Opilius Macrinus

Ornament

Übersetzung

1 [306] Die Geschichte derjenigen Fürsten, welche entweder als Thronanmaßer oder als Cäsaren nur kurze Zeit regiert haben, ist zwar in Dunkelheit gehüllt, da einestheils die Begebenheiten ihres Privatlebens nichts Erwähnenswerthes darbieten, indem sie selbst, wenn sie nicht nach dem Reiche gestrebt hätten, völlig unbekannt geblieben wären, anderntheils von ihrer Regierung, weil sie solche nicht lange besessen haben, nur weniges zu sagen ist: indeß will ich doch das aus verschiedenen Geschichtschreibern mühsam Erkundete, in so weit es wissenswürdig ist, zur allgemeinen Kenntniß bringen. Denn es gibt Niemand in der Welt, der nicht jeden Tag doch wenigstens Etwas, bestehe es in was es wolle, verrichtete; allein wer das Leben Anderer zu beschreiben unternimmt, dessen Pflicht ist es, nur Denkwürdiges aufzuzeichnen. Junius Cordus machte sich zwar die Lebensbeschreibungen der weniger bekannten Kaiser zur Aufgabe seiner schriftstellerischen Thätigkeit, indeß sein Unternehmen war ein mißlungenes. Denn [307] trotz seiner Versicherung, daß er selbst die kleinsten Begebenheiten erzählen werde, fand er doch nur wenige, und zwar sehr uninteressante, Nachrichten. Denn wer sollte wissen wollen, wie oft Trajan, Pius oder Marcus öffentlich erschienen sind, wann sie mit den Speisen abgewechselt, wann sie eine andere Kleidung angelegt, und welche Personen sie zu jeder Zeit zu Ehrenstellen befördert haben? Doch Cordus füllte, in dem Bestreben nichts zu übergehen, indem er dergleichen Kleinigkeiten beschrieb, seine Bücher mit Märchen, während doch unbedeutende Dinge entweder gar nicht oder doch höchst sparsam und nur in dem Falle angeführt werden sollten, wenn sie zur näheren Beleuchtung des Charakters der Personen dienen, der doch in der That nicht unbekannt bleiben darf: allein sie dürfen nur in so weit angeführt werden, als man daraus einen Schluß auf das Ganze machen kann.

2 Nach der Ermordung des Antoninus Bassianus bemächtigte sich der prätorische Präfect Opilius Macrinus, vorher Verwalter der kaiserlichen Privateinkünfte, ein Mann von niedriger Herkunft und ebenso niederträchtig von Gesinnung als häßlich von Gesicht, der Kaiserwürde und nannte sich des Hasses des Publikums und des Heeres ungeachtet bald Severus bald Antoninus1. Da er unverzüglich gegen die Parther aufbrach, so benahm er einestheils dadurch den Soldaten die Gelegenheit, Betrachtungen über ihn anzustellen, anderntheils that er dadurch der weiteren Verbreitung nachtheiliger Gerüchte über seine Person Einhalt. Indeß der Senat bestätigte aus [308] Haß gegen Antoninus mit Freuden seine Thronbesteigung, und die ganze Versammlung rief einstimmig: „Jeden andern Kaiser lieber als den Brudermörder; jeden andern Kaiser lieber als den Blutschänder; jeder andern Kaiser lieber als den Unzüchtigen; jeden andern Kaiser lieber als den Mörder des Senats und des Volkes“. Auffallend möchte es aber Jedermann vorkommen, daß Macrinus, auf dessen Anstiften Antoninus ermordet wurde, wie behauptet wird, doch seinen Sohn, Diadumenus, Antoninus2 genannt wissen wollte. Die von ihm selbst in den Jahrbüchern befindlichen Nachrichten will ich jetzt mittheilen.

3 Die Priesterin der Urania3 zu Carthago, welche, von dieser Göttin begeistert, die Zukunft zu enthüllen pflegt, hieß, als sie einst unter Antoninus Pius, vom Proconsul, wie gewöhnlich, über die Lage des Staats und die Regierung des Kaisers befragt, ihre prophetischen Aussprüche that, wie sie auf die Kaiserfamilie kam, mit lauter Stimme nachzählen, wie oft sie den Namen Antoninus aussprechen würde, und nannte, während alles in gespannter Erwartung war, den Namen Antoninus Augustus acht Mal. Jedermann glaubte, Antoninus Pius werde acht Jahre regieren. Da aber dieser eine größere Zahl von Jahren regierte, so glaubten die Verehrer dieses Orakels damals und in der Folge, daß die Priesterin etwas Anderes gemeint habe. Kurz, zählt man alle diejenigen, welche den Namen Antoninus geführt haben, zusammen, so ergibt sich jene Zahl. Der erste Antoninus war nämlich Pius, der zweite Marcus, der dritte Verus, der vierte Commodus, [309] der fünfte Caracallus, der sechste Geta, der siebente Diadumenus, und der achte Heliogabalus. Denn die beiden Gordiane sind keineswegs den Antoninen beizuzählen, da entweder der letztere Name nur ihr Vorname war, oder sie überhaupt nicht Antonine, sondern Antone heißen. Ebenso haben Severus und mehrere Andere, z. B. Pertinax, Julianus und Macrinus selbst, sich dieses Vornamens bedient, und die eigentlichen Antonine, welche die wahren Nachfolger des Antoninus waren, hatten diesen Vornamen ihrem Familiennamen vorgezogen. Dieß melden Einige. Andere aber wollen wissen, Macrinus habe seinem Sohn Diadumenus den Namen Antoninus aus dem Grunde beigelegt, um dem Heere den Verdacht als sei er der Mörder des Antoninus Bassianus zu benehmen. Noch Andere behaupten, die Sehnsucht nach diesem Namen sei so stark gewesen, daß Heer und Volk nur da die Majestät des Throns gesehen haben, woher der Name Antoninus zu ihren Ohren drang.

4 In Betreff des Macrinus wurden, als die Nachricht von der Thronbesteigung des Varius Heliogabalus ankam und Alexander bereits zum Cäsar vom Senate ernannt war, in dieser Versammlung von vielen Senatoren Ausdrücke gebraucht, welche deutlich beweisen, daß er ein gemeiner, niederträchtiger und unfläthiger Mensch war. So bediente sich Aurelius Victor, mit dem Beinamen Pinius, folgender Worte: „Macrinus, der Freigelassene, das Werfzeug fremder luft, that im Raiserpalafte Sclavendienfte, und seine Treue war Verkäuflich. Unter Commodus führte er ein verächtliches Leben und wurde von Severus sogar von den niedrigsten Dienftverrichtungen entfernt und nach Africa verwiesen, wo er, um die Schande feiner Bestrafung zu verbergen, sich auf die Studien legte, sich mit unbe deutenden Processen, sowie mit Redeübungen beschäftigte, und endlich den Rechtssprecher machte. Durch den Einfluß seines Freigelassenen [310] Festus4 mit dem goldenen Ringe5 beschenkt, wurde er unter Verus Antoninus Anwalt des Fiscus“. Indeß alles dieß ist noch nicht ganz entschieden. Es finden sich bei Andern andere Nachrichten, die wir gleichfalls beibringen wollen. Mehrere nämlich erzählen, er sei als Fechter aufgetreten und habe sich nach erhaltenem Abschiede nach Africa begeben, wo er zuerst Jäger, sodann Notar und hierauf Anwalt des Fiscus geworden sei, welches letztere Amt ihm die Bahn zu den höchsten Ehrenstellen öffnete. Als er in der Folge prätorischer Präfect wurde, verdrängte er seinen Amtsgenossen und tödtete den Antoninus Caracallus, seinen Kaiser, wobei seine Verstellungskunst jeden Schein der Theilnahme ferne von sich zu halten wußte. Denn indem er dessen Reitknecht erkaufte und ihm glänzende Aussichten eröffnete, wußte er es so einzurichten, daß ihn die allgemeine Meinung von den Soldaten, denen er wegen seines Brudermords oder wegen seines blutschänderischen Umgangs mit seiner Mutter mißfallen haben sollte, ermordet werden ließ.

5 Unmittelbar6 nach Caracalla’s Ermordung nahm Macrinus den Purpur, ernannte seinen Sohn Diadumenus zum Reichsgenossen und ließ ihn, wie schon berichtet, alsbald von den Soldaten Antoninus nennen. Hierauf schickte er die Leiche des Antoninus7 [311] nach Rom, um sie in der Gruft seiner Vorfahren beizusetzen. Er befahl dem prätorischen Präfecten, der so eben noch sein Amtsgenosse gewesen war, seinen Auftrag gut zu besorgen und vornehmlich den Antoninus auf das Ehrenvollste mit einem der kaiserlichen Würde angemessenen Leichengepränge beizusetzen, weil er denselben wegen Austheilung von Kleidern und von Spenden beim Volke sehr beliebt wußte. Es bewog ihn aber dazu auch noch die Furcht vor einem Aufstande des Heers, dessen Ausbruch ihm den Besitz des Throns gefährden könnte, den er zwar mit Gewalt an sich gerissen, aber doch dem Scheine nach nur widerstrebend bestiegen hatte, nach der gewöhnlichen Weise der Menschen, welche zur Annahme dessen gezwungen zu sein vorgeben, in dessen Besitz sie sich sogar durch Verbrechen setzen. Er besorgte überdieß von seinen Amtsgenossen8, auch ihn möchte nach dem Purpur gelüsten. Und wirklich war die Hoffnung allgemein, daß, wenn nur Eine Cohorte sich für ihn erklären und jener sich dazu verstehen würde, alle mit der größten Bereitwilligkeit sich an das Unternehmen anschließen würden, da Macrinus wegen seines lasterhaften Lebens und seiner niedrigen Herkunft (alle vorhergehenden Kaiser hatten Familien von Stande angehört) allgemein verhaßt war. Außerdem maßte er sich den Namen Severus an, wiewohl er im Geringsten nicht in einem verwandtschaftlichen Verhältnisse mit diesem Kaiser [312] stand, daher man denn im Scherze sagte: Macrinus ist eben so ein Severus wie Diadumenus ein Antoninus. Um jedoch jeder aufrührerischen Bewegung im Heere zu begegnen, gab er alsbald den Legionssoldaten und Prätorianern ein das übliche übersteigendes Geschenk, da er nämlich das Gehässige von Antonins Ermordung zu vermindern suchte. Und wirklich bewirkte hier, wie gewöhnlich, das Gold, was die Unschuld nicht hätte bewirken können. Denn dieser mit allen Lastern befleckte Mensch wurde geraume Zeit auf dem Throne geduldet. Sofort schickte Macrinus ein Schreiben an den Senat, worin er diesen von dem Tode des Antoninus in Kenntniß setzte, ihn den Göttlichen nannte, sich entschuldigte und feierlich betheuerte, daß er der Ermordung desselben fremd sei. So fügte er nach Art der Bösewichter zu seinem Verbrechen einen Meineid als einen eines solchen ruchlosen Menschen würdigen Regierungsanfang.

6 Um die Unverschämtheit dieses Menschen und jene die Götter verachtende Ruchlosigkeit, womit dieser lasterhafte Kaiser seine Regierung begann, recht kennen zu lernen, wird es nicht uninteressant sein zu wissen, wie er sich in seinem Schreiben an den Senat zu rechtfertigen suchte. Ich will daher einige Hauptstellen aus dem Schreiben der Kaiser Macrinus und Diadumenus hier mittheilen. Sie sind folgende: „Wir hätten gewünscht, versammelte Väter, wir hätten mit unserem wohlbehalten und im Triumphe zurückkehrenden Antoninus eure verehrungswürdige Versammlung wieder sehen können. Denn dann erst wären wir bei der Blüthe des Staates sämmtlich glücklich gewesen und hätten unter einem Fürsten gelebt, den uns die Götter selbst anstatt der Antonine gegeben haben. Weil aber der Aufstand des Heeres dieß vereitelt hat, so benachrichtigen wir euch zuerst von dem, was das Heer in Ansehung unserer beschlossen hat; sodann erkennen wir, (was allem Andern hätte vorgehen sollen) dem Fürsten göttliche Ehre [313] zu, dem wir den Treueid geschworen haben, nachdem das Heer die Ermordung des Bassianus zu rächen Niemanden für geschickter als seinen prätorischen Präfecten gehalten hat, dem er auch jedenfalls die Bestrafung der Verschwörung übertragen haben würde, wenn er sie noch bei seinen Lebzeiten hätte entdecken können“. Weiterhin heißt es: „Man hat mir die Regierung übertragen, deren Besorgung ich mich indessen, versammelte Väter, unterzogen habe und deren Zügel ich fortführen werde, wenn ihr dem Beschlusse des Heeres eure Genehmigung ertheilt, dem ich ein Geschenk gegeben und bei welchem ich alles als Kaiser angeordnet habe“. Sodann heißt es ferner: „Meinen Sohn, den ihr kennt, hat das Heer zugleich mit der kaiserlichen Gewalt mit einem Namen beschenkt. Es hat ihn nämlich Antoninus genannt, um ihn zuerst durch diesen Namen und dann erst durch die Majestät des Thrones zu ehren, was ich euch, versammelte Väter, bei einem so guten und glücklichen Vorzeichen zu bestätigen bitte, damit es euch nicht an dem Namen der Antonine, den ihr so sehr werth haltet, fehle“. Und sodann noch: „Dem Antoninus sind aber göttliche Ehren sowohl von dem Heere, als von uns zuerkannt worden, welche zu bestätigen, versammelte Väter, wir euch bitten, ungeachtet wir dieß vermöge unserer kaiserlichen Machtvollkommenheit befehlen könnten. Wir weihen demselben zwei Statuen zu Pferde, zwei zu Fuße in Kriegergewande, und noch zwei andere sitzende in bürgerlicher Kleidung; desgleichen dem göttlichen Severus, zwei Triumphstatuen. Ihr werdet, versammelte Väter, dieses alles besorgen lassen, um was ich euch auf das Ehrfurchtvollste für meine Vorgänger bitte“.

7 Die Vorlesung dieses Schreibens und die Nachricht von dem Tode Antonins verursachte im Senate wider alles Erwarten eine lebhafte Freude, und da die Versammlung von Opilius Macrinus [314] erwartete, er werde die öffentliche Freiheit sich angelegen sein lassen, so nahm sie ihn, obgleich er ein Mann ohne Ahnen und noch kurz vorher Verwalter der kaiserlichen Privateinkünfte gewesen war, unter die Patricier auf; auch ernannte sie ihn, der vorher ein bloser Schreiber9 bei den jetzt sogenannten kleinern Pontifen gewesen, zum Oberpontifer, und erkannte ihm den Beinamen Pius zu. Indeß herrschte nach Vorlesung dieses Schreibens längere Zeit eine Stille im Senate, da Niemand die Nachricht von dem Tode des Antoninus glauben wollte. Als aber dieselbe als gegründet sich bestätigte, schmähte der Senat auf ihn, als einen Tyrannen, und übertrug unverzüglich dem Macrinus die proconsularische Würde und die tribunicische Gewalt. Macrinus aber, nachdem er selbst den Namen des Glücklichen angenommen hatte, nannte, um den Verdacht der Ermordung des Antoninus Bassianus von sich abzuwälzen, seinen Sohn, statt Diadumenus, Antoninus, ein Name, den sich später auch Varius Heliogabalus, der sich für einen Sohn des Bassianus gehalten wissen wollte, aber der Sohn einer liederlichen Dirne und ein äußerst unfläthiger Mensch war, beilegte. Man hat noch Verse von einem Dichter, in denen dieser zeigt, wie der Name Antoninus bei Pius angefangen hat und nach und nach durch eine Reihe von Antoninen hindurch endlich auf die verworfensten Menschen übergegangen ist. Marcus war der Einzige, der jenem ehrwürdigen Namen durch seinen Wandel größeren Glanz verliehen hat, Verus aber trübte ihn schon, und Commodus befleckte sogar das Ehrwürdige dieses heiligen Namens. Was kann man aber gar von Caracallus Antoninus oder diesem Diadumenus, oder was endlich gar [315] noch von Heliogabalus sagen, der, der letzte der Antonine, nach allen Nachrichten in der größten Unfläthigkeit lebte?

8 Nachdem nun Macrinus zum Kaiser ausgerufen worden war, unternahm er einen Heerzug gegen die Parther und eröffnete denselben unter großen Zurüstungen, um seine niedrige Herkunft und die Schmach seines früheren Lebens durch den Glanz von Siegen vergessen zu machen. Allein er wurde nach einer den Parthern gelieferten Schlacht, als die Legionen von ihm abgefallen und zu Varius Heliogabalus übergegangen waren, getödtet, nachdem er etwas länger als ein Jahr10 geherrscht hatte. Wiewohl Macrinus in diesem von Antoninus begonnenen Kriege, da Artabanus für den Tod der Seinigen schwere Rache übte11, nicht vom Glücke begünstigt wurde, so leistete er doch anfangs Widerstand, später aber ließ er durch eine Gesandtschaft [316] Frieden anbieten, welchen Artabanus gerne bewilligte, da Anatoninus getödtet war. Hierauf begab sich Macrinus nach Antiochien und lebte daselbst der Schwelgerei. Dadurch gab er seinen Truppen gerechte Ursache ihn zu tödten und sich an den vermeintlichen Sohn des Bassianus, nämlich den Heliogabalus Varius Bassianus, später auch Bassianus und Antoninus genannt, anzuschließen.

9 Es lebte damals eine gewisse aus Emesa12 gebürtige Dame Namens Mösa oder Varia, eine Schwester der Julia, der Gemahlin des Kaisers Severus Pertinax aus Africa, welche nach dem Tode des Antoninus Bassianus der Uebermuth des Macrinus aus dem kaiserlichen Palaste vertrieben hatte; doch waren ihr alle ihre seit langer Zeit gesammelten Schätze von Macrinus gelassen worden. Diese hatte zwei Töchter: Semiamira und Mammäa, davon jene, die ältere, die Mutter des Heliogabalus war, der später die Namen Bassianus und Antoninus führte. Heliogabalus aber heißt auf phönikisch die Sonne. Dieser Heliogabalus zog durch seine Schönheit und Statur, sowie durch seine priesterliche Würde aller Augen auf sich und war Jedermann, der den Tempel besuchte, vornehmlich aber den Soldaten, bekannt. Den Letztern entdeckte Mösa oder Varia, Bassianus sei ein Sohn des Antoninus, welche Kunde sich nach und nach unter allen Truppen verbreitete. Ueberdieß war Mösa außerordentlich reich, weßhalb Heliogabalus einen verschwenderischen Aufwand zu machen [317] im Stande war. Durch Versprechungen an die Soldaten wußte sie die Legionen zum Abfall zu bewegen, wurde von diesen bei Nacht mit ihrer Familie in die Stadt13 eingelassen, und ihr Enkel unter dem Namen Antoninus zum Kaiser ausgerufen und ihm die Reichsinsignien übergeben.

10 Wie Macrinus, der zu Antiochien sich befand, Nachricht von diesem Vorfalle erhielt, verwunderte er sich einestheils über die Kühnheit dieser Frau, anderntheils verachtete er dieselbe, und schickte seinen Präfecten Julianus mit den Legionen ab, um die Abgefallenen zu belagern. Sobald sich aber Antoninus ihnen zeigte, erwachte in Allen eine außerordentliche Zuneigung zu ihm. Sie tödteten den Präfecten Julianus und giengen insgesammt zu Antoninus über. Nachdem sich nun ein Theil des Heeres mit ihm verbunden hatte, zog er dem heraneilenden Macrinus entgegen. Es kam zu einer Schlacht14, worin Macrinus in Folge von Verrath seiner Soldaten und ihrer Liebe zu Antoninus geschlagen wurde. Er mußte mit einigen wenigen Begleitern und seinem Sohne fliehen und wurde nebst diesem in einem Dorfe Bithyniens getödtet, sein abgehauener Kopf aber dem Antoninus überbracht. Außerdem ist noch zu bemerken, daß Diadumenus, den Mehrere als Reichsgenossen seines Vaters anführen, nur Cäsar, nicht Augustus gewesen sein soll. Dieser Sohn des Macrinus wurde auch getödtet, der somit dem Thronbesitz nur den Tod durch Soldatenhand [318] zu danken hatte. Denn außerdem bietet uns sein Leben nichts Bemerkenswerthes dar, als daß er gleichsam als ein Bastard in die Familie der Antonine eingeschoben wurde.

11 Als Kaiser bewies Macrinus etwas mehr Strenge und Ernst, in der Hoffnung, dadurch könne das Andenken an sein ganzes früheres Leben vergessen gemacht werden; allein diese Strenge selbst gab Anlaß ihn zu tadeln und zu verunglimpfen. So wollte er sich Severus und Pertinax genannt wissen, welche beide Namen ihm zur Bezeichnung von Strenge geschickt schienen. Von den ihm vom Senate beigelegten Namen „der Fromme“ und „der Glückliche“ nahm er den letztern an, den ersten aber schlug er aus. Dieß veranlaßte einen griechischen Dichter folgendes Epigramm auf ihn zu verfertigen, das in der Uebersetzung folgenden Inhalts ist:
Dieser Komödiant, alt, lästig, grausam, verächtlich,
Ungerecht, wünschet zugleich gottlos und glücklich zu sein.
„Fromm“ will nicht er heißen, doch „glücklich“ darf man ihn nennen,
Was die Natur versagt, was die Vernunft nicht gewährt.
Fromm und glücklich konnte er scheinen und konnt’ man ihn nennen;
Doch wer unselig für’s Reich, wird’s für sich selbsten auch sein.
Diese Verse, in das Lateinische übersetzt, heftete irgend ein Unbekannter neben die auf dem Forum angeschlagenen griechischen an, die aber Macrinus, sobald er sie zu Gesicht bekam, mit folgenden beantwortet haben soll:
Wenn einen solchen Dichter wie Latium’s Galgenschwengel,
Unter den Griechen hervor hätte das Schicksal gebracht:
Wahrlich, nichts wüßte das Volk, nichts wüßte die Curie, Niemand
hätte in traurigem Vers unsere Größe benagt.
[319] Mit diesen Versen, die noch weit schlechter als jene lateinischen sind, glaubte Macrinus geantwortet zu haben, er wurde aber deßwegen nicht weniger ausgelacht als der lateinische Uebersetzer der griechischen.

12 Macrinus war despotisch, blutdürstig und wollte mit militärischer Strenge regieren. Ja, er tadelte sogar die Zucht der früheren Zeiten und lobte vor allen Andern nur den Severus. Er ließ Soldaten kreuzigen und verhängte jederzeit sclavische Todesarten über sie. So oft sich aufrührerische Bewegungen im Heere zeigten, so ließ er öfters den zehnten, zuweilen auch den hundertsten Mann hinrichten oder centesimiren (ein ihm eigenthümlicher Ausdruck), und dann sprach er noch von Milde, wenn er diejenigen centesimirte, die decimirt oder vicesimirt (gezwanzigt) zu werden verdient hätten. Es würde zu weit führen, alle seine Grausamkeiten herzuerzählen, doch will ich eine einzige seiner eigenen Ansicht nach unbedeutende, in der That aber jede Unmenschlichkeit der Tyrannen an Härte übertreffende anführen. Einst sollen zwei Soldaten die Magd ihres Wirths entehrt haben. Macrinus hatte kaum durch einen seiner Späher Nachricht davon erhalten, als er sie vor sich bringen ließ und befragte, ob die Sache wahr sei. Wie sie es zugestanden, ließ er auf der Stelle zwei Ochsen von ungeheurer Größe lebendig aufschneiden, und in einen jeden derselben einen Soldaten, aber nur bis an den Kopf, einnähen, damit sie indessen doch mit einander reden könnten, eine Strafe, wie sie nicht einmal für Ehebrecher weder in der alten noch zu seiner Zeit festgesetzt war. Uebrigens kämpfte Macrinus doch gegen die Parther, die Armenier und die sogenannten glücklichen Araber mit ebenso viel Tapferkeit als Glück. Einen Tribunen, der die Verlassung eines Postens zugegeben hatte, ließ er unten zwischen den Rädern an einem Wagen festbinden und ihn so auf dem ganzen Marsche lebendig und [320] todt fortschleifen. Er erneuerte auch die von Mezentius15 erfundene Todesart, indem er Lebende an Leichname anbinden und sie so langsam verfaulen und sterben ließ. Daher wurde auch dem Diadumenus im Circus, wenn sich der allgemeine Beifall gegen ihn aussprach, zugerufen:
Wäre dir, Jüngling schön von Gestalt, nur nicht Mezentius Vater!
Er ließ auch Menschen lebendig einmauern. Die des Ehebruchs Ueberwiesenen ließ er allezeit zusammengebunden lebendig verbrennen, die ihren Herrn entlaufenen Sclaven aber mußten, wenn man sie ergriff, bei den Fechterspielen auf Tod und Leben kämpfen. Die Angeber, wenn sie ihre Anklage nicht beweisen konnten, bestrafte er mit dem Tode; vermochten sie dieß aber, so ließ er ihnen eine Geldbelohnung auszahlen und entließ sie als ehrlose Schurken.

13 Macrinus besaß in der Rechtsgelehrsamkeit nicht geringe Kenntniß, so daß er beschloß, alle Rescripte der früheren Kaiser aufzuheben, damit in der Folge bei der Rechtspflege nach dem Gesetze, nicht nach Rescripten verfahren würde. Denn es sei, äußerte er, höchst ungerecht, daß die Willensmeinungen eines Commodus, Caracalla und anderer unwissender Menschen Gesetzeskraft haben sollten, da doch [321] ein Trajan nie durch Rescripte geantwortet habe, und zwar deßwegen, damit nicht solche Verfügungen, die blos als eine Wirkung der Gnade anzusehen wären, auf andere Rechtsfälle angewendet würden. So sparsam Macrinus mit Geldgeschenken war, so freigebig zeigte er sich in Getraidespenden. Gegen seine Hausdiener oder Höflinge erwies er sich so gefühllos, unerbittlich und strenge, daß sie ihn nicht Macrinus, sondern Macellinus16 nannten, weil sein Palast gleich einer Fleischbank von dem Blute seiner Diener triefte. Er war ein Freund vielen Essens und des Weins, bisweilen bis zur Trunkenheit, doch dieß nur Abends. Denn seine Morgenmahlzeit war, besonders wenn er allein speiste, sehr sparsam, bei der Abendtafel dagegen herrschte die größte Verschwendung. Gelehrte zog er aus dem Grunde gerne zu seiner Tafel, damit er durch Unterhaltung über wissenschaftliche Gegenstände gezwungen würde enthaltsam zu sein.

14 Indessen die Erinnerung an seine frühere Niedrigkeit und die Betrachtung seiner übertriebenen Grausamkeit bewirkten, daß das Volk, namentlich aber die Soldaten, welche sich mancher Züge seiner höchst grausamen, zuweilen aber auch äußerst schändlichen Handlungsweise erinnerten, einen solchen widerlichen Menschen nur höchst ungerne mit dem Purpur bekleidet sahen. Daher verschworen sich die Letzteren gegen ihn und tödteten ihn nebst seinem jungen Sohne Diadumenus, mit dem Beinamen Antoninus, von welchem Letzteren man sagte, daß er nur im Traume ein Antoninus gewesen sei. Dieser Scherz gab Veranlassung zu folgenden Versen:
[322] Irr’ ich nicht, Bürger, so hab’ ich im Traum auch dieses gesehen:
Jener Knabe führte den Namen der Antonine,
Sohn eines feilen Vaters und einer sittsamen Mutter,
Welche hundert Buhler gehabt und hundert noch wollte.
Auch der Kahlkopf selbst war anfangs ihr Buhler, dann Gatte:
Sieh den Pius, den Marcus! Denn nie ist er Verus gewesen.
Auch diese Verse wurden aus dem Griechischen, worin sie vortrefflich lauten, in das Lateinische übertragen, doch scheint mir der Uebersetzer ein sehr schlechter Dichter gewesen zu sein. Wie Macrinus davon hörte, antwortete er in Jamben, die sehr ergötzlich gewesen sein sollen, aber nicht mehr vorhanden sind. Sie giengen bei dem Tumult, der ihm das Leben kostete und worin die Soldaten alles verwüsteten, zu Grunde.

15 Den Tod fand Macrinus, wie schon gemeldet, auf folgende Art: Wie das Heer für Antoninus Heliogabalus sich erklärte, ergriff Macrinus die Flucht, unterlag im Kampf, und wurde in einem Vorwerke in Bithynien getödtet, nachdem die Seinigen theils sich ergeben hatten, theils geflohen und theils erschlagen waren. Dieser Sieg erwarb dem Heliogabalus großen Ruhm, weil er dadurch als Rächer seines ermordeten Vaters erschien, und bahnte ihm den Weg zum Throne, den er aber durch ungeheure Laster, durch Schwelgerei, Unfläthigkeit, Schlemmerei, Uebermuth und Grausamkeit schändete, wodurch er gleichfalls einen ähnlichen Tod sich herbeiführte. Dieß sind die Nachrichten, die uns von Macrinus bekannt geworden sind, von welchen freilich, wie dieß in der Geschichte überhaupt der Fall ist, mehrere andere Geschichtschreiber in einigen Stücken abweichen, und die wir, so wie wir sie aus einer großen Anzahl von Schriftstellern gesammelt haben, deiner Majestät, Kaiser [323] Diocletianus, vorlegen, weil uns bekannt ist, daß die Geschichte der früheren Kaiser ein Gegenstand deiner Wißbegierbe ist17.

Anmerkungen

1 Was hier Capitolinus von Macrin’s Beinamen Severus sagt, ist richtig; er findet sich auf Münzen und auf Steinen; aber in Betreff des Namens Antoninus scheint er zu irren, da Macrinus diesen Beinamen weder auf einer Münze noch auf einer Inschrift führt.

2 Ich folge hier der Emendation des Casaubonus: cur Diadumenum filium Macrinus Antoninum voluerit nuncupari.

3 Ueber diese Göttin sehe man oben die Anmerkung zu Pertinax Kap. 4.

4 Diese Stelle ist wohl verdorben. Denn es ist nicht denkbar, daß Macrinus einen so einflußreichen Freigelassenen gehabt habe, daß dieser ihn zu weiteren Ehrenstellen hätte befördern können, es müßte denn dieser selbst während seines ehemaligen Herrn Mißgeschick sehr hoch gestiegen sein.

5 D. h. er wurde in den Ritterstand erhoben. Die römischen Nitter trugen nämlich vorzugsweise goldene Ninge.

6 Nach Dio am vierten, nach Herodian am zweiten Tage nach dem Tode Caracalla’s.

7 Nach Herodian 4,13 ließ Macrinus den Leichnam verbrennen und schickte die Asche in einer Urne an seine damals in Antiochia sich aufhaltende Mutter.

8 Er hieß Adventus und behauptete auch nach Dio 78,4, daß ihm als dem Aeltern der Thron gebüre, daß er aber seines vorgerückten Alters wegen zu Gunsten seines Amtsgenossen darauf verzichte. Nach Herodian 4,14 bot ihm das Heer wirklich die Kaiserwürde an, er lehnte sie aber unter Vorschützung seines Alters ab.

9 Das Geschäft eines Schreibers war in Rom nicht sehr geachtet, da in der Regel nur ärmere Bürger oder Freigelassene dasselbe für einen Lohn verwalteten.

10 Nämlich 14 Monate nach Lampridius im Leben des Diadumenus Kap. 8 und Eutrop. 8,12.

11 Die näheren Umstände dieser hier nur dunkel angedeuteten Geschichte sind folgende. Caracalla hatte bei dem parthischen König Artabanus um die Hand seiner Tochter angehalten und ihm die Vortheile auseinander gesetzt, die für beide Reiche aus einer solchen Verbindung entstehen würden. Nach einigem Zögern willigte Artabanus ein. Caracalla rückte nun in Parthien ein und wurde überall als Freund aufgenommen. Als er der Residenz des parthischen Königs sich näherte, gieng ihm dieser mit einer großen Menge unbewaffneten, festlich geschmückten und fröhlichen Volkes entgegen. Während aber Alles sich sorglos der Fröhlichkeit und den Freuden der Tafel überließ, gab Caracalla seinen Römern plötzlich Befehl zum Einhauen. Eine Menge Volks fiel unter ihren Streichen, und Artabanus entkam nur mit Mühe.

12 Jetzt Hems oder Hims, eine Stadt in Syrien unweit des Libanon am Flusse Orontes gelegen, berühmt durch die Verehrung des Heliogabalus, d. i. des Sonnengottes, der unter dem Bilde eines runden, spitzig zulaufenden Steines von den Arabern und Syrern angebeteten Sonne. Auch ihr Priester trug diesen Namen.

13 Oder vielmehr in das gleich einer Stadt befestigte Lager. Dio 78,33 und Herodian, 5,3. Es lagerte nämlich damals ein ansehnliches Heer zum Schutze Phönikiens in der Nähe von Emesa nach Herodian 5,3.

14 Bei dem Dorfe Immax, ungefähr fünf Meilen von Antiochia.

15 Ein etrurischer König zur Zeit des Aeneas, mit welchem er Krieg führte. Die hier erwähnte Strafe beschreibt Virgil im 8. Gesange seiner Aeneis V, 483-88 also:
Wie doch gedenk’ ich der schrecklichen Mord’ und Greuel des Wüthrichs?
Mögens ihm Götter auf’s Haupt und seinem Geschlechte versparen!
Todte Körper sogar mit lebenden band er zusammen,
Händ’ in Hände gefügt und Antlitz legend auf Antlitz,
Folterqual! und hat, wie in Jauch und Verwesung sie floßen,
Langsamen Tods sie gemordet mit grausenvoller Umarmung.

16 Macellum, der Fleischmarkt, wo die Thiere nicht bloß gekauft, sondern auch geschlachtet wurden. Macellinus könnte man daher füglich mit Schlächter übersetzen.

17 Gibbon urtheilt über diese Biographie folgendermaßen: „Dio und Herodian sprechen beide von Macrin’s Tugenden und Lastern frei und unparteiisch; allein der Verfasser seines Lebens in der Augustengeschichte scheint einem jener feilen Schriftsteller, durch welche Elagabalus das Andenken seines Vorgängers anschwärzen ließ, blindlings nachgeschrieben zu haben“.