Caracalla

Ornament

Übersetzung

1 [281] Von den beiden Söhnen, welche Septimius Severus hinterließ, nämlich Geta und Bassianus, deren einen das Heer, den andern sein Vater zum Cäsar ernannt hatte, wurde Geta für einen Feind des Staates erklärt, während der Andere, wie bekannt ist, sich als Kaiser behauptete. Eine Wiederholung seiner Abstammung halte ich hier für überflüssig, da im Leben des Severus hinlängliche Nachricht davon gegeben worden ist. Bassianus war als ein Knabe liebenswürdig, geistreich, gegen seine Aeltern freundlich, von den Freunden derselben geschätzt, beim Volk beliebt und dem Senate werth, was Alles ihm die allgemeine Liebe gewinnen mußte. Er zeigte beim Lernen Talent, zu Gefälligkeiten sich bereit, beim Schenken freigebig und in der Menschenliebe thätig, doch dies Alles unter den Augen seiner Aeltern. Sah er, wie Verurtheilte den wilden Thieren vorgeworfen wurden, so weinte er oder wandte sein Gesicht weg, was dem Volke ein außerordentliches Vergnügen verursachte. In seinem siebten [282] Jahre, als er hörte, daß einer seiner Gespielen wegen der jüdischen Religion1 sehr hart geschlagen worden sei, wollte er lange Zeit weder seinen eigenen noch des Knaben Vater mehr ansehen, weil2 sie die Ursache dieser Schläge gewesen seien. Den Einwohnern von Antiochia und Byzantium, gegen welche Severus, weil sie den Niger unterstützt hatten, sehr aufgebracht war, verschaffte er durch seine Vermittlung die Zurückgabe ihrer vorigen Rechte. Den Plautianus verabscheute er seiner Grausamkeit wegen. Die Geschenke, welche ihm seine Aeltern an den Sigillarien machten, vertheilte er aus eigenem Antriebe unter seine Lehrer und Clienten.

2 So war Bassianus als Knabe. Als er aber über die Knabenjahre hinaus war, wurde er, sei es auf Anrathen seines Vaters, sei es aus Verschmitztheit oder aus Nachahmung Alexanders des Großen aus Makedonien, zurückhaltender, ernster und zeigte auch in seinen Mienen etwas Wildes, so daß Viele, die ihn als Knaben gekannt hatten, ihn jetzt nicht mehr erkannten. Alexander den Großen und dessen Thaten führte er immer im Munde. Ueber Tiberius und Sulla sprach er sich in der Unterhaltung meist beifällig aus. Er war noch stolzer als sein Vater und verachtete seinen Bruder Geta wegen dessen großer Anspruchslosigkeit. Nach dem Tode seines Vaters3 [283] begab er sich in das Lager der Prätorianer und beklagte sich daselbst bei den Soldaten, daß sein Bruder ihm nach dem Leben stelle, ließ sodann denselben im Palaste tödten4 und seinen Leichnam alsbald verbrennen. Ueberdieß äußerte er im Lager, sein Bruder habe ihn vergiften wollen und die schuldige Achtung gegen seine Mutter bei Seite gesetzt, und dankte dessen Mördern öffentlich. Auch erhöhte er denjenigen, die ihm ihre Anhänglichkeit in hohem Grade erwiesen hatten, ihren Sold. Indeß ein Theil der Soldaten bei Alba5 bezeigte ein großes Mißvergnügen über Geta’s Ermordung. Sie haben, äußerten sie einstimmig, beiden Söhnen des Severus Treue gelobt, beiden müßten sie dieselbe halten. Sie schlossen die Thore und ließen den Kaiser nicht früher herein als bis er sie wieder beschwichtigt hatte, aber nicht bloß durch Klagen über und Beschuldigungen gegen Geta, sondern, wie gewöhnlich, durch ausschweifende Geschenke. Vom Lager aus kehrte Bassianus nach Rom zurück, wo er, mit einem Panzer unter seinem Senatorenkleide, inmitten von bewaffneten Soldaten die Curie betrat und während diese in doppelten Gliedern zwischen der Senatoren Sitze aufgestellt waren, eine Rede hielt. Er beklagte sich darin, um seinen Bruder anzuklagen, sich selbst aber zu rechtfertigen, in dunkeln, verwirrten Worten über die Nachstellungen [284] desselben. Indessen erregte es Mißfallen im Senate, als er sich der Worte bediente, er habe seinem Bruder Alles überlassen, ihn selbst gegen Nachstellungen gesichert, und doch habe ihm dieser, statt diese brüderliche Liebe zu erwidern, nach dem Leben getrachtet.

3 Hierauf ertheilte er den Verwiesenen und Deportirten die Erlaubniß zur Rückkehr in ihr Vaterland. Sodann aber begab er sich zu den Prätorianern und blieb in ihrem Lager. Am folgenden Tage gieng er auf das Capitol, redete diejenigen, die er zu tödten gesonnen war, freundlich an und kehrte, sich auf Papinianus und Cilo stützend, in den Palast zurück. Wie er daselbst die Mutter Geta’s und andere Frauen in Thränen zerflossen antraf, so wollte er zu seinem Brudermord hin auch noch diese tödten lassen; doch die Rücksicht, das Gräßliche des Brudermordes könnte dadurch noch vergrößert werden, hielt ihn davon zurück. Dem Lätus schickte er Gift und zwang ihn zu sterben, und wie dieser unter Allen der Erste gewesen war, der zu Geta’s Ermordung gerathen hatte, so war er auch der Erste, der getödtet wurde. Bassianus selbst vergoß über Geta’s Tod häufige Thränen, ließ Viele, die Theilnehmer an demselben gewesen, hinrichten und ehrte ihn und sein Bild. Nach diesem gab er den Befehl zur Hinrichtung seines Vetters Afer, dem er noch Tags zuvor eine Portion von seiner Tafel geschickt hatte. Wie dieser, um den Mördern zu entgehen, einen Sprung wagte, dabei aber sich das Bein brach und so zu seiner Gattin kroch, wurde er doch rücksichtslos von den Mördern ergriffen und getödtet. Er ließ auch des Marcus Enkel Pompejanus, einen Sohn des Pompejanus, an welchen Lucilla, des Marcus Tochter, nach dem Tode des Kaisers Verus verheirathet war, tödten, obgleich er ihn zweimal zum Consul gemacht und ihm in allen damaligen so schweren Kriegen den Heerbefehl anvertraut [285] hatte. Seine Ermordung gieng unter Umständen vor sich, die glauben machen sollten, er sei von Räubern getödtet worden.

4 Ferner wurde vor seinen Augen Papinianus mit dem Beile hingerichtet und von den Soldaten getödtet, bei welcher Gelegenheit er zu dem, der den Todesstreich geführt, sagte: mit dem Schwerte6 hättest du meinen Befehl vollziehen sollen. Auch Petronius wurde auf seinen Befehl vor dem Tempel des göttlichen Pius niedergestoßen und die Leichname beider Männer mit Verletzung alles Menschengefühls durch die Straßen geschleift. Sodann fand auch der Sohn des Papinianus, der noch drei Tage zuvor als Quästor prächtige Spiele gegeben hatte, den Tod. Ueberhaupt wurde in diesen Tagen eine unzählige Menge Menschen7, welche Anhänger seines Bruders gewesen waren, getödtet. Darunter befanden sich auch die Freigelassenen in dessen Diensten. Ueberall, selbst in den Bädern, floß Blut. Einige wurden sogar über Tische getödtet, unter denen sich auch Sammonicus Severus8, der Verfasser zahlreicher gelehrter Werke, befand. In die äußerste Gefahr kam auch Cilo, zweimaliger Präfect und Consul, weil er zur Eintracht unter den Brüdern gerathen hatte. Er wurde bereits, nachdem sie ihm seine Senatorskleidung vom Leibe gerissen, in bloßen Füßen von Soldaten der Besatzung [286] fortgeschleppt, als Antoninus sie noch zur Ruhe brachte9. Außerdem wurde in der Folge noch viel Blut vergossen. Denn unter dem Vorwande, Empörungsabsichten zu bestrafen, ließ er viele Personen durch seine Soldaten greifen und hinrichten. Der Ersatzconful Helvius Pertinax wurde nur aus dem Grunde getödtet, weil er der Sohn eines Kaisers war10. Ueberhaupt ergriff er jede Gelegenheit, die vormaligen Freunde seines Bruders zu tödten. Oft bediente er sich gegen den Senat, oft gegen das Volk theils in seinen Edicten, theils in seinen Reden übermüthiger Ausdrücke und drohte darinnen, ein zweiter Sulla zu werden.

5 Nach diesen Thaten begab er sich nach Gallien, wo er sogleich bei seiner Ankunft den Proconsul von Narbo tödten ließ. Dieser Vorfall verbreitete allgemeine Bestürzung unter den Beamten dieses Landes und machte ihn als einen Tyrannen verhaßt, wiewohl er sich zuweilen mild anstellte, da er doch von Natur einen Hang zur Grausamkeit hatte. Nachdem er Vieles gegen einzelne Personen und die Gerechtsame ganzer Städte sich erlaubt hatte, verfiel er in eine schwere Krankheit, während welcher er Diejenigen, die mit seiner Pflege beschäftigt waren, auf das Grausamste behandelte. Nach seiner Genesung machte er Anstalten zu einem Heerzuge in den Orient, machte aber auf dem Marsche Halt und blieb in Dacien. In der Gegend von Rhätien erschlug er eine große Anzahl Barbaren und ermunterte und beschenkte seine Soldaten als wären sie Sulla’s Soldaten. Mit dem Namen von Göttern – was bei Commodus der Fall gewesen war, [287] den man, weil er einen Löwen und andere wilde Thiere erlegt hatte, Hercules nannte – durfte man ihn nicht benennen. Nach einem Siege über die Germanen nannte er sich Germanicus11, vielleicht aus Scherz, vielleicht im Ernst, wie er denn ein thörichter, unbesonnener Mensch war, und versicherte dabei, wenn er die Lucanier besiegen würde, werde er sich Lucanicus12 nennen. Damals ließ er Diejenigen mit dem Tode bestrafen, welche in der Nähe der kaiserlichen Statuen oder Bildnisse ihr Wasser abgeschlagen und welche die Kränze von seinen Bildsäulen abgenommen hatten, um neue darauf zu setzen. Eine gleiche Strafe traf Diejenigen, welche Schutzmittel gegen das drei- und viertägige Fieber am Halse trugen. Seinen Zug durch Thrakien machte er in Begleitung seines prätorischen Präfects. Als er von da nach Asien überfahren wollte, kam er in Gefahr Schiffbruch zu leiden. Es brach nämlich die Segelstange, und er mußte sich mit seinen Leibtrabanten in ein Boot werfen, bis ihn der Befehlshaber der Flotte in seine Trireme aufnahm, wodurch er gerettet wurde. Bassianus fieng häufig wilde Schweine ab, stand aber auch gegen einen Löwen, mit welcher That er sich in einem Schreiben an seine Freunde brüstet und dem Hercules an Mannhaftigkeit gleich gekommen zu sein sich rühmte.

6 [288] Hierauf wandte er seine Waffen gegen Armenien und Parthien und ernannte einen Heerführer, der seinem Charakter zusagte. Von da begab er sich nach Alexandrien, rief daselbst das Volk in das Gymnasium und machte ihm heftige Vorwürfe; auch ließ er die Kräftigeren zum Kriegsdienste auslesen, dieselben aber nach dem Beispiele des Ptolemäus Evergetes, des achten13 dieses Namens, niederhauen. Ueberdieß richtete er dadurch, daß seine Soldaten auf ein gegebenes Zeichen ihre Wirthe tödten mußten, ein großes Blutbad zu Alexandrien an14. Hierauf zog er durch das Land der Cadusier15 und durch Babylonien gegen die Parther, und lieferte deren Satrapen einige leichte Gefechte, wobei er auch wilde Thiere auf die Feinde losließ. Auf ein Schreiben an den Senat, worin er sich als Sieger darstellte, erhielt er den Beinamen Parthicus; denn den Beinamen Germanicus hatte er noch zu den Lebzeiten seines Vaters bekommen. Während Bassianus, entschlossen einen zweiten Zug gegen die Parther zu unternehmen, zu Edessa16 überwinterte, kam er nach Carrä17, um daselbst den Tempel des Gottes Lunus zu besuchen, [289] wurde aber an seinem Geburtstage, den 6. April, gerade an dem Feste der Cybele, als er zur Befriedigung eines natürlichen Bedürfnisses bei Seite gegangen war, durch die hinterlistige Veranstaltung seines prätorischen Präfects Macrinus, der nach ihm das Reich an sich riß, getödtet. Mitverschworene waren Nemesianus, dessen Bruder Apollinaris und Pretianus, Befehlshaber der zweiten parthischen Legion ụnd des Ausschusses der Reiter: auch waren Marcius Agrippa, Befehlshaber der Flotte, und eine große Anzahl anderer Kriegsbedienter durch die Veranstaltung des Martialis diesem Plane nicht fremd.

7 Getödtet wurde aber Bassianus mitten auf dem Wege zwischen Carrä und Edessa, als er, um sein Wasser abzuschlagen, vom Pferde gestiegen war, inmitten seiner Leibtrabanten18, die Theil an der Verschwörung hatten. Wie ihm nämlich sein Reitknecht19 wieder auf das Pferd helfen sollte, durchbohrte er seine Seite mit einem Dolche, worauf denn Jedermann rief, dieß habe Martialis gethan. Weil ich indessen des Gottes Lunus Erwähnung gethan habe, so diene zur Nachricht, daß die gelehrtesten Männer in ihren Schriften behauptet und daß namentlich auch die Einwohner von Carrä noch jetzt diesen Glauben haben, daß wer das Wort Mond im weiblichen Geschlechte brauchen und die Mond sagen würde, dieser immerfort den Weibern dienstbar und unterthan sein müsse; wer dagegen diese Gottheit für männlichen Geschlechts halte, dieser immer die Herrschaft [290] über seine Frau behaupten und Nichts von Weiberlist zu befürchten haben würde. Dieß ist der Grund, warum die Griechen und Aegypter, wiewohl sie in der Volkssprache den Mond eine Göttin nennen, ihn dennoch in ihrer mystischen Sprache als einen Gott bezeichnen.

8 Ich weiß zwar wohl, daß viele Schriftsteller von Papinians Tode auf eine Weise gesprochen haben, woraus erhellt, daß ihnen die eigentlichen Ursachen desselben unbekannt waren: ich indeß will lieber die verschiedenen Erzählungen20 darüber anführen, als den Tod eines so großen Mannes ganz mit Stilschweigen übergehen. Papinian war, wie man aus der Geschichte weiß, der vertrauteste Freund des Kaisers Severus und auch noch den Berichten Einiger zufolge dessen Anverwandter durch seine zweite Frau. Ihm vornehmlich hatte Severus seine beiden Söhne empfohlen, mit ihm hatte er unter Scävola21 studirt, und ihn hatte er in der Anwaltschaft des Fiscus zum Nachfolger gehabt. Papinian hatte die Eintracht unter den Gebrüdern Antoninus immerfort zu erhalten, ja, da Bassianus bereits über die Nachstellurgen von Seiten Geta’s sich beklagte, des Letztern Ermordung zu verhindern gesucht und deßhalb sei er, wie es weiter heißt, nicht blos unter Zulassung, sondern sogar auch auf Antrieb des Antoninus mit den Anhängern des Geta von den Soldaten ermordet worden. Viele berichten, Bassianus habe nach Ermordung seines Bruders dem Papinian den Befehl ertheilt, er solle nun für [291] sich im Senate und vor dem Volke die That zu rechtfertigen suchen, dieser habe aber entgegnet, es sei nicht so leicht einen Brudermord zu entschuldigen als zu begehen. Auch diese Nachricht gehört der Sage an, daß Papinian eine Rede, in welcher durch Schmähungen auf Geta die Sache des Mörders in einem bessern Lichte hätte erscheinen sollen, aufzusetzen sich geweigert und entgegnet habe: es ist ein zweiter Brudermord einen unschuldig Getödteten anzuklagen. Allein dieß ist ungereimt, da die Aufsetzung einer Rede für den Kaiser außer dem Geschäftskreise des prätorischen Präfecten22 lag und es sicher ist, daß Papinian als ein Anhänger Geta’s getödtet wurde. Man erzählt sich aber, daß Papinian, als er von den Soldaten nach dem Palaste zur Schlachtbank hingeschleppt wurde, in prophetischem Geiste ausgerufen habe, sein Nachfolger in der Präfectur müßte ein rechter Narr sein, wenn er diese so grausam mißhandelte Würde nicht rächen würde. Und dieß geschah auch wirklich durch Macrinus, der, wie oben bemerkt wurde, den Antoninus tödtete, mit seinem Sohne vom Heere zum Kaiser ausgerufen wurde und diesen, der eigentlich Diadumenus hieß, Antoninus nannte, weil die Prätorianer ein heftiges Verlangen nach Antoninus trugen.

9 Bassianus hatte sein Leben auf 43 Jahre23 gebracht, wovon [292] er sechs regierte. Man hielt ihm ein öffentliches Leichenbegängniß. Er hinterließ einen Sohn, welcher in der Folge ebenfalls Marcus Antoninus Heliogabalus genannt wurde. Denn der Name Antoninus war so gewöhnlich geworden und hatte sich, gleich dem des Augustus, allen Herzen so tief eingeprägt, daß er aus keiner Brust verdrängt werden konnte. Bassianus war schlecht geartet und noch grausamer als sein harter Vater. Er aß viel, liebte den Wein, war verhaßt bei den Seinigen, und bei allen Heeren, die Prätorianer ausgenommen, verabscheut. Zwischen ihm und seinem Bruder fand nicht die geringste Aehnlichkeit statt. Unter seinen zu Rom aufgeführten Gebäuden zeichnen sich vornehmlich die seinen Namen führenden Bäder24 aus, bei denen der sohlenartige Saal nach dem [293] Urtheile der Architekten mit einer unnachahmlichen Kunst verfertigt ist. Es soll nämlich nicht blos der Rost, auf welchem das ganze Gewölbe ruht, von Erz oder Kupfer sein, sondern auch die Wölbung selbst hat einen solchen Umfang, daß geschickte Mechaniker behaupten, daß dieselbe gerade auf diese Weise nicht gebaut sein könne. Bassianus hinterließ auch unter dem Namen seines Vaters einen Säulengang, in welchem dessen Thaten, Triumphe und Kriege abgebildet waren. Den Namen Caracallus bekam dieser Kaiser von einer gewissen bisher ungebräuchlichen bis an die Knöcheln herabreichenden Kleidung, die er dem Volke gegeben hatte, daher denn noch heutzutage dergleichen hauptsächlich bei dem gemeinen Volke zu Rom so gebräuchliche [294] Mäntel antoninianische heißen. Er legte auch unter seinen Bädern, den antoninianischen nämlich, die neue Straße25 an, welche unter allen Straßen Roms unstreitig die schönste ist. Den Dienst der Isis führte er zu Rom ein und errichtete dieser Göttin aller Orten prächtige Tempel. Auch feierte er ihre Geheimnisse mit weit mehr Religiosität als es bisher der Fall gewesen war. Bei dieser Gelegenheit ist mir die Behauptung auffallend, daß durch Bassianus zuerst der Isisdienst nach Rom gekommen sei, da doch schon Antoninus Commodus ihn in der Art begieng26, daß er den Anubis trug und alle Pausen mitmachte, es müßte denn Bassianus demselben mehr Feierlichkeit verliehen haben. Denn zuerst hat er ihn nicht eingeführt. Seine Leiche wurde in die Gruft der Antonine gebracht, und er erhielt also seine Ruhestätte neben denen, die ihm den Namen gegeben hatten.

10 Die Erzählung der Art und Weise, wie Bassianus seine Stiefmutter zur Gemahlin bekommen haben soll, dürfte nicht ohne Interesse sein. Julia war eine sehr schöne Frau. Als sie sich ihm nun einst, wie aus Unvorsichtigkeit, größtentheils entblöst zeigte und Antonin sagte: dürfte ich, so wünschte ich, so soll sie entgegnet haben: „wenn du Lust hast, so darfst du. Weißt du nicht, daß du Kaiser bist, der Gesetze gibt, nicht empfängt?“ Diese Worte ermuthigten seine unnatürliche Liebeswuth zur Begehung des Verbrechens, und er vollzog eine Vermählung, welche, wenn er in Wahrheit gewußt hätte, daß er Gesetzgeber sei, er allein hätte verbieten sollen. Denn er nahm seine Mutter – anders konnte er sie doch nicht nennen – zur Frau und fügte noch Blutschande zum Brudermorde, indem er sich [295] mit derjenigen ehelich verband, deren Sohn er nicht lange vorher getödtet hatte. Die Anführung einer spöttischen Rede in Betreff dieses Kaisers möchte hier nicht am unrechten Platze sein. Wie er nämlich die Beinamen Germanicus, Parthicus, Arabicus und Alemannicus (er hatte nämlich das Volk der Alemannen27 besiegt) annahm, soll Helvius Pertinax, der Sohn des gleichnamigen Kaisers, aus Spott gesagt haben: „Setze auch noch, wenn du willst, Geticus Maximus hinzu“, weil er seinen Bruder Geta ermordet hatte und die Gothen, die er auf seinem Heerzuge nach dem Orient in mehreren Gefechten geschlagen hatte, Geten28 heißen.

11 Die Ermordung des Geta kündigten viele Vorzeichen an, welche ich in dessen Leben anführen werde. Denn obgleich Geta früher den Tod fand, so habe ich doch meinem Plane gemäß von demjenigen zuerst sprechen wollen, der an Jahren älter war und früher zu regieren anfieng. Man sagt, daß zu der Zeit, als Bassianus noch bei Lebzeiten seines Vaters, weil dieser wegen des Podagra’s zum Heerbefehl untüchtig schien, vom Heere zum Augustus ausgerufen wurde, Severus, nachdem er die Gemüther der Tribunen und Soldaten zerknirscht hatte, Willens gewesen sei, auch seinen Sohn tödten [296] zu lassen, wenn nicht seine Präfecten, würdige Männer, Einsprache dagegen gethan hätten. Andere behaupten aber im Gegentheil, seine Präfecten haben darauf gedrungen, aber Severus sich dessen geweigert, aus Furcht seine Strenge möchte mit dem Namen der Grausamkeit befleckt werden und, da doch eigentlich die Soldaten die Urheber des Aufstandes gewesen, der Jüngling für eine thörichte Unbesonnenheit eine Strafe erleiden, deren Härte so ausgelegt werde, daß der Vater als Mörder desselben erscheine. Und doch wurde dieser grausamste aller Kaiser, der, um es mit Einem Worte zu sagen, Brudermörder, Blutschänder, Feind seines Vaters, seiner Mutter und seines Bruders gewesen, von Macrinus, seinem Mörder, aus Furcht vor den Soldaten und hauptsächlich vor den Prätorianern, unter die Götter versetzt. Er hat einen Tempel, Salier, und eine antoninische Priesterschaft, er, der der Faustina ihren Tempel und ihren göttlichen Namen geraubt hat. Wenigstens war dieß der Fall mit dem Tempel, den ihr einst ihr Gemahl Antoninus am Fuße des Berges Taurus erbaut hatte, und den hernach Bassianus’ Sohn, Heliogabalus, sich oder den syrischen Juppiter oder der Sonne – denn es ist ungewiß – weihen ließ.

Anmerkungen

1 Dieß möchte wohl eher auf die christliche Religion zu beziehen sein, welche von Griechen und Römern lange Zeit mit der jüdischen verwechselt wurde.

2 Statt vel auctores lese ich mit Casaubonus: velut auctores.

3 Nach vorliegender Erzählung könnte man glauben, Geta sei unmittelbar nach dem Tode des Severus ermordet worden: allein beide Jünglinge befanden sich in Britannien bei Severus, als dieser starb. Sie brachten sodann seine Asche nach Rom, bezogen in dieser Hauptstadt sogleich zwei weit von einander liegende Paläste, einander immer mißtrauisch beobachtend, und erst als der Plan zu einer Theilung des Reichs sich zerschlagen hatte, wurde Geta ermordet.

4 Ueber die näheren Umstände dieses Mordes vgl. man Dio 77,2 und Herodian 4,4.

5 Severus hatte die Anzahl der Prätorianer auf das Dreifache erhöht. Da aber ihre Menge in einem Lager vereint einestheils Rom beschwerlich, anderntheils dem Kaiser gefährlich, übrigens ihre zu große Entfernung von Rom auch nicht räthlich gewesen wäre, so mußte ein Theil derselben ein Standlager am Fuße des Albanerberges beziehen, das lange Zeit bestand.

6 Die Enthauptung geschah bei den ältern Römern bloß mit dem Beile, zu der Kaiserzeit aber, seit den häufigen Hinrichtungen durch Soldaten, gewöhnlich mit dem Schwerte, und die Hinrichtung mit dem Beile galt für schimpflich.

7 Nach Dio 77,4 gegen 20,000.

8 Ein Mann von ausgebreiteter Gelehrsamkeit und Günstling des Kaisers Severus. Er besaß eine Bibliothek von 62,000 Rollen. Von seinen Werken ist uns Nichts erhalten als ein Gedicht von den Krankheiten und ihren Heilmitteln.

9 Diesen Vorgang erzählt bestimmter, deutlicher und umständlicher Dio 77,4.

10 Wohl nicht allein deßwegen, sondern auch wegen der unten Cap. 10 und im Leben Geta’s Cap. 16 angeführten unzeitigen Witzelei.

11 Nach Cap. 6 hatte er diesen Beinamen schon zu seines Vaters Zeiten erhalten. Für Caracalla lag jetzt in diesem Namen eine Zweideutigkeit, indem er eben so gut einen Besieger der Germanen als auch einen Besieger und Mörder seines Bruders (germanus) bezeichnen konnte.

12 Die Landschaft Lucanien in Unteritalien war wegen ihrer guten Bratwürste berühmt, daher eine solche selbst lucanica hieß. Nun findet sich in dem Worte Lucanicus auch ein Doppelsinn: denn man kann darunter eben so gut einen Besieger der Lucanier als einen Bratwurstesser verstehen.

13 Als dieser – erzählt Valerius Maximus 9,11 – sich allgemein verhaßt sah, beschloß er zu Sicherung seines Throns eine Frevelthat. Er ließ nämlich die streitbare Jugend Alexandriens im Gymnasium zusammenkommen, dasselbe mit brennbaren Stoffen und Bewaffneten umgeben, und tödtete sie so theils durch Feuer theils durch das Schwert.

14 Weil sie sich über ihn lustig gemacht und ihn durch ihre Spöttereien gereizt hatten, nach Dio 77,22 und Herodian 4,9, welche Beide übrigens eine andere, von unserem Berichte abweichende Erzählung dieses Vorfalles geben.

15 Ein Volk im nördlichen Medien.

16 Jetzt Ourffa, Hauptstadt des kleinen Königreichs Osroene in Mesopotamien, am Flusse Skirtus.

17 Ebenfalls in Mesopotamien, berühmt durch die Niederlage und den Tod des Crassus.

18 Protectores. Die nächste Leibwache des Kaisers bildeten die domestici oder Haustruppen, und ein eigener Ausschuß derselben waren die protectores, später wenigstens Söhne edler Häuser, durch Stärke und Schönheit ausgezeichnet.

19 Strator. Da die alten Griechen und Römer keinen Steigbügel kannten, so hatte man eigene Leute, stratores genannt, welche auf das Pferd halfen.

20 Ansatt veritatem lese ich mit Casaubonus und Gruterus: varietatem.

21 Q. Cervidius Scävola (nicht zu verwechseln mit Q. Mucius Scävola) war einer der vorzüglichsten Juristen der Kaiserzeit und wird von Modestin neben Paulus und Ulpian zu den Koryphäen der römischen Rechtsgelehrten gezählt. In den Pandekten finden sich noch viele Bruchstücke aus seinen Schriften.

22 Dieser Stelle hatte er ihn jedoch nach Dio 77,1 sogleich nach seines Vaters Tode entlassen.

23 Die Nachrichten über die Zahl der Lebensjahre Caracalla’s sind verschieden. Spartianus u. A. geben ihm ein Alter von 43, Dio, Zonarus u. A. aber nur von 29 Jahren, und diese Verschiedenheit hat Einfluß auf die Bestimmung, wer seine Mutter gewesen. Nach der ersten Angabe muß Caracalla der Sohn der Marcia, der ersten Frau Severs, gewesen sein, nach der zweiten aber Julia, die zweite Gemahlin dieses Kaisers. Indeß ist zu bemerken, daß Spartianus sich selbst widerspricht. Oben in Severs Leben Cap. 16 sagt er, dieser Kaiser habe ihn nach Verleihung der männlichen Toga zu seinem Mitconsul gewählt, und dieß geschah im J. 202. Wenn nun Caracalla 217 umgekommen ist, so war er bei seinem Tode, da die männliche Toga ungefähr im 15. Jahre angelegt wurde, Severus im J. 211 starb und er selbst 6 Jahre regierte, 29 Jahre alt. Wenn dagegen Caracalla 43 Jahre alt wurde, so zählte er 29 Jahre als er die männliche Toga anlegte, was ungereimt ist.

24 Ueber diese Bäder und unsere Stelle äußert sich Hirt in seiner Geschichte der Baukunst der Alten Bd. 2, S. 402 wie folgt: „Unter den Gebäuden, die Caracalla zu Rom selbst aufführte, loben die Geschichtschreiber vorzüglich die Thermen. Sie stehen noch in ihren Mauern und bezeugen die Größe, wovon die Alten sprechen. Sie scheinen an Umfang und Kolossalität alle Gebäude dieser Art übertroffen zu haben. Das Mauerwerk in Backstein ist wie in der besten Zeit, und die Gewölbe sind alle Gußwerk, wozu man aber nicht die gewöhnlichen Tufe, sondern den Bimsstein gebrauchte. Die feste Verbindung, die der Mörtel mit dieser Steinart eingeht, machte daher die Gewölbe nicht nur sehr dauerhaft, sondern sie verminderte durch ihre Leichtigkeit auch den Druck auf die Mauern. Merkwürdig ist es, daß sonst der Gebrauch des Pimpssteins bei keinem andern alten Bau wahrgenommen wird. Dieß erklärt eine Stelle bei Spartian [nämlich die vorliegende]. Er spricht von einem Saale in diesen Thermen mit einer Decke in Form einer Sohle, also mit einer Wölbung von einer sehr geringer Curve. Dieß gab später – in der Zeit Constantins, wo Spartianus schrieb – Anlaß zu Streitfragen zwischen den Architekten und Mechanikern. Die ersten behaupteten: eine solche Wölbung könnte auf keine gewöhnliche Weise gemacht sein und meinten, daß eine Art Rost von erzenen oder kupfernen Stäben zwischen das Gußwerk der Wölbung gelegt sein müßte, um dem Ganzen den Halt zu geben. Allein die gelehrten Mechaniker fanden auch hiefür die Spannung der Gewölbe noch zu groß und daß auf diese Weise das Gewölbe nicht construirt sein könne. Man sieht hieraus, daß damals den Streitenden das Material, dessen man sich bei den Gewölben der Thermen bediente, nicht mehr bekannt war. Jetzt, da Alles in Ruinen liegt, sehen wir, daß die Mechaniker Recht hatten. Nicht ein Rost von erzenen Stäben hielt die Wölbung, sondern die große Leichtigkeit des Materials und dessen innige Verbindung mit dem Mörtel.“

25 Sie lag in der zwölften Region (piscina publica).

26 Man vgl. oben Commodus Cap. 9 und Niger Cap. 6.

27 Am Maine. Unter Caracalla tritt dieses „zahlreiche, im Reiterkampfe bewunderungswürdige Volk“ zuerst in der Geschichte auf.

28 Nicht nur Spartianus, sondern auch, um der Dichter nicht zu gedenken, mehrere spätere Geschichtschreiber, z. B. Orosius, ja, der gothische Geschichtschreiber Jornandes selbst, halten Geten und Gothen für ein und dasselbe Volk, ein Irrthum, der um so verzeihlicher ist, da, abgesehen von der Namensähnlichkeit, die Gothen wirklich das Land der Geten, d. h. das trajanische Dacien und die Gegenden am linken Ufer der Niederdonau, eingenommen hatten.