Firmus, Saturninus, Proculus und Bonosus

Ornament

Übersetzung

1 [732] Die meisten Geschichtschreiber haben, wie ich wohl weiß, die minder bedeutenden Thronanmaßer entweder ganz übergangen oder nur mit wenigen Worten im Vorbeigehen berührt. So hat Suetonius Tranquillus, dieser so genaue und aufrichtige Geschichtschreiber, ohne weitere Nachrichten von Antonius und Vindex zu geben, sich begnügt, nur an ihnen vorbeizustreifen, und Marius Maximus hat von Avidius, Albinus und Niger, von denen der erstere unter Marcus, die beiden letztern aber unter Severus aufgetreten sind, nicht in besondern Lebensbeschreibungen, sondern im Leben anderer gesprochen. An Suetonius, der so sehr die Kürze liebt, darf dieß nicht befremden; allein was soll ich von Marius Maximus sagen, diesem allergeschwätzigsten Menschen, der sich in seinen Schriften von fabelhaften Erzählungen gar nicht losreißen kann – hat dieser sich mit einer besondern Beschreibung solcher Männer befassen mögen? Dagegen hat Trebellius Pollio in seinen Lebensbeschreibungen guter [733] und schlechter Regenten eine solche Genauigkeit und eine solche Sorgfalt bewiesen, daß er sogar die Geschichte der dreißig Thronanmaßer, die theils etwas vor, theils unter, theils etwas nach der Regierung des Valerianus und Gallienus aufgetreten sind, in einem besondern Werke in der Kürze beschrieben. Daher sehe ich es als meine Pflicht an, da nach den Lebensbeschreibungen des Aurelian, Tacitus und Florian, so wie des Probus, dieses so großen und einzigen Kaisers, Carus, Carinus, und Numerianus abzuhandeln sind, auch einen Saturninus, Bonosus, Proculus und Firmus, die unter Aurelian gelebt haben, nicht mit Stillschweigen zu übergehen.

Firmus

2 Du erinnerst dich, Bassus, welch’ einen lebhaften Streit wir unlängst mit Marcus Fontejus, diesem so großen Liebhaber der Geschichte, in Betreff des Firmus, der unter Aurelian Aegyptens sich bemächtigt hatte, gehabt haben. Fontejus behauptete, er sei kein Kaiser, sondern ein Räuber gewesen. Dawider entgegnete ich, so wie Rufus Celsus, Cejonius Julianus und Fabius Sosianus, er sei nicht nur mit dem Purpur bekleidet gewesen, sondern führe auch auf den von ihm geschlagenen Münzen den Namen Augustus. Ja, Severus Achontius zeigte auch mehrere Münzen von ihm vor und wies aus griechischen und ägyptischen Schriften nach, daß er sich Selbstherrscher in seinen Edikten nannte. Der einzige Grund, auf welchen sich Fontejus in seinen Behauptungen gegen uns stützte, war, im Edikte Aurelians habe nicht gestanden, er habe einen Thronanmaßer getödtet, sondern er habe den Staat von einem Räuber befreit, der Würde eines so großen Kaisers vereinbar gewesen wäre, einen unscheinbaren Menschen einen Thronanmaßer zu [734] nennen, oder wie wenn nicht von jeher große Regenten diejenigen Räuber genannt hätten, welche sie bei ihrem Bestreben, den Purpur sich anzulegen, getödtet hatten. Ich selbst habe in meiner Lebensbeschreibung Aurelians1, bevor mir alle Umstände des Firmus bekannt waren, diesen nicht für einen mit dem Purpur bekleideten Fürsten, sondern für irgend einen Räuber gehalten, was ich deswegen hier bemerke, damit man nicht glaube, ich habe meiner selbst vergessen. Um indessen in diesem Buche, das ich sehr kurz versprochen habe, nicht zu weitläufig zu werden, so gehe ich auf Firmus selbst über.

3 Firmus war aus Seleucia gebürtig, wiewohl mehrere Griechen, denen nicht bekannt war daß es damals drei Firmus gegeben hatte, anders über seinen Geburtsort berichten. Der eine derselben nämlich war Statthalter von Aegypten, der andere Befehlshaber der afrikanischen Grenzwehr und zugleich Proconsul, der dritte aber dieser Firmus, der Freund und Bundesgenosse der Zenobia, der sich, durch die Wuth der Aegypter gereizt, Alexandria’s bemächtigte und welchen Aurelian mit seinem gewohnten Waffenglücke zernichtete. Von den großen Reichthümern dieses Firmus erzählt man sich vieles. So soll sein ganzes Haus mit viereckigen, durch Erdharz und andere Arten von Kitt verbundene Spiegelplatten getäfelt gewesen und sein Einkommen vom Papierhandel so beträchtlich gewesen sein, daß er nicht selten öffentlich äußerte, er könne ein ganzes Heer blos von seinem Papier und seinem Leim unterhalten. Er fand auch in der engsten Verbindung mit den Blemyern und Saracenen und schickte oftmals Handelsschiffe nach Indien. Er soll auch zwei Elephantenzähne von zehn Fuß Länge gehabt haben, aus denen und noch zwei andern Aurelian für den Jupiter einen Sessel hatte machen lassen [735] wollen, worauf die Statue dieses Gottes von Gold, mit Edelsteinen geschmückt und einer Prätexta angethan, im Sonnentempel sitzen sollte, mit beigefügten aponinischen Loosen und dem Namen: Jupiter Consul oder der Rathgeber. Diese Zähne machte in der Folge Carinus einem Frauenzimmer zum Geschenke, das sich, wie man sagt, ein Bettgestelle daraus machen ließ, wovon ich aber, da die Sache für jetzt bekannt und für die Nachwelt ihre Kenntniß von keinem Interesse ist, nichts weiter sagen will. So wurden denn also diese indischen, für den größten, besten Jupiter bestimmten Geschenke durch den verworfensten Fürsten zu einem Werkzeuge und Preis der Wollust gemacht.

4 Firmus war von riesenmäßiger Statur, hatte weit hervorstehende Augen, ein krauses Haar, Narben auf der Stirne und eine braune Gesichtsfarbe, war aber am ganzen übrigen Leibe weiß, indessen voll Haare und rauh, daher man ihn gewöhnlich den Kyklopen nannte. Er aß sehr viel Fleisch und soll täglich einen ganzen Straußen aufgezehrt haben; Wein trank er nur wenig, dagegen sehr viel Wasser. Er hatte einen entschlossenen, festen Charakter und besaß eine so große Muskelstärke, daß er den Tritanus2, dessen Varro gedenkt, noch übertraf. Er ließ sich nämlich einen Ambos auf die Brust setzen und darauf schmieden und hielt fest aus, während er rückwärts lag und gekrümmt sich auf seine Hände3 stützte und also vielmehr [736] schwebte als lag. Mit den Befehlshabern Aurelians, wenn diese zuweilen es mit ihm aufnehmen wollten, ließ er sich in einen Wettstreit im Trinken ein. So forderte ihn einst ein gewisser Burburus von den Vexillariern, ein bekannter Trinker, zum Trinken heraus, worauf Firmus zwei volle Humpen Wein austrank ohne das ganze Gelage über trunken zu werden. Wie ihn Burburus fragte, warum hast du nicht auch die Hefe getrunken? antwortete Firmus: Thor, Erde trinkt man nicht. Doch ich halte mich bei Kleinigkeiten auf, während ich Wichtigeres zu melden habe.

5 Dieser Firmus nun warf sich gegen Aurelian zum Kaiser auf, um die noch übrigen Länder der Zenobia zu behaupten, allein er wurde von diesem bei seiner Rückkehr von Carrä besiegt. Viele behaupten, er habe sich selbst erdrosselt, allein damit stimmt das Edikt Aurelians nicht überein. Dieser Kaiser ließ nämlich, nachdem er ihn besiegt, folgendes Edikt zu Rom öffentlich anschlagen: „Dem ihm so ergebenen römischen Volke entbietet der Kaiser Aurelianus seinen Gruß. Nach Beruhigung des ganzen Erdkreises, so weit er sich erstreckt, haben wir auch den ägyptischen Räuber Firmus, der sich durch die Bewegungen der Barbaren zum Aufstande reizen ließ und die Heerestrümmer jenes schandbaren Weibes sammelte, um es kurz auszudrücken, geschlagen, belagert, gemartert und getödtet. Ihr dürft nun, römische Quiriten, in jeder Hinsicht außer aller Furcht sein. Die Getreidezufuhr aus Aegypten, welche jener freche Räuber gesperrt hatte, wird vollständig eintreffen. Haltet Eintracht mit dem Senate, Freundschaft mit dem Ritterstande und ein gutes Vernehmen mit den Prätorianern. Ich werde alle Ursachen zu Besorgnissen zu Rom zu heben wissen. Ueberlaßt euch indessen den Vergnügungen der Spiele und des Circus. Mich mögen die Staatsgeschäfte [737] fesseln, euch aber Vergnügungen beschäftigen. Daher, erhabene Quiriten u. s. w.“

6 Dieß wäre was du von Firmus zu wissen nöthig hast: es ist das Denkwürdigste aus seinem Leben. Denn wenn du alle die Einzelnheiten, die Aurelianus Festivus, der Freigelassene des Kaisers Aurelian, von ihm aufgezeichnet hat, wissen willst, so verweise ich dich auf diesen selbst. Dieser erzählt, Firmus sei, mit Krokodilfett beschmiert, unter Krokodilen herumgeschwommen, und auf einem Elephanten und einem Nilpferde, wie auch auf sehr großen Straußen geritten und auf den letztern so zu sagen über den Boden weggeflogen. Doch wozu nützt die Kenntniß solcher Dinge? Ein Livius und Sallust übergehen in der Geschichte der von ihnen beschriebenen Personen dergleichen unwesentliche Sachen. Denn wir wissen nicht, welche Maulthiere Clodius oder welche Mauleselinnen Titus Annius Milo gehabt, ob Catilina ein tuskisches oder sardinisches Pferd geritten, oder welche Chlamys Pompejus oder ob er ein Purpurgewand getragen hat. Ich schließe daher das Leben des Firmus und gehe auf Saturninus über, der gegen Probus im Orient sich zum Kaiser aufgeworfen hat.

Saturninus

7 Saturninus war von Geburt ein Gallier, also aus einem höchst unruhigen Volfe, das immer geneigt ist einen Riser aufzu: Hellen oder selbst zu herrschen. Ihm übergab Aurelianus unter den übrigen Heerführern, die er genau kannte4, den Oberbefehl über die orientalische Grenzwehr, verbot ihm aber weislich, Aegypten je zu, [738] Betreten5. Denn der einsichtsvolle Mann nahm dabei, so viel wir sehen, auf den Charakter der Gallier Rüdsicht und befürchtete, Sa: turninus möchte, wenn er jenes unruhevolle Land beträte, auch durch. die Befanntschaft mit den fortigen Menschen dahin sich fortreißen lassen, wohin ihn sein eigenes Temperament trieb. Die Aegypter find nämlich, wie dir wohl bekannt ist, windige, tolle, prahlerische und zu Gewaltthätigkeiten geneigte Menschen, dazu eitel, zügellos, voll Neuerungesucht, die sich selbst in Gafsenliedern ausspricht, Perfes macher, Epigranimatiften, Astrologen, Opferschauer und Aerzte. Denn fie find Christen, Samariter und überhaupt Leute, die immer mit der Gegenwart unter den Aeußerungen der zügellofesten Frechheit unzufrieden sind. Damit aber kein Aegypter böse auf mio werbe und diese Schilderung für mein eigenes Urtheil halte, so will ich hier ein Schreiben Hadrians, welches ich aus den Schriften seines Freigelaffenen Phlegon entlehne, beibringen, das Ben Charakte: der Aegypter vollkommen schildert.

8 „Der Kaiser Hadrian dem Consul Servianus seinen Gruß. Aegypten, das du mir, mein theuerster Servianus, empfohlen hast, habe ich vollkommen kennen gelernt. Seine Einwohner sind leichtsinnig, unbeständig und bei jedem Hauche eines Gerüchts in Bewegung. Die, welche den Serapis verehren, sind Christen, und Verehrer des Serapis sind die, die sich christliche Bischöfe nennen. Da ist kein jüdischer, kein samaritanischer Synagogenvorsteher, kein christlicher Presbyter, der nicht Nativität stellte, die Eingeweide der Thiere beschaute und sich mit Quacksalberei abgäbe6. [739] Selbst der Patriarch7, wenn er nach Aegypten kommt, wird genöthigt von den einen den Serapis, von den andern Christus anzubeten. Die Aegypter sind eine höchst aufrührerische, eitle und gewaltthätige Nation. Die Hauptstadt ist wohlhabend, reich, mit Ueberfluß versehen, und kein Einwohner ist müßig. Die einen blasen Glas, die andern verfertigen Papier: alle aber sind doch wenigstens Leineweber, mögen sie sonst auch scheinen oder treiben was sie wollen. Die Podagristen haben ihre Geschäfte, die Blinden haben ihre Geschäfte und Handthierungen; nicht einmal die mit der Handgicht Behafteten gehen daselbst müßig. Der einzige Gott, den sie haben, ist keit Gott: diesen verehren die Christen, diesen die Juden, diesen verehren alle Völkerschaften Aegyptens. Wären doch nur die Sitten dieser Hauptstadt weniger verderbt, sie wäre wahrhaftig ihres Ansehens würdig, würdig vermöge ihrer Große die Hauptstadt des ganzen Aegypten zu sein. Ich habe ihr alles bewilligt, ihr ihre vormaligen Vorrechte zurück-, ihr neue dazu gegeben, mit dem Erfolge, daß sie mir, so lange ich bei ihnen war, ihren Dank bezeigten. Kaum aber hatte ich mich entfernt, als sie Manches über meinen Sohn Verus sagten, und was sie über den Antinous gesagt haben, wirst du ohnehin schon wissen. Ich wünsche ihnen weiter nichts als daß sie ihre Hühner verzehren mögen, von deren Ausbrütung8 mir zu sprechen ekelt. Ich schicke dir hier bunte, mit allerlei Farben [740] spielende Pokale9, die mir ein Tempelpriester überreicht hat und und welche dir und meiner Schwester insbesondere gewidmet sind. Ich wünsche, daß sie an Festtagen auf deiner Tafel erscheinen: doch sorge, daß unser Afrikanus nicht gar zu oft darnach greift.“

9 Eine solche Ansicht hatte Aurelian von den Aegyptern, als er, und zwar mit einer Art von Ahnung, dem Saturninus verbot Aegypten zu betreten. Die Aegypter sahen nämlich nicht sobald daß ein hoher Würdeträger zu ihnen gekommen sei, als sie sogleich ausriefen: Saturninus Augustus, die Götter mögen dich erhalten! Saturninus floh zwar, was man nicht leugnen kann, als ein kluger Mann gleich darauf aus der Stadt Alexandrien und begab sich nach Palästina zurück. Wie er aber daselbst darüber nachdachte, daß es für ihn im Privatleben keine Sicherheit mehr gebe, so ließ er sich mit dem von einer Statue der Venus geholten Purpur und mit dem Staatskleide seiner Gemahlin10 Angesichts der um ihn versammelten Soldaten bekleiden und empfieng die Verehrung als Kaiser. Ich habe meinen Großvater oft erzählen gehört, er sei dabei gewesen wie dieß geschah. „Saturninus“ – dieß sind die Worte meines Großvaters – „weinte und sprach: Der Staat verliert – wenn man es mir nicht als Anmaßung auslegt – einen verdienten Mann an mir. Ich habe wenigstens Gallien wieder in guten Stand gesetzt; [741] ich habe das von den Mauren eingenommene Afrika zurückgewonnen; ich habe die Ruhe in Hispanien wieder hergestellt. Aber was nützt mir dieses? Durch die einmal angenommene Würde ist dieses Alles für mich verloren.“

10 Da ihn diejenigen, welche ihn mit dem Purpur bekleidet hatten, zur Vertheidigung seines Lebens und zur Behauptung des Reichs anfeuerten, sprach er Folgendes: „Ihr kennt nicht, meine Freunde, das Elend der höchsten Gewalt. Dolch und Schwert schweben beständig über unserem Haupte, von allen Seiten drohen Spieße, von allen Seiten Dolche. Selbst die eigene Wache fürchtet man, selbst den Gesellschaftern mißtraut man. Keine Speise verschafft mehr Genuß; keine Reise wird mehr für das Ansehen unternommen, kein Krieg nach vernünftiger Ueberlegung, keine Waffe mehr ergriffen nach Neigung. Dazu kommt noch, daß ein jedes Alter auf dem Throne Tadel erfährt. Ist einer ein bejahrter Mann, so scheint er untauglich; wo nicht, so gilt er für hitzig. Dadurch, daß ihr mich zum Kaiser wollt, zieht ihr micht in einen unvermeidlichen Untergang hinein; doch die Zuversicht gewährt mir noch Trost im Tode, daß ich nicht allein fallen kann.“ Marcus Salvidienus versichert, Saturninus habe wirklich diese Worte gesprochen, und allerdings besaß er nicht geringe wissenschaftliche Kenntnisse. Denn er hatte nicht blos in Afrika mit der Redekunst sich beschäftigt, sondern auch zu Rom wissenschaftliche Anstalten besucht.

11 Um indessen nicht zu weitläufig zu werden, will ich nur das anführen, was hauptsächlich ihn betrifft. Ich weiß, daß ihn Einige irrig für den unter Gallienus nach dem Reiche strebenden gleichnamigen Thronanmaßer halten, da der Saturninus, von dem wir sprechen, doch ein ganz anderer und ganz und gar gegen den Willen des Probus getödtet worden ist. Probus soll ihm mehrere [742] Male Schreiben in den mildesten Ausdrücken zugeschickt und Begnadigung versprochen, allein seine Soldaten mißtraut haben. Zuletzt sei er von den durch Probus abgeschickten Truppen in einer Festung belagert und wider des Probus Willen erwürgt worden. Es würde zu weit führen, wenn ich das Unbedeutendste von ihm hier beibringen und nur Langeweile verursachen, wenn ich anführen würde, was für eine Statur Saturninus gehabt, welche Leibesbeschaffenheit, welchen Anstand, was er getrunken oder gegessen. Andere mögen Dinge berichten, die als Beispiele fast von keinem Nutzen sind; ich komme auf das zurück, was noch zu erzählen ist.

Proculus

12 Proculus, aus Albingaunum11, einer in den Seealpen12 gelegenen Stadt, gebürtig, war in seiner Heimath ein angesehener Mann, dessen Vorältern Räuberei getrieben hatte, und der an Vieh, Sclaven und andern Gegenständen, die er erbeutet, ansehnliche Reichthümer besaß. So soll er zu der Zeit, als er den Purpur nahm, 2000 eigene Sclaven bewaffnet haben. Seine Frau, welche ihn in dieses unsinnige Unternehmen stürzte, war ein Heldenweib und führte anfänglich den Namen Viturgia, später aber nannte man sie Sampso. Sein Sohn hieß Herennianus, den er, wenn er das fünfte Jahr zurückgelegt haben würde, ebenfalls, wie er sich ausdrückte, für den Thron bestimmt hätte. Proculus war unbestreitbar ein sehr wackerer und tapferer Mann, der, obgleich auch an das Räubergewerbe [743] gewöhnt, dennoch allezeit sein Leben im Waffendienste zubrachte, verschiedene Legionen als Tribun befehligte und manche Heldenthaten vollbrachte. Und weil auch das Unbedeutendste Interesse hat und dem Leser einiges Vergnügen gewährt, so glaube ich eine That von ihm nicht mit Stillschweigen übergehen zu dürfen, deren er sich selbst in einem Schreiben rühmt. Doch will ich, statt eine weitläufige Erzählung davon zu geben, lieber das Schreiben selbst anführen: „Proculus entbietet seinem Vetter Metianus seinen Gruß. Ich habe 100 sarmatische Mädchen in meine Gewalt bekommen. Von diesen habe ich 10 in Einer Nacht beschlafen; sie allesammt aber, so weit es an mir lag, innerhalb 15 Tagen entjungfert.“ Er rühmt sich, wie du siehst, einer unschicklichen und wollüstigen Handlung und glaubt unter die Kraftmänner gezählt zu werden, wenn er die Zahl der Schändungen häufe.

13 Nach den im Kriegsdienste erstiegenen Ehrenstufen huldigte Proculus zwar noch seinen Lastern und Ausschweifungen in der Liebe, benahm sich aber als ein tapferer Mann und wurde deshalb durch die aufmunternde Stimme der Lugdunenser, welche von Aurelian schwer gezüchtigt worden waren und welche den Probus äußerst fürchteten, auf den Thron berufen, beinahe unter Spiel und Scherz, wie Onesimus berichtet, was aber meines Wissens bei keinem andern Schriftsteller gefunden wird. Als nämlich bei einem Gelage Schach gespielt wurde und Proculus zehnmal Kaiser dabei wurde, sagte ein nicht unbekannter Spaßmacher: „sei gegrüßt, Augustus,“ holte ein Stück purpurfarbiges Wollenzeug, legte es ihm um die Schultern und fiel vor ihm nieder. Dieser Vorfall verursachte bei den Anwesenden eine solche Furcht, daß sie dem Proculus Heer und Thron zu gewinnen suchten. Indeß erwarb er sich doch um die Gallier einiges Verdienst. Er brachte nämlich den Alemannen, die damals [744] noch Germanen hießen, indem er nie anders als in Scharmützeln mit ihnen kämpfte, nicht ohne großen Ruhm empfindliche Verluste bei. Allein Probus schlug ihn und verfolgte ihn bis in die entlegensten Länder, wo er die Franken, von denen er abzustammen vorgab, für sich zu gewinnen suchte; diese aber, die lachend die Treue zu brechen gewohnt sind, lieferten ihn an Probus aus, und dieser ließ ihn hinrichten. Seine Nachkommen leben noch jetzt zu Albingaunum und pflegen im Scherz zu sagen, sie mögen weder Kaiser noch Räuber sein. Dieß ist das Denkwürdigste, was ich von Proculus gefunden zu haben mich erinnere. Gehen wir jetzt auf Bonosus über, von dem ich noch viel weniger Wichtiges zu berichten weiß.

Bonosus

14 Bonosus war ein geborener Hispanier, leitete aber seinen Ursprung aus Britannien her, doch war seine Mutter eine Gallierin. Er war, wie er selbst sagte, der Sohn eines Redekünstlers, wie ich aber aus andern Nachrichten weiß, der Sohn eines Schulmeisters. Nachdem er frühzeitig seinen Vater verloren hatte, erhielt er seine Erziehung von seiner Mutter, einer sehr männlichen Frau, erwarb sich aber eine wissenschaftliche Bildung. Zuerst diente er als Legionssoldat, sodann unter der Reiterei, ward Centurio, Tribun und endlich Befehlshaber der rhätischen Grenzwehr. Im Trinken kam ihm Niemand gleich, daher Aurelian von ihm zu sagen pflegte: Bonosus ist auf der Welt nicht um zu leben, sondern um zu trinken. Indeß stand er bei diesem Kaiser wegen seiner Brauchbarkeit im Kriege lange Zeit in Gnaden. Er mußte nämlich, wenn Gesandte von irgend einer barbarischen Nation kamen, diesen vortrinken, um sie zu berauschen, und sodann während dieses Zustandes Alles von ihnen zu [745] erfahren. Er aber blieb, er mochte trinken so viel er wollte, doch immer bei vollem Bewußtsein und nüchtern, ja er wurde, wie Onesimus, der Lebensbeschreiber des Probus, berichtet, beim Trunke sogar noch gescheidter. Zum Verwundern war überdieß der Umstand bei ihm, daß er eben so viel harnte als er getrunken hatte und daß er weder auf der Brust, noch im Magen noch in der Blase Beschwerden empfand.

15 Bonosus warf sich, als einst die Germanen die römischen Kreuzer13 auf dem Rheine verbrannt hatten, aus Furcht vor Bestrafung zum Kaiser auf und behauptete sich länger als er es verdiente. Erst nach einem langen, hartnäckigen Kampfe von Probus besiegt, endigte er durch den Strick sein Leben, war zu der scherzhaften Rede Veranlassung gab, da hänge eine Weintonne und kein Mensch. Er hinterließ zwei Söhne, deren beider Leben Probus schonte; auch hielt dieser Kaiser dessen Frau in Ehren und ließ ihr bis zu ihrem Tode einen Jahrgehalt auszahlen. Denn sie soll (wie mein Großvater mehrmals erzählte) eine musterhafte Frau gewesen sein und einer edlen gothischen Familie angehört haben. Aurelian hatte sie an Bonosus in der Absicht verheirathet, um durch ihn Alles von den Gothen zu erfahren; denn sie war aus königlichem Geblüte. Man hat noch in Betreff der Vermählung des Bonosus und der diesem zu gebenden Hochzeitsgeschenke ein Schreiben Aurelians an den Statthalter von Thrakien, das ich hier beisetzen will. „Der Kaiser Aurelian dem Gallonius Avitus seinen Gruß. In meinem frühern Schreiben habe ich dir befohlen, den gothischen Frauenzimmern von [746] Stande ihre Wohnung in Perinthus anzuweisen und ihnen einen Jahrgehalt auszusetzen, jedoch in der Art, daß sie ihn nicht einzeln in Empfang nehmen, sondern daß sieben beisammenleben. Denn wenn er unter sie vertheilt wird, so erhalten sie zu wenig und der Staat erleidet großen Verlust. Weil ich aber jetzt für gut befunden habe, dem Bonosus die Hunila zu geben, so wirst du ihm nach dem unten folgenden Verzeichnisse alles verabreichen, was ich befehle, und wirst auch die Hochzeit auf öffentliche Kosten feiern lassen.“ Das Verzeichniß der Geschenke war folgendes: „Zwei mit einer Kopfhülle versehene, hyacinthfarbige halbseidene Unterkleider; ein mit Goldstreifen besetztes, einhändiges Unterkleid; zwei Untergewänder mit doppelten Streifen, und was sonst noch zum Putze einer Matrone gehört. Dem Bonosus selbst wirst du 100 goldene Philippe, 1000 silberne Antonine und eine Million kupferne Sestertien geben.“ Dieß ist Alles, was ich von Bonosus gelesen habe und was mir von ihm bekannt ist. Ich hätte zwar das Leben von Männern, die Niemand vermißt, mit Stillschweigen übergehen können, doch habe ich mir die Mittheilung dessen, was von ihnen zu meiner Kunde gelangt ist, der Vollständigkeit wegen angelegen sein lassen. Nun habe ich noch von Carus, Carinus und Numerianus zu sprechen. Denn ein Diocletian und die folgenden Kaiser bedürfen einer erhabeneren und beredteren Darstellung.

Anmerkungen

1 Cap. 32.

2 Dieser Tritanus war ein sehr starker Gladiator und lebte gegen das Ende der Republik. Auch Plinius in seiner Naturgeschichte 7,20 und Solinus Cap. 1. §. 75 gedenken seiner wegen seiner Stärke.

3 Anstatt curvatus in manus will Beckmann in seinen Beitr. zur Gesch. der Erfind. IV. S. 81 lesen: curvatus in arcum, daß sein Körper also einen Bogen gebildet hätte.

4 Anstatt: qui vere summus videretur, lese ich mit Salmasius: quos vere scire videretur.

5 Aegypten wurde nämlich auch zum Orient gerechnet.

6 Daß hier viel Irrthum mit unterläuft, liegt klar am Tage. Daß aber die Juden sich mit solchen losen Künsten abgaben und dabei bettelten, zeigt unter Anderm die Stelle Juvenals 6, 543 ff.

7 Casaubonus und Salmasius verstehen darunter den christlichen Bischof zu Alexandrien, der zwar allerdings, aber erst einige Jahrhunderte später, den Patriarchentitel führte. Mehr Wahrscheinlichkeit hat die Annahme Münters (in seinem jüdischen Kriege) daß darunter der jüdische Patriarch verstanden sei.

8 Sie geschah nämlich durch die Wärme des Mistes.

9 Die Glashütten zu Alexandrien standen im Alterthum in hohem Rufe und bei Strabo im 16ten Buche liest man, daß ihm die Glasmacher in Alexandrien erzählt haben, man fände in Aegypten eine Glaserde, ohne welche die bunten, kostbaren Gläser nicht gemacht werden könnten.

10 Anstatt: deposita purpura ex simulacro Veneris, cyclade uxoria etc. lese ich mit Salmasius: deposita purpura ex simulacro Veneris cum cyclade uxoria etc.

11 Das jetzige Albenga im Genuesischen.

12 Die zunächst am Meere liegenden Alpen. Sie erstrecken sich von Monaco bis an den Berg Viso.

13 Neben den Festungswerken und Verschanzungen jeder Art gehörten zum Schutze der Reichsgrenze noch mehrere an gewissen Hauptpunkten stationirte und auf den Grenzflüssen beständig auf- und abkreuzende Flotten.