Pertinax

Ornament

Übersetzung

1 [183] Der Vater des Publius Helvius Pertinax war Julius Successus, ein Freigelassener, welcher seinem Sohne wegen des fortgesetzten Betriebs des Holzhandels, mit dem er mit Beharrlichkeit (pertinaciter) sich befaßte, den letzteren Namen gegeben haben soll. Pertinax wurde auf der Villa des Mars im Apennin geboren. In seiner Geburtsstunde sprang ein Füllen auf das Dach, fiel aber nach kurzer Zeit herunter und war todt. Dieser Vorfall bestimmte seinen Vater, zu einem Chaldäer zu gehen; als ihm aber dieser eine äußerst glänzende Zukunft seines Sohnes verhieß, sagte der Erstere, mein Geld ist verloren. Nachdem der junge Pertinax die Anfangswissenschaften und das Rechnen gelernt, wurde er auch einem griechischen Grammatiker und später dem Sulpicius Apollinaris übergeben, nach dessen Tode er selbst Unterricht in der Grammatik ertheilte. Da er aber dabei sein Auskommen nicht fand, so erhielt er durch die Verwendung [184] des Lollius Avitus, welcher Consul gewesen und Patron seines Vaters war, die Stelle eines Centurio. Unter des Titus Aurelius Regierung ging er als Befehlshaber einer Cohorte nach Syrien, mußte aber, weil er ohne Diplome1 sich der Post bedient hatte, von Antiochien aus zu Fuß auf seinen Posten sich begeben.

2 Nachdem Pertinax im parthischen Kriege durch seine Tüchtigkeit sich sehr ausgezeichnet hatte, wurde er nach Britannien versetzt, wo er eine Zeit lang blieb. Sodann ward er Befehlshaber eines Reitergeschwaders in Mösien, und hierauf besorgte er die Austheilung der Lebensmittel2 auf der ämilischen Straße. Nach diesem erhielt er den Oberbefehl über die Flotte in Germanien. Seine Mutter hatte ihn bis nach Germanien begleitet, starb aber daselbst, und noch jetzt soll sich ihr Grabmal daselbst befinden. Von Germanien aus wurde er mit einem Gehalte von 200,000 Sestertien nach Dacien [185] versetzt, verlor aber, durch die Einflüsterungen gewisser Leute bei Marcus verdächtigt, diese Stelle. Nachher erhielt er durch des Marcus Eidam Claudius Pompejanus, der auf seinen Beistand für die Zukunft rechnete, den Befehl über die Vexillarier3. Auf diesem Posten bewährte er sich dergestalt, daß er Senator wurde. Die Erwerbung neuer Verdienste und die dadurch herbeigeführte Entdeckung der gegen ihn geschmiedeten Kabalen bewogen den Marcus, um sein Unrecht wieder gut zu machen, ihn zum Prätor und zum Befehlshaber der ersten Legion zu ernennen. Als solcher säuberte er in einem Augenblick Rhätien und Noricum4 von Feinden. Wegen dieses ausgezeichneten Verdienstes wurde er durch des Marcus Verwendung zum Consul ernannt. Es findet sich noch eine Rede Antonins bei Marius Maximus, die seines Lobes voll ist und alles, was er gethan und erlitten, enthält. Außer dieser Rede aber, deren Mittheilung hier zu weit führen würde, wurde Pertinax von Marcus noch sehr häufig vor der Kriegsgemeinde und im Senate gelobt, und Marcus drückte öffentlich sein Bedauern aus, daß er denselben wegen seines Senatorenranges nicht zum prätorischen Präfecten ernennen könne. Nach der Unterdrückung der Empörung des Cassius begab sich Pertinax aus Syrien weg zum Schutze der Donau5, sodann erhielt er die [186] Statthalterschaft über beide Mösien und nicht lange nachher über Dacien.

3 Wegen der trefflichen Verwaltung dieser Provinzen wurde er Landesverweser von Syrien. Bis auf diesen Zeitpunkt hatte sich Pertinax völlig unbescholten betragen, allein nach dem Tode des Marcus gab er sich der Liebe zum Gelde hin, weßhalb er oft dem Volke zur Zielscheibe seines Witzes dienen mußte. Er war bereits ein reicher Mann, als er nach Verwaltung von vier consularischen Provinzen zum ersten Mal in die Curie kam: denn als Senator hatte er sie nie gesehen und das Consulat hatte er von Rom abwesend bekleidet. Allein er mußte alsbald auf Befehl des Perennis sich auf das Landgut seines Vaters nach Ligurien6 begeben, wo dieser einen Handel mit rauchfreiem Holze7 getrieben hatte. Nach seiner Ankunft in Ligurien kaufte Pertinax viele Ländereien zusammen, umgab sein väterliches Haus, das er unverändert ließ, mit einer großen Anzahl Gebäude, hielt sich drei Jahre daselbst auf und ließ den Handel durch seine Sclaven treiben. Nach der Hinrichtung des Perennis ließ Commodus dem Pertinax Gerechtigkeit widerfahren und ersuchte ihn in [187] einem Schreiben, sich nach Britannien zu begeben. Nach seiner Ankunft daselbst hielt er die Soldaten, welche schlechterdings einen neuen Kaiser und namentlich den Pertinax selbst wollten, von jeder aufrührerischen Bewegung ab. Damals war es, daß man ihn einer hämischen Verleumdung beschuldigte. Er sollte nämlich den Antistius Burrus und Arrius Antoninus bei Commodus angegeben haben, als beabsichtigten sie sich des Throns zu bemächtigen. Und die Empörung hielt er zwar in Britannien nieder, allein er setzte sich dabei einer sehr großen Gefahr aus, indem er bei dem Aufstande einer Legion nahezu getödtet worden wäre, wenigstens aber unter den Erschlagenen als todt liegen blieb. Pertinax bestrafte jedoch diesen Vorgang auf das Strengste. Indessen bat er um Enthebung von seinem Posten, da ihm, wie er sagte, die Legionen wegen Aufrechthaltung der Kriegszucht gehässig seien.

4 Pertinax erhielt demnach einen Nachfolger und wurde mit der Aufsicht über die Lebensmittel beauftragt, später aber zum Proconsul von Africa ernannt. Auf diesem Posten soll er viel mit Aufständen zu kämpfen gehabt haben, welche durch die Weissagungen der Priesterinnen der Urania8 veranlaßt wurden. Nach diesem wurde er Stadtpräfect, als welcher er nach Fuscianus, einem strengen Manne, sich sehr gelinde und menschenfreundlich bewies. Auch war [188] ihm Commodus sehr gewogen, weil er ihn in seinem siebenten Consulate9 zum Amtsgenossen hatte. Damals war Pertinax der Verschwörung gegen das Leben des Commodus keineswegs fremd. Sobald aber dieser Kaiser getödtet war, so eilten der prätorische Präfect Laetus und der Kämmerer Electus zu Pertinax, um ihm Vertrauen einzuflößen, und führten ihn in das Lager. Daselbst redete Pertinax die Soldaten an, versprach ihnen ein Geschenk und versicherte sie, daß ihm die Regierung von Lätus und Electus aufgedrungen werde. Weil aber die Soldaten auch befürchteten, man möchte sie nur auf die Probe stellen, so wurde vorgegeben, Commodus sei an einer Krankheit gestorben. Endlich wurde Pertinax, anfänglich aber nur von Wenigen, als Kaiser begrüßt. So wurde dieser bereits über 60 Jahre alte Mann Kaiser, den Tag vor dem neuen Jahr. Vom Lager aus begab er sich noch in der Nacht in den Senat10; weil man aber den Tempeldiener nicht finden konnte, der die Kapelle der Curie aufschließen sollte, so wartete er im Tempel der Concordia. Hieher kam auch Claudius Pompejanus, des Commodus Eidam. Wie dieser Thränen über das Schicksal des Commodus vergoß, drang Pertinax in ihn, die Regierung zu übernehmen, allein Pompejanus lehnte dieses ab, weil er bereits den Pertinax im Besitze derselben sah. Unmittelbar darauf erschienen alle obrigkeitlichen Personen mit dem Consul in der [189] Curie und begrüßten den Pertinax, wie er hineingetreten war, noch in der Nacht als Kaiser.

5 Nach den ihm von den Consuln gespendeten Lobpreisungen und den in den Acclamationen des Senats ausgesprochenen Verwünschungen des Commodus stattete Pertinax dem Senate und vornehmlich dem prätorischen Präfecten Lätus, der eben so sehr den ersten Anstoß zu des Commodus Ermordung als zu des Pertinax Erhebung gegeben hatte, seinen Dank ab. Kaum aber war dieß bei Lätus geschehen, so entgegnete der Consul Falco: In welchem Geiste du regieren wirst, können wir schon daraus abnehmen, daß wir den Lätus und die Marcia, die Werkzeuge der Greuel des Commodus, von dir verschont sehen. Pertinax erwiderte darauf: Du bist ein junger Mann, Consul, und kennst nicht das harte Gesetz des Gehorsams. Sie haben wider Willen dem Commodus gehorcht, haben aber, sobald sich die Gelegenheit dazu gezeigt, bewiesen, was für eine Gesinnung sie von jeher gehabt haben. An demselben Tage, an welchem er den Augustustitel erhielt, wurde seiner Gemahlin Flavia Titiana der Titel Augusta zu Theil, und zwar gerade zu der Stunde, in welcher Pertinax die Gelübde auf dem Capitolium bezahlte. Pertinax war der erste Kaiser, welcher an demselben Tage, an dem er als Augustus begrüßt wurde, auch den Namen Vater des Vaterlandes erhielt, sowie die Proconsulargewalt und das Recht, vier Vorträge auf einmal im Senate zu thun, was als keine gute Vorbedeutung für Pertinax galt11. Pertinax nahm hierauf Besitz vom Kaiserpalaste, der damals [190] leer stand (denn Commodus war im vectilianischen getödtet worden) und ertheilte am ersten Tage dem die Parole fordernden Tribunen zur Losung die Worte: Laßt uns Krieger sein, worin eine tadelnde Anspielung auf die träge Schlaffheit unter der vorigen Regierung lag, wiewohl er diese Losung auch schon früher in allen seinen Befehlshaberstellen gegeben hatte.

6 Dieser Vorwurf erbitterte die Soldaten, und sie dachten alsbald auf eine Thronveränderung. An diesem Tage zog Pertinax auch die Staatsbeamten und angesehensten Senatoren zur Tafel, welche Gewohnheit Commodus unterlassen hatte. Wie nun am folgenden Tage die Bildsäulen des Commodus niedergeworfen wurden, äußerten die Soldaten laut ihren Unmuth, zumal da Pertinax wieder dieselbe Losung gegeben hatte. Man fürchtete aber den Kriegsdienst unter einem so bejahrten Kaiser. Endlich am dritten Januar, gerade am Tage der Gelübde, wollten die Soldaten den Triarius Maternus Lascivius, einen edlen Senator, in das Lager führen, um ihn an die Spitze des Reichs zu stellen; allein dieser entfloh unangekleidet und eilte zu Pertinax in den Palast und verließ später die Stadt. Aus Furcht mußte nun Pertinax alles, was Commodus den Soldaten und Veteranen bewilligt hatte, bestätigen. Auch äußerte er, er betrachte die Regierung, die er doch bereits eigenmächtig angetreten hatte, als ein Geschenk des Senats. Die Untersuchung wegen Majestätsverbrechen schaffte er unter eidlichen Betheuerungen gänzlich ab, rief auch die aus diesem Grunde Deportirten zurück, und das Andenken der Getödteten wurde schuldlos erklärt. Seinen Sohn ernannte der Senat zum Cäsar, indessen Pertinax lehnte diesen Namen, sowie den Titel Augusta für seine Gemahlin ab, in Betreff seines Sohnes mit den Worten: wenn er sich einmal dessen würdig gezeigt haben wird. Commodus hatte durch die willkürliche Ernennung einer Unzahl überzähliger [191] Prätoren allen Unterschied unter den Prätoren aufgehoben. Pertinax ließ nun einen Senatsbeschluß ergehen, des Inhalts, daß alle diejenigen, welche die Prätur wirklich bekleidet hätten, vor denjenigen, die nicht wirkliche, sondern nur Titularprätoren gewesen, den Vorrang haben sollten. Aber auch dadurch machte er sich bei Vielen auf’s Aeußerste verhaßt.

7 Die Steuerregister ließ Pertinax umarbeiten. Die Angeber ließ er in Fesseln werfen und strenge bestrafen, doch etwas gelinder als die früheren Kaiser dieß gethan hatten, indem er bei Bestrafung der der Angeberei angeklagten Personen jedesmal den Rang berücksichtigte. Auch verordnete er, es dürfe kein Testament früher die Gültigkeit verlieren, als bis ein neues gemacht wäre, und der Fiscus dürfe also in diesem Falle keine Ansprüche machen. Pertinax erklärte selbst öffentlich, daß er von Niemand eine Erbschaft antreten werde, die ihm aus Schmeichelei oder bei noch schwebendem Processe, so daß die rechtmäßigen Erben und Verwandten derselben verlustig giengen, angetragen würde und fügte dem Senatsbeschlusse noch die Worte bei: es ist besser, versammelte Väter, einem armen Gemeinwesen vorzustehen als zu einem Haufen von Schätzen auf dem Wege der Gefahr und der Schande zu gelangen. Die von Commodus dem Volke und den Soldaten versprochenen Spenden und Geschenke ließ er auszahlen. Für die Lebensmittel sorgte er mit vieler Umsicht. Da aber der Staatsschatz so erschöpft war, daß er nach seinem eigenen Geständnisse nicht mehr als eine Million Sestertien darin vorfand, so sah er sich wider sein Versprechen zur Erhebung der von Commodus ausgeschriebenen Abgaben gezwungen. Wie ihn nun der Consular Lollianus Gentianus auf die Nichthaltung seines Versprechens aufmerksam machte, entschuldigte er sich mit dem Drange der Noth. Ueber das Eigenthum des Commodus ließ er eine Versteigerung anstellen, wobei [192] er selbst dessen Lustknaben und Beischläferinnen verkaufen ließ mit Ausnahme derjenigen, die wahrscheinlich mit Gewalt in den Palast geschleppt worden waren. Jedoch auch von den Verkauften kamen viele wieder in den Hofdienst und machten dem alten Kaiser viel Vergnügen, ja sie stiegen sogar unter den folgenden Kaisern bis zu Senatorenrang. Die die schändlichsten Namen führenden Possenreisser ließ er öffentlich feilbieten und verkaufte sie. Von den aus diesem Verkaufe erlösten ungeheuern Summen gab er den Soldaten ihr versprochenes Geschenk.

8 Auch die Freigelassenen des Commodus mußten alles zurückgeben, womit sie sich bei den von diesem veranstalteten Verkäufen bereichert hatten12. Bei der Versteigerung des Eigenthums des Commodus zogen hauptsächlich folgende Gegenstände die Blicke auf sich als: Kleider mit seidenem Eintrag und goldenen Fäden, außerdem13 Unterkleider, Oberkleider, Dalmatiken mit Aermeln, Kriegskleider mit Franzen, griechische und militärische Mäntel aus Purpur, ferner bardäische Kaputzen, Togen und Gladiatorswaffen mit Gold und Edelsteinen besetzt, herkulische Schwerter, gladiatorische Halsketten, Gefäße aus gediegenem Golde, Elfenbein, Silber und Citronenholz verfertigt, phallisch gestaltete Trinkgeschirre aus demselben Stoffe, samnitische Gefäße, um Harz und Pech darin zur Vertreibung der Haare und Glatterhaltung der Haut flüssig zu machen, endlich auch Wagen von einer ganz neuen künstlichen Bauart, woran die Räder so in einander griffen und so verschieden angebracht und die Sitze so bequem waren, daß es nur eines Druckes bedurfte, um dieselben umwenden und bald im Schatten sitzen, bald frische Luft genießen [193] zu können, so wie solche, welche Stunden- und Meilenzeiger hatten, und was sonst noch seinen Ausschweifungen dienen mußte. Pertinax gab überdieß den Herren ihre aus Privathäusern an den Hof entlaufenen Sclaven zurück. Den ungeheuren Aufwand für die kaiserliche Tafel setzte er auf eine bestimmte Summe herab, sowie er auch alle übrigen Ausgaben des Commodus einschränkte.14 Da aber Jedermann nach dem Beispiele des Kaisers, der so wenige Ausgaben machte, sich einschränkte, so entstand Wohlfeilheit. Denn den ganzen kaiserlichen Aufwand setzte er mit Verbannung alles Ueberflüssigen auf die Hälfte der vorher gewöhnlichen Summe herab.

9 Für die Soldaten setzte Pertinax Belohnungen aus, zahlte die Schulden, die er zu Anfang seiner Regierung hatte machen müssen, und setzte die Staatskasse wieder in den gehörigen Stand. Für die öffentlichen Gebäude warf er eine bestimmte Summe aus, wies Geld zur Ausbesserung der Heerstraßen15 an, und zahlte sehr Vielen ihre rückständige Besoldung. Kurz, er setzte den Fiscus in einen solchen Stand, daß alle Bedürfnisse befriedigt werden konnten. Auch machte er sich kein Gewissen daraus, die von Trajan eingeführte, aber seit neun Jahren unterlassene Austheilung von Lebensmitteln aufzuheben. Als Privatmann hatte sich Pertinax von dem Verdachte der Habsucht nicht frei erhalten, weil er sich die Geldbedrängniß der Güterbesitzer bei Vada Sabatia16 zur Erweiterung seiner Güter zu Nutzen gemacht hatte, daher man ihn auch aus einem Verse des Lucilius agrarius mergus d. h. den Güterfischer, nannte. Einigen Nachrichten zufolge benahm er sich auch in den Provinzen, die er als Consular verwaltete, [194] auf eine schmutzige Weise; er soll nämlich Dienstbefreiungen und Befehlshaberstellen verkauft haben. Ungeachtet das Vermögen seiner Aeltern sehr unbedeutend und ihm sonst keine Erbschaft zugefallen war, so wurde er doch sehr schnell ein reicher Mann. Er gab zwar allen Denen, welchen Commodus ihr Vermögen genommen hatte, dasselbe zurück, aber nicht ohne sich dafür bezahlen zu lassen. Den ordentlichen Senatssitzungen wohnte Pertinax regelmäßig bei und that jedesmal einen Vortrag. Gegen die ihn Begrüßenden und Anredenden war er jederzeit herablassend. Diejenigen, welche von Sclaven fälschlich angeklagt worden waren, stellte er durch die Verurtheilung dieser ihrer Angeber, welche er kreuzigen ließ, sicher: auch stellte er Einigen nach ihrem Tode ihre Ehre wieder her.

10 Falco17, der nach dem Throne strebte, bereitete ihm Nachstellungen. Pertinax beklagte sich darüber im Senate und fand Glauben. Ein Sclave, der sich für einen Sohn der Fabia, also ein Mitglied der Familie des Cejonius Commodus, ausgab, machte höchst lächerliche Ansprüche auf den kaiserlichen Palast, wurde aber erkannt, gegeißelt und seinem Herrn zurückgegeben. Seine Bestrafung soll den Feinden des Pertinax Gelegenheit zur Empörung gegeben haben. Doch des Falco schonte Pertinax und erbat sich für ihn Begnadigung vom Senat aus. Falco konnte nun unangefochten im Besitze seines Vermögens leben und hinterließ einen Sohn, der ihn beerbte. Indessen [195] erzählen Mehrere, Falco habe Nichts darum gewußt, daß man ihn auf den Thron erheben wolle; Andere dagegen wollen wissen, Sclaven, welche Rechnungen unterschlagen hätten, haben falsche Aussagen in Betreff seiner gemacht. Allein eine wirkliche Verschwörung gegen Pertinax bildete sich durch die Veranstaltung des prätorischen Präfecten Lätus und mehrerer Anderer, die kein Gefallen an der Rechtschaffenheit des Pertinax fanden. Den Erstern reute es, den Pertinax auf den Thron erhoben zu haben, namentlich deswegen, weil dieser ihn mehreremale wegen unpassender Rathschläge getadelt hatte. Ueberdies erbitterte die Soldaten der Umstand, daß Pertinax in der Sache des Falco auf das Zeugniß eines einzigen Sclaven hin viele ihrer Kameraden hatte tödten lassen.

11 Es kamen nun 300 von ihnen, bewaffnet und dichtgeschaart, aus dem Lager an den kaiserlichen Palast. An demselben Tage fand man, wie es heißt, als Pertinax opferte, kein Herz im Opferthiere, und als er diese böse Anzeige abwenden wollte, zeigte sich im zweiten Opferthiere kein Obertheil der Leber. Um diese Zeit befanden sich noch alle Soldaten im Lager. Als eine Abtheilung derselben zur Begleitung des Kaisers eintraf, der, um einen Dichter anzuhören, in einem feierlichen Aufzuge in das Athenäum18 sich begeben wollte, aber wegen des bösen Vorzeichens beim Opfern dieß verschob, so fieng die dazu beorderte Mannschaft an, in das Lager zurückzugehen. Allein plötzlich stürzte jener Haufe in den Palast, ohne daß er hätte zurückgehalten [196] oder der Kaiser benachrichtigt werden können. Freilich waren auch alle Höflinge von einem solchen Hasse gegen Pertinax erfüllt, daß sie die Soldaten zu ihrem Verbrechen noch ermunterten. Sie überfielen den Pertinax, als dieser gerade die Hofdienerschaft ordnete, und giengen durch die Gallerien des Palastes bis an den Ort, welcher Sicilien und Juppiters Tafelzimmer heißt. Auf die Kunde davon schickte Pertinax den prätorischen Präfecten Lätus an sie ab, allein dieser wich den Soldaten aus, gieng mit verhülltem Kopfe durch die Gallerien und begab sich nach Hause. Wie sie nun in die inneren Gemächer stürzten, gieng ihnen Pertinax entgegen und suchte sie in einer langen, würdevollen Rede19 zu besänftigen. Allein ein gewisser Tausius aus der Schaar der Tungrer20 versetzte die Soldaten durch seine Worte in eine eben so große Wuth als Furcht und stieß endlich dem Pertinax seinen Spieß in die Brust. Dieser flehte noch Juppiter, den Rächer, an, verhüllte sodann mit der Toga sein Haupt und fiel unter den Streichen der Uebrigen. Mit ihm fand Electus den Tod, nachdem er zwei der Mörder niedergestreckt hatte; die übrigen kaiserlichen Kämmerer aber (denn seine eigenen hatte Pertinax unmittelbar nach seinem Regierungsantritt seinen Kindern als Eigenthum überlassen) flohen nach allen Richtungen hin. Mehrere berichten, die Soldaten seien sogar in das kaiserliche Schlafgemach21 gedrungen und haben daselbst den Pertinax, als er sich hinter sein Bett geflüchtet, getödtet.

12 Pertinax hatte in seinem Alter ein ehrwürdiges Aussehen, trug einen langherabhangenden Bart und seine Haare gelockt; sein [197] Körper war ziemlich stark, sein Bauch etwas hervorragend, seine Gestalt eine wahre Herrschergestalt. Beredtsamkeit besaß er in einem mittelmäßigen Grade. Mehr gefällig in Worten als wirklich freundschaftlich galt er nie für ganz offen. Obwohl er freundlich im Reben war, so war er doch der That nach karg, ja beinahe schmutzig geizig. Bevor er Kaiser war, ließ er nur halbe Salatköpfe und Artischocken seinen Gästen vorsetzen und, wenn er nicht sonst ein Gericht zugeschickt bekommen hatte, nur neun Pfund Fleisch auf drei Gänge, der Gäste mochten sein so viele ihrer wollten. Wenn ihm aber etwas mehr geschickt worden war, so hob er es noch auf den andern Tag auf, da er immer eine zahlreiche Gesellschaft zu seiner Tafel lud. Auch noch als Kaiser speiste er, wenn er keine Gäste hatte, auf dieselbe Weise. Wollte er seinen Freunden bisweilen etwas von seiner Morgenmahlzeit schicken, so bestand solches aus zwei Stückchen Fleisch, oder einem Stückchen Rinderkaldaunen, zuweilen auch aus Hennenflügeln. Ein Fasan wurde niemals während seines Privatstandes auf seiner Tafel aufgetragen noch Jemandem geschickt. Wenn er nicht in Gesellschaft seiner Freunde speiste, so waren seine Gemahlin und sein ehemaliger Lehrer Valerianus seine Tischgenossen, letzterer, um sich mit ihm über wissenschaftliche Gegenstände unterhalten zu können. Von allen denen, welchen Commodus Aemter verliehen hatte, entsetzte er Keinen eines solchen, sondern er wollte den Jahrestag der Stadt22 abwarten, mit dem eine neue Ordnung der Dinge beginnen sollte. Deßhalb sollen auch die Diener des Commodus ihn im Bade zu ermorden beabsichtigt haben.

13 Den Thron und Alles, was damit in Verbindung steht, [198] verabscheute Pertinax so sehr, daß er jederzeit sein Mißvergnügen darüber äußerte und als kein Anderer erscheinen wollte als er vorher gewesen war. In der Curie legte er die größte Ehrerbietung an den Tag, so daß er die Glückwünsche des Senats mit der tiefsten Verehrung annahm und mit allen Mitgliedern desselben so sprach als wenn er noch Stadtpräfect wäre. Er war auch Willens die Regierung niederzulegen und wieder in das Privatleben hinabzusteigen. Seine Kinder durften nicht im Palaste erzogen werden. Seine Sparsamkeit und Gewinnsucht giengen aber so weit, daß er selbst noch als Kaiser seinen Handel bei Vada Sabatia durch seine Leute ebenso forttreiben ließ wie er es vor seiner Thronbesteigung zu thun gewohnt gewesen war. Daher war er nicht sonderlich beliebt, und Jeder, der frei urtheilte und sprach, redete übel von ihm und nannte ihn chrestologus, einen Mann, der gut spräche und schlecht handle. Selbst seine eigenen Landsleute, die ihn als Kaiser haufenweise besucht, aber nichts von ihm erhalten hatten, nannten ihn so. Auch nahm er aus Bereicherungssucht mit Vergnügen Geschenke an. Pertinax hinterließ einen Sohn, eine Tochter und eine Gemahlin, die Tochter des Flavius Sulpicianus, den er an seine Stelle zum Stadtpräfecten ernannt hatte. Mit der weiblichen Ehre seiner Gemahlin nahm er es nicht sehr strenge; ein Citherspieler war ihr erklärter Liebhaber. Er selbst soll der Cornificia mit schändlicher Liebe zugethan gewesen sein.

14 Die Freigelassenen am Hofe hielt er mit großer Strenge in Schranken, welcher Umstand ihm ebenfalls einen heftigen Haß zuzog. Folgendes waren die Vorzeichen seines Todes. Drei Tage vor demselben glaubte er im Schwimmbade einen Menschen mit gezogenem Schwerte auf sich losgehen zu sehen. An dem Tage seiner Ermordung selbst soll man in seinen Augensternen die darinnen sonst abgebildeten Bilderchen der Gegenstände nicht mehr haben schwimmen [199] sehen. Bei einem im Innern des Palastes veranstalteten Opfer erloschen die in höchster Glut befindlichen Flammen, während diese sonst noch mehr sich anzufachen pflegt, und weder Herz noch Obertheil der Leber war, wie ich schon oben erzählt habe, bei den Opferthieren zu finden. Auch zeigten sich den Tag vor seinem Tode die Sterne neben der Sonne bei Tage im höchsten Glanze. In Betreff des Julianus als seines Nachfolgers soll er selbst ein Vorzeichen gegeben haben. Wie nämlich Didius Julianus seines Bruders Sohn, dem er seine Tochter verlobte, bei Pertinax einführte, sagte dieser unter andern Worten, womit er diesen jungen Mann zur Ehrerbietung gegen seinen Oheim ermahnte: Verehre diesen, meinen Amtsgenossen und Nachfolger. Didius war nämlich in früherer Zeit des Pertinax Amtsgenosse im Consulate und sein Nachfolger im Proconsulate gewesen. So sehr auch die Soldaten und Hofleute den Pertinax gehaßt hatten, so entrüstet war dagegen das Volk über seinen Tod, weil es sah, daß durch ihn der ehemalige Stand der Dinge in jeder Beziehung hätte zurückgeführt werden können. Die Soldaten, die ihn getödtet hatten, steckten seinen Kopf auf eine Lanze und trugen ihn durch die Stadt in das Lager. Seine irdischen Reste, zu denen man auch den Kopf wieder bekommen hatte, wurden in der Gruft des Großvaters seiner Gemahlin beigesetzt. Julianus, sein Nachfolger, ließ seinen im Palast aufgefundenen Leichnam mit der größten Ehre bestatten, that aber seiner niemals weder im Senate noch vor dem Volke öffentliche Erwähnung. Erst nachdem Julianus selbst von den Soldaten verlassen war, wurde Pertinax von Senat und Volk unter die Götter versetzt.

15 Unter dem Kaiser Severus aber, als der Senat das ehrenvollste Zeugniß für Pertinax ablegte, wurde ihm auf eine wahrhaft [200] kaiserliche Weise ein Schauleichenbegängniß23 gehalten, wobei Severus selbst ihn mit einer Leichenrede beehrte. Dieser Kaiser erhielt wegen seiner Zuneigung zu diesem trefflichen Kaiser von dem Senate den Namen Pertinax. Der Sohn des Ermordeten wurde zum Eigenpriester seines Vaters ernannt, und die Marcianische Brüderschaft, welche den Dienst des vergötterten Marcus besorgte, erhielt wegen des Helvius Pertinax den Namen Helvianer. Auch wurden ihm zu Ehren Circusspiele am Tage seiner Thronbesteigung und dem seiner Geburt gefeiert, doch die Feier der erstern hob Severus in der Folge auf; die der letztern aber wird noch beobachtet. Pertinax war geboren den 1. August unter dem Consulate des Verus und Bibulus, getödtet aber wurde er den 28. März unter dem Consulate des Falco und Clarus, nachdem er sein Leben auf 60 Jahre24, 7 Monate und 25 Tage, seine Regierung aber auf 2 Monate und 23 Tage gebracht hatte. Als Geschenk hatte er dem Volke auf den Mann 100 Denarien gegeben, den Prätorianern aber hatte er jedem 12000 Sestertien versprochen, jedoch nur die Hälfte davon wirklich ausbezahlt. Das den Heeren versprochene Geld erhielten diese nicht, da ihn der Tod übereilte, bevor dieß möglich war. Wie groß sein Widerwillen vor dem Throne war, beweist ein Schreiben vor ihm, das Marius Maximus seiner Lebensbeschreibung einverleibt hat, das ich aber hier seiner Länge wegen nicht beifügen will.

Anmerkungen

1 Da die römische Reichspost eine unmittelbare Staatsanstalt war, so wurde nur befördert wer sich mittelst eines Diploma des Kaisers oder dazu berechtigter Staatsbeamten ausweisen konnte, und ein solches erhielt in der Regel nur wer in Verrichtung unmittelbarer politischer oder militärischer Staatsgeschäfte reiste. In dem Diplom selbst war dann die Zeit, auf wie lange, die Art und Weise, in welcher der Postgebrauch erlaubt sei und die Poststationen, über welche der Weg genommen wurde, genau ausgedrückt.

2 Wir haben oben im Leben Hadrians Kap. 7 und in der Anmerkung dazu gesehen, daß durch die Milde mehrerer Kaiser Stiftungen für Kinder in Italien bestanden. Nun weiß man, daß in jeder der Landschaften, worin Italien getheilt war, ein angesehener Staatsbedienter den Titel procurator ad alimenta führte, welchem wahrscheinlich die Besorgung aufgetragen war, und als einen solchen finden wir hier Pertinax angeführt.

3 So hießen zur Kaiserzeit die nach 20 Dienstjahren ihres Eides entbundenen Veteranen, die bis zu völliger Verabschiedung bei dem Vexill ihrer Legion als besondere Mannschaft blieben, von aller Arbeit frei, außer den Feind zurückzuschlagen.

4 Umfaßte das heutige Ober- und Nieder-Oestreich, Steiermark, Kärnthen, einen Theil von Krain, Baiern, Tirol u. Salzburg.

5 Hierunter ist die Grenzhut gemeint. Uebrigens müssen wir unter diesem Ausdrucke die ausgedehnteste Gewalt eines Oberfeldherrn über die ganze Donaugrenzwehr und über alles Militär in den illyrischen Provinzen verstehen.

6 Der südlicher, am mittelländischen Meere hin, gelegene Theil von Oberitalien, etwa das jetzige Genuesische.

7 Rauchfreies Holz zur Heizung für die Zimmer war etwas sehr Nothwendiges für die Römer, da sie weder unsere Art Oefen noch Schornsteine kannten. Um nun solches zu erhalten, ließ man das Holz vor dem Gebrauche durch Feuer ausdörren und ansengen, so daß es, ohne völlig verkohlt zu werden, seine meiste Feuchtigkeit verlor. Die Zubereitung dieses Holzes sowohl als die Verhandlung desselben machte ein Gewerbe gemeiner Leute aus.

8 Ueber diese Göttin bemerkt Herodian 5,6 Folgendes: „Heliogabal ließ die Bildsäule der Urania herbeiholen, welche von den Carthagern und Africanern über die Maßen verehrt wird. Die Phönicierin Dido soll sie, als sie nach Zerschneidung einer Rindshaut die alte Stadt Carthago erbaute, errichtet haben. Die Africaner nennen die Göttin Urania, die Phönicier aber geben ihr den Namen Astroarche und behaupten, daß sie der Mond sei“. Ihr Tempel war sehr berühmt und das geheiligte Gebiet desselben hatte zwei englische Meilen im Umfang.

9 Nach der auch durch die consularischen Fasten bestätigten Conjectur von Obrecht, welcher liest: et ipsi Commodo plurimum placuit, quia ille Cos. septimum cum Pertinace factus est.

10 Es war keine wegen des so eben Vorgefallenen außerordentlicher Weise Statt findende Senatssitzung, sondern der Senat versammelte sich bei dem Anfang des Jahres allezeit in der Nacht vom 1. Januar.

11 Man glaubte nämlich, aus der allzugroßen und raschen Häufung von Ehrentiteln und Rechten, welche sonst nur nach und nach den Kaisern übertragen wurden, auf ein baldigs Ende des Pertinax schließen zu dürfen.

12 Man vgl. Kap. 14 im Leben des Commodus.

13 Statt per lese ich mit Obrecht: praeter.

14 Ich lese mit Salmasius: recidit.

15 Statt suis lese ich mit Casaubonus: viis.

16 Eine Stadt unweit Sabatia (dem j. Savona) in Ligurien, j. Vadi.

17 Casaubonus hält diese Stelle für lückenhaft, Salmasius für verdorben. Beide suchen ihr so gut als möglich zu helfen. Da aber keine anderweitigen historischen Nachrichten vorhanden sind, ob die Verschwörung des Falco mit der hier erzählten Geschichte von dem betrügerischen Sclaven zusammenhänge oder nicht, so dürfte wohl auf alle Emendation dieser verwirrten Stelle zu verzichten sein.

18 So hieß ursprünglich ein zu Athen der Athene gewidmetes Gymnasium, in welchem Dichter, Redner und Gelehrte ihre Werke vorzulesen pflegten und wo die freien Künste gelehrt wurden. Später ließ Kaiser Hadrian zu einem ähnlichen Zwecke ein Gebäude auf dem Capitol aufführen und nannte es auch Athenäum.

19 Sie steht bei Herodian 2,5.

20 Eine Völkerschaft im heutigen Lüttich’schen mit der Hauptstadt gleiches Namens, jetzt Tongern.

21 Das Schlafgemach war den Römern heilig.

22 Dieser fiel auf das Fest der Palilien, das am 21. April gefeiert wurde.

23 Eine ausführliche Beschreibung desselben findet sich bei Dio 74, 4. 5.

24 Dieß ist um die Verschiedenheit der Angaben anderer Schriftsteller über des Pertinax Alter zu übergehen nach der Angabe des Capitolinus selbst nicht richtig. Denn das Consulat des Verus und Bibulus fällt in das Jahr 126 n. Chr., das des Falco und Clarus aber in das Jahr 193. Pertinax war also zur Zeit seines Todes nahezu 67 Jahre alt.