Pescennius Niger

Ornament

Übersetzung

1 [244] Es ist ein seltenes und schwieriges Unternehmen, gute Lebensbeschreibungen von denjenigen Männern zu liefern, welche der Sieg ihrer Gegner zu Usurpatoren gemacht hat, und aus diesem Grunde findet man kaum vollständige Nachrichten über sie in den geschichtlichen Denkmälern und Jahrbüchern. Denn vor allem Andern werden ihre wirklich großen Thaten, die ihnen zur Ehre gereichen, von den Schriftstellern entstellt, sodann andere mit Stillschweigen übergangen, endlich wird wenig Fleiß auf die Untersuchung ihrer Herkunft und ihrer Lebensverhältnisse verwendet. Man begnügt sich, von ihrer Verwegenheit, von dem Kriege, worin sie unterlagen, und von ihrer Bestrafung zu sprechen. So war Pescennius Niger, einigen Nachrichten zufolge, von unscheinbarer, nach Andern aber von edler Herkunft. Sein Vater war Annius Fuscus, seine Mutter Lampridia [245] und sein Großvater Curator zu Aquinum1, woher2 seine Familie stammte, wiewohl dieß noch nicht außer Zweifel gesetzt ist. Seine wissenschaftliche Bildung war nicht sehr ausgezeichnet, sein Charakter mild, sein Vermögen mittelmäßig, er selbst sparsam, aber voll ungezügelter Leidenschaft in Befriedigung jeglicher Art von Sinnengenuß. Er war lange Centurio und brachte es nach Bekleidung verschiedener Befehlshaberstellen so weit, daß ihn Commodus, hauptsächlich auf die Empfehlung des Ringers, der ihn später erdrosselte, damals aber alles bei ihm vermochte, zum Anführer der Heere in Syrien ernannte.

2 Als Niger die Nachricht erhielt, Commodus sei ermordet, Julian zum Kaiser ernannt, aber auf Befehl des Severus und des Senates getödtet worden, auch habe Albinus in Gallien den Imperatorstitel angenommen, so wurde er von den Truppen in Syrien, die er befehligte, als Kaiser begrüßt, doch, wie Einige behaupten, weniger aus Eifersucht auf Severus, als aus Haß gegen Julian. Aus Abscheu gegen diesen bewiesen ihm in den ersten Tagen von dessen Regierung zu Rom diejenigen Senatoren wenigstens, welche auch den Severus haßten, eine solche Zuneigung, daß sie während des Steinregens3 und der allgemeinen Verwünschungen Julians ihm Glück wünschten und überdieß das Volk in seinen Acclamationen ihn Kaiser und Augustus nannte. Der Haß des Volkes gegen Julian rührte aber daher, weil die Soldaten den Pertinax getödtet und jenen dem Willen des Volks zuwider zum Imperator ausgerufen hatten. Dieß veranlaßte überhaupt große Parteiungen. Julian begieng die Thorheit, [246] zur Ermordung Nigers, der an der Spitze eines Heeres stand und sich vertheidigen konnte, einen Primipilaren abzuschicken, gleich als könnte jeder Kaiser ohne Unterschied von einem Primipilaren getödtet werden. Gleiche Kopflosigkeit verrieth er dadurch, daß er dem bereits zum Kaiser ausgerufenen Severus einen Nachfolger schickte, und endlich auch noch den Aquilius, einen durch die Ermordung mehrerer Feldherrn bekannten Centurio, absandte, als könnte ein Kaiser wie Severus von einem Centurio getödtet werden. Eine gleiche Narrheit war es von Julian, daß er, wie man sagt, den Kampf um den Thron als einen Rechtshandel betrachtet und aus der früheren Besitznahme die Rechtmäßigkeit seines Thronbesitzes folgern wollte.

3 Die Gesinnungen des Volks gegen Pescennius Niger sprachen sich deutlich dadurch aus, daß, als bei den Circusspielen, welche Julian zu Rom gab, die Sitze ohne Unterschied besetzt wurden und man das Volk deßhalb sehr übel behandelte, Alle einstimmig aus Haß gegen Julian und Anhänglichkeit an den ermordeten Pertinax, wie schon erwähnt, den Pescennius Niger zum Schutze der Stadt herbeiriefen. Bei dieser Gelegenheit soll Julian geäußert haben, weder ihm selbst, noch dem Pescennius gebüre eine lange Regierung, sondern dem Severus, der von den Senatoren, Soldaten, Provincialen und Einwohnern Roms mehr gehaßt werden würde, was auch der Erfolg bestätigte. Pescennius stand mit Severus, als dieser noch Statthalter des lugdunensischen Gallien war, in sehr freundschaftlichen Verhältnissen. Ersterer war nämlich abgeschickt worden, die Ausreißer4, welche damals in Unzahl Gallien belästigten, festzunehmen. Die rühmliche Art und Weise, auf welche Niger diesem Auftrage nachkam, erfüllte den Severus mit einer solchen Freude, daß [247] er Bericht über ihn an Commodus erstattete und ihn in demselben einen um den Staat hochverdienten Mann nannte. Und wirklich bewies Niger im Kriegswesen eine durchgreifende Strenge. Niemals durfte unter ihm ein Soldat von einem Provinzialen Holz, Oel oder Dienstleistungen mit Gewalt erpressen. Er selbst nahm, als er noch Tribun war, nichts an von Soldaten, verbot aber auch etwas anzunehmen. Und als Kaiser ließ er zwei Tribunen, von denen es erwiesen war, daß sie den Soldaten unerlaubte Abzüge gemacht, von den Hülfsvölkern steinigen. Es ist noch ein Schreiben des Severus an Ragonius Celsus, Statthalter in Gallien, vorhanden, worin es unter Anderem heißt: „Es ist traurig, daß wir den in der Handhabung der Kriegszucht nicht nachahmen können, den wir mit Waffengewalt überwunden haben. Deine Soldaten schwärmen herum, die Tribunen baden sich mitten im Tag, haben statt der Speisezimmer Garküchen, statt der Schlafzimmer Bordelle, tanzen, saufen, singen und befleißigen sich des Maßhaltens bei den Gelagen, wenn sie ohne Maß trinken. Würde das bei uns geschehen, wenn nur noch ein Tropfen von altrömischer Kriegszucht in uns wäre? Suche daher zuerst die Tribunen, sodann die Soldaten zu bessern. So lange du diese fürchtest, so lange wirst du nicht gefürchtet werden. Vergiß nicht Nigers Grundsatz: der Soldat könne sich nicht fürchten, wenn nicht die Tribunen und Feldhauptleute untadelhaft seien“. Dieß ist das Urtheil des Kaisers Severus über Niger als Heerführer5.

4 Ueber ihn als Soldaten schrieb Marcus Antoninus Folgendes an Cornelius Balbus: „Du lobst gegen mich den Pescennius; ich bin damit einverstanden. Denn auch dein Vorgänger hat ihn [248] als einen persönlich tapfern, besonnenen und schon damals eines höhern Ranges würdigen Mann geschildert. Ich schicke daher ein bei den Fahnen zu verlesendes Schreiben, nach welchem ihm der Befehl über 300 Armenier, 100 Sarmaten und 1000 Mann unserer Truppen übergeben wird. Dir kommt es zu, zu zeigen, daß er nicht durch Parteilichkeit, welche meinem Charakter fremd ist, sondern durch sein eigenes Verdienst einen Posten erhalten hat, den mein Großvater Hadrian, sowie mein Urgroßvater Trajan nur den erprobtesten Männern zu geben pflegten“. Commodus äußerte sich über Niger also: „Ich kenne den Pescennius als einen tapfern Mann und habe ihm bereits zwei Tribunate gegeben. Ein Commando werde ich ihm in kurzer Zeit geben, wenn Aelius Corduenus vorgerückten Alters wegen aus dem Dienste tritt“. So sprach sich das allgemeine Urtheil über Niger aus. Aber auch Severus selbst äußerte häufig, er würde dem Pescennius verzeihen, wenn er nicht auf seinen Ansprüchen bestände. Endlich wurde Pescennius von Commodus zum Consul ernannt und so dem Severus vorgezogen, der sehr aufgebracht darüber war, daß Niger auf Empfehlung der Primipilaren das Consulat erhielt. Severus sagt in seiner Lebensbeschreibung, er sei einst während einer Krankheit zu einer Zeit, wo seine Söhne noch nicht das gehörige Alter für den Thron gehabt, Willens gewesen, im Falle ihm etwas zustoßen sollte, den Pescennius Niger und Clodius Albinus zu seinen Nachfolgern zu ernennen, welche Beide als seine gefährlichsten Feinde auftraten. Man sieht aus dieser Nachricht, was auch Severus von Pescennius hielt.

5 Wenn wir dem Severus glauben, so war Niger ruhmsüchtig, heuchlerisch, ein Mann von schändlichen Sitten und bereits ziemlich bejahrt, als er den Purpur annahm. Von dem letzteren Umstande nimmt Severus Veranlassung, ihm seine Leidenschaften vorzuwerfen, [249] wie wenn er selbst jünger zum Reiche gelangt wäre, da er doch, wiewohl er sich für jünger ausgab, 18 Jahre regiert hat und im 89. gestorben ist. Severus schickte den Heraclius ab, um sich Bithyniens zu bemächtigen, den Fabius aber, um sich der erwachsenen Söhne des Pescennius zu versichern. Indeß äußerte er nichts im Senate über Niger, obgleich er Nachricht von dessen Erhebung erhalten hatte und selbst im Begriffe stand, zur Ordnung der Angelegenheiten des Orients abzureisen. Die einzige Maßregel, die er bei seiner Abreise traf, war, daß er einige Legionen nach Africa6 schickte, damit nicht Pescennius sich dieser Provinz bemächtige und das römische Volk mit Hunger bedränge. Und wirklich schien er dieß von Libyen und Aegypten her, zwei Africa benachbarten Ländern, aller Schwierigkeiten des Marsches oder der Seefahrt ungeachtet, thun zu können. Als Severus gegen den Orient heranzog, hatte Pescennius bereits Griechenland, Thracien und Macedonien besetzt, nachdem er viele erlauchte Männer hatte tödten lassen. Er lud nun den Severus zur Reichsgenossenschaft ein, dieser aber erklärte ihn, des so eben erwähnten Umstandes wegen, nebst dem Aemilianus für einen öffentlichen Feind und schlug sodann durch seinen Feldherrn die unter Aemilians Oberbefehl [250] stehenden Truppen Nigers in einer Schlacht. Nun bot ihm Severus, wenn er die Waffen niederlegen würde, einen sichern Aufenthaltsort außerhalb Rom an; allein Niger beharrte auf seinem Unternehmen, lieferte eine zweite Schlacht, verlor dieselbe und wurde auf der Flucht bei Cyzicus nahe an einem Sumpfe verwundet. In diesem Zustande wurde er vor Severus gebracht, verschied aber sogleich.

6 Sein Kopf wurde auf einem Speere herumgetragen und nach Rom geschickt, seine Kinder umgebracht, seine Frau getödtet, sein Vermögen eingezogen und seine ganze Familie ausgerottet. Indeß geschah dieß Alles erst als Severus von der Empörung des Albinus Nachricht erhielt; denn früher hatte er Nigers Kinder und ihre Mutter nur verwiesen. Allein durch den zweiten und noch mehr den dritten Bürgerkrieg7 entbrannte des Severus Zorn und er wurde hartherziger. Denn damals ließ Severus eine zahllose Menge Senatoren hinrichten, daher ihn Einige den punischen Sulla, Andere Marius nannten. Pescennius war auch von Wuchs hoch und wohlgebildet; sein Haar trug er in schönen Locken zurückgescheitelt; seine Stimme war so volltönend und hell, daß, wenn der Wind nicht entgegen wehte, man seine Worte auf freiem Felde auf 1000 Schritte weit hören konnte. In seinem Gesichte zeigte sich immer eine gewisse bescheidene Röthe, sein Nacken dagegen war so schwarz, daß er deßwegen nach der Behauptung Mehrerer den Namen Niger bekam. Sonst war er weiß und etwas starken Leibes. Dem Genusse des Weins war er sehr ergeben, dagegen aß er wenig; der Liebe pflegte er blos behufs der Erzeugung von Kindern, daher ihm einst in Gallien die öffentliche [251] Stimme die Feier gewisser Mysterien, wo man bei der Aufnahme hauptsächlich auf die Keuschheit sieht, übertrug. Man sieht noch jetzt sein Bildniß in den Gärten des Commodus in einer gewölbten Gallerie in Mosaik unter den Günstlingen des Commodus, wie er die Heiligthümer der Isis trägt, deren Verehrung Commodus so ergeben war, daß er seinen Kopf schor, den Anubis trug und alle Pausen8 mitmachte. So war also Niger brav als Soldat, einzig in seiner Art als Tribun, vortrefflich als Heerführer, sehr strenge als Legat, vortrefflich als Consul, und ausgezeichnet als Krieger und Staatsmann, aber unglücklich als Kaiser. Wenn er für Severus sich hätte erklären wollen, so hätte er gewiß unter diesem so hartherzigen Kaiser dem Staate von Nutzen sein können.

7 Allein er ließ sich durch die Rathschläge des Severus Aurelianus mißleiten, der seine Töchter Nigers Söhnen verlobt hatte und diesen zur Behauptung seiner Ansprüche auf den Thron bewog. Niger stand bei Marcus Antoninus und in der Folge bei Commodus in einem so großen Ansehen, daß, da er sah wie die Provinzen durch den häufigen Wechsel der Landesverweser zu Grunde giengen, er diesem Kaiser den schriftlichen Rath ertheilen konnte, es solle kein Statthalter, Legat oder Proconsul in einer Provinz vor Ablauf von 5 Jahren einen Nachfolger erhalten, weil sie sonst ihre Gewalt früher niederlegen müßten als sie die Verwaltung verstünden; und es sollten auch, damit, die Kriegsbedienten ausgenommen, keine unerfahrenen Neulinge [252] sich mit den Staatsgeschäften befaßten9, die Assessoren10 in den Provinzen, wo sie dieses Amt bekleidet, als Staatsbeamte angestellt werden, was hernach Severus und viele andere folgende Kaiser so gehalten haben, wie dieß die Präfekturen des Paulus und Ulpianus beweisen, welche unter Papinian im Staatsrathe gesessen und welche, nachdem der eine den Vortrag, der andere die Ausfertigungen gehabt hatte, alsbald Präfecten wurden. Von Niger rührt auch die Verordnung her, daß Niemand in der Provinz, woher er gebürtig sei, Assessor sein und Niemand zu Rom als ein Beamter angestellt werden sollte, außer ein Römer, d. h. einer, der ursprünglich aus Rom abstammte. Ueberdieß setzte er Gehalte für die Räthe fest, damit sie nicht denjenigen, denen sie beistünden, lästig werden möchten, weil, wie er sich äußerte, ein Richter weder geben noch nehmen dürfe. Gegen die Soldaten war Niger äußerst strenge. So entgegnete er einst den Grenzsoldaten11, welche Wein von ihm verlangten: Wie ihr habt den Nil und begehrt nach Wein? Das Wasser dieses Flusses ist nämlich so lieblich, daß die Anwohner desselben kein Bedürfniß nach [253] Wein fühlen. Ein anderes Mal, als eine Abtheilung Truppen, welche von den Saracenen geschlagen worden war, zu ihrer Entschuldigung vorbrachte, wir haben keinen Wein erhalten, wir können nicht fechten, sagte Niger: Schämt euch, die, die euch schlagen, trinken Wasser! Den Einwohnern Palästina’s, die um Erleichterung der Abgaben baten, weil sie zu sehr damit belastet seien, gab er den Bescheid: Ihr wollt, daß eure Ländereien eine Abgaben-Erleichterung zu Theil werde? Ich wollte, ihr müßtet sogar eure Luft versteuern!

8 Als während der heftigen Erschütterungen des Staats die Nachricht kam, drei seien Kaiser, nämlich Severus Septimius, Pescennius Niger und Clodius Albinus, und man das Orakel des delphischen Apollo befragte, welcher von diesen dem Staate als Regent am meisten frommen würde, soll es mit folgendem griechischem Verfe geantwortet haben:
Gut ist der Pöner, der Beste der Braune, der Schlimmste der Weiße.
Man ersah daraus, daß das Orakel unter dem Braunen den Niger, unter dem Pöner den Severus und unter dem Weißen den Albinus verstand. Doch damit beruhigte sich die Neugierde nicht. Man fragte weiter, wer den Thron besteigen würde? Auf diese Frage antwortete das Orakel in anderen Versen folgendermaßen:
Strömen wird hin das Blut des Weißen und dräuenden Schwarzen,
Und Beherrscher der Welt wird der Sprößling der punischen Stadt sein.
Auf die Frage sodann, wer dem Letztern auf dem Throne folgen würde, soll ebenfalls in einem griechischen Verse geantwortet worden sein:
Dem den Namen Pius zu führen vergönnten die Götter.
Diese Antwort verstand man indeß erst dann recht, als Bassianus den Namen Antoninus erhielt, welches der wahre Unterscheidungsname [254] des Pius war. Als man noch ferner fragte, wie lange der Africaner regieren werde, soll die griechische Antwort erfolgt sein:
Zwanzig Schiffe sind es, womit die italische Meerflut
Er betritt; doch Eins setzet nur über das Meer.
Man ersah daraus, daß Severus zwanzig volle Jahre regieren werde.

9 Dieß ist, Diocletianus, größter der Kaiser, Alles, was ich bei mehreren Schriftstellern über Pescennius habe finden können. Denn es ist, wie ich gleich im Eingange meiner Schrift bemerkt habe, nicht leicht, eine Lebensbeschreibung von denjenigen zu liefern, welche entweder nicht wirkliche Kaiser gewesen oder welche vom Senate nicht als Kaiser anerkannt oder, bevor sie sich einen Namen machen konnten, getödtet worden sind. Daher kommt es, daß man von Vinder, von Piso12 und allen denjenigen, welche entweder nur angekindet13 oder von den Soldaten, wie Antonius14 unter Domitian, zu Kaisern ausgerufen oder schnell getödtet worden sind und zugleich mit dem Purpur das Leben verloren haben, fast gar nichts weiß. Um indeß nicht das Ansehen zu haben, als habe ich etwas den Pescennius Betreffendes [255] übergangen, obgleich man dieß bei andern Schriftstellern finden kann, so sollte er einer Weissagung zufolge weder todt noch lebendig in die Gewalt des Severus kommen, sondern am Rande eines Wassers seinen Tod finden, ja einigen Nachrichten zufolge soll Severus selbst, als der sich auf die Sterndeuterei verstand, diese Weissagung ausgesprochen haben. Und wirklich bewahrheitete dieselbe der Erfolg, indem Pescennius halbtodt neben einem Sumpfe gefunden wurde.

10 Gegen die Soldaten verfuhr er mit der größten Strenge. Einst hatte er während einer kriegerischen Unternehmung gesehen, wie einige derselben aus einem silbernen Becher tranken. Sogleich untersagte er den Gebrauch alles Silbergeschirrs während des Marsches gegen den Feind, und befahl sie sollten sich hölzerner Gefäße bedienen, was die Soldaten sehr gegen ihn aufbrachte. Als Grund dieser Verfügung gab er an, es sei leicht möglich, daß das Gepäck der Soldaten den Feinden in die Hände gerathe und in diesem Falle sollten die barbarischen Völker nicht mit unserem Silber prahlen. Denn anderes Geräthe schien ihm weniger geeignet für die Prahlsucht der Feinde. Auch verbot er während eines Feldzuges Jedermann den Genuß von Wein; Alle sammt und sonders sollten sich mit Weinessig begnügen. Ebenso duldete er keine Bäcker im Lager15; die Soldaten, und überhaupt [256] Alle, sollten mit Zwieback zufrieden sein. Einstmals wollte Niger zehn Mann aus einem Manipel eines einzigen Hahnen wegen, den einer davon einem Provincialen gestohlen, die 9 Andern aber mitverzehrt hatten, mit dem Beile enthaupten lassen und hätte es auch wirklich gethan, wenn sich nicht das ganze Heer mit einem Nachdrucke, der einen Aufstand befürchten ließ, für sie verwendet hätte. Pescennius ließ sich nun zwar erbitten, doch sollte ein jeder von den zehn Soldaten, welche den gestohlenen Hahnen miteinander verzehrt hatten, den zehnfachen Werth dem Eigenthümer desselben erstatten, mit dem Zusatze, daß keiner derselben während des ganzen Feldzugs Feuer anmachen oder etwas frisch Gekochtes genießen dürfe, sondern alle sich mit Brod und kalten Speisen begnügen sollten, worauf er durch Aufpasser Achtung geben ließ. Ueberdieß verordnete Niger, die Soldaten sollen während des Krieges keine Gold- oder Silbermünzen im Gürtel bei sich tragen, sondern solches bei der Legion niederlegen und nach geendigtem Kriege das Eingelegte zurückerhalten; denn, sagte er, man müsse es wenigstens den Kindern, Weibern und anderen Erben derer, die umgekommen wären16, zurückgeben, damit dem Feinde keine Beute zu Theil würde, wenn das Glück sich ungünstig erzeigen sollte. Indessen alle diese Maßregeln waren, wie es die Verdorbenheit unter Commodus mit sich brachte, keineswegs heilbringend für ihn. Kurz, ungeachtet es zu seiner Zeit Niemand gab, der für einen strengeren Feldherrn gegolten hätte, so trug dieß blos noch mehr zu seinem Verderben bei. Denn erst nach seinem Tode, als Haß und Neid verstummt waren, wurden solche Beispiele anerkannt.

11 Pescennius begnügte sich jederzeit auf seinen Feldzügen mit der gewöhnlichen Soldatenkost, die er Angesichts aller Soldaten [257] vor seinem Zelte zu sich nahm; auch suchte er niemals gegen die Sonnenhitze oder den Regen ein Obdach, wenn der Soldat eines solchen entbehren mußte. Im Felde gieng er den Truppen mit gutem Beispiele voran; er selbst, seine Sclaven oder sonstige Personen seiner Umgebung, trugen ebenso viel als die Soldaten. Seine Sclaven mußten den Proviant tragen, damit nicht die beladenen17 Soldaten, während sie jene behaglich einhergehen sähen, darüber ungehalten werden möchten. Niger betheuerte auch in der Heerversammlung, daß, so lange er an der Spitze eines Heeres gestanden habe oder noch stehen werde, er nicht anders als ein gemeiner Soldat gelebt habe und leben werde18, wobei er den Marius und andere große Feldherrn vor Augen hatte. Auch waren Hannibal und andere diesem ähnliche Heerführer der Hauptgegenstand seiner Unterhaltung. Als ihm einst, da er bereits Kaiser war, Jemand eine Lobrede auf ihn vorlesen wollte, entgegnete er diesem: „Schreibe lieber eine Lobrede auf Marius oder Hannibal oder einen andern bereits verstorbenen großen Feldherrn, und erzähle mir was er gethan hat, daß er uns zum Vorbilde diene. Denn eine Lobpreisung von noch lebenden Männern, hauptsächlich von Kaisern, von denen man hofft, welche man fürchtet, welche öffentliche [258] Gnadenbezeugungen ertheilen, welche tödten und ächten können, ist eine Satire. Mein Wunsch ist, bei meinen Lebzeiten mir Beifall zu verdienen, nach meinem Tode aber auch Lob einzuernten“.

12 Unter den Kaisern waren ihm Augustus, Vespasianus, Titus, Trajan, Pius und Marcus die liebsten; die Andern nannte er Taugenichtse und Verderber der Menschheit. In der Geschichte waren seine Lieblingshelden Marius, Camillus und Quintus Coriolanus. Als man ihn einst um sein Urtheil über die Scipionen fragte, soll er geantwortet haben, sie seien mehr glücklich als tapfer gewesen. Dieß beweise ihr Privatleben und ihre Erziehung, welche letztere, wie allbekannt, in dem älterlichen Hause Beider zu vornehm gewesen sei. Hätte sich Pescennius wirklich im Besitze der Reichsgewalt behauptet, so würde er ohne Zweifel alles verbessert haben, was Severus entweder nicht verbessern wollte oder nicht konnte, und dieß ohne Grausamkeit, sondern vielmehr sogar mit Milde, aber nicht mit einer schlaffen, übelangebrachten und lächerlichen, sondern mit einer kriegsmännischen. Sein Palast steht noch jetzt unter dem Namen des Pescennianischen zu Rom auf dem Juppitersplatze. Man sieht auch noch ein ihm sehr gleichendes Standbild aus thebäischem Marmor, das der König von Theben19 ihm zum Geschenke gemacht, Statius Postumius20 aber auf den Giebel des Palastes hatte stellen lassen. Es befindet sich daran eine griechische Aufschrift, welche in der Uebersetzung also lautet:
[259] Dieß ist Niger, der große Schrecken der Krieger Aegyptens,
Thebens Bundesgenoß, Bringer der goldenen Zeit,
Er, der Könige Liebling, der Völker, der herrlichen Roma,
Den Antoninen werth, theuer dem römischen Staat.
Schwarz ist sein Nam’ und schwarz ist er von uns selber gebildet,
Auf daß in Harmonie stünden Gestalt und Gestein.
Diese Verse wollte Severus nicht weggetilgt wissen, obwohl seine Präfecten und die Oberhofmeister des Palastes21 ihm solches anriethen. „War Niger – entgegnete er – wirklich ein solcher Mann, so möge Jedermann wissen, was für einen großen Mann wir besiegt haben. War er es aber nicht, so soll die ganze Welt glauben, daß wir einen solchen besiegt haben. Oder ja, die Aufschrift soll bleiben, weil er wirklich ein solcher Mann war“. Ich muß nun noch von Clodius Albinus reden, der gleichsam für einen Genossen Nigers gilt, sowohl weil sie sich auf gleiche Weise gegen Severus erhoben haben, als auch von eben diesem Kaiser besiegt und getödtet worden sind. Aber auch über ihn hat man nur spärliche Nachrichten, weil er, wiewohl im Betragen dem Niger höchst unähnlich, dennoch dasselbe Schicksal wie dieser gehabt hat.

Anmerkungen

1 Das heutige Aquino im Königreich Neapel.

2 Ich lese: ex quo.

3 Man vgl. darüber das 4. Kapitel im Leben Julians.

4 Man sehe darüber die Anmerkung zu Commodus Kap. 16.

5 Ich lese mit Salmasius: haec de Pescennio Severus Augustus duce; at milite Marcus etiam Antoninus.

6 Unter diesem Namen ist hier die römische Provinz Africa, Africa propria, zu verstehen, jener fruchtbare Strich Landes vom Vorgebirge Metagonium bis an die Altäre der Philänen oder das Gebiet von Constantine, Tunis und Tripolis. Sie war wegen ihrer Fruchtbarkeit immer berühmt gewesen (in der Provinz Byzacene z. B. trug das Korn 150fältige Frucht), und so lange die Getraideflotten von da nicht ausblieben, blieben die Einwohner der ewigen Stadt ruhig. Africa war daher nach Italien die wichtigste Provinz des Reichs. Außer Getraide wurde auch Oel und Holz zu Heizung der öffentlichen Bäder in Menge nach Rom gebracht.

7 Unter dem ersten Bürgerkrieg versteht Spartian Severs Zug gegen Julian nach Rom, unter dem zweiten den Krieg mit Niger, und unter dem dritten, den Krieg mit Albinus.

8 Pausas expleret. So lese ich mit Salmasius. Diese pausae, zuweilen auch mansiones genannt, waren gewisse Stand- und Ruheplätze, wo von denen, welche den Anubis trugen, das Götterbild niedergesetzt und von allen, welche die Feierlichkeit mitmachten, geruht wurde. Gemeiniglich waren es Tempel, Kapellen und geheiligte Bäume.

9 Ich interpungire mit Obrecht: deinde, ne novi ad regendam rempublicam accederent, praeter militares administrationes, intimavit etiam, ut assessores etc.

10 Sie mußten auf Verlangen des Statthalters Untersuchungen in Rechtssachen vornehmen und ihr Gutachten abgeben, ohne doch selbst einen entscheidenden Ausspruch thun zu können.

11 An den Grenzen des römischen Reichs waren Militärcolonien, deren Mitglieder – milites limitanei – das Land zu bebauen und zu vertheidigen hatten. Sie standen unter eigenen Anführern und hatten besondere Privilegien. Das von ihnen bebaute Land war ihr Eigenthum, sie konnten es auch vererben, jedoch nur unter der Bedingung, daß der Erbe selbst Soldat sei oder es werde.

12 Ueber Piso sehe man die Anmerk. im Leben Albius, Kap. 12 nach. Julius Vinder war Statthalter in Gallien und bewog in den letzten Zeiten Neros seine Truppen von diesem abzufallen und sich für Galba zu erklären; ehe er aber sein Heer mit dem der Gallier vereinigen konnte, wurde er bei Vesontio (Besançon) getödtet.

13 Nämlich von den Kaifern und dann den Cäsartitel führten.

14 Antonius war Statthalter in Ober-Germanien und erhob wegen einer ihm von Domitian widerfahrenen beschimpfenden Kränkung die Fahne der Empörung, jedoch ohne sich behaupten zu können. Er erlag dem Appius Norbanus in einer Schlacht.

15 In den ältern Zeiten der Republik mußten die Soldaten selbst ihr Getraide mahlen und Brod aus Waizenmehl backen, was in eisernen Pfannen geschah. Indeß schon in den letzten Zeiten der Republik wurde nicht mehr sehr strenge über diesem Befehle gehalten, sondern Schaaren von Bäckern und Marketendern, bei welchen man Lebensmittel aller Art haben konnte, folgten dem Heere. Später wurde eine Art Kommisbrod, buccelatum, Zwieback, für das ganze Heer gebacken, das zwar leicht fortzubringen, aber nicht sehr wohlschmeckend war.

16 Statt qui venissent lese ich mit Obrecht: qui perissent.

17 Die römischen Soldaten waren nämlich auf dem Marsche außer ihren Waffen, welche sie kaum für eine Last ansahen, noch mit Küchengeräthe, Schanzwerkzeugen und Lebensmitteln auf mehrere Tage beladen, daher sie der Geschichtschreiber Josephus in seiner Geschichte des jüdischen Krieges 3,5 mit Packeseln vergleicht.

18 Ich lese mit Salmasius: idem in concione juravit se quamdiu in expeditionibus fuisset, essetque adhuc futurus, nonaliter egisse acturumque esse quam militem.

19 Thebais oder Ober-Aegypten, worin Thebä die Hauptstadt war, stand zwar schon seit Augustus unter römischer Herrschaft, doch Thebä hatte noch einen eigenen Dynasten, König genannt, unter der Oberherrlichkeit der Römer.

20 So lese ich mit Casaubonus statt statim post annum.

21 Officiorum magistri. Befehlshaber der Hofdienerschaften, Vorgesetzte aller Hofämter und mehrerer Staatsanstalten. Sie hatten die Aufsicht über die Sitten aller zum Hofstaate gehörenden Personen, eine Art von Gerichtsbarkeit über diejenigen in Rom an welche ein kaiserlicher Befehl in causis pecuniariis ergieng, und über verschiedene in Hofdiensten stehende Personen; sodann weiter noch die Aufsicht über die Zeughäuser, Grenzsoldaten und Grenzländereien. Dieses wichtige Amt wurde in der Regel einem Rechtsgelehrten anvertraut.