Antoninus Pius

Ornament

Übersetzung

1 (1) [65] Titus Aurelius Fulvus Bojonius Antoninus Pius stammte in Ansehung seiner Aeltern aus dem jenseitigen Gallien, nämlich aus Nemausum. (2) Sein Großvater war Titus Aurelius Fulvus, der nach Bekleidung verschiedener Ehrenstellen zweimal Consul und Stadtpräfect gewesen; (3) sein Vater Aurelius Fulvus, ein strenger, unbescholtener Mann, der ebenfalls Consul gewesen; (4) seine Großmutter von mütterlicher Seite Bojonia Procilla und seine Mutter Arria Fadilla. Sein Großvater mütterlicher Seits war Arrius Antoninus, zweimaliger Consul, ein würdiger Mann, der den Nerva wegen Annahme der Regierung bemitleidet hatte1; (5) seine leibliche Schwester Julia Fadilla; (6) sein Stiefvater Julius Lupus, ehemaliger Consul; [66] sein Schwiegervater, Annius Verus; seine Gemahlin, Annia Faustina; (7) seine Kinder, zwei Söhne und zwei Töchter; sein Schwiegersohn, durch seine ältere Tochter, Lamia Syllanus, durch seine jüngere, Marcus Antoninus. (8) Antoninus Pius selbst wurde unter dem zehnten Consulate des Domitianus und dem ersten des Cornelius Dolabella den 19. September2 auf einem Landgute bei Lanuvium3 geboren. Seine Erziehung erhielt er zu Lorium4 an der aurelischen5 Straße, wo er später einen Palast erbauen ließ, dessen Ueberreste noch jetzt vorhanden sind. (9) Sein Knabenalter verlebte er bei seinem väterlichen, später bei seinem mütterlichen Großvater, und da er allen seinen Verwandten die gewissenhafteste Achtung bewies, so setzten ihn seine Vettern, sein Stiefvater und viele andere Anverwandte zum Erben ihres ansehnlichen Vermögens ein.

2 (1) Antoninus hatte ein imposantes Aeußere, vortreffliche Geistesgaben, milde Sitten, eine edle Gesichtsbildung und ein sanftes Gemüth. Er besaß eine ausgezeichnete Beredtsamkeit und herrliche wissenschaftliche Kenntnisse. Zudem war er außerordentlich mäßig, ein eifriger Freund der Landwirthschaft, milde, freigebig, uneigennützig, und dieß alles mit Maß und ohne Prahlerei. (2) Kurz, er war in jeder Beziehung ein trefflicher Mann und nach dem Urtheil der Edleren dem Numa an die Seite gesetzt zu werden würdig. (3) Den Beinamen Pius erhielt er vom Senat, entweder weil er seinen schon [67] altersschwachen Schwiegervater vor den Augen des Senats am Arme führte (wiewohl dieß eben für feinen großen Beweiß von Pietät gelten dürfte, da bei dem, der so etwas unterläßt, mehr von Impietät, als bei dem, welcher seine Pflicht thut, von Pietät die Rede sein kann), (4) oder weil er die von Hadrian während eines Zustandes von Geisteszerrüttung6 dem Tode Bestimmten am Leben erhielt, (5) oder weil er dem Hadrian nach seinem Tode dem allgemeinen Wunsche zuwider eine große Menge außerordentlicher Ehrenbezeugungen zuerkennen ließ, (6) oder weil er, als Hadrian sich selbst entleiben wollte, ihn durch die größte Wachsamkeit und Aufmerksamkeit daran verhinderte, (7) oder endlich weil er wirklich von Natur äußerst milde war und während seiner ganzen Regierung nicht die mindeste Härte sich erlaubte. (8) Er lieh Geld nur zu 4 vom Hundert, also zu den niedrigsten Zinsen7, aus und unterstützte auf diese Weise sehr Viele mit seinem Vermögen. (9) Als Quästor bewies er eine große Freigebigkeit, als Prätor zeigte er Pracht. Consul war er mit Catilius Severus8. (10) Bevor er zum Reiche gelangte, lebte er meistentheils auf seinen Gütern, war aber aller Orten gekannt und genannt. (11) Von Hadrian wurde er unter den 4 Consularen, denen die Gerichtsbarkeit über Italien übertragen wurde, für denjenigen Theil Italiens bestimmt, worin seine meisten Güter lagen, wodurch dieser Kaiser für die Ehre und die Ruhe eines so ausgezeichneten Mannes zugleich sorgte.

3 (1) [68] Während seiner Verwaltung Italiens wurde ihm ein Vorzeichen seiner künftigen Thronbesteigung. Wie er nämlich den Richterstuhl bestieg, ließen sich unter andern Beifallsrufen des Volks die Worte hören: Augustus, die Götter mögen dich erhalten! (2) Das Proconsulat über Asien9 verwaltete er so rühmlich, daß er allein seinen Großvater darin übertraf10. (3) Auch während der Verwaltung dieses Amtes erhielt er ein Vorzeichen seiner künftigen Gelangung zum Reiche. Es war folgendes. Eine Priesterin zu Tralles nämlich, welche die Proconsuln nach dem gewöhnlichen Herkommen immer mit diesem Namen begrüßte, redete ihn nicht mit den Worten: sei gegrüßt, Proconsul! sondern: sei gegrüßt, Imperator! an. (4) Auch wurde zu Kyzikus11 die Krone von einem Götterbilde auf sein Standbild über getragen. (5) Und nach seinem Consulate wurde in einem Lustgarten ein marmorner Stier von den Aesten eines Baumes, die unter dessen Hörnern nach und nach herangewachsen, in die Höhe gehoben, und ein Blitz fiel, ohne Schaden zu thun, bei heiterem Himmel auf seine Wohnung. In Etrurien wurden Fässer, die vergraben waren, über der Erde gefunden und seine Standbilder waren in dieser ganzen Landschaft voller Bienenschwärme. Oefters erhielt er auch im Traume [69] die Weisung, Hadrians Bildsäule unter seinen Hausgöttern aufzustellen. (6) Bei seiner Abreise auf sein Proconsulat verlor Antoninus seine ältere Tochter. (7) Von seiner Gemahlin erzählte man sich manches wegen ihres zu freien, ausschweifenden Lebens, was er mit stillem Kummer ertrug. (8) Nach seinem Consulate befand er sich häufig in dem Rathe Hadrians zu Rom und stimmte bei Allem, was dieser Kaiser zur Berathung vorlegte, allezeit für das Mildere.

4 (1) Mit seiner Ankindung verhielt es sich, wie erzählt wird, folgendermaßen. Nach dem Tode des von Hadrian an Sohnesstatt angenommenen und zum Cäsar ernannten Aelius Verus wurde Senatssitzung gehalten. (2) In diese kam auch Arrius Antoninus, seinen Schwiegervater am Arme führend, und dieser Umstand soll den Hadrian zu seiner Ankindung bestimmt haben. (3) Allein dieß konnte und durfte um so weniger der einzige Beweggrund zu derselben sein Antoninus um den Staat sich allezeit wohl verdient gemacht und während seines Proconsulats uneigennützig und würdevoll benommen hatte. (4) Nachdem nun Hadrian seinen Entschluß, den Antoninus an Sohnesstatt anzunehmen, vor dem Senate kund gethan hatte, ward diesem Bedenkzeit gegeben, sich über die Annahme dieser Ankindung zu erklären. (5) Bedingung derselben war aber, daß, sowie Antoninus von Hadrian adoptirt würde, so sollte jener den Marcus Antoninus, seiner Frau Bruderssohn, und den Lucius Verus, den Sohn des einst von Hadrian adoptirten Aelius Verus, der in der Folge Verus Antoninus genannt wurde, sich ankinden. (6) Die Adoption fand den 25. Februar Statt, und Antoninus stattete im Senate dem Hadrian seinen Dank ab für die gute Meinung, die er von ihm gehabt habe. (7) Hierauf wurde er zum Amtsgenossen seines Vaters in der Proconsularwürde12 und tribunicischen Gewalt ernannt. (8) Als das erste Denkwürdige [70] nach seiner Erhebung wird berichtet, daß, als ihm seine Gemahlin Vorwürfe machte, er habe die Seinigen zu gering, ich weiß nicht womit, beschenkt, Antoninus dieser erwiderte: Thörin, seit wir zur Herrschaft gelangt sind, haben wir auch das verloren, was wir früher gehabt haben. (9) Den Soldaten und dem Volke gab Antoninus eine Spende von seinem eigenen Vermögen und auch das, was sein Vater versprochen hatte. (10) Auch auf die Bauten Hadrians verwendete er sehr viel. Das ihm aus Veranlassung seiner Ankindung dargebrachte Krongold gab er den Bewohnern Italiens ganz, denen der Provinzen zur Hälfte zurück.

5 (1) Seinem Vater bewies er, so lange dieser lebte, den ehrerbietigsten Gehorsam. Nachdem Hadrian zu Bajä gestorben war, brachte Antoninus seine irdischen Reste mit frommer Ehrfurcht nach Rom und setzte sie in den Gärten der Domitia bei, auch ließ er ihn, alles Widerstrebens ungeachtet, unter die Götter versetzen. (2) Er erlaubte, daß seine Gemahlin Faustina vom Senate Augusta genannt wurde, er selbst erhielt den Namen Pius. Die seinem Vater, seiner Mutter, seinen Großvätern und seinen Brüdern, welche alle schon todt waren, zuerkannten Standbilder nahm er mit Freuden an. Auch die seinem Geburtstage gewidmeten Circusspiele schlug er nicht aus, andere Ehrenbezeugungen dagegen wies er zurück. Dem Hadrian weihte er einen sehr prachtvollen Schild13 und ordnete Priester für ihn an. (3) [71] Nach seiner Gelangung zum Reiche gab er keinem, den Hadrian befördert hatte, einen Nachfolger; überhaupt war er so beständig, daß er tüchtige Statthalter 7 bis 9 Jahre in ihren Provinzen ließ. (4) Durch seine Legaten führte er mehrere Kriege. Die Britannier besiegte er durch den Legaten Lollius Urbicus und ließ nach Zurückdrängung der Barbaren eine andere Mauer aus Rasen14 aufführen. Die Mauren zwang er um Frieden zu bitten. Die Germanen, Dakier, viele andere Völker und die empörten Juden unterwarf er durch seine Legaten und Statthalter. (5) Auch kämpfte er Aufstände in Achaja und Aegypten und zügelte die so häufig unruhigen Alanen15.

6 (1) Seinen Procuratoren16 befahl er Milde bei Erhebung der Abgaben. Wer die Schranken überschritt, sollte zur Verantwortung gezogen werden. Niemals erfreute er sich eines Vortheils, wodurch ein Provinciale gedrückt worden war. (2) Die Klagen gegen seine Procuratoren hörte er gern an. (3) Für die von Hadrian Verurtheilten bat er im Senate um Begnadigung, mit der Bemerkung, auch Hadrian selbst würde ihnen solche haben angedeihen lassen. (4) Die kaiserliche Majestät hob er eben dadurch, daß er die größte Herablassung mit ihr verband, zum großen Verdrusse seiner Höflinge, welche, da Antoninus [72] Alles unmittelbar selbst that, weder bei irgend einer Gelegenheit Jemanden schrecken, noch auch das, was kein Geheimniß war, verkaufen konnten. (5) Dem Senate erwies er so viele Ehre, als er in seinem Privatstande von einem andern Kaiser sich erwiesen wünschte. (6) Den ihm angetragenen, anfangs aber vor der Hand von ihm abgelehnten Namen Vater des Vaterlandes17 nahm er unter den größten Danksagungen an. (7) Im dritten Jahre seiner Regierung verlor er seine Gemahlin Faustina. Der Senat erkannte ihr göttliche Verehrung zu und verherrlichte sie durch Circusspiele, einen Tempel, Eigenpriesterinnen und goldene und silberne Bildsäulen, sowie Antoninus selbst es gestattete, daß ihr Bild bei allen Circusspielen im Pomp durfte aufgestellt werden. (8) Die Errichtung eines vom Senate ihm zuerkannten goldenen Standbildes genehmigte er. (9) Den Quästor Marcus Antoninus ernannte er auf Bitten des Senates zum Consul, (10) den Annius Verus aber, später Antoninus genannt, noch vor der gesetzlichen Zeit zum Quästor. (11) Antoninus traf weder in Betreff der Provinzen, noch sonst in Staatsangelegenheiten eine Verfügung, ohne vorher seine Freunde zu Rathe gezogen zu haben, und nach ihrem Gutachten ließ er die Rescripte abfassen. (12) Sie hatten Zutritt zu ihm, auch wenn er noch nicht als Kaiser angezogen und mit häuslichen Angelegenheiten beschäftigt war.

7 (1) Die seiner Herrschaft unterworfenen Völker regierte er mit einer so großen Sorgfalt, daß er für Alles und für Alle, gleich als wären sie sein Privateigenthum, sorgte. Alle Provinzen blühten [73] unter ihm. (2) Die Angeber verschwanden. (3) Vermögenseinziehung fand seltener als je Statt. Nur ein einziger, Attilius Tatianus, wurde wegen des Strebens nach dem Throne seines Vermögens für verlustig erklärt; indeß war es der Senat, der diese Strafe verhängte. Antoninus verbot diesem die Aufsuchung der Mitschuldigen und unterstützte den Sohn des Tatianus immer in jeder Hinsicht. (4) Auch Priscianus verlor desselben Verbrechens wegen sein Leben, allein durch einen freiwilligen Tod. Auch wegen dieser Verschwörung verbot Antoninus alle weitere Untersuchung18. (5) Seine Tafel war so beschaffen, daß das bei Reichthum ohne Ueppigkeit, Sparsamkeit ohne Kargheit herrschte. Sie wurde durch seine eigenen Sclaven, seine eigenen Vogelfänger, Fischer und Jäger versorgt. (6) Wenn er ein Bad genommen hatte, so überließ er den Gebrauch desselben dem Volke unentgeldlich. Ueberhaupt änderte Antoninus nichts in der Lebensart seines vorigen Privatstandes. (7) Vielen Personen, die er ihre Besoldungen mit Müßiggang verdienen sah, entzog er dieselben. Es sei, pflegte er zu sagen, nichts schändlicher, ja empörender, als wenn Leute vom Staate zehrten, die durch ihre Leistungen nichts dazu beitrügen. (8) Darum setzte er auch den Gehalt des lyrischen Dichters Mesomedes19 herab. Von den Einkünften und Abgaben aller Provinzen20 hatte Antoninus die [74] vollständigste Kenntniß. (9) Sein Privateigenthum überließ er seiner Tochter, schenkte aber die Einkünfte desselben dem Staate. (10) Die überflüssigen an den kaiserlichen Hof gelieferten Naturalien und kaiserlichen Besitzungen verkaufte er. Er selbst lebte abwechselnd nach Beschaffenheit der Jahreszeiten auf seinen eigenen Landgütern. (11) Reisen machte er keine, außer auf seine Güter in Campanien. Denn, äußerte er, das Gefolge eines Kaisers, auch des sparsamsten, sei für die Provincialen drückend. (12) Dessenungeachtet stand er aber doch bei allen Völkern in der größten Achtung. Zu Rom nahm er deßwegen seinen Aufenthalt, um hier, im Mittelpunkte des Reichs, die von allen Gegenden her einlaufenden Nachrichten um so schneller bekommen zu können.

8 (1) Dem Volke gab Antoninus eine Spende, den Soldaten fügte er ein Geldgeschenk bei. Seiner Gemahlin Faustina zu Ehren errichtete er eine Erziehungsanstalt für Mädchen, die den Namen Faustinianerinnen führten. (2) Die von ihm aufgeführten Bauten sind folgende: zu Rom ein Tempel Hadrians, der Verehrung dieses seines Vaters geweiht; das nach einem Brande wieder hergestellte Graeco stadium21; das erneute Amphitheater; das Grabmal Hadrians; der Tempel des Agrippa und die sublicische Brücke22; (3) anderwärts aber [75] die Wiederherstellung des Pharus, der Hafen von Cajeta; die Ausbesserung des Hafens von Terracina, ein Bad zu Ostia23, eine Wasserleitung zu Antium24 und der Tempel zu Lanuvium. (4) Ueberdieß gab er vielen Städten Geldbeiträge, um entweder neue Bauten aufführen oder alte wiederherstellen zu können, sowie er auch obrigkeitliche Personen und römische Senatoren zu ihren Amtsverrichtungen unterstützte. (5) Erbschaften von Leuten, welche Kinder hatten, nahm er nicht an. Antoninus verordnete zuerst, daß kein Vermächtniß einer Strafe wegen zurückgehalten werden dürfe. (6) Keinem guten Richter gab er bei seinen Lebzeiten einen Nachfolger, außer dem Stadtpräfecten Orphitus, jedoch auf dessen eigene Bitte. (7) Denn der prätorische Präfect Gavius Maximus, ein sehr strenger Mann, bekleidete unter ihm diese Stelle bis in das zwanzigste Jahr. Sein Nachfolger war Tatius Maximus, (8) nach dessen Tode Antoninus zwei Präfecte ernannte, nämlich den Fabius Victorinus und Cornelius Repentinus. (9) Indeß von Ersterem ging das eben nicht ehrenvolle Gerücht, daß er seine Stelle durch den Einfluß der Beischläferin des Kaisers erhalten habe. (10) Unter des Antoninus Regierung wurde so wenig ein Senator hingerichtet, daß sogar ein seines Verbrechens geständiger Vatermörder nur auf eine wüste Insel gebracht wurde25, [76] weil ihm nach den Gesetzen der Natur zu leben nicht möglich war. (11) Dem Mangel an Wein, Oel und Waizen half er dadurch ab, daß er diese Bedürfnisse auf Kosten seiner Kasse aufkaufen und unentgeltlich an das Volk vertheilen ließ.

9 (1) Unfälle ereigneten sich unter des Antoninus Regierung folgende: eine Hungersnoth, wovon wir schon gesprochen haben, der Einsturz des Circus, ein Erdbeben, wodurch mehrere Städte auf Rhodus und in Asien verwüstet wurden, die er aber alle aufs Prächtigste wiederherstellen ließ, und ein Brand zu Rom, welcher 340 größere oder kleinere Gebäude26 in Asche legte. (2) Auch die Städte Narbo27 und Antiochien, sowie das Forum zu Carthago wurden von einer Feuersbrunst heimgesucht. (3) Ueberdieß fand eine Ueberschwemmung des Tiber Statt. Ein Komet ließ sich sehen. Ein zweiköpfiger Knabe wurde geboren, und eine Frau kam mit 5 Knaben zugleich nieder. (4) In Arabien wurde eine ungewöhnlich große Schlange mit einer Mähne gesehen, die sich vom Schwanz bis in die Mitte des Leibes [77] selbst auffraß; ebendaselbst wüthete auch die Pest. In Mösien wuchs Gerste auf den Gipfeln der Bäume. (5) Außerdem ließen sich vier zahme Löwen in Arabien gutwillig fangen. (6) Der König Pharasmanes kam zu Antoninus freiwillig nach Rom und erwies ihm mehr Achtung als dem Kaiser Hadrian28. Den Lazen29 gab Antoninus den Pacorus zum Könige. Den König der Parther hielt er bloß durch ein Schreiben von der Eroberung Armeniens ab. Sein bloses Ansehen bewog den König Abgarus zu Räumung des Orients. (7) Die Streitigkeiten der Könige entschied er. Die Bitte um Zurückgabe des in die Gewalt Trajans gefallenen königlichen Thrones schlug er dem Partherkönige rund ab. (8) Den Rimethalkes schickte er in sein Königreich Bosporus30 zurück, nachdem er den Streit zwischen diesem und dem dortigen Procurator entschieden hatte. (9) Den Einwohnern von Olbiopolis31 schickte er gegen die Tauroskythen32 Hülfsvölker und besiegte [78] die Letztern so, daß sie den Erstern Geißeln geben mußten. (10) In so großem Ansehen, wie Antoninus, hatte noch kein Kaiser bei den auswärtigen Nationen gestanden, wiewohl er von jeher ein großer Freund des Friedens war, daher er auch die von Scipio gebrauchten Worte: er wolle lieber Einen Bürger erhalten als 1000 Feinde tödten, häufig im Munde führte.

10 (1) Der Senat hatte beschlossen, daß die Monate September und October Antoninus und Faustinus genannt werden sollten, allein Antoninus ließ dieses nicht zu. (2) Die Vermählung seiner Tochter Faustina mit Marcus Antoninus feierte er mit so großem Gepränge, daß er auch den Soldaten ein Geldgeschenk machte. (3) Den Verus Antoninus ernannte er nach seiner Quästur zum Consul. (4) Als er den Apollonius33, welchen er von Chalkis hatte kommen lassen, in den Palast des Tiberius, worin er wohnte, hatte rufen lassen, um ihm den Marcus Antoninus zu übergeben, jener aber darauf entgegnete: nicht der Lehrer ist verbunden zum Schüler zu gehen, sondern der Schüler muß zum Lehrer kommen, erwiderte Antoninus mit Lächeln: es war also dem Apollonius minder beschwerlich, von Chalkis nach Rom, als von seiner Wohnung in den Palast zu kommen. Auch tadelte er den Eigennutz dieses Mannes bei Bezahlung seines Unterrichts. (5) Einen Beweis seines fühlenden Herzens gab Antoninus unter Anderem dadurch, daß, als Marcus den Tod seines Erziehers beweinte und die [79] Hofleute den freien Erguß seiner Anhänglichkeit hemmen wollten, er selbst sagte: Lasset ihn Mensch sein: denn weder Philosophie noch Thronbesitz tödten das Gefühl. (6) Seine Präfecten bereicherte Antoninus und verlieh ihnen die consularischen Ehrenzeichen34. (7) Wenn Jemand wegen Erpressungen von ihm verurtheilt wurde, so gab er dessen Kindern ihr väterliches Vermögen zurück, doch mit dem Bedinge, daß sie den Provincialen wieder erstatteten was ihre Väter an sich gebracht hatten. (8) Zum Verzeihen war Antoninus sehr geneigt. (9) Er gab öffentliche Spiele, wobei Elephanten, Corocotten, Strepsikeroten35, sowie Krokodile, Flußpferde, Tiger, kurz alle Arten von Thieren der ganzen Erde erschienen. Auch ließ er 100 Löwen auf einmal auf den Kampfplatz rennen.

11 (1) Gegen seine Freunde beobachtete er im Besitze der kaiserlichen Gewalt dasselbe Benehmen, wie im Privatleben, weil dieselben ebenso wenig als seine Freigelassenen, gegen welche er sehr strenge [80] war, je sich eines Einflusses auf ihn zu ihrem Vortheil berühmten. (2) Antoninus liebte die Schauspielerkünste. Auch fand er ein großes Vergnügen am Fischen und Jagen, sowie an Spaziergängen mit seinen Freunden und an Gesprächen. Die Weinlese beging er wie ein Privatmann in Gesellschaft seiner Freunde. (3) Den Redekünstlern und Philosophen ertheilte er in allen Provinzen Auszeichnungen und Gehalte. Die unter seinem Namen vorhandenen Reden sollen zwar nach der Behauptung Mehrerer von Andern verfaßt sein, allein Marius Marimus versichert, sie seien seine eigene Arbeit. (4) Seine Freunde zog er sowohl gewöhnlich als auch bei feierlichen Gelegenheiten zu seiner Tafel. (5) Die Opfer ließ er nur im Falle er krank war durch einen Stellvertreter verrichten. (6) Wenn er für sich oder für seine Söhne um Ehrenstellen anhielt, so that er dieß wie ein gewöhnlicher Privatmann. (7) Er fand sich auch oft bei seinen Freunden zur Tafel ein. (8) Von seinem bürgerlichen Sinn ist unter Anderem Folgendes ein sprechender Beweis. Einst besuchte er den Palast des Omulus und bewunderte die Säulen von Porphyr darin. Wie er nun den Omulus fragte, woher er dieselben habe, entgegnete dieser: wenn du in ein fremdes Haus kömmst, so mußt du stumm und taub sein. Und Antoninus fühlte sich durch diese Worte nicht beleidigt. Ueberhaupt hörte er viele Scherzreden dieses Mannes, ohne sie übel zu nehmen, an.

12 (1) Antoninus gab viel Rechtsbestimmungen, wobei er die Rechtsgelehrten Umidius Verus, Salvius Valens, Volusius Metianus, Ulpius Marcellus und Jabolenus zu Rathe zog. (2) Unruhen, wo sie sich auch zeigen mochten, dämpfte er nicht durch Grausamkeit, sondern durch Mäßigung und Festigkeit. (3) Die Bestattung der Todten innerhalb der Städte verbot er. Für die Gladiatorenspiele setzte er eine gewisse Summe fest. In Betreff der fahrenden Posten ließ er mit der größten Sorgfalt Erleichterungen eintreten. Von allen [81] seinen Regentenhandlungen gab er sowohl im Senate als durch Edikte Rechenschaft. (4) Antoninus starb in seinem siebenzigsten Jahre, wurde aber wie ein Jüngling betrauert. Die nähern Umstände seines Todes erzählt man sich folgendermaßen. Er hatte bei der Abendmahlzeit etwas zu viel Alpenkäse gegessen und mußte denselben Nachts wieder von sich geben. Tags darauf stellte sich ein Fieber bei ihm ein. (5) Da er am dritten Tage noch größere Beschwerden fühlte, so empfahl er im Beisein der Präfekten dem Marcus Antoninus den Staat und seine Tochter und ließ die goldene Glücksgöttin, die im kaiserlichen Schlafgemach zu stehen pflegte, zu Letzterem bringen. (6) Dem Tribunen gab er zur Losung das Wort Gleichmuth. Hierauf wandte er sich um, wie zum Schlafen, und gab den Geist in Lorium auf. (7) In seinen Fieberphantasieen sprach er von nichts Anderem als von dem Staate und von den Königen, denen er zürnte. (8) Sein Privatvermögen hinterließ er seiner Tochter, doch bedachte er in seinem Testamente die Seinigen alle mit reichlichen Vermächtnissen.

13 (1) Antoninus hatte einen schönen, hohen Wuchs; da er aber bei seiner ansehnlichen Länge in vorgerückterem Alter gebückt ging, so ließ er sich, um aufrecht gehen zu können, mit auf die Brust gelegten Lindentäfelchen umwickeln. (2) Auch aß er in späteren Jahren, bevor die Morgenbesuche kamen, um sich zu stärken, trockenes Brod. Seine Stimme war tief, jedoch volltönend und angenehm. (3) Er wurde unter allgemeinem wetteiferndem Beifalle von dem Senate vergőttert, während seine Menschenliebe, seine Milde, sein Geist und seine Unbescholtenheit im Leben von Jedermann gepriesen wurden. Auch wurden ihm alle diejenigen Ehrenbezeugungen zuerkannt, die man jemals den besten Kaisern vor ihm zugestanden hatte. (4) Er erhielt einen Eigenpriester, Circusspiele, einen Tempel und eine Brüderschaft der [82] Antonine. Antoninus war fast der einzige unter allen Kaisern, der, so weit es von ihm abhing, sein ganzes Leben hindurch weder Bürger- noch Feindesblut vergoß und der mit vollem Rechte dem Numa an die Seite gesetzt werden kann, dem er auch in Ansehung des Glückes, der Herzensgüte, Gemüthsruhe und Beobachtung der heiligen Gebräuche jederzeit ähnlich war.

Anmerkungen

1 Das Nähere darüber gibt Victor im Auszuge der Kaisergeschichte, Kap. 12.

2 J. Ch. 86.

3 Eine Stadt in Latium, jetzt Cività la Vigna im Kirchenstaate.

4 Zwölf römische Meilen von Rom.

5 Sie lief von Rom aus immer an der Seeküste hin durch Etrurien nach Pisa.

6 Diesen Sinn scheint hier mala valetudo nach der im 7. Kap. des Heliogabalus enthaltenen Erzählung zu haben.

7 Der gewöhnliche Zinsfuß bei den Römern war nämlich Zwölf vom Hundert; nicht selten wurden aber noch weit höhere Zinsen genommen; indessen waren gewöhnlich Personen von vornehmem Stande auf den Gewinn von 4 vom Hundert eingeschränkt.

8 J. Ch. 120.

9 Es ist hier Asien im engern Sinne, die sogenannte Asia proconsularis, die am ägeischen Meere gelegenen Provinzen Kleinasiens, gemeint.

10 Dieß war sein Großvater von mütterlicher Seite, Arrius Antoninus. Rühmend gedenkt auch seiner Verwaltung Asiens der jüngere Plinius im dritten Briefe des vierten Buches.

11 Eine sehr feste, durch marmorne Thürme vertheidigte Seestadt in der kleinasiatischen Landschaft Mysien an der Propontis (j. Meer von Marmora). Gegenwärtig liegt sie in Ruinen, eine Meile östlich von der heutigen Stadt Artaki.

12 Wie die Kaiser, wie wir S. 12 Anmerkung 5 gesehen, die Tribunengewalt, aber nicht das Tribunat, hatten, so besaßen sie auch die Proconsularwürde, aber nicht das Proconsulat. Vermöge dieser Proconsularwürde waren sie in den kaiserlichen Provinzen Proconsuln mit Civil- u. Militärgewalt.

13 Diese Weiheschilde waren in der Regel sehr groß. Es war darauf das Brustbild eines Gottes, Helden oder sonst ausgezeichneten Mannes, oft auch Scenen aus dem Leben desselben dargestellt. Das Brustbild selbst war aus Erz, ja auch aus Silber und Gold getrieben.

14 In Schottland, zwischen Edinburg und Dunbritton. Hadrian hatte seinen Wall in England aufführen lassen.

15 Ein Volk um den Tanais oder Don.

16 So hießen diejenigen, welche in den kaiserlichen, späterhin auch in den senatorischen Provinzen, wo sich kaiserliche Domänen befanden, die Einkünfte des Kaisers, bisweilen auch in den kleineren Provinzen die Jurisdiction besorgten. Es wurden dazu römische Ritter, oft auch Freigelassene genommen.

17 Auf diesen Namen, welchen Cicero zuerst erhalten hatte, legten die Römer einen sehr hohen Werth. Es sollte eigentlich der höchste Ehrenname für denjenigen sein, welcher sich um die Rettung des Vaterlandes außerordentlich verdient gemacht hatte.

18 Nach dem jüngeren Victor Kap. 15 mit den Worten: „damit man nicht, wenn eine größere Anzahl sich herausstelle, erführe, von wie Vielen er gehaßt worden“.

19 Dieser Dichter war aus Kreta und stand bei seinen Zeitgenossen in großem Ruhme, allein einige noch übrige Gedichte von ihm geben uns keinen sehr hohen Begriff von seinem Dichtertalent. Hadrian hatte ihm einen ansehnlichen Jahrgehalt ausgesetzt, weil er seinen Liebling Antinous besungen hatte.

20 Ich lese mit Salmasius: provinciarum.

21 Man hält dieses Graecostadium gemeinhin für identisch mit der Graecostasis. Ist dieß wirklich der Fall, so ist darunter ein ansehnliches Gebäude bei der Curie zu verstehen, bestimmt zu den Zeiten der Republik zum Empfang und Anhören der fremden Gesandten, unter den Kaisern aber zu Gerichtssitzungen.

22 Oder Pfahlbrücke (von sublica der Pfahl), die älteste Brücke Roms, von König Ancus Marcius zuerst aus Pfählen, in späteren Zeiten aber aus Stein erbaut. Sie ist jetzt verschwunden.

23 Eine von Ancus Marcius angelegte Stadt auf der linken Seite des Tiber. Sie sollte als Hafenstadt dienen, wiewohl ihr Hafen nur in der Mündung des Tiber bestand.

24 Eine schon in alten Zeiten durch ihren Seehandel wichtige Stadt in Latium, h. T. Anzio.

25 Die gewöhnliche Strafe des Vatermords war nämlich die, daß der Vatermörder in einem ledernen Sack in den Fluß oder das Meer geworfen und ein Hahn, eine Schlange, ein Hund oder ein Affe ihm als Gefährten zugegeben wurden. In späteren Zeiten wurden dergleichen Verbrecher entweder verbrannt oder den wilden Thieren vorgeworfen.

26 Insulae vel domus. Domus, als Gegensatz von insulae, bezeichnet bei den vornehmen Römern einen Palast, der mehrere zusammenhängende Gebäude umfaßt, aus Vor-, Mittel- und Nebengebäuden besteht und hinter sich gewöhnlich noch einen Lustgarten hat. Insula dagegen ist ein Haus ohne Vorhof und Nebengebäude, entweder einzeln liegend oder nur durch einen engen Zwischenraum von andern dergleichen getrennt. Die meisten insulae in Rom lagen hinter dem ungeheuern Umfang der domus neben einander gereiht und wurden ganz oder stockweise an minder bemittelte Leute vermiethet.

27 Mit den Beinamen Martius, Hauptstadt des narbonensischen Gallien, das jetzige Narbonne.

28 Man vgl. oben im Leben Hadrians Kap. 13.

29 Ein Volksstamm am nördlichen Rande von Kolchis oder dem jetzigen Mingrelien, Guriel und Imirette. In der spätern Zeit bemächtigten sich die Lazier dieses ganzen Landes.

30 Die jetzige Straße von Kaffa hieß im Alterthume Bosporus cimmericus und hier, in dem der Krimm am mäotischen See (Meer von Asow) gegenüberliegenden Lande in Asien, bestand seit den Zeiten des peloponnesischen Krieges ein kleines Königreich unter dem Namen Bosporus, dessen Bewohner ein Mischlingsgeschlecht von Griechen und Barbaren waren. Bezwungen von Augustus waren die Beherrscher desselben lange Zeit unterwürfige, aber nicht unbrauchbare Bundesgenossen der Römer.

31 Auch Olbia und Miletopolis (als Colonie von Milet) genannt, eine sehr bedeutende und durch ihren Handel nach Skythien reich gewordene griechische Pflanzstadt unweit der Mündung des Borysthenes (Dnieper), daher sie auch selbst zuweilen Borysthenes heißt. Man sucht sie an der Stelle des j. Oczacow u. Kinburn.

32 Die in der Chersonesus taurico (j. Krim) wohnenden Skythen.

33 Da es damals bei sechs gelehrte Männer dieses Namens u. auch mehrere Städte Namens Chalkis gab, so kann nicht entschieden werden, welcher Apollonius hier gemeint ist. Ist es der von Marcus Aurelius in seiner Schrift an sich selbst gerühmte (I, 6), so stimmt der unten über ihn ausgesprochene Tadel im Geringsten nicht mit dem von Marcus Aurelius ihm ertheilten Lobe überein.

34 Diese bestanden in einem curulischen Stuhle, den Fascen und der mit Purpur verbrämten Toga. Uebrigens waren auch noch der Rang und die Vortheile, welche die gewesenen Consuln hatten, damit verbunden.

35 Plinius beschreibt die Crocota in seiner Naturgeschichte 8, 30 und sagt von diesem Thiere, es sehe aus wie von einem Hund und Wolf erzeugt, zermalme Alles mit den Zähnen und verdaue es sogleich. Auch Artemidor bei Strabo B. 16 u. Agatharchides bei Photius cod. 260 nennen es eine Mischung von Hund und Wolf. Dio (der übrigens sagt, unter Severus sei dieses Thier zuerst zu Rom gesehen worden), berichtet 76, 21, es habe die Gestalt eines Hundes und eines Fuchses und die Farbe eines Tigers und einer Löwin. Man hält es für eine Art von Hyäne. Die Strepsikerote, auch Addax genannt, scheint die Antilope cervicapra zu sein.