Clodius Albinus

Ornament

Übersetzung

1 [260] Nach der auf des Albinus Anstiften erfolgten Ermordung des Pertinax wurden fast zu einer und derselben Zeit1 Julian von dem Senate zu Rom, Septimius Severus von dem Heere in Illyricum, Pescennius Niger im Orient, und Clodius Albinus in Gallien zu Kaisern ernannt. Und der Letztere, soll zwar nach dem Berichte Herodians2 der Cäsar des Severus gewesen sein, allein da der Eine auf den Thronbesitz des Andern eifersüchtig war und auch die Gallier und die Heere in Germanien unzufrieden waren, weil sie einen besondern von ihnen erwählten Kaiser hatten, so gab es überall [261] im Reiche Unruhen und Wirren. Clodius war aus einer edlen Familie, jedoch ein Afrikaner, nämlich aus Adrumetum. Deshalb bezog er auch jenen Ausspruch des Orakels, der, wie wir in Nigers Leben berichtet3, des Severus Lob enthielt, auf sich und wollte keineswegs unter den Worten der „Schlimmste der Weiße“, welche in demselben Verse vorkommen, worin des Severus mit Lob, des Pescennius Niger aber mit Beifall gedacht wird, sich verstanden wissen. Bevor ich jedoch von seinem Leben oder Tode spreche, muß ich dasjenige berichten, was zu seiner Erhebung beitrug.

2 Commodus hatte nämlich einst, als er dem Albinus einen Nachfolger gab, einen Brief an Albinus geschrieben, worin er ihn zum Cäsar ernannte und den ich hier beisetzen will. „Der Kaiser Commodus dem Clodius Albinus seinen Gruß. Du hast ein anderes officielles Schreiben in Betreff deines Nachfolgers und deiner Beförderung erhalten; allein dieses vertrauliche und, wie du siehst, eigenhändige Privatschreiben richte ich an dich persönlich. Ich ermächtige dich dadurch, dich, wenn die Umstände es erfordern sollten, den Soldaten zu zeigen und den Cäsartitel anzunehmen. Denn Septimius Severus und Nonius Murcus suchen mich, wie ich vernehme, bei den Truppen verhaßt zu machen, um sich selbst den Weg zum Throne zu bahnen. In jenem Falle hast du überdies die unumschränkte Vollmacht, dem Heere ein Geschenk bis zu drei Goldstücken zu geben. Zudem habe ich an meine Procuratoren Schreiben erlassen, welche mit dem Pettschaft der Amazone gesiegelt, du selbst [262] erhalten und nöthigenfalls den Kassenführern vorzeigen wirst, daß sie dir, wenn du über öffentliche Gelder verfügen willst, Folge leisten sollen. Um dir aber auch eine der kaiserlichen Majestät angemessene Auszeichnung zu verleihen, so erlaube ich dir hiemit, in meiner Gegenwart einen Scharlachmantel, zu Rom aber und in meiner Gesellschaft einen Purpurmantel, jedoch ohne Goldverzierung4, zu tragen: denn so hat es auch Hadrian mit meinem Urgroßvater Verus, der von ihm angekindet wurde und noch als Jüngling gestorben ist, gehalten.“

3 Albinus fand indeß nicht für gut, der Aufforderung des Commodus Folge zu leisten. Denn es entgieng ihm nicht, daß dieser Kaiser, der wegen seines Betragens, wodurch er den Staat zu Grunde gerichtet und sich selbst entehrt hatte, allgemein verhaßt war, über kurz oder lang fallen müsse, und er befürchtete daher, in seinen Fall verwickelt zu werden. Man hat noch eine Rede von ihm an das Heer, worin er, da er zum Kaiser ernannt und, wie Einige sagen, von Severus in dieser Würde bestätigt war, dieses Umstandes in folgenden Worten Erwähnung thut: „Daß ich nur ungerne, Mitstreiter, die kaiserliche Würde übernommen habe, dafür spricht auch der Umstand, daß ich den mir von Commodus übertragenen Cäsartitel ausgeschlagen habe: allein eurem und des Kaisers Severus Verlangen muß ich Folge leisten, weil der Staat meiner Ueberzeugung nach unter einem so trefflichen Manne und tapfern Krieger wird glücklich sein können.“ Und wirklich ist es eine unbestreitbare Thatsache, welche auch Marius Maximus berichtet, daß Severus anfänglich [263] Willens war, wenn ihm etwas begegnen sollte, den Pescennius Niger und Clodius Albinus zu seinen Nachfolgern zu ernennen; indessen änderte er in der Folge aus väterlicher Rücksicht auf seine heranwachsenden Söhne und aus Eifersucht auf die Liebe, worin Albinus stand, namentlich aber auch durch die Bitten seiner Gemahlin dazu bestimmt, seinen Entschluß und überwältigte Beide im Kriege. Albinus wurde von Severus auch zum Consul ernannt, was dieser bei der Wahl der obrigkeitlichen Personen so vorsichtige Kaiser gewiß nicht gethan haben würde, wenn er nicht die Verdienste des Albinus anerkannt hätte.

4 Um indeß auf die Hauptperson zurückzukommen, so war Albinus, wie schon gesagt, aus Adrumetum gebürtig, stammte aber aus einer dortigen edeln Familie römischen Ursprungs ab, nämlich der Postumier und Albiner-Cejonier, welche durch Gallienus und die Gordiane zu hohem Ansehen gelangte, noch jetzt unter die edelsten gehört und durch dich, großer Constantin, neuen Glanz erhalten hat und noch ferner erhalten wird. Er war der einzige Sohn sehr tugendhafter Aeltern, nämlich des Cejonius Postumius und der Aurelia Messalina, deren Glücksumstände übrigens beschränkt und deren Vermögen nur unbedeutend war. Den Namen Albinus bekam er, weil er, dem gewöhnlichen Naturlaufe bei den Knaben zuwider, welche sonst immer bei der Geburt röthlich sind, ganz weiß zur Welt kam. Die Wahrheit dieser Nachricht verbürgt ein Brief seines Vaters an den damaligen Proconsul von Afrika, Aelius Bassianus, der, so viel es scheint, ihr Verwandter war. Der Brief selbst ist folgender: „Den 25. November ist mir ein Sohn geboren worden, der gleich bei seiner Geburt am ganzen Körper noch weißer war als die Windeln, worein man ihn wickelte. Ich habe ihn daher der Familie der Albiner, der wir Beide angehören, durch die Benennung Albinus einverleibt. [264] Lebe wohl und fahre fort uns und dem Staate wie bisher deine Liebe zu schenken.“

5 Albinus brachte sein Knabenalter ganz in Afrika zu, erwarb sich aber daselbst nur mittelmäßige Kenntnisse in der griechischen und römischen Litteratur, weil schon damals ein unbändiger Kriegsgeist ihn beseelte. Er soll sehr häufig in der Schule unter seinen kleinen Kameraden den Vers gesungen haben:
Waffen ergreif’ ich betäubt und weiß nicht Rath in den Waffen5,
wobei er die erste Hälfte des Verses immer wiederholte. Bei seiner Geburt sollen sich viele Vorzeichen seiner künftigen Gelangung zum Reiche ereignet haben. So begab sich das Wunder, daß ein weißes Kalb mit ganz purpurrothen Hörnern zu Welt kam. Diese Hörner legte Albinus in der Folge, als er bereits Tribun war, in dem Tempel des Apollo zu Cumä als Weihgeschenk nieder, wo sie sich lange Zeit befunden haben sollen. Er that dieß, weil er bei Befragung des dortigen Orakels über sein Schicksal folgende Verse6 zur Antwort erhalten haben soll:
Er wird halten die römische Macht im Sturm des Tumultes,
Wird zu Roß die Pöner zerstreu’n und des Galliers Aufruhr.
Das Letztere traf allerdings in Betreff Galliens ein, wo er, wie gewiß ist, viele Völker bezwang. Von den Worten „die Pöner zerstreu’n“ glaubte er, sie beziehen sich auf Severus, weil dieser ein Afrikaner war. Ein anderes Vorzeichen seiner künftigen Thronbesteigung war folgendes: Es war in der kaiserlichen Familie ein eigenthümlicher Gebrauch, daß die Kinder derselben aus Schalen von Schildkröten [265] gewaschen wurden. Nun wurde dem Vater des Albinus gleich nach dessen Geburt eine ungeheure Schildkröte von einem Fischer zum Geschenke gebracht. Dieß sah dieser, als ein wissenschaftlicher Mann, als eine Vorbedeutung an: er nahm daher die Schildkröte mit Freuden in Empfang, ließ ihre Schale bearbeiten und bestimmte sie, in der Hoffnung, auch dieß werde zur Erhebung seines Kindes beitragen, dazu, dasselbe darin mit warmem Wasser abzuwaschen. Ungeachtet in den Gegenden, worin Albinus geboren wurde, ein Adler eine seltene Erscheinung ist, so geschah es doch, daß am siebenten Tage nach seiner Geburt, an welchem er seinen Namen erhalten sollte und den man deßhalb mit einem Schmause feierte, sieben junge Adler aus ihrem Neste gebracht und gleichsam zur Kurzweil um die Wiege des Knaben gelegt wurden. Sein Vater sah auch dieß als ein Vorzeichen an; er ließ daher die Adler aufziehen und gut halten. Ein weiteres Vorzeichen war folgendes. Die Kinder aus dieser Familie wurden gewöhnlich mit lichtrothen Binden umwickelt. Da aber diejenigen, welche seine Mutter während ihrer Schwangerschaft in Bereitschaft gesetzt hatte, gerade gewaschen und noch naß waren, so wickelte man das Kind in die purpurne Binde seiner Mutter, daher ihn denn auch seine Amme aus Scherz Porphyrius nannte. Dieß waren unter andern die Vorzeichen seiner künftigen Thronbesteigung. Wer sie alle kennen lernen will, den verweise ich auf den Aelius Cordus, der bei seinen Nachrichten über dergleichen Vorzeichen bis ins Kleinlichste geht.

6 Albinus nahm ziemlich jung Kriegsdienste und wurde durch Lollius Serenus, Bäbius Mäcianus und Cejonius Postumianus, seine Anverwandte, den Antoninen bekannt. Als Tribun stand er bei den dalmatischen Reitern; sodann befehligte er die Legion der Quartaner und Primaner und erhielt zur Zeit der Empörung des Cassius die Truppen in Bithynien im Gehorsam. In der Folge wurde er von [266] Commodus nach Gallien versetzt, wo er sich durch einen Sieg über die überrheinischen Friesen bei Römern und Barbaren einen berühmten Namen machte. Solche Verdienste bewogen den Commodus, ihm den Cäsartitel nebst der Vollmacht zur Beschenkung des Heers und der Erlaubniß, einen Scharlachmantel zu tragen, zu ertheilen: Albinus war jedoch klug genug, von alledem keinen Gebrauch zu machen, weil, wie er sich ausdrückte, Commodus solche Leute suche, welche entweder mit ihm untergiengen oder welche er unter einem schicklichen Vorwande tödten könnte. Die Quästur ward ihm erlassen. Hierauf wurde er Aedil, blieb es aber nicht länger als zehn Tage, weil er schleunigst zum Heere abreisen mußte. Seine Prätur unter Commodus gab viel zu sprechen, weil Commodus bei den von ihm gegebenen Spielen auf dem Forum und dem Theater als Kämpfer aufgetreten sein soll. Zum Consul wurde er von Severus zu der Zeit ernannt, als dieser den Entschluß gefaßt hatte, ihn und den Pescennius zu seinen Nachfolgern zu ernennen.

7 Albinus war, als er zum Kaiser ausgerufen wurde, schon ziemlich bei Jahren und noch älter als Pescennius, wie Severus selbst in seinem Leben bezeugt. Da Severus nach Besiegung des Pescennius seinen Söhnen den Thron zu erhalten wünschte und zugleich auch bemerkte, daß Clodius Albinus als ein Mann von alter Familie beim Senate viel beliebter war als er, so schickte er durch einige Leute ein in den ehrendsten und liebevollsten Ausdrücken abgefaßtes Schreiben an ihn ab, worin er ihm anlag, er möchte, da Pescennius Niger nunmehr getödtet sei, mit ihm getreulich die Regierung führen. Es lautete nach Cordus folgendermaßen: „Der Kaiser Severus Augustus entbietet dem Cäsar Clodius Albinus, seinem theuersten und geliebtesten Bruder, seinen Gruß. Nach Besiegung des Pescennius haben wir ein Schreiben nach Rom geschickt, welches der dir so ergebene [267] Senat mit großer Freude empfangen hat. Ich bitte dich, hege bei der Regierung des Staates dieselbe Gesinnung, mit der du mein Seelenbruder, mein Reichsbruder bist. Bassianus und Geta grüßen dich. Julia grüßt dich und deine Schwester. Deinem kleinen Pescennius Prinius werden wir einige seinem Alter und deinem Stande gemäße Geschenke schicken. Die Heere wirst du, wie ich hoffe, mein gleichgesinnter, mein theuerster Herzensfreund, unserem und des Staats Interesse getreu zu erhalten suchen.“

8 Mit diesem Schreiben schickte Severus einige seiner getreuesten Trabanten ab, mit dem Befehle, dasselbe öffentlich zu überreichen; hierauf aber sollten sie sagen, sie hätten ihm noch mehrere andere auf den Krieg und die Geheimnisse des Lagers und des Hofs bezügliche Aufträge zu eröffnen. Sobald sie aber, als in dieser Absicht, mit ihm bei Seite wären, so sollten fünf der Stärksten von ihnen ihn mit ihren unter ihren Kleidern verborgen gehaltenen Dolchen ermorden. Diese Leute ließen es keineswegs an sich fehlen. Als sie nämlich bei ihrer Ankunft bei Albinus demselben das Schreiben überreicht hatten, sagten sie ihm nach Durchlesung desselben, sie hätten ihm noch einige andere geheime Aufträge mitzutheilen, und baten ihn um ein geheimes Gehör. Wie sie aber, unter dem Vorwande ihre Aufträge könnten gehört werden, dem Albinus durchaus Niemanden in den sehr langen Säulengang folgen lassen wollten, ahnete dieser Nachstellungen, gieng weiter in seinem Verdacht und ließ sie foltern. Anfänglich leugneten sie zwar längere Zeit hartnäckig, doch zuletzt von Schmerzen übermannt, gestanden sie den von Severus erhaltenen Auftrag ein. Jetzt, da Alles verrathen war und die Nachstellungen am Tage lagen, sammelte Albinus, dem sein längst gehegter Verdacht nun zur Wahrheit geworden, ein zahlreiches Heer und zog gegen Severus und dessen Feldherrn.

9 [268] In der ersten Schlacht gegen die Letztern blieb Albinus Sieger. Später aber rückte Severus selbst, nachdem er den Albinus vom Senate für einen Feind des Staats hatte erklären lassen, diesem entgegen und kämpfte mit ihm mit dem höchsten Muthe und äußerster Tapferkeit, aber nicht ohne abwechselndes Glück, in Gallien. Endlich befragte Severus voll Besorgniß die Wahrsager, welche ihm nach Marius Maximus die Antwort ertheilten, Albinus werde zwar in seine Gewalt kommen, aber weder todt noch lebendig, was denn auch wirklich eintraf. In der letzten Schlacht nämlich, welche sie sich lieferten, floh Albinus, nachdem Unzählige der Seinigen erschlagen waren, sehr Viele die Flucht ergriffen, eine große Menge sich auch ergeben hatte, und legte nach mehreren Geschichtschreibern selbst Hand an sich, nach andern aber wurde er von seinem eigenen Sklaven durchbohrt und noch halblebend vor Severus gebracht und so die Weissagung erfüllt. Viele wollen auch wissen, Albinus sei von seinen eigenen Soldaten getödtet worden, um sich dadurch Severs Gnade zu erwerben. Albinus hatte nach Einigen nur einen einzigen Sohn, Marius Maximus aber spricht von zweien. Severus begnadigte sie Anfangs, nachher aber ließ er sie nebst ihrer Mutter tödten und in den Fluß werfen. Dem Albinus selbst ließ er den Kopf abhauen, auf einer Lanze zur Schau herumtragen und sodann nach Rom bringen mit einem Schreiben an den Senat, worin er diesem seine große Liebe zu Albinus und die deßwegen dessen Verwandten und namentlich dessen Bruder bewiesenen außerordentlichen Ehrenbezeigungen höhnisch vorwarf. Der Leichnam des Albinus soll mehrere Tage vor Severs Zelt gelegen haben, bis er in Fäulniß übergieng, und sodann, von den Hunden zerfleischt, in den Fluß geworfen worden sein.

10 Die Urtheile über den Charakter des Albinus lauten sehr verschieden. Severus selbst schildert ihn als einen unfläthigen, tückischen, [269] boshaften, schändlichen, habsüchtigen und schwelgerischen Mann: allein dieß Alles während des Kriegs oder nach demselben, wo er über Albinus als seinen Feind kein glaubwürdiges Urtheil mehr fällen konnte. Denn früher hatte er an ihn als seinen vertrautesten Freund häufig Briefe geschickt, ihn zu seinem Cäsar ernannt, und da er auf einen Nachfolger dachte, hauptsächlich auf ihn sein Augenmerk gerichtet. Dagegen urtheilen viele Andere günstig von Albinus. Es sind überdieß noch mehrere Briefe von Antonin in Betreff des Albinus vorhanden, welche für dessen Tugenden und Sitten ein günstiges Zeugniß ablegen und wovon ein an seine Präfecten gerichteter hier seine passende Stelle finden dürfte. „Marcus Aurelius Antoninus seinen Präfecten seinen Gruß. Dem Albinus aus der Familie der Cejonier, des Plautillus Tochtermann, zwar einem Afrikaner, dessen Charakter aber wenig Afrikanisches hat, habe ich den Oberbefehl über zwei Reitercohorten gegeben. Er ist ein Mann von Erfahrung, strenge in seinem Leben, fest in seinen Grundsätzen. Ich glaube, daß er dem Heerwesen von Nutzen sein wird; daß er ihm wenigstens nicht schädlich sein wird, davon bin ich überzeugt. Ich habe ihm eine doppelte Mundportion7 angewiesen, zwar nur ein einziges seinem Range angemessenes Soldatenkleid, allein vierfachen Sold. Ermuntert diesen Mann sich durch Verdienste um den Staat auszuzeichnen, da ihm die verdiente Belohnung zu Theil werden soll.“ Man hat noch ein anderes Schreiben des Marcus in Betreff des Albinus, das zur Zeit der Empörung des Avidius Cassius abgefaßt wurde und also lautet: „Die Festigkeit des Albinus, der die abfallenden Legionen, als sie die [270] Partei des Cassius ergreifen wollten, mit Kraft in ihrer Pflicht erhielt, verdient alles Lob. Wäre Albinus nicht gewesen, Alle wären abgefallen. Wir haben an ihm einen Mann, der das Consulat verdient. Ich werde ihn an die Stelle des Cassius Papirius setzen, der, wie man mir meldet, beinahe schon in den letzten Zügen liegt. Doch wünschte ich, daß die Sache vor der Hand verschwiegen bliebe, damit sie nicht entweder dem Papirius selbst oder seinen Angehörigen zu Ohren komme und es scheine, als hätten wir einem noch lebenden Consul einen Nachfolger gegeben.“

11 Diese Briefe beweisen also, daß Albinus ein verdienstvoller Mann war. Einen Beweis für diese Behauptung liefert auch hauptsächlich der Umstand, daß er an die von Niger verwüsteten Städte, um sich ihre Einwohner um so eher zu gewinnen, Geld schickte. Cordus, der in seinen Schriften solche Züge sehr gern anführt, sagt von ihm, er sei gefräßig gewesen. Namentlich habe er so viel Obst zu sich nehmen können, als für einen Menschen gar keine Möglichkeit ist. Er habe nämlich nüchtern 500 getrocknete Feigen von der Art welche die Griechen Kallistruthien nennen, 100 campanische Pfirsche, 10 ostiensische Melonen, 20 Pfund lavicanische Trauben, 100 Feigendrosseln und 400 Austern essen können. Doch habe er wenig Wein getrunken, was aber Severus keineswegs zugibt, der im Gegentheil behauptet, er sei sogar im Kriege betrunken gewesen. Albinus speiste niemals mit den Seinigen, entweder, wie Severus sagt, wegen seiner Neigung zum Trunke, oder wegen seines rauhen Charakters. Gegen seine Gemahlin hegte er den bittersten Haß; seine Sklaven behandelte er ungerecht und die Soldaten grausam. Er ließ nicht selten Manipelführer und Centurionen8, ohne daß die Beschaffenheit ihres Vergehens es verdient hätte, ans Kreuz schlagen, ließ sie auch sehr häufig [271] geißeln, und war überhaupt gegen Vergehen unerbittlich. Im Anzuge war er sehr geputzt, allein in Betreff seiner Tafel war er durchaus nicht ekel, da er nur die Menge der Speisen in Betracht zog. Ein Weiberfreund war er wie Wenige; allein Knabenliebe wurde von ihm immer verschmäht und auch bestraft. In der Landwirthschaft besaß er so ausgezeichnete Kenntnisse, daß er sogar darüber schrieb. Auch machen ihn Manche zum Verfasser sehr bekannter, wiewohl nur mittelmäßiger, milesischer Märchen9.

12 Kein Kaiser war je beim Senate so beliebt gewesen wie Albinus, insonderheit aus Haß gegen Severus, den die Senatoren wegen seiner Grausamkeit aufs Aeußerste verabscheuten. Nach Besiegung des Albinus wurden aber auch deßhalb eine Menge Senatoren, welche dessen Partei entweder wirklich ergriffen hatten oder ergriffen zu haben schienen, getödtet, und nach dem Tode seines Gegners bei Lugdunum ließ Severus sogleich dessen Papiere untersuchen, um daraus zu ersehen, mit welchen Senatoren er in Briefwechsel gestanden habe. Alle, von welchen sich Briefe vorfanden, ließ er vom Senate für Feinde erklären, sie ohne alle Schonung tödten, ihr Vermögen einziehen und der Staatskasse zuweisen. Man hat noch ein Schreiben des Severus an den Senat, das seine Gemüthsstimmung beurkundet und dessen Inhalt folgender ist: „Es konnte mir, versammelte Väter, nichts Schmerzlicheres begegnen, als erfahren zu müssen, wie eure Liebe zu Albinus weit größer als zu Severus gewesen. Und doch habe ich den Staat mit Getreide versorgt, ich [272] habe viele Kriege für das Reich geführt, ich habe dem römischen Volk so viel Oel10 gegeben als kaum die Natur hervorbringen konnte, ich habe euch durch des Pescennius Niger Hinrichtung von den Uebeln der Tyrannei befreit. Wahrlich, ich habe eine schöne Vergeltung, einen schönen Dank dafür erhalten! Einen Afrikaner, und zwar einen Afrikaner aus Adrumetum11, der aus dem Blute der Cejonier abzustammen vorgibt, habt ihr so weit erhoben, daß ihr ihn euch zum Kaiser wünschtet, während ich noch Kaiser, Söhne von mir noch am Leben waren. Fehlte es denn ums Himmels willen einem so erlauchten Stande an einem Kaiser, den ihr lieben konntet und der euch wiederum liebte? Ihr habt den Bruder dieses Albinus mit Ehren überhäuft, in der Hoffnung, Consulate, Präturen und andere Staatsämter durch ihn zu erhalten. Ihr habt mir nicht die Bereitwilligkeit gezeigt, die eure Vorältern gegen Piso’s Verschwörung12, die sie deßgleichen für Trajan und erst noch neulich gegen Avidius Cassius gezeigt haben. Jenem Gleisner, der zu jeglicher Art von Lügen geschickt gewesen, der sogar eine edle Herkunft gelogen, habt ihr mir vorgezogen. Ja, Statilius Corfulenus mußte [273] auch noch im Senate gehört werden, der die Zuerkennung von Ehrenbezeugungen für Albinus und seinen Bruder vorschlug; wahrlich, es fehlte weiter Nichts als daß dieser edle Mann dem Albinus auch noch einen Triumph über mich zuerkannt hätte! Noch schmerzhafter mußte es aber für mich sein, daß ihr größtentheils geglaubt habt ihn mir als einen Gelehrten loben zu müssen, ihn, der blos mit Altweiberliedchen beschäftigt, unter den punischen Romanen seines Appulejus13 und unter gelehrten Spielerein hinalterte.“ Hieraus erhellt zur Genüge, mit welcher Strenge Severus gegen die Partei des Pescennius oder des Clodius verfahren ist. Ich habe zwar davon in seinem Leben zur Genüge gesprochen, sollte aber Jemand noch ausführlichere Nachrichten darüber wünschen, den verweise ich an den lateinischen Geschichtschreiber Marius Maximus und an den Griechen Herodian, welche das Meiste der Wahrheit gemäß berichtet haben.

13 Albinus war von hoher Statur, hatte ein krauses, in Locken gelegtes Haar, eine breite Stirne und eine außerordentlich weiße Haut, von welcher er auch nach der Meinung Mehrerer den Namen erhielt. Seine Stimme war weibisch und ähnelte der eines Verschnittenen. Er gerieth leicht in Aufwallung, war im Zorne heftig und in der Wuth höchst grausam. Schwelgerei war bei ihm nie Gewohnheit; denn bald ergab er sich dem Genusse des Weines, bald war er enthaltsam. Er war ein tapferer Krieger, daher man [274] ihn mit vollem Rechte den Catilina14 seines Zeitalters nannte. Ich halte hier nicht für unpassend, noch die Ursachen anzuführen, wodurch Clodius Albinus sich die Zuneigung des Senates gewann. Während er nämlich auf Befehl des Commodus an der Spitze der Heere in Britannien stand, kam ihm die ungegründete Nachricht von der Ermordung dieses Kaisers zu. Auf dieß trat er vor dem versammelten Heere auf und hielt, wiewohl ihn Commodus selbst zum Cäsar ernannt hatte, folgende Rede an dasselbe: „Wenn der Senat des römischen Volkes noch seine alte Waltung hätte und ein so mächtiges Reich nicht unter einem Einzigen stünde, so wäre das Schicksal des Staats nie den Händen eines Vitellius, eines Nero, eines Domitian überantwortet worden. Damals waren im Besitze der consularischen Gewalt jene hochberühmten Familien unserer Cejonier, Albiner und Postumier, von welchen eure Väter, die es wiederum von ihren Großvätern gehört, Vieles überliefert haben15. Der Senat war es, welcher Afrika mit dem römischen Reiche vereinigte, der Senat, welcher Gallien und Hispanien bezwang, der Senat, der den Völkern des Orients Gesetze vorschrieb, der Senat, der einen Versuch auf Parthien machte, einen Versuch, der geglückt wäre, wenn nicht das Geschick des Staats dem römischen Heere ein so habsüchtiges Oberhaupt gegeben hätte. Auch Cäsar war, als er Britannien unterwarf, noch nicht Dictator, sondern ein bloser Senator. Dieser Commodus selbst – ein wie viel besserer Regent wäre er gewesen, hätte er Achtung vor dem Senate gehabt! Und bis auf Nero herab hat sich das Ansehen des Senates geltend gemacht. Denn er fürchtete [275] sich nicht, diesen unfläthigen, unzüchtigen Kaiser zu verurtheilen und seine Stimme gegen Den zu geben, der damals noch Gewalt über Leben und das Reich besaß. Deßhalb, meine Mitstreiter, verschmähe ich den Cäsartitel, welchen Commodus mir verliehen hat; geben die Götter, daß auch Andere nicht darnach verlangten! Der Senat herrsche, der Senat vertheile die Provinzen und der Senat mache uns zu Consuln! Doch was sage ich, der Senat? Ihr und eure Väter seid es. Denn ihr selbst werdet die Stelle des Senats vertreten.“

14 Diese Rede ward noch bei Lebzeiten des Commodus zu Rom bekannt und brachte diesen so sehr gegen Albinus auf, daß er ihm auf der Stelle den Junius Severus, einen von seinen Günstlingen, zum Nachfolger schickte; den Senat aber versetzte sie in die freudigste Stimmung, so daß er dem abwesenden Albinus die ehrendsten Acclamationen sowohl noch bei Lebzeiten des Commodus als auch nach dessen Ermordung erschallen ließ und Mehrere dem Pertinax anlagen, ihn zu seinem Reichsgenossen anzunehmen, sein Einfluß aber auch den Julian zur Ermordung des Pertinax bestimmte. Uebrigens will ich zum Erweise der Wahrheit des Gesagten einen Brief des Commodus an seine prätorischen Präfecten hier beifügen, worin er seine Absicht, den Albinus zu ermorden, kund gibt. „Aurelius Commodus seinen16 Präfecten seinen Gruß. Ihr seid ohne Zweifel schon von dem falschen Gerüchte, das mich von meinen eigenen Leuten hat ermorden lassen, unterrichtet, sowie von der vor meinen Soldaten gehaltenen Rede des Albinus, der sich dem Senate eifrigst zu empfehlen sucht und dieß, so viel ich sehe, nicht ohne Zweck. Denn Der, welcher behauptet, es dürfe nicht Ein Oberhaupt im [276] Staate sein, sondern der Senat müsse den ganzen Staat regieren, erstrebt für sich durch des Senats Vermittlung das Reich. Habt also ja ein recht wachsames Auge auf ihn; denn ihr kennt nun den Mann, vor dem so wie ihr die Soldaten und das Volk sich hüten müssen.“ Pertinax, der dieses Schreiben fand, machte es, um den Albinus verhaßt zu machen, bekannt, was hinwiederum diesen bestimmte, den Julian zur Ermordung des Pertinax zu veranlassen.

Anmerkungen

1 Ich lese mit Salmasius und Gruter: uno eodemque prope tempore.

2 Dieser griechische Geschichtschreiber lebte zu Rom um die Mitte des dritten Jahrhunderts und schrieb die von ihm selbst erlebte noch vorhandene Geschichte der römischen Kaiser von dem Tode des M. Antoninus bis auf den jüngern Gordian (180–283) mit großer Freimüthigkeit und Wahrheitsliebe. Die von Capitolinus hier berücksichtigte Stelle ist II,15.

3 Cap. 8.

4 Daß die Cäsaren sich den Augusten in Putz und Tracht nicht gleichstellen durften, erhellt auch aus Ammianus Marcellinus 26,4.

5 Virgil’s Aeneis, 2. Ges., V. 314.

6 Virgil’s Aeneis, 6. Ges., V. 857, 858.

7 Salarium. Hierunter ist aller dem römischen Soldaten gebürende Mundvorrath verstanden, d. h. Getreide (in späteren Zeiten Zwieback), Fleisch (Ochsen-, aber meist geräuchertes Schweinefleisch), zuweilen auch Oel, Wein, Holz und Salz.

8 Ich lese mit Salmasius: ordinarios et centuriones.

9 Eine Art Romane, bestehend aus einer Zusammenhäufung wunderbarer Begebenheiten, ohne Wahrscheinlichkeit, ohne Interesse und meistens auch ohne sonderliches Verdienst des Ausdrucks und der Sprache. Sie hatten ihren Namen von der Stadt Miletus, wo sie zuerst entstanden zu sein scheinen.

10 Den Südländern bekanntlich ein unentbehrliches Product.

11 Severus äußert nicht sowohl seinen Unwillen darüber, daß sie einen Afrikaner, sondern einen Afrikaner aus dem übelberüchtigten Adrumet, begünstigt.

12 Unter Nero, im J. Chr. 65, hatten sich sehr viele edle Römer, an ihrer Spitze Cn. Piso, gegen das Leben dieses Kaisers verschworen, allein Piso’s Unentschlossenheit verschob den Ausbruch der Verschwörung bis die Sache verrathen war, worauf Piso sich die Adern öffnete und der Senat nach zahllosen Hinrichtungen den Göttern Dankgebete und Geschenke darzubringen beschloß und den Nero mit Schmeicheleien überhäufte. (Man vgl. Tacitus in seinen Annalen 15,74.)

13 Ein Sachwalter und platonischer Philosoph aus der römischen Colonie Madaura in Afrika, gegen das Ende des zweiten Jahrh. Neben mehreren philosophischen Schriften besitzen wir namentlich von ihm elf Bücher vom goldenen Esel oder milesischer Erzählungen

14 Weil er mit seiner Stellung gegen den Staat (Severus), wie L. Sergius Catilina, Tapferkeit verband.

15 Statt didicerunt lese ich mit Obrecht: dididerunt.

16 Statt Severus lese ich mit Casaubonus: suis.