Commodus

Ornament

Übersetzung

1 [159] Von den Eltern des Commodus Antoninus ist in dem Leben des Marcus Antoninus bereits hinlängliche Nachricht gegeben worden. Commodus selbst wurde mit seinem Zwillingsbruder Antoninus unter dem Consulate seines Vaters und Oheims1 den 31. August zu Lanuvium, welches auch der Geburtsort seines mütterlichen Großvaters gewesen sein soll, geboren. Als Faustina mit ihren beiden Söhnen schwanger ging, glaubte sie im Traume zwei Schlangen zu gebären, davon die eine wilder als die andere war. Faustina kam also mit Commodus und Antoninus nieder, der letztere aber starb schon in seinem vierten Jahre, wiewohl ihm die Sterndeuter aus dem Stand der Gestirne ein gleiches Alter mit Commodus verhießen hatten. Nach dem Tode des Antoninus suchte Marcus den Commodus [160] durch seinen eigenen, so wie durch großer, trefflicher Männer Unterricht zu bilden. Im Griechischen war sein Lehrer Onesicritus, im Lateinischen Capella Antistius und in der Redekunst Atejus Sanctus. Allein in so vielen Wissenschaften er auch Unterricht genoß, so fruchtete derselbe doch nichts. Eine solche Gewalt übt entweder die Macht des Naturells oder der Einfluß der Erzieher an den Höfen. Denn schon in seinen jüngern Knabenjahren war er niederträchtig, boshaft, grausam, wollüstig, unkeusch, ein Werkzeug fremder Wollust und Künstler in allem dem, was mit der erhabenen Stellung eines Kaisers unverträglich ist. Er formte Pokale, tanzte, sang, pfiff und zeigte sich als einen vollendeten Possenreißer und Gladiator. Den ersten Beweis seiner Grausamkeit gab er schon in seinem zwölften Jahre zu Centumcellä2. Er befahl nämlich, weil sein Bad zu warm gewesen war, den Bader in den Ofen zu werfen, an dessen Stelle jedoch sein Hofmeister, der diesen Auftrag erhalten hatte, ein Hammelsfell im Ofen verbrennen ließ, um ihn durch den Geruch desselben von der Vollziehung der Strafe zu überzeugen. Den Cäsartitel erhielt er noch als Knabe mit seinem Bruder Sextus Verus3, und in seinem vierzehnten Jahre kam er in das Priestercollegium.

2 Als er die männliche Toga anlegte, ward er das Haupt des Ritterstandes4. Noch in der Knabenprätexta hatte er eine Spende gegeben und in Trajans Basilika den Vorsitz geführt. Mit der männlichen [161] Toga aber wurde er am 7. Julius bekleidet, an demselben Tage, an welchem Romulus von der Erde verschwunden war, um dieselbe Zeit, wo Cassius sich zum Kaiser aufwarf. Commodus reiste, der Liebe der Soldaten empfohlen, mit seinem Vater nach Syrien und Aegypten und kehrte mit ihm nach Rom zurück. Hierauf wurde er mit Erlassung des gesetzlichen5 Alters Consul und erhielt nebst seinem Vater den Imperatorstitel, den 27. November unter dem Consulate des Pollio und Aper6 und triumphirte mit ihm. Denn auch diese Ehre hatte ihm der Senat zuerkannt. Er zog auch mit seinem Vater in den Krieg gegen die Germanen. Würdige Männer, die über seine Aufführung wachen sollten, waren ihm unausstehlich, dagegen hing er so fest an den schlechtesten Menschen, daß seine Sehnsucht nach denselben, wenn man sie von ihm entfernte, ihn krank machte. Wenn sie ihm nun sein Vater zurückgab, so verwandelte er jedesmal den Palast in ein Sauf- und Hurenhaus und trug weder seiner Ehre noch den Kosten Rechnung. Auch trieb er das Würfelspiel im Palaste und versammelte daselbst eine Anzahl schöner Frauenzimmer, die er wie gemeine Dirnen in Bordellen, nackend mit der Aufmerksamkeit eines gewöhnlichen Aufkäufers untersuchte. Er schaffte sich Rennpferde an, lenkte den Wagen als Rennfahrer gekleidet, speiste mit Gladiatoren und holte Wasser gleich einem Bedienten im Hurenhause, so daß man [162] glauben mußte, die Natur habe ihn mehr für alle Schandthaten, als für die Stelle, worauf ihn das Glück erhob, bestimmt.

3 Seines Vaters alte Diener dankte er ab und entfernte dessen betagte Freunde aus seiner Umgebung. Den Sohn des Salvius Julianus, der den Oberbefehl über mehrere Heere führte, suchte er, wiewohl vergeblich, zu einem Werkzeuge seiner Wollust zu machen, und von der Zeit an sann er auf Julians Untergang. Die achtbarsten Männer entfernte er theils durch Beschimpfungen, theils durch erniedrigende Bedienstungen. Als einst die Mimen auf ihn als auf einen Lustknaben anspielten, ließ er sie plötzlich deportiren, ohne daß sie weiter gesehen worden wären. Auch den von seinem Vater beinahe zu Ende gebrachten Krieg gab er auf die von den Feinden vorgeschlagenen Bedingungen hin auf und kehrte nach Rom zurück. Bei seinem Triumphzuge in diese Stadt stand sein Liebhaber Anteros hinter ihm auf dem Wagen, und Commodus wandte sich öfters um und küßte ihn vor Aller Augen. Dasselbe that er auch in der Orchestra7. Während er seine Saufgelage bis an den hellen Morgen fortsetzte und das Vermögen des Staats verpraßte, schwärmte er Abends in Wein- und Hurenhäusern umher. Zu Verwaltung der Provinzen schickte er Leute ab, die entweder Theilnehmer seiner Laster oder ihm von solchen empfohlen waren. Da ihn der Senat haßte, so wüthete er auch seinerseits zum Verderben dieses erlauchten Standes gegen denselben, wodurch er denn verächtlich wurde.

4 Dieses grausame Betragen des Commodus bewog den Quadratus und die Lucilla, einen Anschlag wider sein Leben zu fassen, nicht ohne Mitwissen des prätorischen Präfecten Tarrutenus Paternus. [163] Die Ausführung des Vorhabens wurde einem Verwandten des Commodus, Claudius Pompejanus, übertragen. Dieser trat mit gezogenem Schwerte hinein zu Commodus; allein statt ihn, wie er gekonnt hätte, niederzustoßen, brach er in die Worte aus: dieses Schwert schickt dir der Senat, und entdeckte so, ohne es auszuführen, auf eine einfältige Weise sein Vorhaben, in das so viele Personen verwickelt waren. Hierauf wurden zuerst Pompejanus und Quadratus, sodann Narbana und Norbanus nebst Paralius getödtet, des Letzteren Mutter aber und Lucilla verbannt. Wie die prätorischen Präfecten sahen, wie sehr sich Commodus wegen des Anteros, dessen Einfluß dem römischen Volke unleidlich war, verhaßt mache, lockten sie Letztern auf eine seine Weise, unter dem Vorwande eines Opfers, aus dem Palaste und ließen ihn bei der Rückkehr in seine Gärten durch einige Frumentarier tödten. Diese That ging dem Commodus näher als wenn es auf ihn selbst abgesehen gewesen wäre. Er entfernte daher den Paternus, den Urheber dieses Mordes, der, so viel man vermuthete, dem Anschlag wider des Commodus Leben nicht fremd gewesen war und die weitere Bestrafung der Verschworenen verhindern wollte, auf Anreizung des Tigidius durch Beehrung mit dem breitgestreisten Senatorenkleide8 von seinem Posten; wenige Tage nachher aber beschuldigte er ihn einer Verschwörung, weil Paternus seine Tochter dem Sohne Julians in der Absicht versprochen [164] haben sollte, diesen auf den Thron zu setzen, und ließ deßhalb den Paternus, Julianus und den Vitruvius Secundus, des Paternus vertrautesten Freund und Geheimschreiber des Kaisers, tödten. Ueberdieß wurde das ganze Haus der Quintilier ausgerottet, weil Sextus, des Condianus Sohn, unter Verbreitung des Gerüchts von seinem Tode die Flucht ergriffen haben sollte, um eine Empörung zu erregen. Auch Vitrasia Faustina und die beiden Consularen Velius Rufus und Egnatius Capito wurden hingerichtet, die Consuln Aemilius Junctus und Atilius Severus verbannt, und gegen viele Andere auf verschiedene Weise grausam verfahren.

5 Von dieser Zeit an ließ sich Commodus nur höchst selten öffentlich sehen und nahm keine Berichte an, wenn sie nicht vorher durch die Hände des Perennis gegangen waren. Dieser Perennis, der den Commodus ganz durchschaute, wußte recht gut den Weg zu eigener Machtvergrößerung zu finden. Er rieth nämlich dem Commodus, für sich selbst dem Genusse zu leben, ihm aber die Besorgung der Geschäfte zu überlassen, ein Rath, welchen Commodus mit Freuden annahm. Auf diese Art brachte nun Commodus sein Leben mit 300 Beischläferinnen, die er sich aus den schönsten Matronen und Buhldirnen ausgewählt, und eben so vielen Lustknaben, die er ebenfalls wegen ihrer reizenden Gestalt aus Volk und Adel ausgesucht hatte, unter ausschweifenden Gastmählern und Bädern im Palaste zu. Während dessen schlachtete er als Opferdiener gekleidet Opferthiere und focht auf dem Kampfplatz mit Fechterstäben, mit den kaiserlichen Hoffechtern aber zuweilen mit blankem Degen. Nunmehr riß Perennis alle Gewalt an sich, tödtete wen er wollte, plünderte sehr Viele, trat Recht und Gerechtigkeit mit Füßen, und eignete sich die ganze Beute zu. Commodus selbst aber ließ seine Schwester Lucilla, nachdem [165] er sie geschändet hatte9, tödten. Auch entehrte er, wie man sagt, seine andern Schwestern, beschlief die Base seines Vaters und nannte eine seiner Beischläferinnen Mutter und Gemahlin, verstieß aber dieselbe, als er sie im Ehebruch betroffen, verbannte sie sodann und ließ sie zuletzt tödten. Seine Beischläferinnen selbst gab er vor seinen Augen den Umarmungen Anderer Preis. Ja, man sagte ihm nach er selbst habe sich zum Werkzeuge fremder Lust gebrauchen lassen und kein Glied an seinem ganzen Leibe, den Mund nicht ausgenommen, sei von den unkeuschen Berührungen beider Geschlechter rein geblieben. Damals wurde auch Claudius, dessen Sohn einst den Commodus mit dem Schwerte angefallen hatte, angeblich von Räubern, getödtet und viele andere Senatoren nebst mehreren reichen Frauen ohne Urtheil und Recht hingerichtet. Mehrere Personen in der Provinz wurden ihrer Reichthümer wegen von Perennis eines Verbrechens beschuldigt und entweder ihres Vermögens oder ihres Lebens beraubt, und wo Andichtung eines Verbrechens unmöglich war, da galt als Schuld, daß man den Commodus nicht hätte zum Erben einsetzen wollen10.

6 Damals kämpften mehrere römische Feldherrn mit Glück in Sarmatien, was Perennis dem Verdienste seines Sohnes zuschrieb. Indeß dieser so allgewaltige Perennis wurde, weil er im britannischen Kriege mit Zurücksetzung der Senatoren römischen Rittern den Befehl über die Truppen gegeben hatte, was Abgeordnete des Heers [166] dem Commodus entdeckten, unvermuthet für einen Feind erklärt und der Wuth der Soldaten Preis gegeben. Seinen einflußreichen Posten erhielt Cleander, einer von des Commodus Kammerdienern. Nach dem Tode des Perennis und seines Sohnes wollte Commodus Vieles, was geschehen war, nicht als sein Werk anerkennen und dasselbe so zu sagen als ungeschehen betrachtet wissen; indessen diese Reue über seine Verbrechen hatte nur 30 Tage gedauert, als er durch Cleander weit weit Gräßlicheres als durch den eben gedachten Perennis vollführen ließ. Im Machtbesitze war Cleander der Nachfolger des Perennis, als prätorischer Präfect aber Niger, der indeß diesen Posten nur 6 Stunden lang bekleidet haben soll. Denn die prätorischen Präfecten wechselten, da Commodus es in jeder Hinsicht ärger als vorher machte, täglich, ja stündlich. So war Marcius Quartus fünf Tage lang prätorischer Präfect. Ihre Nachfolger wurden ganz nach dem Belieben des Cleander beibehalten oder hingerichtet; auf seinen Wink wurden sogar Freigelassene in den Senat und unter die Patricier aufgenommen, und damals trat zuerst der Fall ein, daß 25 Consuln auf ein Jahr kamen. Alle Statthalterschaften wurden verkauft. Alles war dem Cleander um Geld feil. Um Geld rief er die Verbannten zurück, ertheilte ihnen Ehrenstellen, und erklärte gefällte Urtheile für ungültig. Die Thorheit des Commodus verlieh ihm eine solche Gewalt, daß er auf den Byrrus, den Gemahl der Schwester des Commodus, der alle diese Vorgänge unter mißbilligenden Aeußerungen dem Kaiser meldete, den Verdacht, als strebe er nach dem Throne, werfen und ihn tödten lassen konnte, wobei zugleich viele Andere, die dem Byrrus das Wort redeten, ihr Leben verloren. Unter diesen befand sich auch der Präfect Aebutianus, dessen Nachfolger Cleander selbst nebst zwei Andern, die er sich selbst dazu ausersehen hatte, wurde. Damals gab [167] es zuerst drei prätorische Präfecten, unter denen ein Freigelassener sich befand, welcher der Schwertträger genannt wurde.

7 Endlich aber fand Cleander ein seiner würdiges Ende. Wie er nämlich durch seine Kunstgriffe den Arrius Antoninus, dem Attalus zu Gefallen, welcher von Arrius wegen seines Proconsulats in Asien verurtheilt worden war, unter angeschuldigten Verbrechen hatte töten lassen, so gab ihn Commodus, der bei der dadurch aufgereizten Wuth des Volkes für seine Sicherheit besorgt war, der Rache des Pöbels Preis. Zugleich mit ihm fanden auch Apolaustus und andere Freigelassene des Hofs ihren Tod. Unter Anderem hatte Cleander auch einen buhlerischen Umgang mit mehreren Beischläferinnen des Commodus gehabt und Kinder von ihnen bekommen, welche nach seinem Tode mit ihren Müttern getödtet wurden. Cleanders Stelle nahmen nun Julianus und Regillus ein; aber auch sie wurden in der Folge getödtet. Nach ihrem Tode ließ Commodus die beiden Silanus, Servilius und Dulius, mit ihren Familien, sodann den Anicius Lupus und die beiden Petronius, Mamertinus und Sura, und den Antoninus, den Sohn des Mamertinus und seiner Schwester, tödten; auf sie folgten sechs Consularen auf einmal, nämlich Allius Fuscus, Coelius Felix, Lucejus Torquatus, Lartius Euripianus, Valerius Bassianus und Pactulejus Magnus mit ihren Familien; sodann in Asien der Proconsul Sulpicius Crassus und Julius Proculus mit den Ihrigen und der Consular Claudius Lucanus und die Base seines Vaters, Annia Faustina in Achaja, und unzählige Andere. Ueberdieß hatte Commodus noch den Tod von 14 Andern beschlossen, da sein Aufwand für das Reich unerschwinglich war.

8 Mittlerweile ertheilte der Senat dem Commodus, als er den ehemaligen Buhlen seiner Mutter zum Consul ernannte, aus Spott den Beinamen Pius, sowie nach der Ermordung des Perennis [168] den Beinamen des Glücklichen. Während das Blut vieler Bürger in Strömen floß, soll Commodus, dieser Pius, dieser Glückliche, einem zweiten Sulla gleich, eine Verschwörung gegen seine Person erdichtet haben, um recht Viele tödten zu können. Und doch fand keine andere Verschwörung gegen ihn Statt, als die des Alexander, der hernach sich und die Seinigen tödtete, und seiner Schwester Lucilla. Von seinen Schmeichlern wurde Commodus auch Britannicus genannt, da doch die Britannier einen Gegenkaiser wählen wollten. Auch nannte man ihn den römischen Hercules, weil er mehrere wilde Thiere in dem Theater zu Lanuvium getödtet hatte. Es war nämlich seine Gewohnheit, sich in seinem Palaste mit der Erlegung wilder Thiere zu beschäftigen. Seine Narrheit ging so weit, daß er die Stadt Rom die Commodianische Colonie nennen wollte. Auf diesen rasenden Gedanken soll er während der Liebkosungen der Marcia gekommen sein. Er hatte auch im Sinn, in dem Circus mit einem Viergespann zu fahren. Er erschien öffentlich in einer Dalmatica11 und gab in dieser Kleidung das Zeichen zum Wagenrennen. Und damals, als er dem Senat den Antrag that, Rom die Commodianische Colonie zu nennen, stimmte der Senat – wie zu erachten aus Spott – nicht nur demselben bei, sondern nannte auch sich selbst den Commodianischen Senat, den Commodus aber Hercules und einen Gott.

9 Commodus gab auch vor, er wolle eine Reise nach Afrika unternehmen, um Geld zu den Reisekosten zu bekommen; kaum aber hatte er es, so brachte er es mit Schmausereien und im Würfelspiel durch. Den prätorischen Präfecten Motilenus tödtete er durch vergiftete Feigen. Er ließ sich Bildsäulen setzen, die ihn als Hercules [169] vorstellten und wie einem Gotte opfern. Ueberdieß war er Willens, noch Viele umbringen zu lassen, allein das Geheimniß kam durch einen Knaben an den Tag, der das Verzeichniß, worauf die Namen der dem Tod Geweihten standen, aus seinem Schlafgemach warf. Den Dienst der Isis beging er so eifrig, daß er sich den Kopf scheeren12 ließ und den Anubis13 trug. Den Priestern der Bellona14 befahl er aus Neigung zur Grausamkeit sich wirklich den Arm aufzuschneiden, und die der Isis mußten sich mit Pinienzapfen bis auf den Tod die Brust zerstoßen. Wenn er den Anubis trug, so schlug er mit der Schnautze seines Bildes unbarmherzig den Isispriestern auf die Köpfe. Mit seiner Reule erlegte er, in weiblicher Kleidung, eine Löwenhaut um die Schultern, nicht nur Löwen, sondern auch Menschen. Personen, welche schwache oder zum Gehen unfähige Füße hatten, suchte er dadurch eine Aehnlichkeit mit den Giganten zu geben, daß er ihnen von den Knieen an Schlangenfüße aus Tüchern und Linnen ansetzen ließ, und schoß sie sodann mit Pfeilen nieder. Die Geheimnisse des Mithras15, bei welchem man durch fürchterliche Worte oder Handlungen [170] Schrecken zu erregen sucht, befleckte er durch wirklichen Menschenmord.

10 Schon als Knabe war Commodus leckerhaft und unzüchtig. Als Jüngling entehrte er alle Klassen von Menschen, die um ihn waren, und ließ sich hinwiederum von allen entehren. Wer ihn verspottete, den ließ er den wilden Thieren vorwerfen. Dasselbe Schicksal bereitete er Jemanden, der Caligula’s Leben von Suetonius gelesen hatte, weil er an demselben Tage wie Caligula geboren war. Aeußerte sich Jemand, er wünsche zu sterben, so ließ er ihn wider seinen Willen hinabstürzen. Selbst seine Scherze waren von Grausamkeit begleitet. So ließ er einem Menschen, der unter seinen schwarzen Haaren weiße, Würmchen ähnlich, hatte, einen Staaren auf den Kopf setzen, der in der Meinung, Würmchen zu haschen, seinen Kopf völlig wund pickte. Einem Andern, der sehr feist war, ließ er den Bauch in der Mitte aufschneiden, daß die Eingeweide auf einmal herausfielen. Diejenigen, die er entweder eines Auges hatte berauben oder denen er die Füße hatte zerschmettern lassen, nannte er Schielende und Einfüßler. Ueberhaupt ließ er viele Leute ohne allen Unterschied tödten, einige, weil sie in fremder Tracht ihm begegnet, andere, weil sie von edler Geburt und schöner Gestalt waren. Besonders lieb waren ihm Leute, welche von den Schaamgliedern beider Geschlechter hergenommene Namen hatten, und er küßte sie mit Innigkeit.16 Auch hatte er einen Menschen bei sich, der ein ungewöhnlich großes Schaamglied hatte. Diesen nannte er seinen Onos (Esel), liebte ihn außerordentlich und machte ihn zu einem reichen Manne und zum Oberpriester des ländlichen Hercules.

11 Oft soll Commodus unter die kostbarsten Speisen Menschenkoth [171] gemischt und selbst davon gekostet haben, wodurch er seine Gäste recht anzuführen glaubte. Zwei ausgemergelte17 Bucklige ließ er mit Senf ganz übergossen auf einer silbernen Platte sich vorsetzen und erhob sie dann sogleich zu Ehrenstellen und bereicherte sie. Seinen prätorischen Präfecten Julianus stieß er einst in der Toga, in Gegenwart seines ganzen Dienstpersonals, in einen Fischteich hinab und zwang ihn auch mit beschmiertem Gesichte, entkleidet und Cymbeln schlagend, vor seinen Beischläferinnen zu tanzen. Auf seiner Tafel mußten gewöhnlich alle Arten von Hülsenfrüchten, welche die wollüstigen Triebe reizen18, erscheinen. Commodus badete sich täglich sieben bis acht Mal und speiste auch im Bade. Die Tempel der Götter befleckte er mit Unzucht und Menschenblut. Zuweilen machte er auch den Arzt und ließ den Leuten bis zum Sterben zur Ader. Ihm zu Ehren nannten seine Schmeichler nach einem von ihm erhaltenen Winke den Monat Augustus Commodus, den September Hercules, den October Invictus, den November Exsuperatorius und den December Amazonius, nach seinem Namen Amazonius. So nannte man aber den Commodus wegen seiner zärtlichen Leidenschaft für seine Beischläferin Marcia, in deren als Amazone sie vorstellendes Gemälde er verliebt war und um deren willen er selbst als Amazone gekleidet auf dem Kampfplatze auftreten wollte. Commodus kämpfte auch mit unter den Gladiatoren und freute sich über die ihm beigelegten Namen berühmter Gladiatoren nicht minder als wenn er die Triumphinsignien erhalten hätte. Er begab sich sehr häufig in die Fechtschule, und so oft dieß der Fall war mußte es in die Staatsakten [172] eingetragen werden. Im Ganzen soll er 735 Mal mitgefochten haben. Den Cäsartitel erhielt Commodus den vierten Tag vor den Idus des Octobers19, welche er in der Folge die Idus des Hercules nannte, unter dem Consulate des Pudens und Pollio20, den Namen Germanicus aber an den Idus des Hercules, unter dem Consulate des Maximus und Orphitus.21

12 In alle Priestercollegien wurde Commodus als Priester aufgenommen, am 13. vor den Kalenden des Monats Invictus22 unter dem Consulate des Piso und Julianus.23 Nach Germanien reiste er am 14. vor den Kalenden des Aelius24, wie er den Monat in der Folge nannte, unter denselben Consuln, ab. Die männliche Toga legte er an, als er zugleich mit seinem Vater den Imperatorstitel erhielt, am 5. vor den Kalenden des Exsuperatorius25, unter dem Consulate des Pollio und Aper26, und am 10. vor den Kalenden [173] des Amazonius27 hielt er seinen Triumph unter den nämlichen Consuln. Seine zweite Reise trat er den 3. vor den Nonen des Commodus28 unter dem Consulate des Orphitus und Rufus29 an. Den Commodianischen Kaiserpalast bezog er unter Begleitung von Senat und Heer als regierender Kaiser den 11. vor den Kalenden des Romanus30, unter dem zweiten Consulate des Präsens.31 Als er einen dritten Zug vorhatte, hielten ihn sein Senat und sein Volk zurück, und öffentliche Gelübde für ihn fanden an den Nonen des Pius32 unter dem zweiten Consulate des Tuscianus33 Statt. Unter anderem findet man aufgezeichnet, Commodus habe während der Regierung seines Vaters 365 Mal gekämpft und seine gladiatorischen Siege, wobei er die Netzfechter theils besiegte, theils tödtete, haben sich auf 1000 belaufen. Wilde Thiere verschiedener Gattung, darunter selbst Elephanten, tödtete er viele Tausend mit eigener Hand. Und dieß alles geschah häufig vor den Augen des ganzen römischen Volks.

13 Eine so große Stärke übrigens Commodus in dieser Hinsicht bewies, so schwach und kraftlos war er in anderen Stücken. Auch hatte er einen so großen Bruch, daß ihn das Volk selbst unter seiner seidenen Kleidung bemerken konnte. Es wurden viele Verse auf ihn [174] gemacht, auf welche sich auch Marius Maximus in seinem Geschichtswerke viel zu gute thut. In Erlegung der wilden Thiere bewies Commodus eine solche Stärke, daß er einen Elephanten mit einem Speere durchstieß, mit der Lanze das Geweih einer wilden Ziege durchbohrte und viele Tausende der größten wilden Thiere, jedes auf einen Stoß, erlegte. Schicklichkeitsgefühl besaß er so wenig, daß er in Weiberkleidung im Theater oder Amphitheater sitzend, sehr häufig vor Aller Augen trank.

14 Ungeachtet er ein solches Leben führte, so wurden doch unter seiner Regierung von seinen Legaten die Dacier34 und Mauren besiegt, die Ruhe in Pannonien wiederhergestellt, sowie Britannien, Germanien und Dacien, deren Bewohner sich seiner Herrschaft entziehen wollten, insgesammt durch seine Feldherrn im Gehorsam erhalten. Commodus war bei Unterschreibung der Ausfertigungen sehr saumselig und nachlässig; viel unterschrieb er mit denselben Ausdrücken und in den meisten Briefen war nur das einzige Wort Lebewohl von seiner eigenen Hand. Alles ließ er durch Andere besorgen, welche denn selbst Verurtheilungen zu ihrem Vortheil benützt haben sollen. 14 (1) In Folge dieser Nachläßigkeit, unter deren Begünstigung die Beamten die Preise der Lebensmittel unmäßig erhöhten, entstand, wiewohl es keineswegs an Früchten fehlte, ein ungeheurer Mangel zu Rom. Commodus ließ zwar die Urheber davon später hinrichten und ihr Vermögen einziehen, allein da er selbst das goldene Weltalter unter dem Namen des Commodianischen zurückführen wollte und deßhalb die Preise herabsetzte, so machte er dadurch die Noth nur noch [175] größer. Viele erkauften unter ihm eine fremde Strafe und ihr eigenes Leben mit Geld. Verwandlung einer Strafe in eine andere, Begräbnisse, Verminderung von Strafen, alles war unter ihm feil, und oft wurde einer statt eines Andern hingerichtet. Er verkaufte auch Provinzen und Statthalterschaften, wobei denn Commodus einen Theil bekam und einen andern diejenigen, welche den Handel abgeschlossen hatten. Um Geld gab er auch einigen die Erlaubniß, ihre Feinde zu ermorden. Seine Freigelassenen verkauften sogar die Entscheidung der Processe. Die prätorischen Präfecten Paternus und Perennis ließ er nicht lange auf ihren Posten, und selbst von denjenigen, die er selbst zu dieser Würde erhoben hatte, war keiner über drei Jahre Präfect, sondern die meisten fanden durch Gift oder das Schwert ihren Tod. Ebenso leicht wechselte er mit den Stadtpräfecten.

15 So sehr sich Commodus von seinen Kammerdienern leiten ließ, so leicht ließ er sie tödten. Da dieß dem Electus, einem derselben, auffiel, so kam dieser ihm zuvor und nahm Theil an der Verschwörung wider sein Leben. Als Zuschauer untersuchte Commodus die Waffen der Fechter, die blosen Schultern nur mit einem Stücke Purpur bedeckt. Außerdem war es seine Gewohnheit, alle seine unanständigen, unzüchtigen und grausamen Handlungen, sowie was er in der Rolle als Fechter und Kuppler gethan, in die Staatsakten eintragen zu lassen, wie man dieses aus den Schriften des Marius Maximus ersehen kann. Das römische Volk, vor dem er so oft als Fechter gekämpft hatte, nannte er das Commodianische. Und doch wollte er dieses Volk, weil er den häufigen Beifall, den es ihm bei seinen Gefechten als einem Gotte zujauchzte, für Spott nahm, durch die Seesoldaten, welche die Tücher über das Amphitheater ausspannen mußten, tödten und die Stadt als seine Colonie in Brand stecken lassen. Und wirklich wäre dieß geschehen, wenn ihn nicht der [176] prätorische Präfect Lätus davon abgeschreckt hätte. Unter seinen übrigen Triumphtiteln ließ er sich auch 620 Mal den Namen Paulus35, der erste der Secutoren, beilegen.

16 Die theils den Senat, theils den Commodus selbst betreffenden Vorzeichen waren unter seiner Regierung folgende. Ein Schweifstern erschien. Auf dem Forum sah man Fußtapfen der Götter, welche dasselbe verließen. Vor dem Kriege der Ausreißer36 [177] stand der Himmel in Flammen. Dunkelheit und Finsterniß entstanden plötzlich im Circus am 1. Januar, und vor Tagesanbruch ließen sich feuer- und unglückverkündigende Vögel sehen. Commodus selbst zog aus dem Palatium in den Vectilianischen Palast auf dem Cölischen Berg, weil er, wie er sagte, im Palatium nicht mehr schlafen konnte. Der Tempel des Janus mit den Doppelgesichte öffnete sich von selbst, und die Marmorstatue des Anubis schien sich zu bewegen. Die eherne Bildsäule des Hercules auf der Minucischen Straße schwitzte mehrere Tage hindurch. Auch ließ sich ein Uhu über seinem Schlafzimmer sowohl zu Rom als zu Lanuvium sehen. Commodus verursachte aber sich selbst ein nicht zu verachtendes Vorzeichen. Er streckte nämlich seine Hand in die Wunde eines getödteten Fechters und wischte sie sich an seinem Kopfe ab. Auch befahl er, dem gewöhnlichen Brauche zuwider, den Zuschauern nicht in der Toga, sondern in der Pänula, die bei Trauerfeierlichkeiten getragen wurde, bei den Fechterspielen zu erscheinen, und führte selbst in schwarzer Kleidung dabei den Vorsitz. Sein Helm wurde zwei Mal durch die Todtenpforte [des Amphitheaters] hinausgetragen. Dem Volke gab Commodus eine Geldspende, und zwar 725 Denare37 auf den Mann, während er fast gegen alle andern Personen höchst karg war, da der Aufwand zu seinen Schwelgereien den Staatsschatz erschöpft hatte. Die Circusspiele vervielfältigte er mehr aus [178] Laune als aus religiösen Beweggründen und zu Bereicherung der Bandenanführer.

17 Durch alle diese Vorfälle und Umstände bestimmt, faßten, wiewohl spät genug, der prätorische Präfect Quintus Aemilius Lätus und des Commodus Beischläferin Marcia den Entschluß ihn zu tödten. Sie gaben ihm zuerst Gift, da aber dieses nicht genug wirkte, so ließen sie ihn durch einen Ringer, mit dem er sich zu üben pflegte, erdrosseln. Commodus hatte eine proportionirte Gestalt, aber einfältige Gesichtszüge, wie sie die Trinker gewöhnlich haben, und eine unangenehme Sprache. Seine Haare trug er immer gefärbt und mit Goldstaub eingepudert. Aus Furcht vor dem Barbier sengte er sich Haare und Bart ab. Der Senat und das Volk verlangten, daß sein Leichnam am Haken geschleppt und in den Tiber geworfen werden sollte, er wurde jedoch in der Folge auf einen Befehl des Pertinax in das Grabmal Hadrians gebracht. Denkmale sind von ihm, außer den von Kleander unter seinem Namen erbauten Bädern, keine vorhanden; er vollendete nicht einmal die von seinem Vater angefangenen Gebäude. Wo sein Name auf fremden Bauwerken stand, ließ ihn der Senat vertilgen. Commodus war Schöpfer der africanischen Flotte, welche, wenn etwa die Zufuhr aus Alexandria zu lange ausbliebe, Rom mit Getraide versorgen sollte. Er beging auch die Lächerlichkeit, daß er der Stadt Karthago den Namen Alexandrina Commodiana togata gab, und die africanische Flotte Commodiana Herculea nannte. Den Koloß versah er mit einigen neuen Zierrathen, welche aber in der Folge sämmtlich wieder weggeschafft wurden. Auch ließ er von demselben den Kopf wegnehmen, weil er der des Nero sei, den seinigen an dessen Stelle setzen und nach seiner Gewohnheit seine Titel darunter setzen, ohne daß der des Fechters und des Buhlers38 [179] weggeblieben wäre. Dennoch aber ließ der Kaiser Severus, ein strenger Mann, der seinen Namen mit vollem Rechte führte, ihn, um, wie es scheint, den Senat zu kränken39, unter die Götter versetzen und verordnete ihm auch einen Eigenpriester, wie dieß schon Commodus selbst bei seinen Lebzeiten zu thun gesonnen war, unter dem Namen Herculeus Commodianus. Auch gebot Severus die Feier seines Geburtstages. Commodus hat drei Schwestern hinterlassen.

18 Die Acclamationen des Senats nach dem Tode des Commodus waren voll heftiger Schmähungen auf ihn. Um indessen das Urtheil dieses Körpers über Commodus nicht unbekannt zu lassen, so will ich die eigenen Worte desselben und den Inhalt des Senatsbeschlusses aus Marius Maximus hier einschalten. „Den Feind des Vaterlandes beraube man aller Ehrenbezeugungen! Den Vatermörder beraube man aller Ehrenbezeugungen! Man schleife den Vatermörder! Der Feind des Vaterlandes, der Vatermörder, der Fechter werde im Spoliarium40 zerfleischt, er, der Feind der Götter, der Mörder des Senats, der Feind des Senats! Fort mit dem Fechter in das Spoliarium! Ihn, der den Senat hinmorden lassen, werfe man in das Spoliarium! Diesen Mörder des Senats schleife man am Hafen, ihn, der Unschuldige hat gemordet, schleife man am [180] Haken! ihn, den Feind, den Vatermorder, ja wahrhaftig! Ihn, der sein eigenes Blut nicht verschont hat, schleife man am Haken! Ihn, der auch dich wollte tödten lassen, schleife man am Haken! Du hast mit uns gefürchtet, bist mit uns in Gefahr gewesen. Damit wir glücklich seien, großer, bester Juppiter, erhalte uns den Pertinax! Heil der Treue der Prätorianer! Heil den prätorischen Cohorten! Heil den römischen Heeren! Heil dem patriotischen Senate! Man schleife den Vatermörder! Ja, man schleife ihn, wir bitten dich darum, Augustus! Erhöre uns, Cäsar! Die Angeber zu den Löwen, erhöre uns, Cäsar! Die Angeber zu den Löwen, erhöre uns, Cäsar! Den Speratus zu den Löwen! Heil dem Siege des römischen Volks! Heil der Treue der Soldaten! Heil der Treue der Prätorianer! Heil den prätorischen Cohorten! Hinweg mit allen Bildsäulen dieses Feindes! Hinweg mit allen Bildsäulen dieses Vatermörders! Hinweg mit allen Bildsäulen des Fechters! Nieder mit den Bildsäulen des Fechters und Vatermörders! Der Mörder der Bürger werde geschleift! Der verruchte Mörder der Bürger werde geschleift! Nieder mit den Bildsäulen des Fechters! Dein Leben ist unser Leben und unsere Sicherheit, ja wahrlich, allweg und in allen Stücken! Jetzt sind wir sicher. Die Furcht über die Angeber! Daß wir sicher seien! Furcht über die Angeber. Daß wir gerettet seien, hinweg die Angeber aus dem Senate! Den Angebern Prügel, während du lebst! Die Angeber zu den Löwen, während du regierst! Den Angebern Prügel!“

19 „Man vertilge das Andenken dieses vatermörderischen Fechters! Nieder mit den Bildsäulen dieses vatermörderischen Fechters! Man vertilge das Andenken dieses unzüchtigen Fechters! Fort mit dem Fechter in das Spoliarium! Erhöre uns, Cäsar! Man schleife den Henker am Haken! Der Henker des Senats werde [181] nach altrömischer Weise am Haken geschleift! Er, der grausamer war als Domitianus, unzüchtiger als Nero, leide so wie er gethan hat! Man erhalte das Andenken der Unschuldigen! Gib, wir bitten, den Unschuldigen ihre Ehrenstellen zurück! Man schleife den Leichnam des Vatermörders am Haken! Man schleife den Leichnam des Fechters am Haken! Man werfe den Leichnam des Fechters ins Spoliarium! Frage uns alle, frage uns nach der Reihe! Wir alle wollen, daß er am Haken geschleift werde! Wer Alle getödtet hat, werde am Haken geschleift! Wer jedes Alter getödtet hat, werde am Haken geschleift! Wer beide Geschlechter getödtet hat, werde am Haken geschleift! Wer seines eigenen Blutes nicht geschont hat, werde am Haken geschleift! Wer die Tempel beraubt hat, werde am Haken geschleift! Wer Testamente vernichtet hat, werde am Haken geschleift! Der die Lebenden beraubt hat, werde am Haken geschleift! Wir sind Sclaven von Sclaven gewesen. Wer das Recht zu leben verkauft hat, werde am Haken geschleift! Wer das Recht zu leben verkauft und sein Wort nicht gehalten hat, werde am Haken geschleift! Wer den Senat verkauft hat, werde am Haken geschleift! Wer den Kindern ihr Erbe geraubt hat, werde am Haken geschleift! Fort mit den Spionen aus dem Senate! Fort mit den Angebern aus dem Senate! Fort mit den Anstiftern der Sclaven aus dem Senate! Du hast dich, wie wir, fürchten müssen. Du weißt alles, du kennst die Rechtschaffenen wie die Schurken. Du weißt alles, mache alles gut. Wir sind wegen deiner in Angst gewesen. Heil uns unter deiner, eines solchen Mannes, Regierung! Halte einen Vortrag wegen dieses Vatermörders! Frage der Reihe nach! Schenke uns, wir bitten dich, deine Gegenwart! Die Unschuldigen sind unbegraben. Der Leichnam des Vatermörders werde [182] geschleift! Der Vatermörder hat die Unschuldigen ihren Gräbern entrissen! Der Leichnam des Vatermorders werde geschleift!“

20 Indeß der Leichnam des Commodus wurde auf Befehl des Pertinax von Livius Laurensis, seinem Vermögensverwalter, dem designirten Consul Fabius Chilo übergeben und während der Nacht bestattet. Der Senat rief aus: „Auf wessen Bevollmächtigung hat man ihn beerdigt? Der Vatermörder werde aus seinem Grabe herausgerissen, werde geschleift!“ Cingius Severus sprach hierauf: „Er ist nicht mit Recht bestattet worden. Weil ich als Pontifex dieses sage, so sagt dieß das ganze Pontifencollegium. Da ich nun Angenehmes angeführt habe, so will ich jetzt zum Nothwendigen übergehen. Ich bin nämlich der Meinung, daß man die Bildsäulen dieses Menschen, der nur zum Verderben seiner Mitbürger und zu seiner eigenen Schande gelebt hat, weil er ihre Aufrichtung ihm zu Ehren erzwungen, überall, wo man sie findet, niederreiße, seinen Namen von allen öffentlichen und Privatdenkmälern vertilge und den Monaten wiederum die Namen gebe, die sie zu der Zeit hatten, als jenes Ungeheuer zuerst den Staat anfiel“.

Anmerkungen

1 J. Chr. 161.

2 Eine Seestadt in Etrurien, heut zu Tage Civita Vecchia.

3 So lese ich mit Pagi (Critic. in Annal. Baron. T. 1. p. 162) und Spanheim (de usu et praest. numm. T. II, p. 340) statt Severus.

4 Ich lese mit Salmasius: cooptatus inter trossulos princeps juventutis.

5 Bei den Römern war das Jahr bestimmt, worin jede Ehrenstelle konnte angetreten werden, z. B. die Quästur nicht unter dem 27., die Aedilität nicht unter dem 37., die Prätur nicht unter dem 40. und das Consulat nicht unter dem 43. Jahre. Indessen nicht zu allen Zeiten waren die Jahre so bestimmt. In den Kaiserzeiten konnte man viel früher zu allen Ehrenstellen gelangen, denn die Kaiser erließen den Leuten Jahre.

6 J. Ch. 176.

7 So hieß der vornehmste Platz im Schauspielhause, gerade vorn, welcher für die Senatoren bestimmt war.

8 Das Unterkleid, tunica, mit dem latus clavus, dem breiten Purpurstreifen vorn, war die unterscheidende Kleidung der Senatoren; wenn daher ein prätorischer Präfect von seinem Kaiser ein solches erhielt, so war dieß ein Zeichen, daß er jetzt Senatorenwürde habe, d. h. seines prätorischen Amtes enthoben sei, da nur ein römischer Ritter, kein Senator, prätorischer Präfect sein konnte.

9 Die Lesart ist hier ungewiß. Ich habe die Lesart compressisset in der Uebersetzung ausgedrückt. Neimarus liest zu Dio 72,4, cum eam Capreas misisset, nachdem er sie nach Capreä geschickt hatte, und Irmisch zu Herodian 1,8, cum eam comprendisset, nachdem er sie hatte ergreifen und in den Kerker werfen lassen.

10 Ich lese noluissent.

11 Eine Kleidung mit kurzen Aermeln. Oeffentlich in ihr zu erscheinen, galt für unanständig.

12 Wodurch er gleichsam für einen Priester dieser Göttin angesehen sein wollte; denn diese waren geschoren.

13 Eine ägyptische Gottheit mit einem Hundskopfe.

14 Diese Priester opferten ihrer Göttin ihr eigenes Blut, besonders am 24. März, daher dies sanguinis genannt, indem sie sich mit erkünsteltem Wahnsinn im Tempel der Bellona die Schultern und Arme mit Messern aufrissen (was aber freilich, wie aus unserer Stelle hervorgeht, nur Schein war) und dabei weissagten.

15 Eine persische Gottheit, nach griechischen und römischen Schriftstellern die Sonne, nach den Zendbüchern aber ein Gefährte und Mitwirker der Sonne auf ihrem Laufe.

16 Ich lese mit Casaubonus und Salmasius: osculis.

17 Ich lese mit Salmasius retorridos.

18 Nach der Emendation des Salmasius: genere leguminum cunctorum propter luxuriae continuationem raro vacavit.

19 D. i. den 12. October.

20 J. Ch. 166.

21 J. Ch. 172.

22 D. i. den 18. September.

23 J. Ch. 175.

24 Nach der im vorhergehenden Kap. enthaltenen Nachricht könnte man glauben, nur die Namen von 5 Monaten seien verändert worden, allein sie wurden von allen 12 verändert. Dio gibt folgende, mit der hier mitgetheilten Nachricht nicht ganz übereinstimmende Benennungen der Monate an: Januar – Amazonius, Februar – Invictus, März – Felix, April – Pius, Mai – Lucius, Juni – Aelius, Juli – Aurelius, August – Commodus, September – Augustus, October – Herculeus, November – Romanus, December – Exsuperatorius. Der 14. vor den Kalenden des Aelius ist der 19. Mai.

25 D. i. den 28. October.

26 J. Chr. 176.

27 D. i. den 23. November.

28 D. i. den 3. August.

29 J. Chr. 178.

30 Dieß wäre nach Dio der 22. October; allein da Lampridius nicht angibt, welcher Monat Romanus hieß, so kann nach ihm auch die Zeit nicht bestimmt werden.

31 J. Chr. 180.

32 Nach Dio den 5. April.

33 J. Chr. 188.

34 Unter dieser Benennung sind hier nicht die Einwohner der römischen Provinz Dacien zu verstehen, sondern freie Dacier, die sich außer derselben auf dem nördlichen Zug des Gebirges gehalten hatten.

35 Ist die Lesart richtig, so scheint dieß der von Commodus angenommene Name eines berühmten Secutors gewesen zu sein. Dagegen wird von Einigen Protapalos Secutorum, der erste Kämpfer unter den Secutoren, zu lesen vorgeschlagen. Secutor war ein Fechter, der mit dem Netzfechter (retiarius) focht, mit Helm, Schild und Schwert bewaffnet, daher benannt weil der Netzfechter, wenn es ihm nicht gelang seinem Gegner das Netz über den Kopf zu werfen, davon lief und ihn dann der Secutor verfolgte.

36 Kurz erwähnt ist dieser Krieg auch unten im Leben des Pescennius Niger, Kap. 3. Es verhielt sich mit demselben nach Herodian 1,10 folgendermaßen. Ein gemeiner Soldat, Namens Maternus, verließ mit mehreren Kameraden sein Lager, zog Gesindel aller Art an sich und plünderte zuerst Dörfer und Flecken. Durch große Beute bereichert, versammelte er durch Versprechungen großer Belohnungen immer Mehrere um sich, öffnete die Gefängnisse und schuf sich eine ansehnliche Macht, mit der er Galliens und Hispaniens Städte plünderte. Endlich weckten drohende Briefe des Commodus die Statthalter aus ihrer trägen Gleichgültigkeit auf, und diese zogen Truppen zusammen. Auf dieß zerstreuten sich des Maternus Anhänger und gingen einzeln, in Verkleidung, über die Alpen nach Italien, um in Rom selbst ein großes Unternehmen auszuführen, nämlich den Kaiser selbst während der tollen Ausgelassenheit am Feste der Cybele zu ermorden und den Maternus zum Kaiser auszurufen. Bereits war dieser und ein großer Theil seiner Anhänger in der Hauptstadt eingetroffen, als einige neidische Kameraden seine Unternehmung verriethen, worauf Maternus mit seinen Anhängern hingerichtet wurde.

37 Ein Silberdenar – denn solche sind hier anzunehmen – betrug nach unserem Gelde ungefähr fünf gute Groschen und vier Pfennige.

38 Nämlich Paulus, der erste der Secutoren, und Amazonius.

39 Wohl weniger aus diesem Grunde, als, wie unten im Leben Severs Kap. 19 und in Aurelius Victor Kaisergesch. Kap. 20 bemerkt ist, aus Achtung und Dankbarkeit gegen Marcus Aurelius.

40 Eine Abtheilung des Amphitheaters, wo die Fechter an- und ausgezogen und die durch starke Verletzungen unbrauchbar gewordenen getödtet wurden.