Die drei Gordiani

Ornament

Übersetzung

1 [483] Ich bin Anfangs Willens gewesen, verehrungswürdiger Kaiser, nach dem Vorgange vieler Schriftsteller das Leben eines jeden Kaisers in einer besondern Schrift deiner Majestät vorzulegen, was, wie ich theils durch eigene Ansicht, theils durch meine Lectüre weiß, Manche vor mir gethan haben: allein es hat mir unpassend geschienen, deiner Majestät durch eine große Anzahl von Büchern beschwerlich zu fallen oder meine Arbeit durch eine größere Bändezahl zu erschweren. Daher habe ich in diesem einzigen Buche das Leben der drei Gordiane zusammengefaßt, wodurch ich sowohl mir größere Mühe erspart, als auch für die Erleichterung deiner Lectüre gesorgt habe, daß du nicht mehrere Bände, die im Grunde fast nur Eine Geschichte enthalten, durchlesen mußt. Doch damit ich nicht selbst, der ich mich gegen die zu große Ausdehnung besonderer Werke und gegen einen Schwall von Worten verwahrt habe, diesen Fehler, gegen den ich mich mit aller Höflichkeit erklärt haben will, zu begehen scheine, so will ich sogleich zur Sache selbst schreiten.

2 [484] Es gab nicht, wie manche unwissende Geschichtschreiber berichten, zwei, sondern drei Gordiane1, was dieselben schon aus den Schriften der beiden griechischen Geschichtschreiber Arrianus und Dexippus, welche alles zwar nur kurz, aber doch glaubwürdig dargestellt haben, hätten ersehen können. Der ältere oder der erste dieser Gordiane war ein Sohn des Metius Marullus und der Ulpia Gordiana und stammte väterlicher Seits von den Gracchen, mütterlicher Seits aber von dem Kaiser Trajanus ab. Sein Vater, Großvater und Urgroßvater, wie seiner Gemahlin Vater, beide Großväter und beide Aeltergroßvater waren Consuln gewesen. Gordian selbst hatte das Consulat bekleidet und war einer der reichsten und mächtigsten römischen Großen. In der Hauptstadt gehörte ihm der pompejanische Palast2, in den Provinzen aber besaß er mehr Ländereien als irgend ein Privatmann. Nach seinem Consulate, das er mit Alexander bekleidet3, wurde er nach einem Senatsbeschluß als Proconsul nach Africa geschickt.

3 Doch bevor ich auf seine Regierung übergehe, will ich kürzlich seine Sitten und sein Leben schildern. Unser Gordian verfaßte noch als Jüngling mehrere, insgesammt noch vorhandene Gedichte und behandelte die nämlichen Gegenstände wie Cicero4, den Marius, Aratus, die Alkyonen, den Uxorius und Nilus, und zwar in der Absicht, um Cicero’s Gedichte als zu alterthümlich erscheinen zu [485] lassen. Und wie Virgil eine Aeneis, Statius5 eine Achilleis und viele Andere eine Ilias geschrieben hatten, so verfaßte er eine Antoninias, d. h. er beschrieb das Leben, die Kriege und die Privat- und Regentenhandlungen der beiden Antonine, des Pius und des Marcus, in sehr fließenden Versen in 30 Büchern. Und dieß schrieb er noch in seiner frühern Jugend. Bei reiferen Jahren trug er im Athenäum Streitreden vor, selbst vor den damaligen Kaisern. Die Quästur verwaltete er mit der größten Pracht. Als Aedil gab er aus seinen eigenen Mitteln dem römischen Volke zwölf Spiele, nämlich jeden Monat eines, wobei zuweilen 500 Paare, nie aber weniger als 150 Paare Fechter auftraten und an Einem Tage hundert Löwen, an einem andern 1000 Bären erschienen. Noch sieht man an dem mit Schiffsschnäbeln gezierten Palaste des Cnejus Pompejus, der ihm selbst, seinem Vater und seinem Großvater gehört hatte, den aber unter Philippus der kaiserliche Fiscus sich zugeeignet hat, das Gemälde einer merkwürdigen Jagd6, auf welchem man noch jetzt [486] 200 Schaufelhirsche mit Britanniern untermischt, 30 wilde Pferde, 100 wilde Schafe, 10 Elenthiere, 100 kyprische Stiere, 300 mit Zinnober gefärbte mauritanische Strauße, 30 Waldesel7, 150 wilde Schweine, 200 Steinböcke und 200 Damhirsche erblickt. Alles dieses gab er an dem Tage seines sechsten Schauspieles dem Volke Preis.

4 In seiner Prätur erwarb sich Gordianus großen Ruhm. Nach der Verwaltung der Rechtspflege wurde er das erste Mal8 mit Antoninus Caracalla, das zweite Mal mit Alexander Consul. Er hatte zwei Kinder, einen Sohn, der Consul gewesen war, zugleich mit ihm zum Kaiser ausgerufen wurde und im africanischen Kriege unweit Karthago fiel, und eine Tochter, Namens Metia Faustina, welche sich mit dem Consularen Junius Balbus vermählte. Als Consul zeichnete er sich vor allen Consuln seiner Zeit aus und machte selbst die Eifersucht des Antoninus rege, der mehr als es sich für einen Kaiser ziemt, bald seine Prätexta, bald seine breite Verbrämung, bald seine Circusspiele bewunderte. Es war der erste römische Privatmann, der ein palmeneingewirktes Unterkleid und eine gestickte Toga eigenthümlich besaß, da vorher sogar die Kaiser eine solche vom Capitolium oder aus dem Palaste bekamen. Mit Erlaubniß der Kaiser9 vertheilte er 100 sicilische und eben so viele kappadokische [487] Pferde unter die Parteien des Circus. Durch solche Beweise von Freigebigkeit machte er sich bei dem Volke, auf welches dergleichen immer ein Eindruck macht, sehr beliebt. Cordus berichtet, Gordianus habe in allen Städten Campaniens, Etruriens, Umbriens, Flaminiens und Picenums10 vier Tage lang theatralische Spiele und Juvenalien11 gegeben. Gordianus verfaßte auch eine Lobschrift auf alle Antonine vor ihm. Ueberhaupt war er ein so großer Verehrer derselben, daß er, wie viele Schriftsteller versichern, sich selbst den Namen Antoninus, nach mehreren andern aber den Namen Antonius beilegte. So viel ist sicher, daß, als er nach römischer Sitte seinen Sohn bei dem Schatzmeister angab, er ihn unter dem Namen Gordianus und mit dem Beinamen Antoninus in die öffentlichen Geburtslisten eintragen ließ.

5 Nach Bekleitung seines Consulats wurde Gordianus Proconsul von Africa, besonders durch die Verwendung aller derer, welche Alexanders Regierung auch in diesem Lande durch die Würde des Proconsuls in Wort und That verherrlicht wissen wollten. Man hat noch ein Schreiben von Alexander selbst, worin er dem Senate wegen Gordians Ernennung zum Proconsul von Africa seinen Dank ausdrückt und das also lautet: „Das Angenehmste, das Erfreulichste, versammelte Väter, was ihr mir erweisen konntet, war, daß ihr den Antoninus Gordianus als Proconsul nach Africa geschickt habt, diesen so edeln, großherzigen, beredten, gerechten, mäßigen und [488] rechtschaffenen Mann etc.“ Man sieht daraus, in welcher hohen Achtung Gordianus damals stand. Aber auch noch nie war ein Proconsul so beliebt bei den Africanern gewesen wie Gordianus. Einige nannten ihn einen Scipio, Andere einen Cato, Viele auch einen Mucius, Rutilius oder Lälius. Junius hat uns eine Acclamation der Africaner aufbehalten. Wie nämlich Gordian eines Tages eine kaiserliche Verordnung, in deren Anfang die ehemaligen Proconsuln die Scipionen erwähnt waren, vorlas, erschallte der Zuruf: Heil unserem Proconsul Gordianus, dem neuen Scipio, dem wahren Scipio! Solche und ähnliche Zurufe konnte er öfters hören.

6 Gordian hatte die gewöhnliche Statur eines Römers, ein schönes graues Haar und imponirende Gesichtszüge; seine Haut war mehr roth als weiß, sein Gesicht ziemlich voll, und Augen, Mund und Stirne achtungeinflößend. Dabei war er ziemlich wohlbeleibt. Sein ganzes Betragen war so gemäßigt, daß man ihm keinen Zug von Begehrlichkeit, Unbescheidenheit oder Unmäßigkeit nachweisen kann. Die Glieder seiner Familie liebte er außerordentlich, seinen Sohn und Onkel ungewöhnlich, und seine Tochter und Enkelin aufrichtig. Vor seinem Schwiegervater Annius Severus hegte er eine solche Achtung, daß er sich als einen in dessen Familie aufgenommenen Sohn betrachtete, niemals in seiner Gesellschaft badete und nie in dessen Gegenwart vor seiner Prätur sich niedersetzte. Während er das Consulat bekleidete, blieb er theils in dessen Wohnung über Nacht theils besuchte er ihn Morgens oder Abends, wenn er im pompejanischen Palaste die Nacht zugebracht hatte. Wein genoß er wenig, noch weniger aber aß er. In seiner Kleidung war er zierlich. Das Bad liebte er so sehr, daß er sich desselben Sommers täglich 4 bis 5 Mal, Winters aber 2 Mal bediente. Zum Schlafe war er sehr geneigt, so daß er, wenn er bei seinen Freunden speiste, sogar auf [489] den Speisepolstern einschlief, ohne sich dessen zu schämen, da es bei ihm, wie man wußte, nicht Folge von Trunkenheit oder Unmäßigkeit, sondern natürliches Bedürfniß war.

7 Allein alle diese trefflichen Eigenschaften nützten ihm nichts. Denn dieser, seines Charakters wegen so ehrwürdige Mann, der beständig den Plato, Aristoteles, Tullius, Virgil und die andern großen Geister der Vorwelt zu seinen Vertrauten hatte, nahm ein ganz anderes Lebensende als er verdient hätte. Während er nämlich unter der Regierung Maximins, dieses so wilden und grausamen Mannes, als Proconsul Africa verwaltete, wobei er seinen Sohn vom Senate zum Legaten erhalten hatte, verfuhr ein gewisser Procurator gegen eine große Anzahl Africaner noch grausamer als Maximin selbst erlaubt haben würde. Er ächtete sehr Viele, tödtete Manche und griff weit über die Befugnisse eines Procurators hinaus und drohte, wie ihn der Proconsul und dessen Legate in die gehörigen Schranken zurückwiesen, diesen edeln Männern, die schon Consuln gewesen waren, selbst. Wie nun zuletzt die Africaner seine tyrannischen Mißhandlungen nicht länger ertragen konnten, so erschlugen sie zuerst, in Verbindung mit einem großen Theile der Soldaten, den Procurator. Hierauf aber, zu einer Zeit wo bereits das ganze Reich den glühendsten Haß gegen Maximinus hegte, begannen sie mit sich zu Rathe zu gehen, wie die zwischen den Anhängern Maximin’s und den Landleuten und übrigen Africanern ausgebrochene Feindschaft beseitigt werden könnte. Da trat ein Decurio, Namens Mauricius, ein Mann von sehr edlem Geschlecht12 und in Africa sehr einflußreich, bei der Stadt Tysdrus auf und hielt auf seinem Landgute an [490] den versammelten Volkshaufen, wie in einer Volksgemeinde, folgende Rede.

8 „Lasset uns, meine Mitbürger, den unsterblichen Göttern danken, daß sie uns eine, und zwar von der Nothwendigkeit selbst gebotene, Gelegenheit gegeben haben, gegen den Wütherich Maximinus Sicherungsanstalten zu treffen. Denn uns, die wir seinen ihm an Charakter und Betragen so ähnlichen Procurator erschlagen haben, bleibt kein anderer Weg zur Rettung übrig als die Erwählung eines Kaisers. Da nun unser edler Proconsul mit seinem consularischen Sohne, dem Legaten, denen beiden jenes Ungeheuer mit dem Tod gedroht hat, sich in der Nähe befindet, so lasset uns, wenn es euch recht ist, den Purpur von den Fahnen13 nehmen, sie zu Kaisern ausrufen und sie unter Uebertragung der kaiserlichen Insignien nach römischem Rechte zu solchen erklären.“ Auf diese Worte rief die ganze Menge: es ist recht, es ist billig. Gordianus Augustus, die Götter mögen dich erhalten! Heil dir! sei unser Kaiser, herrsche mit deinem Sohne! Nach diesem Vorgange eilte man in die Stadt Tysdrus. Hier fanden sie den ehrwürdigen Greisen, wie er [491] nach Ertheilung von Rechtsbescheiden auf dem Ruhebette lag, und bedeckten ihn, wiewohl er sich zu Boden warf und nur mit Sträuben sich aufrichten ließ, mit dem Purpur. Doch endlich, da ihm nichts Anderes übrig blieb, ließ er, um der Gefahr zu entgehen, die ihm unzweifelhaft von Maximins Wuth drohte, es geschehen, daß man ihn als Kaiser begrüßte.

9 Gordianus war damals schon achtzig Jahre alt und hatte, wie schon gemeldet, mehrere Provinzen verwaltet. Sein ganzes Betragen hatte ihm die Liebe des römischen Volks in einem so hohen Grade erworben, daß er der Regierung völlig würdig schien14. Nachdem nun Gordianus zum Kaiser ausgerufen war, so warfen die jungen Leute, von denen diese ganze Thronveränderung ausgegangen war, die Bildsäulen Maximins um, zerbrachen seine Büsten und tilgten seinen Namen von den öffentlichen Denkmälern weg, den Gordianus aber nannten sie Africanus. Einige Schriftsteller geben als Grund dieser Benennung an, weil er von den Scipionen15 abstamme, nicht weil er in Africa Kaiser geworden sei. Bei mehreren Geschichtschreibern finde ich auch, daß dieser Gordian und sein Sohn zugleich zu Kaisern ausgerufen und Antonine, nach andern aber Antone genannt worden seien. Nach diesem hielten sie mit kaiserlichem Gepränge, die Fascen mit Lorbeerzweigen umwunden, ihren Einzug in Karthago, wo der Sohn als Legate seines Vaters nach dem Beispiele der Scipionen (wie der griechische Geschichtschreiber Dexippus [492] meldet) mit der Gewalt des Schwertes16 bekleidet wurde. Hierauf ward eine Gesandtschaft nach Rom geschickt mit einem Schreiben von Gordianus, welches Nachricht von den Vorfällen in Africa enthielt. Dieß wurde von Valerianus, dem nachherigen Kaiser, damals aber erstem Senator17, mit Freuden empfangen. Man schrieb aber auch an angesehene Freunde, damit sie als Männer von Einfluß sich für die Sache verwenden und ihre bisherige Freundschaft noch verstärken möchten.

10 Die Nachricht von der Erwählung dieser beiden Gegenkaiser des Maximinus war dem Senate so willkommen, daß er nicht nur das Vorgefallene gut hieß, sondern auch 20 Männer aus seiner Mitte erwählte, unter denen sich Maximus oder Pupienus und Balbinus, welche nach dem in Africa erfolgten Tode der beiden Gordiane zu Kaisern ernannt wurden, befanden. Der Zweck ihrer Erwählung war, daß sie die ihnen vom Senate angewiesenen Provinzen [493] Italiens für die Gordiane gegen die Maximine vertheidigen sollten. Auf dieß kamen Abgeordnete von Maximinus nach Rom, die eine völlige Vergessenheit des Vergangenen versprachen: allein die Gesandtschaft der Gordiane, die alles Gute verhieß und daher Zutrauen gewann, behielt die Oberhand. Den Soldaten wurde ein sehr ansehnliches Geschenk, dem Volke Ländereien und Spenden zugesichert. Das Vertrauen zu den Gordianen überwog so sehr das zu den Maximinen, daß ein gewisser Vitalianus, Befehlshaber der Prätorianer, durch die entschlossene Kühnheit eines Quästors und einiger Soldaten auf Befehl des Senates getödtet wurde, weil er schon vorher grausam sich betragen und man unter diesen Umständen seine zu Maximins Charakter ganz sich schickende Grausamkeit noch mehr zu fürchten hatte. Ueber die nähern Umstände seines Todes trägt man sich mit folgender Erzählung. Man ließ ihm ein erdichtetes, scheinbar mit Maximins Siegel versehenes Schreiben im Namen dieses Kaisers durch einen Quästor und eine Anzahl Soldaten übergeben, welche ihm dabei sagen mußten, sie hätten ihm außerdem noch etwas insgeheim zu eröffnen. Sie giengen also in eine lange Gallerie, wo Vitalianus sie nach dem Inhalte ihrer geheimen Aufträge fragte. Sie entgegneten ihm, er möchte vorher das kaiserliche Siegel betrachten, und während er dieses that, stießen sie ihn nieder. Die Soldaten beredete man, Vitalianus sei auf Maximins Befehl getödtet worden, machte aber, sobald alles in Ordnung war, der Gordiane Schreiben im Lager bekannt und stellte ihre Büsten daselbst auf.

11 Der Senatsbeschluß, der die Gordiane zu Kaisern ernannte, den Maximinus aber für einen Feind des Staats erklärte, ist merkwürdig genug, um auf die Nachwelt gebracht zu werden. An keinem gewöhnlichen, sondern einem außerordentlichen Sitzungstage kam der Consul, nachdem er bereits mit den Prätoren, Aedilen [494] und Volkstribunen in seiner Wohnung sich besprochen, mit diesen in die Curie. Der Stadtpräfekt, der irgend etwas gemerkt und das Staatsschreiben nicht bekommen hatte, fand sich bei der Versammlung nicht ein. Doch dieß war nur um so besser. Denn ehe man noch durch die gewöhnlichen Acclamationen dem Maximin Heil und Glück wünschte, begann der Consul folgender Maßen: „Versammelte Väter, die beiden Gordiane, der Vater und der Sohn, beide Consularen, der eine euer Proconsul, der andere euer Legat, sind in einer zahlreichen Versammlung der Africaner zu Kaisern ausgerufen worden, Dank sei dafür der Jugend von Tysdrus, Dank dem uns allezeit ergebenen Volke von Carthago, die uns von jenem greulichen Ungethüm, von jener Bestie befreit haben. Warum seid ihr so furchtsam bei Anhörung dieser Nachricht? was schaut ihr so besorgt umher? was bedenkt ihr euch? Es ist ja erfüllt was ihr allezeit so sehr gewünscht habt! Maximinus ist unser Feind. Mögen die Götter geben, daß er bald zu sein aufhöre und wir uns des Glückes und der Klugheit des alten, der Tapferkeit und Standhaftigkeit des jungen Gordianus in Wirklichkeit erfreuen dürfen!“ Nach diesen Worten las der Consul das Schreiben der Gordiane an den Senat und an ihn selbst vor. Auf dieß riefen die Senatoren: „Dank euch, ihr Götter! Wir sind von den Feinden befreit, wenn wir ganz von ihm befreit sind. Wir erklären insgesammt den Maximin für einen Feind. Wir weihen den Maximin und seinen Sohn den Göttern der Unterwelt. Die Gordiane ernennen wir zu Augusten. Die Gordiane erkennen wir als Staatsoberhäupter an. Die aus dem Senate gewählten Kaiser mögen die Götter beschützen! Mögen wir die edeln Gordiane als Sieger sehen! Möge Rom unsere Kaiser sehen! Wer die Feinde des Staats tödten wird soll eine Belohnung erhalten.“

12 [495] Dieser Senatsbeschluß war nach Junius Cordus ein geheimer. Was es damit für eine Bewandniß hat und warum er diesen Namen führt, will ich in der Kürze angeben. Im Ganzen verhält es sich mit einem solchen geheimen Senatsbeschluß nicht anders, als wenn eure Majestät die Großen des Reichs im Kabinete versammelt und daselbst Veranstaltungen trifft, die nicht zur allgemeinen Kenntniß gelangen sollen, in deren Betreff auch die Anwesenden eidlich versprechen müssen, daß vor der Ausführung Niemand etwas von dem Beschlossenen erfahren oder merken solle. Dringende Verhältnisse des Staats haben aber bei unsern Vorfahren den Gebrauch eingeführt, daß, wenn gerade von feindlicher Seite Gewalt drohte, welche entweder zur Ergreifung erniedrigender oder solcher Maßregeln nöthigte, die vor ihrer Ausführuug nicht bekannt werden sollten, oder wenn sie etwas vor ihren Freunden geheim halten wollten, ein geheimer Senatsbeschluß zu Stande kam, wobei keine Schreiber, noch Rathsdiener oder Registratoren das Protokoll führen durften, sondern Senatoren selbst dieß thun und die Verrichtungen aller Registratoren und Schreiber übernehmen mußten, damit ja alles geheim bliebe. Einen solchen geheimen Senatsbeschluß faßte man also jetzt, damit Maximin von Nichts Nachricht erhalten könnte.

13 Allein Maximin – wie einmal die Menschen, wenigstens diejenigen geartet sind, welche sich schämen, daß man das, was sie wissen, nicht durch sie erfahren solle, und welche ihre Ehre gefährdet glauben, wenn sie ihnen anvertraute Geheimnisse nicht verrathen können – erfuhr alles, ja bekam sogar – was bis dahin unerhört – eine Abschrift dieses geheimen Senatsbeschlusses in seine Hände. Man hat in Folge dessen noch folgendes Schreiben von ihm an den Stadtpräfekten: „Den geheimen Senatsbeschluß aller gebietenden Herren zu Rom habe ich gelesen. Du hast, obgleich Stadtpräfekt, [496] vielleicht noch keine Kenntniß davon, denn du bist nicht zugegen gewesen. Ich überschicke dir hier eine Abschrift davon, damit dir kund werde, wie du den römischen Staat verwaltest.“ Die Aufwallung, in welche Maximin auf die Nachricht von Africa’s Abfall gerieth, ist unbeschreiblich. Wie aber18 vollends der Senatsbeschluß an ihn gelangte, rannte er gegen die Wand, zerriß seine Kleider, ergriff sein Schwert, als könnte er alles tödten, und brach in eine völlige Raserei aus; der Stadtpräfekt aber, sobald ihm jenes vorwurfsvolle Schreiben zugekommen war, hielt an die Soldaten und an die Truppen eine Anrede und versicherte beide, daß Maximin bereits getödtet sei. Dieß erhöhte noch die Freude, und die Bildsäulen und Büsten des zum Reichsfeind Erklärten wurden alsbald zu Boden geworfen. Der Senat bediente sich bei noch unentschiedenem Kampfe seiner Gewalt, wie es sich gebürte. Er ließ die Angeber, Verleumder und Procuratoren, kurz all jenen Auswurf der maximinianischen Tyrannei hinrichten. Allein das Gericht, das der Senat über sie verhängt hatte, war noch nicht genug19. Das Volk verhängte noch ein weiteres über sie, daß es die Leichname der Hingerichteten durch die Straßen schleifte und in die Kloake warf. Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Stadtpräfekt und gewesene Consul Sabinus mit einem Prügel zu Tode geschlagen und auf der Straße liegen gelassen.

14 Auf die Nachricht von diesen Vorfällen suchte Maximinus den Muth seiner Soldaten durch folgende Rede zu entflammen. „Durch Treueid mir verbundene Kriegsgenossen oder vielmehr Männer, die ihr mit mir zu Einer Fahne geschworen habt und von denen die meisten mit mir als wahre Krieger streiten! Während wir in Germanien die Majestät des römischen Reiches aufrecht erhalten, während [497] wir Illyricum gegen die Barbaren schirmen, haben die Africaner eine punische Treue bewiesen. Sie haben nämlich die beiden Gordiane, deren einen das Alter so kraftlos gemacht hat daß er nicht einmal aufstehen kann, den andern aber die Wollust so entnervt daß ihm seine Schwäche für Greisenalter gelten kann, zu Kaisern gegen uns ausgerufen. Ist schon dieß nicht wenig, so ist das noch mehr, daß jener edle Senat das Unterfangen der Africaner gebilligt hat, und dieselben Menschen, für deren Kinder wir die Waffen tragen, 20 Männer gegen uns aufgestellt und insgesamt gegen uns wie gegen Reichsfeinde Beschlüsse gefaßt haben. Wohlan denn also, handelt wie es sich für Männer geziemt. Laßt uns schleunigst auf Rom loseilen. Denn es sind auch zwanzig Consularen gegen uns erwählt worden. Diesen laßt uns Widerstand leisten: ich, indem ich mit Nachdruck handle, ihr, indem ihr mit Glück kämpft.“ Maximinus konnte aber selbst mehr als einmal bemerken, daß der Muth seiner Soldaten schlaff und durch diese Rede eben nicht sehr angefeuert worden sei. Er schrieb daher auf der Stelle an seinen weit hinter ihm herziehenden Sohn, er solle seinen Marsch beschleunigen, damit nicht die Soldaten während seiner Abwesenheit einen Anschlag wider ihn faßten. Der Inhalt des Schreibens war nach Junius Cordus folgender: „Mein Leibwächter Thyncanius wird sich von den Vorfällen in Africa und Rom, wie sie mir berichtet worden sind, in Kenntniß setzen, er wird dich auch mit der Stimmung unserer Truppen bekannt machen. Ich bitte dich, eile, so sehr du kannst, damit nicht etwa der Soldat seiner Gewohnheit nach noch weiter gehe. Was ich eigentlich besorge, wirst du von dem Ueberbringer dieses erfahren.“

15 Mittlerweile erhob sich in Africa ein gewisser Capellianus, ein alter Krieger, der den Gordian schon vor seinem Regierungsantritt immer gehaßt hatte, von diesem aber nach demselben seiner Statthalterschaft [498] über Mauritanien, die ihm Maximinus gegeben, entsetzt und entlassen worden war, gegen die beiden Gordiane, rückte mit einer auserlesenen Schaar Mauren und mit in der Eile zusammengeraffter Mannschaft gegen Carthago und bewirkte, daß alle Völker in dessen Gebiet vermöge ihrer punischen Treue sich für ihn erklärten. Dennoch wollte Gordianus das Kriegsglück versuchen. Er schickte daher seinen bereits sechsundvierzigjährigen Sohn, der damals, wie ich bereits erzählte, sein Legate gewesen war, und von dessen Charakter wir am gehörigen Orte reden werden, gegen Capellianus und die Anhänger Maximins. Allein der Letztere besaß viel mehr kriegerischen Muth, dem jüngeren Gordianus aber fehlte es an Erfahrung, die er sich unter den Vergnügungen des Adels nicht hatte erwerben können. Wie es nun zum Treffen kam, so wurde Gordianus geschlagen und blieb auf dem Schlachtfelde.

16 Der Erschlagenen auf Seite Gordians soll aber eine so große Anzahl gewesen sein, daß man den Leichnam Gordians trotz alles Suchens nicht auffinden konnte. Ueberdieß hatte sich ein sehr heftiges Gewitter, eine in Africa seltene Erscheinung, erhoben, welches schon vor der Schlacht Gordians Heer dergestalt zerstreute, daß die Soldaten weniger brauchbar für eine Schlacht waren und Capellianus auf diese Art ohne viel Mühe den Sieg gewann. Der ältere Gordianus, wie er dieß erfuhr und einerseits Africa zu schwach zum Widerstande sah, ihn andererseits aber eine heftige Furcht vor Maximin ergriff, auch die punische Treulosigkeit ihn ängstete und Capellianus aufs heftigste ihm zusetzte, endete durch den Strick sein Leben. Dieß war das Ende der beiden Gordiane, welche der Senat zu Augusten ernannt hatte und in der Folge unter die Götter versetzte. Sie waren nur ein und ein halbes Jahr Kaiser gewesen.

Gordianus der Jüngere

17 Dieser zugleich mit seinem Vater von den Africanern und vom Senat zum Augustus ernannte Sohn des ältern Gordianus, des Proconsuls von Africa, zeichnete sich neben seiner edeln Herkunft, die er nach Einigen von den Antoninen, nach den Meisten aber von den Antoniern herleitete, auch durch seine wissenschaftliche Bildung und seinen Charakter aus. Zum Beweise des Adels seines Geschlechts haben Einige geltend gemacht, daß Gordianus der Aeltere den Beinamen des Scipionen geführt und Africanus genannt worden; daß er den Pompejanischen Palast in Rom besessen, daß er immer den Beinamen Antoninus geführt habe und daß er selbst seinen Sohn im Senate Antoninus habe genannt wissen wollen, welche Umstände schon einzeln betrachtet für seine Abstammung von gewissen Familien zu sprechen scheinen. Doch ich stimme dem Junius Cordus bei, der behauptet, daß Zweige aus allen diesen Familien sich in dem Adel Gordians vereinigt haben. Er war der Erstgeborne seines Vaters von der Fabia Orestilla, einer Urenkelin des Antoninus, wodurch er denn auch mit der kaiserlichen Familie verwandt war. Wenige Tage nach seiner Geburt erhielt er den Namen Antoninus und als solcher wurde er denn auch im Senate genannt, doch nannte man ihn in der Folge gemeinhin nur Gordianus.

18 Wegen seines wissenschaftlichen Eifers hegte man große Erwartungen von ihm. Er hatte ein schönes Aeußere, ein ausgezeichnetes [500] Gedächtniß und war äußerst gutmüthig, so daß er, wenn einer seiner Mitschüler in der Schule gezüchtigt wurde, immer Thränen vergoß. Serenus Sammonicus, einer der vertrautesten Freunde seines Vaters und sein eigener ehmaliger Lehrer, schützte und liebte ihn so sehr, daß er ihm die ganze Büchersammlung seines Vaters, aus 62000 Rollen bestehend, vermachte, was dem Gordianus den höchsten Ruhm erwarb. Denn der Besitz einer so schönen zahlreichen Bibliothek verschaffte ihm den Ruf der Gelehrsamkeit. Von Heliogabal erhielt er die Quästur, und zwar aus dem Grunde, weil man diesem schwelgerischen Kaiser des jungen Gordianus Ausschweifungen, die aber nie in Schwelgerei und in unnatürliche Genüsse übergiengen, gerühmt hatte. Zum Stadtprätor ernannte ihn Alexander. Als solcher machte er sich durch seine Gerichtspflege so beliebt, das er alsbald das Consulat erhielt, das sein Vater erst spät bekleidet hatte. Unter der Regierung Maximins oder noch desselben Alexander wurde er auf das Proconsulat seines Vaters als Legat geschickt, welchem Auftrag er Folge leistete, und hier ereigneten sich die schon erzählten Vorfälle.

19 Gordianus war großer Liebhaber des Weins, doch mußte derselbe immer bald mit Rosen, bald mit Mastix, bald mit Wermuth oder sonst etwas, das den Gaumen kitzelt, angemacht sein. Speise nahm er wenig zu sich; innerhalb eines Augenblicks war er mit dem Frühmittagsmahl, wenn er ein solches einnahm, oder mit dem Abendessen fertig. Für das weibliche Geschlecht war er leidenschaftlich eingenommen; er soll zwei und zwanzig erklärte Beischläferinen gehabt haben, von denen ihm eine jede zwei oder drei Kinder hinterließ. Man nannte ihn daher den Priamus20 seiner Zeit, [501] welchen Namen man aber wegen seines großen Zeugungsglieds oft im Scherz in Priapus verkehrte. Sein Leben brachte er in Vergnügungen zu, in Gärten, in Bädern, in angenehmen Lusthainen, ohne dadurch das Mißfallen seines Vaters zu erregen, der oft äußerte, er werde einst im Besitze der höchsten Würde schnell sterben. Uebrigens konnte ihn der Besitz so vieler Glücksgüter nie zu etwas Entehrendem bewegen, sondern er war immer unter den angesehensten Männern und entzog sich nie dem Staate oder seinen Mitbürgern, wo man seines Rathes bedurfte. Der Senat ernannte ihn daher auch mit dem größten Vergnügen zum Augustus und setzte die Hoffnung des Staates auf ihn. In seiner Kleidung war Gordianus geschmackvoll. Seinen Dienern und allen seinen Angehörigen war er lieb und werth. Cordus berichtet, er habe sich niemals verehlichen wollen. Dagegen will Dexippus wissen, sein Sohn sei Gordianus der dritte, der in der Folge noch als Knabe mit Balbinus und Pupienus oder Maximus Kaiser war.

20 Als einst der ältere Gordian einen Zeichendeuter wegen des Horoskops seines Sohnes befragte, soll dieser geantwortet haben: er werde der Sohn eines Kaisers und selbst Kaiser werden, und wie jener darüber lachte, habe der Zeichendeuter die Constellation seines Sohnes gezeigt und Stellen aus alten Schriften auf eine Art angeführt, daß er die Wahrheit seiner Aussage bewies. Ueberdieß sagte derselbe auch dem alten und jungen Gordian in den bestimmtesten Ausdrücken der vollkommensten Gewißheit den Tag und die Art ihres Todes, so wie den Ort wo sie ihn finden würden, voraus. Dieses alles soll späterhin der ältere Gordian selbst, als er bereits Kaiser in Africa war und noch keine Gefahr für sich sah, erzählt, ja auch von seinem und seines Sohnes Tod und von der Art desselben gesprochen [502] haben. Oefters sang auch dieser Greis bei dem Anblicke seines Sohnes folgende Verse21:
Zeigen nur der Erd’ wird ihn das Verhängniß, doch länger
Ihn nicht verleih’n. Es schien, o ihr Götter, der römische Stamm euch
Allzumächtig, wenn dieses Geschenk ihm eigen verbliebe.
Man hat noch von dem jüngern Gordian Arbeiten in Versen und in Prosa, die noch heut zu Tag von seinen Verwandten häufig gelesen werden. Sind sie gerade nicht hoch anzuschlagen, so sind sie doch auch nicht völlig werthlos, sondern sie gehören der Mittelmäßigkeit an. Sie zeigen sich als die Produkte eines Mannes, der zwar Geist besitzt, allein in Wohlleben die Ausbildung seiner Talente vernachläßigt hat.

21 Von Obst und Gartengewächsen war er ein großer Liebhaber; namentlich frisches Obst aß er immer besonders gern; dagegen nahm er nur wenig andere Speisen zu sich. Kaltes genoß er sehr gerne; auch trank er im Sommer nicht leicht andere als kalte Getränke, und zwar sehr viel. Wegen seiner starken Leibesbeschaffenheit mußte er sich mehr an Kaltes halten. Dieß wäre alles Verständige, was wir von dem jüngern Gordian erfahren haben. Denn Nachrichten, wie sie Junius Corbus eben so abgeschmackt als lächerlich von seinen häuslichen Vergnügungen und andern höchst unwesentlichen Dingen vorbringt, wollen wir nicht geben. Wer sie hier vermißt, den verweisen wir an Cordus selbst. Dieser weiß auch, wie viele Sclaven jeder Kaiser gehabt hat, welche Freunde und wie viele Regenmäntel und Ueberröcke, lauter Dinge, deren Kenntniß für Niemanden Werth hat. Denn den Geschichtschreibern liegt die Pflicht ob, daß sie uns in ihren Werken Beispiele entweder zur Nachahmung oder zur Vermeidung anführen. Doch muß ich hier noch eine sonderbare Nachricht [503] aus Vulcatius Terentianus, der eine Geschichte seiner Zeit verfaßt hat, beibringen. Dieser berichtet nämlich, der ältere Gordianus sei dem Augustus so ähnlich gewesen, daß er dessen Stimme, Manieren und Statur gehabt; sein Sohn aber habe sehr dem Pompejus geglichen, wiewohl dieser Römer nicht wohlbeleibt gewesen sein soll; sein Enkel aber, von dem wir noch Bildnisse besitzen, habe des Scipio Asiaticus Gesichtsbildung gehabt. Diese wunderbare Aehnlichkeit glaubte ich hier nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen.

Gordianus der Dritte

22 [504] Nach dem Tode der beiden Gordiane ernannte der bestürzte und nun vor Maximinus noch mehr bangende Senat aus der Zahl der zwanzig Männer, welche er zum Schutze des Staats auserwählt hatte, den Pupienus oder Maximus und den Clodius Balbinus, beide gewesene Consuln, zu Augusten. Auf dieß verlangte das Volk und die Soldaten, daß der noch sehr junge Gordianus (er war nämlich nach den meisten Nachrichten erst eilf, nach andern dreizehn, nach Junius Cordus aber, der ihn in seinem 22. Jahre getödtet werden läßt, sechszehn Jahre alt) zum Cäsar ernannt würde. Man holte ihn daher eilends in den Senat, stellte ihn dem Volke vor, bekleidete ihn mit dem kaiserlichen Mantel und ernannte ihn zum Cäsar. Er war nach den meisten Schriftstellern ein Sohn der Tochter Gordians, wie aber einer oder zwei berichten (denn mehrere habe ich nicht finden können) ein Sohn des in Afrika erschlagenen jüngern Gordianus. Nach seiner Ernennung zum Cäsar wurde er bei seiner Mutter erzogen. Nachdem aber die beiden Maximine getödtet waren und Maximus und Balbinus nach zweijähriger Regierung in einem Soldatenaufstande ihr Leben verloren hatten, so wurde der bisherige Cäsar, der junge Gordianus, von den Truppen, dem Volke, Senate und allen Provinzen unter allgemeinem Frohlocken und den Ausdrücken der höchsten Liebe und Ergebenheit zum Augustus ausgerufen. Diese Liebe hatte er aber dem Verdienste seines Großvaters und [505] Oheims oder Vaters, welche beide für den Senat und das römische Volk gegen den Maximinus die Waffen ergriffen uud wovon der eine den Tod in der Schlacht gefunden, der andere aber nothgedrungen ihn sich selbst gegeben hatte, zu verdanken. Hierauf begaben sich die Veteranen22 nach der Curie, um zu erfahren, was verhandelt worden sei. Zwei von ihnen traten in das Capitol, während Senat daselbst gehalten wurde, wurden aber am Altare selbst23 von dem ehemaligen Consul Gallicanus und dem vormaligen Feldhauptmann Mäcenas niedergestoßen. Dieß hatte einen innerlichen Krieg zur Folge, wobei sogar die Senatoren zu den Waffen griffen, während die Veteranen nicht wußten, daß der junge Gordianus allein Kaiser sei.

23 Nachdem aber auch die Veteranen von der Alleinherrschaft des Gordianus Kenntniß erhalten hatten, so wurde der Friede zwischen dem Volk und den Soldaten und den Veteranen wiederhergestellt, und die Uebertragung des Consulats an den jungen Gordianus machte dem Krieg ein Ende. Indeß eine Sonnenfinsterniß, die so stark war, daß es Nacht zu sein schien und man ohne Licht nichts mehr vornehmen konnte, verhieß dem Gordian keine lange Regierung. Doch nach diesen Vorgängen überließ sich das römische Volk, um sich von den überstandenen Drangsalen zu erholen, den Vergnügungen und Lustbarkeiten. Unter dem Consulate des Venustus und Sabinus24 erregte in Afrika Sabinianus gegen Gordian den Dritten einen Aufstand, wurde aber durch den Statthalter von [506] Mauritanien, den die Empörer belagert gehabt hatten, so bedrängt, daß diese insgesammt nach Carthago kamen, um den Sabinianus auszuliefern und unter Bekennung ihres Verbrechens um Begnadigung zu flehen. Nachdem man dieser Sorge in Afrika los war, brach unter dem zweiten Consulate des Gordianus und dem des Pompejanus25 ein Krieg mit den Persern aus. Ehe aber der kaiserliche Jüngling seine Heerfahrt gegen diese Feinde antrat, vermählte er sich mit der Tochter des Misitheus, eines höchst gelehrten Mannes, den er seiner Beredtsamkeit wegen einer verwandtschaftlichen Verbindung für würdig hielt und sogleich zum prätorischen Präfekten ernannte. Auf dieß schien die Regierung bereits nicht mehr die eines Knaben und verächtlich, da ihn die Rathschläge seines trefflichen Schwiegervaters unterstützten und er selbst für seine Jahre26 eine ziemliche Klugheit entfaltete, und seine Gunst nicht weiter durch Verschnittene und andere Hofbediente theils aus Unwissenheit theils aus Nachsicht seiner Mutter verkauft werden konnte.

24 Es ist noch ein Schreiben des Misitheus an Gordian, so wie des Letztern an den Erstern vorhanden, woraus erhellt, daß durch des Misitheus Bemühungen ein besserer Geist in Gordians Regierung kam. Des Misitheus Brief lautet also: „An seinen Sohn und Gebieter, den Kaiser, Misitheus, der Schwiegervater und Präfekt. Es gewährt mir Freude, daß wir von jenem entehrenden Schandflecken der Regierung, daß durch Verschnittene und durch Leute, welche deine Freunde schienen, in der That aber deine ärgsten Feinde waren, alles verkauft wurde, befreit sind. Aber diese meine Freude ist um so größer, je mehr du selbst an der verbesserten [507] Staatsverwaltung Vergnügen findest, so daß man, mein verehrungswürdiger Sohn, wohl sieht, daß, wenn etwa Mißbräuche vorgefallen sind, man sie nicht dir zur Last legen kann. Denn es war doch unerträglich für Jedermann, daß Kriegsbedienungen unter dem Einflusse der Verschnittenen vergeben, daß dem Verdienste die Belohnung verweigert und daß Personen ganz gegen Verdienst nach Willkür und gegen Geld entweder hingerichtet oder frei gesprochen wurden; daß die Staatskasse von Leuten, die täglich in der hinterlistigsten Absicht zu dir kamen, geplündert wurde und daß man Complotte machte, um dich zu hintergehen; indem die schlechtesten Menschen vorher über würdige Männer Rath pflogen, der dir beigebracht werden sollte, die Guten entfernten, die Schurken empfahlen, und endlich alle deine Reden ausbeuteten. Dank also den Göttern, daß aus deinem eigenen Antriebe Verbesserungen in der Regierung getroffen worden sind. Es ist in der That eine große Wonne, der Schwiegervater eines guten Fürsten zu sein, namentlich eines solchen, der alles mit eigenen Augen sehen, alles wissen will und der diejenigen von sich gestoßen hat, die ihn vorher gleichsam wie in einer Versteigerung zum Kaufe ausgeboten haben.“

25 Gordian antwortete hierauf Folgendes: „Der Kaiser Gordianus Augustus an seinen Vater und Präfekten Misitheus. Wenn nicht die allmächtigen Götter das römische Reich beschirmten, so würde ich noch jetzt durch erkaufte Verschnittene wie in einer öffentlichen Versteigerung feil geboten. Jetzt endlich sehe ich ein, daß weder ein Felix über die prätorischen Cohorten gesetzt, noch ein Serapammon mit dem Oberbefehl über die vierte Legion hätte betraut werden – und um nicht Alles einzeln aufzuführen, daß überhaupt Vieles, was ich gethan habe, nicht hätte geschehen sollen: aber den Göttern sei gedankt, daß ich durch deine Belehrung, der du [508] nichts verkaufst, Dinge gelernt habe, die ich, eingeschlossen wie ich war, unmöglich wissen konnte. Denn was konnte ich machen, daß Maurus uns verkaufte und nach genommener Verabredung mit Gaudianus, Reverendus und Montanus von Manchen lobend oder tadelnd sprach und daß ich auf die einstimmige Aussage dieser, gleich als wären sie Zeugen, auf seine Vorschläge eingieng? Mein Vater, höre von mir ein aufrichtiges Geständniß: der Fürst ist unglücklich, dem man die Wahrheit verschweigt. Denn da er doch nicht selbst unter dem Publikum umhergehen kann, so muß er nothgedrungen Andere anhören und sich nach dem Gehörten oder nach dem von Vielen Bestätigten richten.“ Aus diesem Schreiben erseht man, daß die Rathschläge seines Schwiegervaters den jungen Kaiser auf eine bessere Bahn leiteten. Nach einigen Nachrichten war das Schreiben des Misitheus griechisch, aber doch von dem angeführten Inhalte. Dieses Mannes feste Grundsätze und sittliche Reinheit bewirkten aber so viel, daß Gordianus, der außer dem Adel seiner Herkunft sonst ein sehr unscheinbarer Mensch geblieben wäre, auch durch große Thaten seinen Namen verherrlichte.

26 Unter Gordians Regierung ereignete sich ein so heftiges Erdbeben, daß sogar ganze Städte mit ihren Einwohnern von der Erde verschlungen wurden, weßwegen man zu Rom sowohl als im ganzen Reiche außerordentlich viele Opfer darbrachte. Cordus erzählt, man habe die sibyllinischen Bücher zu Rathe gezogen, und nach Beobachtung aller dort vorgeschriebenen Gebräuche habe dieses über die ganze Erde verbreitete Uebel aufgehört. Nach diesem Erdbeben, unter dem Consulate des Prätextatus und Attikus27, brach Gordian, nachdem er den doppelsichtigen Janus – zum Zeichen der geschehenen [509] Kriegserklärung – geöffnet, gegen die Perser auf mit einem zahlreichen Heere und so starken Geldsummen, daß er theils mit den Hülfstruppen, theils mit den Legionen die Perser besiegen konnte. Er zog durch Mösien und zernichtete, schlug, zerstreute und vertrieb auf der Heerfahrt selbst alles, was sich von Feinden28 in Thrakien befand. Von da ging er durch Syrien nach dem von den Persern bereits besetzten Antiochien. Hier wurden mehrere Schlachten geliefert, in welchen Gordian Sieger blieb und den Perserkönig Sapor sich bis hinter Artaxata29 zurückzuziehen zwang. Sodann gewann er Antiochia, Carrä und Nisibis30 zurück, welche Städte alle bisher in der Gewalt der Perser gewesen waren.

27 Der Perserkönig fürchtete sich vor Gordian so sehr, daß er, wiewohl an der Spitze eines zahlreichen, aus eigenen Truppen und aus Römern31 bestehenden Heeres, dennoch freiwillig seine Besatzungen aus allen Städten zog, und sie unversehrt ihren Einwohnern zurückgab, ohne das Geringste von ihrem Eigenthum anzutasten. Indeß alle diese Erfolge waren das Werk des Misitheus, des Schwiegervaters und Präfekten Gordians. Endlich mußten sich die Perser, von denen man in Italien schon einen Einfall fürchtete, vor dem [510] Waffenglücke Gordians in ihr eigenes Land zurückziehen und den Römern den ganzen Orient überlassen. Man hat noch ein Schreiben Gordians an den Senat, worin er seine Thaten auseinandersetzt und die Verdienste seines Schwiegervaters und Präfekten Misitheus auf’s Dankbarste anerkennt. Um die Wahrheit meiner Erzählung zu bestätigen, folgt hier ein Theil desselben. „Nach diesen Begebenheiten, auf dem Marsche“ – heißt es darin – „und nach manchen Schlachten, deren jede einen Triumph verdiente, haben wir auch, um Vieles mit wenigen Worten zusammenzufassen, den Nacken der Antiochier von dem eisernen Joche, der Herrschaft und den Gesetzen der persischen Könige befreit. Sodann haben wir Carrä und die übrigen Städte dem römischen Reiche zurückgewonnen, sind bis nach Nisibis vorgerückt und werden mit Hülfe der Götter bis Ktesiphon vordringen. Möge nur unser Präfekt und Vater Misitheus uns erhalten bleiben, unter dessen Leitung und durch dessen Anordnungen wir sowohl dieses vollbracht haben als auch noch das Uebrige vollbringen werden. Euch liegt es ob, Dankfeste anzuordnen, uns dem Schutze der Götter zu empfehlen und dem Misitheus zu danken.“ Nach Verlesung dieses Schreibens wurde dem Gordian als Besieger der Perser zu seinem Triumphe eine Quadriga von Elephanten, dem Misitheus aber eine Quadriga von Pferden nebst einem Triumphwagen zuerkannt, mit der Aufschrift: Dem Misitheus, dem ausgezeichneten Mann, dem Vater unserer Kaiser, dem prätorischen Präfekten, dem Beschützer des Reichs, dem Beschützer des Staats32 bezeigen ihre Erkenntlichkeit Rom, Senat und Volk.

28 [511] Doch dieses Glück sollte nicht von längerer Dauer sein. Misitheus starb nämlich, nach den Meisten in Folge der Nachstellungen des Philippus, seines Nachfolgers in der prätorischen Präfektur, nach Andern aber an einer Krankheit, und setzte den römischen Staat zu seinem Erben ein, so daß sein ganzes Eigenthum zu den Einkünften der Stadt geschlagen wurde. Dieser Mann hatte die so wohlthätige Fürsorge für den Staat getroffen, daß es keine einzige Grenzstadt, die von einiger Bedeutung und die Unterhaltung eines römischen Heers und Kaisers zu besorgen im Stande war, gab, welche nicht auf ein ganzes Jahr Vorräthe an Weinessig, Getreide, Speck, Gerste und Stroh aufgespeichert gehabt hätte, während die geringern Städte theils auf 30, andere auf 40 Tage, einige auf 2 Monate, andere zum Mindesten auf 14 Tage mit diesen Bedürfnissen versehen waren. Während er prätorischer Präfekt war, untersuchte er immer die Waffen der Soldaten. Kein bejahrter Mann durfte Kriegsdienste thun, kein Knabe eine Mundportion empfangen. Das Lager umzog er immer mit einem Graben und nicht selten machte er selbst bei Nacht die Runde. Er wurde von Allen geliebt, weil er selbst auch den Staat und den Kaiser liebte. Die Tribunen und die Befehlshaber fürchteten und liebten ihn zu gleicher Zeit so sehr, daß sie weder einen Fehler zu begehen Lust hatten, noch einen solchen in irgend einer Hinsicht begingen. Philippus soll ihn aus mehreren Ursachen sehr gefürchtet und ihm deshalb auch durch die Aerzte den Tod bereitet haben, und zwar auf folgende Weise. Misitheus litt am Durchfall. Die Aerzte riethen ihm, zur Stillung desselben einen Trank zu nehmen; doch das hiezu bereitete Mittel soll mit einem andern vertauscht worden sein, das den Durchfall noch mehr beförderte, und auf diese Weise sei Misitheus gestorben.

29 Nach dem unter dem Consulate des Aprianus und Papus33 [512] erfolgten Tode des Misitheus wurde sein Nachfolger in der prätorischen Präfektur Philippus, ein Araber von Geburt, ein Mensch von niedriger Herkunft, aber voll Uebermuth, der sich nicht mit seiner neuen so hohen Stellung begnügte, sondern dem Gordian, der ihn an seines Vaters Stelle gesetzt hatte, alsbald durch die Soldaten Nachstellungen bereitete, womit es sich folgender Maßen verhält. Misitheus hatte so viele aufgespeicherte Lebensbedürfnisse, als wir oben angegeben haben, so daß es mit dem Mundvorrath für das Heer keine Noth haben konnte. Indessen Philippus wußte es so listig anzugreifen, daß erstlich Proviantschiffe zurückblieben und daß sodann die Truppen in solche Gegenden geführt wurden, wo sie keinen Lebensunterhalt finden konnten. Dadurch erregte er alsbald unter den Soldaten, die nicht bemerkten, daß der junge Kaiser durch Philipps Hinterlist hintergangen sei, eine Erbitterung gegen Gordian. Allein Philippus blieb dabei nicht stehen, sondern er ließ auch unter den Soldaten das Gerede aussprengen, Gordianus sei noch zu jung, er sei unvermögend das Reich zu regieren; es sei besser der Mann regiere, der die Truppen befehlige und der das Regieren verstehe. Außerdem verführte er auch noch die vornehmsten Kriegsbedienten und setzte es durch, daß Philippus öffentlich zum Kaiser verlangt wurde. Gordians Freunde setzten sich anfangs auf das Nachdrücklichste dagegen, allein da die Soldaten dem Hunger erlagen, so wurde dem Philippus das Reich von dem Heer übertragen, mit der Weisung, Philippus solle gleichsam als Vormünder Gordians gemeinschaftlich mit diesem regieren.

30 Nachdem Philippus auf diese Weise zum Reiche gelangt war so behandelte er den Gordianus auf das Wegwerfendste. [513] Diesem dagegen, im Bewußtsein seiner kaiserlichen Würde, seiner Abstammung von Kaisern und des hohen Adels seiner Familie, kam die unanständige Begegnung eines Mannes von niederer Herkunft unerträglich vor. Er beklagte sich daher von dem Tribunal herab vor den Befehlshabern und den Truppen im Beisein des Präfekten Aelius Gordianus, seines Anverwandten, in der Hoffnung, die Absetzung des Philippus dadurch bewirken zu können. Allein er richtete mit allem Klagen über Philipp, daß dieser seiner Wohlthaten uneingedenk, daß er ein Undankbarer sei, nichts aus, und so sehr er auch die Soldaten bat, so sehr er offen um die Gunst der Befehlshaber buhlte, so behielt doch die Partei des Philippus die Oberhand. Nun, wie er sah, daß er unterliege, bat er, es möchte doch wenigstens eine gleiche Machtvertheilung zwischen Beiden Statt finden: es ward ihm verweigert. Nun bat er um die Cäsarwürde: auch diese wurde ihm abgeschlagen. Endlich suchte er sogar nur um die prätorische Präfektur bei Philippus nach: auch dieß vergebens. Seine letzten Bitten waren, Philippus möchte ihm eine Befehlshaberstelle geben und ihn am Leben lassen. Darauf wäre Philippus, der selbst Stillschweigen beobachtete und nur seine Freunde nach seinen Mienen und Absichten handeln ließ, nahezu eingegangen. Wie er aber erwog, wie sehr das römische Volk und der Senat, wie sehr ganz Africa und Syrien, kurz das ganze Reich den Gordian liebe, als den Sprößling einer erlauchten Familie, als den Sohn und Enkel von Kaisern und als den Erretter des Reichs aus schweren Kriegen, und noch dazu die Möglichkeit bebachte, daß Gordian dereinst durch einen Soldatenaufstand wieder auf den Thron gehoben werden könnte, da nur Hunger die gegenwärtige heftige Erbitterung gegen ihn hervorgebracht hatte, so befahl er, ihn hinwegzubringen, zu entkleiden und zu tödten. Anfänglich [514] schob man zwar die Ausführung dieses Befehls auf, später aber vollzog man ihn.

31 So wurde denn Philippus, nicht auf rechtmäßige Weise, sondern durch eine Frevelthat, Herr des Reichs, nachdem Gordianus dasselbe sechs Jahre beherrscht hatte. Während dieser Vorfälle verheerte der Skythenkönig Arguntis34, bewogen dazu hauptsächlich durch die Kunde von dem Tode des Misitheus, dessen Klugheit den Staat regiert hatte, die Nachbarreiche. Philippus aber, um nicht durch eine Greuelthat zum Reiche gelangt zu scheinen, schickte ein Schreiben nach Rom, worin er meldete, Gordianus sei an einer Krankheit gestorben und die Wahl des Heers sei einstimmig auf ihn gefallen. Es war natürlich, daß der Senat über Vorgänge, die ihm völlig unbekannt waren, getäuscht wurde. Er erkannte daher den Philippus als Kaiser an, ernannte ihn zum Augustus und versetzte den jungen Gordian unter die Götter. Er war ein heiterer, schöner, liebenswürdiger Jüngling gewesen, bei Jedermann beliebt, im Umgange angenehm und durch wissenschaftliche Kenntnisse ausgezeichnet, kurz, er hatte alle Eigenschaften zu einem großen Regenten, das reifere Alter abgerechnet. Vor des Philippus Umtrieben hatte er die Liebe des Volks, des Senats und des Heeres in einem höheren Grade besessen als irgend ein anderer Kaiser, so daß ihn nach einer Nachricht bei Cordus alle Soldaten und der ganze Senat Sohn, das [515] Volk aber seine Lust und Wonne nannte. Selbst Philippus, obgleich er sein Mörder war, ließ doch weder seine Büsten wegschaffen, noch seine Bildsäulen umwerfen, noch seinen Namen auskratzen, sondern nannte ihn immer den Göttlichen und ehrte ihn sogar vor den Soldaten, mit denen er das Komplott gemacht hatte, mit allem Ernst und mit der List eines Ausländers.

32 Der Palast der Gordiane, den dieser Gordian auf das Prachtvollste hatte ausschmücken lassen, steht noch jetzt. Eine Villa von ihnen befindet sich an der pränestinischen Straße. Sie hat eine nach einem großen Viereck angelegte Gallerie mit 200 Säulen, wovon 50 von carystischem, 50 von claudianischem, 50 von numidischem und eben so viele von synnadischem Marmor, alle von gleichem Maße, sind. Es befinden sich daran drei Basiliken, jede von hundert Säulen gestützt. Die übrigen Abtheilungen entsprechen der Pracht des Ganzen, und die Thermen sind von der Art, daß man nirgends in der Welt, die in Rom ausgenommen, damals wenigstens, solche sah. Der Familie Gordians ertheilte der Senat das Vorrecht, daß seine Nachkommen von Vormundschaften, Gesandtschaften und öffentlichen Leistungen, wofern sie es nicht selbst verlangten, befreit sein sollten. Gebäude von Gordian hat man keine zu Rom, außer einigen Nymphäen35 und Bädern. Die letztern ließ er übrigens als Privatperson bauen und sind auch nur zum Privatgebrauche eingerichtet worden. Er hatte den Plan gefaßt, auf dem Marsfelde am Flusse des Hügels einen Säulengang anzulegen. Er sollte 1000 Fuß in die Länge messen und in einem Abstande von 500 Fuß sollte ein zweiter, mit dem ersten gleichlaufend, errichtet werden. Der zwischen [516] beiden eingeschlossene Raum sollte grün bepflanzt werden, mit Lorbeer-, Myrten- und Buchsbäumen, und in der Mitte ein mit Mosaik belegter Fußweg in einer Länge von 1000 Fuß hinlaufen, zu beiden Seiten mit Statuen auf nicht hohen Säulen. Am Ende dieses Spazierganges sollte sich eine Basilika von 500 Fuß darstellen. Ueberdieß hatte er mit Misitheus die Idee gefaßt, rückwärts dieser Basilika Sommerthermen unter seinem Namen anzulegen, an dem Anfange der Säulenhalle aber Winterthermen, damit nicht die Säulenhallen und Pflanzungen zwecklos wären36. Allein dieser ganze Platz ist jetzt mit Gütern, Gärten und Gebäuden von Privatpersonen besetzt.

33 Unter Gordians Regierung sah man zu Rom 32 Elephanten, wovon er selbst 12, Alexander aber 10 dahin hatte bringen lassen; 10 Elennthiere; 10 Tiger; 60 zahme Löwen, 30 zahme Leoparden; 10 Belben oder Hyänen, 1000 Paar vom Fiskus unterhaltene Fechter; 1 Flußpferd und 1 Nashorn; 10 Königslöwen; 10 Giraffen; 20 Waldesel; 40 wilde Pferde, und unzählige andere dergleichen verschiedene Thiere, welche insgesammt Philippus an den Säcularspielen entweder Preis gab oder tödten ließ. Gordian hatte alle diese theils zahmen, theils wilden Feldthiere für seinen Triumph bestimmt; allein die Wünsche des Volks wurden nicht erhört, sondern Philippus bediente sich derselben sämmtlich an den Säcular- und andern auf dem Amphitheater und im Circus gegebenen Spielen als er das tausendste Jahr Roms unter seinem und seines Sohnes Consulate feierte. Was in Betreff des Cajus Cäsar die Geschichte37 erzählt, dasselbe ereignete sich nach Cordus in Betreff Gordians. Es [517] sollen nämlich alle diejenigen, welche das Schwert gegen ihn gezogen hatten (neun an der Zahl, wie man sagt), in der Folge nach der Ermordung der beiden Philippe durch ihre eigenen Hände und ihre eigenen Schwerter, und zwar dieselben womit sie dem Gordian den Todesstoß gegeben hatten, den Tod gefunden haben.

34 Dieß ist die Lebensgeschichte der drei Gordiane, welche alle drei den Augustustitel geführt haben und wovon zwei in Afrika, der dritte aber an der Grenze von Persien eines gewaltsamen Todes gestorben sind. Dem letztern errichtete sein Heer auf der Grenze Persiens bei der Burg Circejus ein Grabmal, auf das, um allgemein verstanden zu werden, in griechischer, lateinischer, persischer, jüdischer und ägyptischer Sprache folgende Inschrift gesetzt wurde: Dem göttlichen Gordianus, dem Ueberwinder der Perser, dem Ueberwinder der Gothen, dem Ueberwinder der Sarmaten, dem Dämpfer der Unruhen im Staate, der über die Germanen, aber nicht über die Philippe [bei Philippi] gesiegt. Die letzten Worte beziehen sich barauf, daß er in einem Gefechte mit den Alanen auf der Ebene von Philippi einigen Nachtheil erlitten hatte, zugleich aber auch darauf, weil auf den beiden Philippen der Verdacht seiner Ermordung lastete. Diese Aufschrift soll Licinius zu der Zeit, wo er zum Reiche gelangte, haben wegschaffen lassen, weil er für einen Abkömmling der beiden Philippe angesehen sein wollte. Dieses alles, großer Constantin, habe ich deswegen so ausführlich beschrieben, auf daß nichts Wissenswerthes deiner Kenntniß verborgen bliebe.

Anmerkungen

1 Ja, nach Einigen sogar vier, irorüber Cuperus, Galland und Bosius Streitschriften gewechselt haben.

2 Erlag in der vierten Region der Stadt und hieß auch wegen der Schiffsschnabel, womit er geziert war, domus rostrata.

3 Nach Chr. 229.

4 Ich lese mit Salmaftus: et cuncta illa, quae Cicero edidit, Marium et Aratum.

5 Ein berühmter römischer Dichter unter Domitian. Es ist von ihm außer fünf Büchern vermischter Gedichte und einem aus zwölf Büchern bestehenden Heldengedichte, Thebais betitelt, noch die hier genannte Achilleis in zwei Büchern, allein unvollendet, vorhanden. Es sollte eine poetische Lebensbeschreibung des Achilles werden.

6 Silva. Auf dem Circus wurden dem römischen Volke zweierlei Arten von Jagden gegeben, von denen die eine Silva, die andere Pancarpon hieß. Bei der ersten wurden große hohe Bäume in beträchtlicher Anzahl ausgewurzelt und in den Circus verpflanzt (man vgl. unten im Leben des Probus Cap. 19) und dieser so in einen Wald verwandelt. Diesen füllten lauter unschädliche, nur von Vegetabilien lebende wilde Thiere, die am Tage der Jagd dem ausgelassenen Ungestüm des Pöbels Preis gegeben wurden. Im Pancarpon aber waren lauter reißende wilde Thiere, die von um Lohn gedungenen Jägern erlegt wurden.

7 Hierunter sind wohl Zebra’s verstanden; denn für bloße wilde Esel ist die Anzahl zu unbeträchtlich.

8 J. Chr. 213.

9 Eine solche war nämlich zur Anschaffung von Rennpferden, so wie zum Aufkauf der Thiere zu einer Lustjagd für das Volk nothwendig.

10 Eine Landschaft in Mittelitalien vom Flusse Aesis (Gesano) bis zum Flusse Aternus (Pescara).

11 Spiele, welche von Nero erfunden und zum ersten Male gefeiert wurden, da er den ersten Bart ablegte. Sie waren ursprünglich theatralisch, erlitten aber mit der Zeit Veränderungen.

12 Anstatt der Worte nobilissima post hac lese ich mit Salmasius nobilissimae prosapiae.

13 Wenn bei dergl. tumultuarischen Kaiserwahlen nicht gerade Purpur oder ein anderer zur kaiserlichen Auszeichnung gehöriger Gegenstand zur Hand war, so nahm man solche Sachen wo man sie fand. Den Purpur z. B. von den Fahnen, wie hier; von den Götterbildern (man vergl. das Leben des Celsus Cap. 19, des Proclus Cap. 10. und des Saturnin Cap. 9), ja Proclus bediente sich sogar in Ermangelung eines Purpurgewandes bloßer Purpurwolle (in seinem Leben Cap. 13). Als Julianus von seinem Heer zu Paris zum Augustus ausgerufen wurde, so mußte ein reichbesetzter Soldatenhalsschmuck, den der Zufall gerade darbot, den Mangel eines Diadems ersetzen nach Ammian 20,4.

14 Ich habe hier einen Satz in der Uebersetzung weggelassen, der, wenn er auch wirklich von Julius Capitolinus ist, hier keineswegs den rechten Platz einnimmt.

15 Wohl durch die Cornelia, eine Tochter des ältern Africanus, welche an den Tiberius Sempronius Gracchus, den Vater der berühmten Volkstribunen, verheiratet war.

16 Dieß soll wohl heißen, er machte ihn zum prätorischen Präfecten. Das Schwert war nämlich die Amtsauszeichnung des Präfecten.

17 Princeps senatus. Zu den Zeiten der Republik führte diesen Namen derjenige, den der Censor bei der Musterung des Senats zuerst auf der Liste verlas, und hiezu wählte er einen vorzüglichen, der Achtung genoß. Der Name war aber blos Beehrung ohne allen politischen Einfluß. Wer aber zur Kaiserzeit, da die Censur als eigenes Amt eingegangen war, princeps senatus hieß, darüber sind die Meinungen getheilt. Beaufort behauptet, aber ohne Beweis und unsere Stelle widerspricht dieser Behauptung, daß von Augustus an diese Ehre dem jedesmaligen Imperator eigen geblieben sei: Andere glauben, es sei nichts als der regierende Consul gewesen. Indeß das Wahrscheinlichste ist, daß, weil der princeps senatus zur Zeit der Republik auch zuerst (bis auf die Wahl der neuen Consuln) votirte, diese Benennung zur Kaiserzeit den ersten Votanten im Senate anzeigte: ja nach Vopiscus im Leben des Tacitus Cap. 4 wird diese Wahrscheinlichkeit zur Gewißheit.

18 Anstatt nam lese ich: jam.

19 Ich interpungire: senatus judicaverat. Illud populi etc.

20 Dieser König war nämlich wegen Menge seiner Kinder berühmt. Er selbst gibt sie bei Homer in der Iliade (B. 24. V. 495) auf 50 an.

21 Virgils Aeneis Ges. 6. V. 471 ff.

22 Maximin hatte nämlich eine Anzahl Veteranen, welche Alters halber schon von Kriegsdiensten frei waren, im Lager bei Rom zurückgelassen.

23 Hierunter ist der daselbst befindliche Altar der Siegesgöttin zu verstehen.

24 N. Chr. 240.

25 J. Chr. 241.

26 Anstatt: pro pietate lese ich mit Salmasius: pro aetate.

27 J. Chr. 242.

28 Diese waren, der Lage Thrakiens nach und der Inschrift auf Gordians Grabmal (Cap. 34) zufolge, Gothen und Sarmaten.

29 Hierunter ist wohl nicht die oben im Leben Antonins des Philosophen (Cap. 9) erwähnte Hauptstadt Armeniens verstanden, sondern ein anderes von Strabo erwähntes Artaxata am Euphrat.

30 Eine große und volkreiche Stadt zwei Tagreisen vom Tigris, von Luculls Zeiten an als Vormauer des römischen Reichs im Osten betrachtet.

31 Entweder Ueberläufer oder solche, welche sich dem Sapor unterworfen und unter ihm Dienste genommen hatten.

32 Anstatt der Worte: et totius orbis tutori reipublicae lese ich: et tutori orbis, tutori reipublicae.

33 J. Chr. 243.

34 Darunter sind ohne Zweifel die Gothen zu verstehen. Die Griechen nannten bekanntlich alle nördlich der Donau und des schwarzen Meers wohnenden Völker Skythen; vornehmlich aber hießen sie so in den spätern Zeiten die Gothen, wie die Bruchstücke des Dexippus und Zosimus und andere beweisen, Arguntis ist wohl der bei Jornandes Kap. 16 vorkommende Gothenanführer Argait.

35 Größere, mit Kunstwerken geschmückte Gartenanlagen mit Quellen, Fontänen, Spielplätzen etc.

36 Anstatt: et suo usui essent vel viridaria vel porticus lese ich mit Salmasius: ne sine usa essent vel viridaria vel porticus.

37 Man vergl. Suetons Leben Cäsars Cap. 89.