ward Antoninus sehr aufgebracht, und er bereute es, daß er ihn zum Sohn und Mitregenten gemacht hatte. (6) Er jagte daher seine Lehrer sammt und sonders aus der kaiserlichen Hofburg, und verhängte Tod oder Exil über einige der bedeutendsten unter [156] ihnen23, wobei er die lächerlichsten Vorwände brauchte, als ob sie ihm seinen adoptirten Sohn verdürben, indem sie demselben nicht erlaubten, die Chortänze und Festaufzüge mitzumachen, sondern ihn zu vernünftigem Betragen und zu einem Manne erzögen. Ja er trieb den Unsinn so weit, daß er Alles, was der Bühne und den öffentlichen Theatern angehörte, zu den wichtigsten kaiserlichen Aemtern beförderte, wie er denn zum Oberbefehlshaber der Heere24 einen gewesenen Tänzer ernannte, der in seiner Jugend öffentlich im römischen Theater getanzt hatte! (7) In einem zweiten Falle nahm er gleicherweise einen Andern vom Theater fort, und machte ihn zum Aufseher über die Bildung und Erziehung der Jugend und zum Vorstande der Censur über die Mitglieder des Senats und des Ritterstandes25. Wagenlenkern, Komödianten und Mimendarstellern26 übertrug er die wichtigsten kaiserlichen Vertrauensämter, und seinen Sklaven oder Freigelassenen, je nachdem sich einer durch irgend eine Schändlichkeit seine Gunst erworben hatte, übertrug er die konsularischen Verwaltungsstellen über die Provinzen27.
8 Während so Alles von Alters her als ehrwürdig Geltende in der Trunkenheit des Uebermuths verhöhnt ward, griffen Unwillen und Unzufriedenheit bei allen Menschen, und zumal bei den Soldaten immer mehr um sich. Sie fanden es an ihm anstößig, daß er vor [157] ihren Augen sein Gesicht sorgfältiger schminkte, als es selbst für eine anständige Frau schicklich war, daß er sich mit goldenen Halsgeschmeiden und üppigen Gewändern unmännlich putzte, und in solchem Aufzuge im Angesichte aller Welt als Tänzer auftrat. (2) Um so stärker wandten sie ihre Neigung dem Alexander zu, auf den sie als auf einen anständig und wohl erzogenen Jüngling bessere Hoffnungen setzten. Sie wachten über seine Sicherheit auf alle mögliche Weise, da sie sahen, daß Antoninus ihm nach dem Leben trachte. Auch seine Mutter Mammäa ließ ihren Sohn nichts von den Speisen und Getränken zu sich nehmen, die ihm von jenem geschickt wurden, und nicht die kaiserlichen, zu gemeinsamem Dienste angestellten Mundköche und Mundschenken durfte ihr Sohn benutzen, sondern solche, welche die Mutter aus ihren zuverlässigsten Leuten dazu ausgewählt hatte. (3) Auch gab sie heimlich Geld her, um es verborgenerweise unter die Soldaten zu vertheilen, um deren Zuneigung für ihren Alexander auch durch Geld, worauf die Soldaten am meisten sehen28, zu verstärken. Als Antoninus diese Dinge erfuhr, suchte er natürlich auf alle mögliche Weise dem Alexander und seiner Mutter heimlich an’s Leben zu kommen. Aber alle Nachstellungen verhinderte und vereitelte die gemeinsame Großmutter beider, Mäsa, eine Frau, die überhaupt sehr gerieben, und durch ein langjähriges Leben am Kaiserhofe gewitzigt war, da sie als Schwester von Severus’ Gemahlin Julia die ganze Zeit hindurch mit ihr in der kaiserlichen Hofburg gelebt hatte. (4) Daher entging ihrer Aufmerksamkeit keiner von den Anschlägen des Antoninus, der von Natur ein aufgeblasen großsprecherisches Wesen hatte, und rückhaltlos und öffentlich alle seine Anschläge besprach29 und ausführte. Als er nun mit seinen Nachstellungen nicht zum Ziele kam, wollte er dem jungen Menschen die Cäsarwürde entziehen, und so wurde von da ab dem Alexander weder bei Anreden, noch wenn er sich öffentlich zeigte, die ihm als Cäsar gebührende Ehre erwiesen. [158] (5) Allein die Soldaten verlangten heftig nach ihm, und waren es übel zufrieden, daß man ihn so der Regierung entsetzen wolle. Da ließ Antoninus das Gerücht aussprengen, daß Alexander im Sterben liege, und machte damit einen Versuch, wie die Soldaten ein solches Gerede aufnehmen würden. Diese aber, die den jungen Menschen nicht mehr erblickten, und denen die Nachricht ein Stich in’s Herz war, schickten in ihrem Zorne dem Antoninus nicht mehr die gewöhnliche Wache30, sondern schlossen sich in ihrem Lager ein, und verlangten den Alexander in ihrem Heiligthume31 zu sehen. (6) Antoninus, der in große Angst gerieth, ließ den Alexander kommen, ihn an seiner Seite in der kaiserlichen Sänfte, die reich mit Gold und Edelsteinen verziert war, Platz nehmen, und begab sich so mit dem Alexander in das Lager. Als nun die Soldaten die Thore zu ihrer Aufnahme öffneten, und sie in den Tempel des Lagers führten, empfingen sie den Alexander mit übermäßigem Jubel und Lebehochrufen, während sie sich gegen den Antoninus sehr kühl verhielten. (7) Das nahm der letztere sehr übel; sein Unwille stieg noch mehr, nachdem er die Nacht im Tempel des Lagers zugebracht hatte, er gerieth in Zorn gegen die Soldaten, und gab Befehl, die Hauptschreier, welche dem Alexander übermäßig zugejubelt hätten, als Rädelsführer von Meuterei und Krawall zur Bestrafung festzunehmen. (8) Die hierüber aufgebrachten Soldaten, die schon ohnedies den Antoninus haßten, und sich des unwürdigen Kaisers zu entledigen wünschten, jetzt aber es auch zugleich für ihre Pflicht hielten, ihren Kameraden, die man verhaftete, zu Hülfe zu kommen, benutzten die günstige Gelegenheit und den gerechten Vorwand; sie tödten den Antoninus selbst und seine Mutter Soämis – die als Kaiserin Mutter32 anwesend war – sammt der ganzen kaiserlichen Umgebung, deren man im Lager habhaft wurde, und die als Diener und Genossen seiner Verbrechen galten. (9) Die Leichname des Antoninus und der Soämis überließen sie jedem, dem es beliebte, sie herumzuschleifen, und [159] Spott damit zu treiben, und so wurden dieselben denn auch eine ganze Zeit lang unter Mißhandlungen durch die Stadt geschleift, und zuletzt in die Abzugskanäle geworfen, welche in den Thybrisstrom münden. (10) So fand Antoninus, nachdem er den oben gemeldeten Lebenswandel geführt hatte, zugleich mit seiner Mutter im sechsten Jahre seiner Regierung den Untergang. Die Soldaten ihrerseits riefen den Alexander, der noch sehr jung war, und ganz unter der Leitung seiner Mutter und Großmutter stand, zum Kaiser aus, und führten ihn hierauf zum kaiserlichen Palaste.
Anmerkungen
1 Die Worte: „desgleichen – Thronwechsel“ hat J. Bekker als unächt eingeklammert.
2 Makrinus hatte Ursache, gegen die Legitimität der fürstlichen Geburt zu reden. Er war nicht Senator, und seine Feinde behaupteten sogar, daß er von Sklaven abstamme. Wenigstens ließ sein Nachfolger dies durch gedungene Skribenten verbreiten, deren Nachklänge Gibbon noch in der „Kaisergeschichte“ findet.
3 Caracalla hatte ein großes Heer aus den verschiedensten Provinzen des Reichs im Orient versammelt.
4 Dies scheint offenbare Uebertreibung.
5 Jetzt Hems, Stadt in Syrien, früher Sitz arabischer Dynasten, später unter Caracalla römische Kolonie.
6 Diese Angabe ist nicht ganz richtig. Nach Gibbon’s Berechnung war Elagabalus damals siebzehn, sein Vetter dreizehn Jahre alt. Auch verlängert Herodian durch einen ähnlichen chronologischen Fehler die Regierung Elagabals um zwei Jahre über ihre wirkliche Dauer. (Gibbon I, S. 240–41.)
7 Von den Griechen zuweilen umgeformt in Heliogabal, sonst auch Alagabalus oder Elagabalus geschrieben, bedeutet ursprünglich, nach Gibbon (I, S. 244 Sporschill), „der gestaltende Gott“ von El, Allah (Gott), und Gabal (formen). Nach Andern bedeutet der Name soviel als „Gott des Berges“.
8 Nämlich der Mäsa Schwester, Julia.
9 Des befestigten Lagers der Rebellen.
10 Die römischen Soldaten trugen ihr Geld in gürtelähnlichen ledernen „Geldkatzen“, wie unsere Bauern und Viehhändler. Mit einer solchen goldgefüllten Geldkatze (zona, ballantion) um den Leib versteckte sich Kaiser Vitellius vor den eindringenden feindlichen Soldaten. S. Sueton Vitell. 16. Schmid zu Horaz Epist. II, 2, 40.
11 Die Serer sind die Bewohner von Serika, der Landschaft, welche den östlichen Theil der kleinen Bucharei, die Kotschotei und einen Theil des nordwestlichen China umfaßte. Erst zu Plinius’ des älteren Zeit (70 nach Chr. Geb.) wurde das Land näher bekannt, besonders durch die seidenen Gewebe, welche die Römer von dort bezogen. „Seres“ heißt eigentlich Seidenwürmer, und der Name ist ein rein merkantiler, den die Abendländer dem Volke gaben. Die seidenen Stoffe waren damals noch überaus kostbar.
12 Ueber die erhaltenen Darstellungen und Porträts des Eläagabalus findet man das Nähere in Ad. Stahr’s Torso Th. I. S. 441.
13 Eine Amphora war ein Gefäß, das etwas über zweiundzwanzig Berliner Quart enthielt. – Hekatombe, d. i. ein Opfer von hundert Stieren, ist bei der ungeheuren Verschwendung, die hier geschildert wird, wohl wörtlich zu verstehen. Das Fleisch diente zum Opferschmause, und ward auch wohl unter das Volk vertheilt.
14 Der ihr als solcher beigelegte Titel hieß „Sebaste“.
15 Der Vesta.
16 „Parthenon“ (d. h. Jungfrauenhaus), von Herodian genannt.
17 „Sie hieß Annia Faustina, wahrscheinlich eine Enkelin des Kaisers Marc Aurel von dessen Tochter Lucilla.“ Die Vestalin, die er entführte, hieß Aquileja Severa, die erste Gemahlin, die er bloß wegen eines Muttermales an ihrem Körper verstieß, war aus dem edlen Geschlechte der Cornelier.
18 Eine solche erwähnt unser Schriftsteller oben I, 14. Einer anderen gedenken Livius (26, 27.), Valer. Maximus (I, 4, 4.) und Ovid. im sechsten Buche der Fasti 421. 437. – Uebrigens rühmten sich später die Vestalinnen, dem ruchlosen Eindringlinge in ihr Heiligthum ein falsches Bild in die Hände gespielt zu haben.
19 Die Sage von der Gründung der berühmten Stadt, welche eigentlich „Karthada“, d. i. Neustadt, hieß, was die Griechen und Römer in Karchedon oder Carthago umwandelten, ist bekannt. Diese entstand, wie so viele andere griechische Sagen, aus dem Namen, den der älteste Stadttheil führte, der Byrsa, d. i. Burg, hieß. Da nun dasselbe Wort bei den Griechen „Rindshaut“ bedeutete, so bildete die griechische Phantasie daraus die Sage von der klugen Dido, welche sich von dem Könige des Landes zuerst nur soviel Platz erbat, als sie mit einer Stierhaut bedecken könne, dann dieselbe in feinste Streifen zerschnitt, und dadurch einen großen, zur Anlegung einer Stadt genügenden Raum zu ihrem Eigenthume machte.
20 Selene = Mond. Die „Astroarche“, d. h. Gestirnebeherrscherin, war die uralte Burggöttin von Karthago. Dieser griechische Name ist eine Umbildung von Astarte, welchen Namen die Phönikische Mondgöttin führte.
21 Aehnlich machte es schon der Triumvir Antonius. Als die knechtischen Athener ihm, der sich den Gott Bacchus nannte, ihre Stadtgöttin Minerva zur heiligen Ehe anboten, erwiederte er: er nehme den Antrag an, forderte aber vier Millionen Sesterzien (d. h. etwa 40,000 Preußische Friedrichsd’or) Mitgift. So erzählt Dio Cass. 48, p. 380. D. Leunclav.
22 Ueber diese Sitte der Auswerfung von Geschenken, welche bekanntlich meist nicht in Natura, sondern nur in der Form auf Täfelchen geschriebener Anweisungen unter das Volk geworfen wurden, s. meine Anmerk. zu Sueton Leben des Caligula Kap. 18. und a. a. O.
23 Es ist sehr bezeichnend für die Zeit, daß hier Herodian keinen einzigen Namen nennt, wo es sich doch um die damaligen Größen der Wissenschaft, Literatur und Kunst handelt. Vgl. Lamprid. im Leben Alexanders Kap. 3.
24 D. h. zum Präfekten der Leibgarden.
25 Es sind die Aemter der „Sittenaufsicht“ (praefectura morum) und der „Censur“ gemeint.
26 S. meine Bemerk. zu Sueton, Cäsar Kap. 39.
27 Die Details über alle diese Dinge finden sich mit ekelerregender Ausführlichkeit bei dem leichtgläubigen Kompilator der Lebensgeschichte Eläagabal’s in der „Kaisergeschichte“. Aber selbst dieser läßt die auch von Gibbon unterstützte Vermuthung einfließen, daß die Laster und Verbrechen des kaiserlichen Fanatikers übertrieben worden sind. Sein religiöser Fanatismus für seinen syrischen Kultus war wohl die Wurzel allen Uebels.
28 Diese wenigen schlicht und einfach ausgesprochenen Worte sagen mehr von dem heillosen Zustande des damaligen römischen Kaiserthums, als ein ganzes Buch.
29 Es fehlte ihm also die erste Eigenschaft eines Tyrannen, welche demselben für seine Staatsstreiche Erfolg sichert, die Verschwiegenheit.
30 Die Cohorte, welche als Palastwache den Dienst hatte, wurde regelmäßig in bestimmten Fristen durch eine andere aus dem Prätorianerlager gesendete abgelöst. Vgl. Sueton Otho Kap. 6.
31 S. oben Buch IV. Kap. 4.
32 „Sebaste“. S. oben Kap. 6.
