Aelius

Ornament

Übersetzung

Dem Kaiser Diocletianus bringt seinen ergebensten Gruß dar Aelius Spartianus.

1 (1) [55] Ich bin Willens, Diocletianus Augustus, größter unter so vielen Kaisern, nicht blos diejenigen Kaiser, welche den ersten Platz auf der Höhe, auf welcher du stehst, inne hatten (wie ich dieses bereits bis zum göttlichen Hadrian gethan habe), sondern auch diejenigen, welche, ohne Kaiser oder Auguste zu sein, den Cäsartitel geführt haben oder sonst auf irgend eine Art zu Namen und Hoffnung des Throns gekommen sind, der Kenntniß deiner Majestät vorzulegen. (2) Von diesen Letztern muß vornehmlich über Aelius Verus gesprochen werden, der, durch Hadrians Ankindung der Familie der Kaiser einverleibt, zu allererst1 blos den Cäsarnamen erhalten hat. (3) Weil indessen nur [56] äußerst wenig von ihm zu berichten ist und die Vorrede nicht weitläufiger als die Ausführung selbst sein darf, so will ich sogleich von ihm anfangen.

2 (1) Cejonius Commodus, auch Aelius Verus genannt, welchen sich nach vollendeter Bereisung des Reiches Hadrian, bei vorgerücktem Alter, von schmerzhaften Krankheiten heimgesucht, ankindete, bietet nichts Merkwürdiges in seinem Leben dar, als daß er, der erste, nur den Cäsartitel geführt hat. (2) Indeß fand seine Ankindung nicht durch ein Testament, wie sonst gewöhnlich, noch auf die Weise wie bei Trajan Statt2, sondern fast ebenso, wie in unsern Tagen Maximianus und Constantius gleichsam als wirkliche3 Söhne der Kaiser und künftige Erben der Augustenwürde von deiner Huld zu Cäsaren ernannt worden sind4. (3) Weil ich aber vornehmlich in dem Leben dessen, [57] der nur den Cäsartitel erhalten hat, etwas über den Ursprung dieses Namens sagen muß, so bemerke ich, daß nach der Meinung der gelehrtesten und unterrichtetsten Männer derjenige, welcher zuerst Cäsar genannt wurde, diesen Namen entweder von dem Umstande erhalten hat, weil er einen Elephanten, in der maurischen Sprache Cäsa genannt, in einem Treffen erlegte, (4) oder weil er nach dem Tode seiner Mutter aus deren Leibe herausgeschnitten wurde, oder weil er, mit langen Haaren zur Welt kam, oder weil seine lebhaften Augen außerordentlich, und mehr als bei Menschen gewöhnlich, blau [caesii] waren. (5) Doch der Ursprung dieses Namens mag gewesen sein welcher er will – in jedem Falle war es eine glückliche Fügung, durch welche ein so erhabener, gleich ewig wie die Welt dauernder Name aufgeblüht ist. (6) Derjenige nun, von dem die Rede ist, hieß zuerst Lucius Aurelius Verus, wurde aber von Hadrian in die Familie der Aelier aufgenommen, d. h. in die Familie Hadrians verpflanzt und Cäsar genannt. (7) Sein Vater war Cejonius Commodus, den Einige Verus, Andere Lucius Aurelius, Viele auch Annius nennen. (8) Alle seine Vorfahren waren von sehr edlem Stande und stammten meistentheils aus Etrurien oder Faventia. (9) Indeß will ich mich über diese Familie in dem Leben des L. Aurelius Cejonius Commodus Verus Antoninus, des auf Hadrians Geheiß von Antoninus angekindeten Sohnes dieses Lucius Verus, weitläufiger verbreiten. (10) Denn eine Schrift, welche einen Fürsten zum Gegenstande hat, über welchen Mehr zu sagen ist, muß alles seinen Stammbaum Betreffende enthalten.

3 (1) Aelius Verus wurde von Hadrian in einem Zeitpunkte [58] angekindet, wo, wie oben bemerkt, dieser bereits wenig mehr bei Kräften war und auf einen Nachfolger denken mußte. (2) Unmittelbar darauf wurde er Prätor, und zum Feldherrn und Statthalter über Pannonien bestellt, bald darauf zum Consul gewählt und, weil er für den Thron bestimmt war, zum zweiten Male zum Consul ernannt. (3) Das Volk erhielt dieser Ankindung wegen ein Geschenk und die Soldaten 300 Millionen Sestertien. Es wurden auch Spiele im Circus gegeben, sowie überhaupt Nichts unterlassen, was zur Erhöhung der allgemeinen Freude beitragen konnte. (4) Der Einfluß des Verus auf Hadrian war übrigens so mächtig, daß er, außer der Liebe, mit der er schon durch die Adoption an ihn gekindet war, ganz allein Alles, was er wollte, auch durch Briefe, von ihm erhalten konnte. (5) Dabei vernachläßigte er keineswegs die ihm anvertraute Provinz; (6) denn er erwarb sich durch seine rühmlichen oder vielmehr glücklichen Thaten in derselben den Ruhm eines wenn auch nicht ausgezeichneten, doch nicht untüchtigen Feldherrn. (7) Indeß seine Gesundheit war so zerrüttet, daß den Hadrian nicht lange nachher die Ankindung gereute und daß, da derselbe häufig auf einen andern Nachfolger dachte, der Fall hätte eintreten können, daß er den Verus, wenn dieser länger am Leben geblieben wäre, aus der kaiserlichen Familie entfernt hätte. (8) Die genaueren Lebensbeschreiber Hadrians versichern, Hadrian habe des Verus Horoskop gekannt, und wiewohl er ihn zur Lenkung des Staats nicht sehr fähig erfunden habe, ihn nur deßhalb sich angekindet, um seine Wollust befriedigen zu können und, wie Einige wollen, dem Eide zu genügen, der zwischen Hadrian und Verus unter geheimen Bedingungen Statt gefunden haben sollte. (9) Wie sehr aber Hadrian in der Sterndeuterei erfahren gewesen, beweist Marius Maximus durch die Nachricht, er habe alles ihn Betreffende so genau gewußt, daß [59] er alle künftigen Ereignisse seines Lebens von jedem Tage, bis an seinen Tod aufgezeichnet habe.

4 (1) Ueberdieß ist hinlänglich bekannt, daß Hadrian in Bezug auf Verus häufig sagte:
Zeigen der Erd’ wird ihn das Verhängniß einzig, und länger
Nicht ihn verleih’n5.

(2) Einst, als er im Garten lustwandelnd diese Verse mehrmals sang, wollte einer von den Gelehrten, an deren einen glänzenden Schein auf ihn werfender Gesellschaft Hadrian Gefallen fand, hinzusetzen:
– – – – Es erschien, o Götter, der römische Stamm euch
Allzumächtig, wenn dieses Geschenk ihm eigen verbliebe6.

(3) Allein der Kaiser soll geäußert haben, diese Verse passen nicht auf das Leben des Verus, und sodann fortgefahren haben:
– – – – – – Bringt Lilien ihm mit gefüllten
Händen herbei! Selbst streu’ ich ihm Purpurblüthen und ehre
Mind’stens mit diesem Geschenke dem Geist des Enkels und weih’ ihm
Diese nichtige Pflicht7.

(4) Ferner soll Hadrian auch mit Ironie geäußert haben: einen Gott, aber keinen Sohn habe ich mir angekindet. (5) Da, ihn zu trösten, einer der anwesenden Gelehrten bemerkte: Wie aber, wenn die Constellation des Mannes, der unserer Ansicht nach noch lange leben wird, nicht recht verstanden worden wäre? entgegnete, wie es heißt, Hadrian: dieß kannst du leicht sagen, der du für dein Vermögen, nicht für den [60] Staat einen Erben suchst. (6) Man ersieht aus diesen Worten, daß Hadrian Willens war, einen Andern zum Nachfolger zu wählen und den Verus in der letzten Zeit seines Lebens von der Staatsverwaltung zu entfernen. (7) Dieses Vorhaben begünstigte der Erfolg. Wie nämlich Aelius aus Pannonien zurückgekommen war und in einer entweder von ihm selbst oder von einem Kanzleivorsteher8 oder einem Lehrer der Beredsamkeit verfaßten, sehr schönen, noch jetzt gelesenen Rede am 1. Januar seinem Vater Hadrian seinen Dank ausdrücken wollte, verschied er gerade an diesem Tage nach einem Tranke, der ihm Kräftigung geben sollte, (8) durfte aber, weil die feierlichen Wünsche dieses Tages es nicht erlaubten, auf Hadrians Befehl, nicht öffentlich betrauert werden.

5 (1) Verus war sehr heiter im Leben und in den Wissenschaften bewandert, aber, wie die Uebelgesinnten behaupten, dem Hadrian mehr durch seine Schönheit als durch seine Sitten angenehm. (2) Bei Hofe war sein Aufenthalt nur von kurzer Dauer. Sein Privatleben verdient ebenso wenig unbedingtes Lob als unbedingten Tadel; doch blieb er immer seiner Familie eingedenk. Er war ein Liebhaber des Putzes, besaß einen feinen Anstand und hatte ein majestätisch-schönes Aeußere und ein achtungseinflößendes Gesicht. Mit einer schwunghaften Beredsamkeit verband er eine große Leichtigkeit im Versemachen, auch war er in Staatsgeschäften nicht untüchtig. (3) Von seinen [61] Vergnügungen wissen seine Lebensbeschreiber viel zu erzählen. Waren sie auch nicht entehrend, so waren sie doch einigermaßen ausartend. (4) Denn von dem tetrapharmacum oder vielmehr pentapharmacum, einem aus Schweinseuter9, Fasanen, Pfauen, Schinken mit kleinem Backwerk und Schwarzwildpret bestehenden Gerichte, Hadrians spätere Lieblingsspeise, soll Aelius der Erfinder sein. (5) Marius Maximus indeß berichtet von diesem Gerichte anders und nennt es nicht pentapharmacum, sondern tetrapharmacum, unter welchem Namen auch wir es in Hadrians Leben10 aufgeführt haben. (6) Verus wird aber auch noch als Erfinder einer andern Art von Genuß angeführt. (7) Dieser bestand darin, daß er eine Art Ruhebette mit 4 hervorstehenden Polstern, ringsum mit einem netzförmigen Vorhang verschlossen, mit Rosenblättern, davon die Kelche und Samenkapseln abgezupft11 worden waren, füllen ließ und darin, gesalbt mit persischen Wohlgerüchen, unter einer aus Lilien bestehenden Decke mit seinen Beischläferinnen ruhte. (8) Ueberdieß wird von Einigen häufig erwähnt, er habe sich Ruhepolster von Rosen und Lilien, und zwar ausgelesenen, machen und seine Tische mit solchen bestreuen lassen. So wenig alle diese Dinge lobenswerth sind, so sind sie doch nicht von der Art, daß sie dem Staate hätten verderblich werden können. (9) Aelius soll auch Ovids Bücher von der Liebe beständig in seinem Bette gehabt und den Epigrammenschreiber Martial seinen Virgil genannt haben. (10) [62] Von minderem Belange ist, daß er öfters seinen Läufern nach Art der Liebesgötter Flügel ansetzen ließ, ihnen häufig die Namen von Winden, z. B. Boreas, Notus, Aquilo, Circius u. s. w. gab und daß sie in Einem fort unbarmherzig laufen mußten. (11) Seiner Gemahlin soll er auf ihre Klagen über seine auswärtigen Vergnügungen entgegnet haben: „Laß mich doch bei Andern mein Vergnügen suchen! Denn das Wort Frau ist ein Ehrennamen, nicht die Bezeichnung sinnlichen Genusses.“ (12) Sein Sohn ist Antonius Verus, der von Marcus oder doch wenigstens mit Marcus angekindet wurde und gemeinschaftlich mit diesem mit gleicher Gewalt das Reich regierte. (13) Denn diese sind es, die zuerst die beiden Auguste genannt worden und deren Namen in den Fasten also verzeichnet sind, daß sie darin nicht als die beiden Antonine, sondern als die beiden Auguste aufgeführt werden. (14) Die Neuheit und die Wichtigkeit dieser Sache vermochte so viel, daß einige consularische Fasten bei ihnen eine neue Folge von Consuln anfingen.

6 (1) Die Ankindung des Verus hatte den Hadrian unermeßliche Summen zu Geschenken an Heer und Volk gekostet; (2) allein wie sein Scharfsinn die zerrüttete Gesundheit des Verus, die ihm nicht einmal einen Schild gehörig zu handhaben erlaubte, entdeckte, soll er geäußert haben: (3) „300 Millionen Sestertien, die ich dem Heer und Volk hingegeben habe, sind für mich verloren. Ich habe mich auf eine baufällige Wand gestützt, die kaum mich selbst, geschweige den Staat, aufrecht zu erhalten vermag.“ (4) Diese Worte richtete Hadrian an seinen Präfecten. (5) Wie dieser dieselben verrieth, so bemächtigte sich des Aelius verzehrender Kummer, indem er sich als einen völlig aufgegebenen Menschen betrachtete; Hadrian entfernte zwar, um sich den Schein zu geben, als mildere er das Bittere jener Aueßerung, den Präfecten, der sie nicht bei sich behalten hatte, von seiner Stelle: (6) allein umsonst. Lucius Cejonius Commodus Verus Aelius Cäsar (alle diese Namen [63] führte er) starb, wie wir erzählt haben, und wurde mit kaiserlichem Gepränge beigesetzt, ohne von der kaiserlichen Würde etwas weiter zu haben als diese Ehre. (7) Hadrian betrauerte seinen Tod als ein guter Vater, nicht aber als ein guter Fürst. Wie nämlich seine Freunde besorgt ihn fragten, wer nun angekindet werden könnte, soll er entgegnet haben: schon bei Lebzeiten des Verus hatte ich dieß beschlossen, (8) wodurch er seinen Scharfsinn oder seine Kenntniß der Zukunft beurkundete. (9) Nach langem Hin- und Herschwanken, was er thun solle, nahm endlich Hadrian den Antoninus, mit dem Beinamen Pius, zum Sohne an, jedoch mit der beigefügten Bedingung, daß dieser die beiden Antonine Marcus und Verus sich ankinden und dem Verus, nicht dem Marcus, seine Tochter zur Gemahlin geben solle. (10) Auf dieß lebte Hadrian nur noch kurze Zeit. An Körperschwäche und Krankheiten von mancherlei Art leidend, äußerte er oft, ein Kaiser sollte gesund, nicht entkräftet aus der Welt scheiden.

7 (1) Hadrian ließ dem Aelius Verus im ganzen Reiche kolossale Standbilder errichten, sowie auch in einigen Städten Tempel erbauen. (2) In Anbetracht seiner mußte, wie schon gemeldet, Antoninus Pius dessen Sohn Verus, der nach dem Tode des Aelius in Hadrians Familie zurückgeblieben war, als Hadrians Enkel nebst dem Marcus sich ankinden, weil, wie Hadrian oft äußerte, der Staat doch wenigstens Etwas von Verus behalten solle. (3) Dieß widerspricht aber dem, was mehrere Schriftsteller von der Reue Hadrians über die Ankindung des Verus erzählen, da der zweite Verus, Milde ausgenommen, nichts Würdiges in seinem Charakter hatte, das einen Glanz auf die kaiserliche Familie hätte werfen können. (4) Dieß ist es, was ich von dem Cäsar Verus zu erzählen hatte. (5) Ich habe ihn aus dem Grunde nicht mit Stillschweigen übergangen, weil ich mir vorgenommen habe, alle diejenigen, welche nach dem [64] Dictator Cäsar, d. h. dem göttlichen Julus, entweder Cäsare oder Auguste oder Herrscher genannt, so wie diejenigen, welche angekindet oder als Söhne der Kaiser oder als Verwandte derselben mit dem Namen der Cäsaren geheiligt worden sind, in einzelnen Büchern abzuhandeln und meinem Gewissen dabei Genüge zu thun, ungeachtet Viele sich im Geringsten nicht zu solchen Untersuchungen gedrungen fühlen.

Anmerkungen

1 Spartianus irrt hier. Der von den regierenden Kaisern ihren Söhnen oder denen, welche sie zu ihren Nachfolgern bestimmt hatten, gegebene Cäsartitel, als Gegensatz von der Benennung Augustus und als Bezeichnung der zweiten Reichswürde, findet sich schon früher, u. es läßt sich nicht mit Bestimmtheit angeben, zu welcher Zeit zuerst diese Unterscheidung gebraucht wurde.

2 Trajan war von Nerva durch Arrogation an Sohnesstatt angenommen worden.

3 Statt filii viri lese ich mit Obrecht: filii veri.

4 Nachdem Diocletianus zum Reiche gelangt war, nahm er den ihm durch Freundschaft eng verbundenen Maximianus zum Reichsgehülfen zuerst als Cäsar, kurz darauf als Augustus an. Da aber diese beiden Herrscher den von allen Seiten her über das Reich hereinbrechenden Stürmen noch nicht gewachsen waren, so ernannte Diocletianus den Galerius, mit dem Beinamen Armentarius, auch Maximianus der jüngere genannt, und den Constantius, mit dem Beinamen Chlorus, Constantius des Gr. Vater, zu Cäsaren, und diese Beiden sind hier gemeint. Um die politische Eintracht durch häusliche Bande zu verstärken, nahm jeder der Kaiser gegen einen der Cäsare den Vatercharakter an, Diocletian in Betracht des Galerius, Maximian in Rücksicht des Constantius.

5 Virgils Aeneis B. 6, V. 870.

6 Ebendas. V. 871, 872.

7 Ebendas. V. 884–887.

8 scriniorum magister. Die römischen Kaiser hatten scrinia, Kanzleien, Archive, und zwar memoriae für Bestellungen und Gnadenbezeugungen, epistolarum für Eingaben von Beamten, und libellorum für die von Privatpersonen. Jedem scrinium war ein magister scriniorum vorgesetzt, ein Name, der an unserer Stelle zuerst, später aber sehr häufig vorkommt.

9 Ein Leckerbissen bei den Römern, wenn die Jungen die Milch noch nicht ausgesogen hatten.

10 Kap. 21.

11 Ich lese mit Barthius (Adversar. 58, 86) alveum (und dieß für alveus).