Probus

Ornament

Übersetzung

1 [706] Es ist eine richtige Bemerkung, welche die Geschichtschreiber Sallustius Crispus, so wie Marcus Cato und Gellius als Sentenz in ihren Werken ausgesprochen haben, daß die Verdienste eines jeden großen Mannes nur in dem Glanze strahlen, in welchem sie das Talent derjenigen, welche die Thaten eines jeden beschrieben haben, erscheinen lassen will. Daher sei es denn auch gekommen, daß Alexander der Große von Makedonien an dem Grabmale des Achilles mit tiefem Seufzer ausgerufen habe: Glücklicher Jüngling, der du einen solchen Herold deiner Thaten gefunden hast! worunter er den Homer verstanden wissen wollte, der ein solches Gemälde von des Achilles Heldencharakter lieferte wie es sein Genie hervorzubringen im Stande war. Damit du aber, mein theuerster Celsus, nicht etwa nach dem Grunde einer solchen Einleitung zu fragen dich veranlaßt findest, so wisse, der Kaiser Probus, durch dessen Waltung Ost und West, Mittag und Mitternacht, kurz alle Theile der Welt die vollkommenste Ruhe erhalten haben, ist uns aus Mangel an [707] Geschichtschreibern beinahe schon unbekannt geworden. Untergegangen ist, o Schande, die Geschichte eines so großen, so ausgezeichneten Mannes, wie ihn nicht die punischen Kriege, nicht die Zeiten des gallischen Schreckens, nicht die Bewegungen des Pontus, noch die Kämpfe wider Hispaniens Schlauheit aufzuweisen haben. Doch ich, von dem erst kürzlich nur Aurelians Lebensbeschreibung verlangt worden ist, die ich, so gut ich es vermochte, geliefert und der ich bereits auch eine Geschichte des Tacitus und Florianus verfaßt habe, kann es nicht über mich bringen, die Thaten des Probus unberührt zu lassen, da ich, wofern ich länger leben sollte, eine Geschichte aller noch übrigen Kaiser bis auf Maximianus und Diocletianus herab zu schreiben Willens bin, wobei es mir aber mehr um die geschichtlichen Thatsachen, deren Andenken ich erhalten will, als um eine schöne, kunstreiche Darstellung zu thun sein wird.

2 Ich habe, um dich, theuerster Freund, über Nichts im Dunkeln zu lassen, zu dieser Lebensbeschreibung des Probus vornehmlich die ulpische, nunmehr in den diocletianischen Bädern befindliche Bibliothek, so wie die Büchersammlung im tiberianischen Palaste benützt; ferner auch die Register der porphyrischen Gallerieen nebst den Senats- und Volksverhandlungen. Ueberdieß ist mir bei der Zusammenstellung der Thaten dieses Helden das Tagebuch des sehr ehrsamen und rechtschaffenen Turdulus Gallicanus sehr zu Statten gekommen, weshalb ich hier gegen meinen bejahrten Freund meinen Dank für seine Gefälligkeit auszusprechen für meine Pflicht halte. Wer würde doch den vom Glanz dreier, nämlich über die Seeräuber, den Sertorius und den Mithridates, erhaltener Triumpbe umstrahlten und durch so viele Großthaten ausgezeichneten Cneus Pompejus kennen, wenn nicht Marcus Tullius und Titus Livius sein Andenken in ihren Schriften erhalten hätten? Publius Scipio Africanus, [708] ja sämmtliche Scipionen, die Lucius wie die Nasica’s – würde sie nicht eine ewige Nacht der Vergessenheit bedecken, wenn nicht berühmte und unberühmte Geschichtschreiber Herolde ihres Ruhmes gewesen wären? Es würde zu weitläufig sein, alle ähnlichen Beispiele, welche auch ohne mich angeführt werden könnten, hier beizubringen. Das aber will ich ausdrücklich bemerkt haben, daß ich hier Thatsachen liefere, die der, so da will, durch erhabene Worte in einem reizenderen Gewande darstellen kann. Denn meine Absicht bei Schilderung der Kaiser und ihrer Regierung gieng keineswegs dahin, einen Sallust, Livius, Tacitus, Trogus und alle andere durch die Kunst der Darstellung so ausgezeichnete Schriftsteller nachahmen zu wollen, sondern es schwebten mir dabei vielmehr ein Marius Maximus, Suetonius Tranquillus, Fabius Marcellinus, Gargilius Martialis, Julius Capitolinus, Aelius Lampridius und die andern, welche bei Behandlung desselben oder eines ähnlichen Gegenstandes nicht so wohl auf die Schönheit der Darstellung als auf die geschichtliche Wahrheit Rücksicht genommen haben, als Vorbilder vor. Denn da ich nicht alles wissen kann, so suche ich dir so viele Nachrichten als möglich beizubringen, und dazu habt ihr mich ernuntert, die ihr, eures reichen Wissens ungeachtet, dennoch eure Kenntnisse immer mehr zu erweitern strebt.

3 Probus war ein Pannonier, aus der Stadt Sirmium gebürtig. Seine Mutter war von vornehmerer Herkunft als sein Vater. Er hatte ein nur mittelmäßiges Vermögen und eine nicht sehr ansehnliche Verwandtschaft, allein die ausgezeichneten Verdienste, die er sich sowohl vor als nach seiner Gelangung zum Reiche erwarb, warfen einen hellen Glanz auf ihn. Sein Vater hatte einigen Nachrichten zufolge Maximus geheißen und lange Zeit auf das Ehrenvollste als Centurio und sodann als Tribun gedient und war in Aegypten [709] mit Hinterlassung einer Frau, eines Sohnes und einer Tochter gestorben. Mehrere wollen wissen, Probus sei ein Anverwandter, des so trefflichen und ehrwürdigen Kaisers Claudius gewesen, weil aber diese Nachricht nur auf dem Zeugnisse eines einzigen griechischen Schriftstellers beruht, so lasse ich sie dahin gestellt. Das nur will ich bemerken, daß ich in dem Tagebuche gelesen zu haben mich erinnere, daß seine Schwester Claudia seine Bestattung besorgt habe. Als Jüngling zeichnete sich Probus durch seine körperlichen Fertigkeiten so sehr aus, daß Valerian ihn, fast ehe er noch einen Bart hatte, zum Tribunen ernannte. Man hat noch ein Schreiben dieses Kaisers an Gallienus, worin er den noch jungen Probus lobt und ihn Allen als Vorbild empfiehlt. Dieß beweist, daß Niemand in seinen reiferen Jahren auf den Gipfel der Vollkommenheit gelangt ist, wenn er nicht schon in seiner Jugend in der edeln Pflanzschule des Verdienstes sich gebildet und Großes von sich versprochen hat.

4 Das Schreiben Valerians ist folgendes: „Der Kaiser Valerianus an seinen Sohn, den Kaiser Gallienus. Sowohl der Stimme meines eigenen Urtheils, das ich von jeher über Probus noch als angehenden Jüngling gefällt habe, als auch dem aller Rechtschaffenen, die ihn für einen seinem Namen ganz entsprechenden Mann erklären, folgend, habe ich denselben zum Tribunen ernannt und ihm sechs Cohorten Saracenen übergeben, so wie auch die Gallischen Hülfsvölker nebst der Schaar Perser, die wir vom Syrer Artabasses erhalten haben, anvertraut. Ich bitte dich, mein theuerster Sohn, gegen den jungen Mann, von dem ich wünschte, daß sich ihn alle junge Leute zum Vorbilde nähmen, diejenigen ehrenden Rücksichten zu beobachten, auf die seine Tugenden, seine Verdienste und der Adel seiner Seele Anspruch machen können.“ Ein zweites, den Probus und seinen Gehalt betreffendes Schreiben Valerians an seinen [710] prätorischen Präfekten lautet also: „Der Kaiser Valerianus an den prätorischen Präfekten Mulvius Gallicanus. Es ist dir vielleicht auffallend, daß ich einen unbärtigen Jüngling, der Verordnung des göttlichen Hadrianus1 zuwider, zum Tribunen ernannt habe. Indeß wird deine Verwunderung sich mindern, wenn du bedenkst, daß es Probus ist, ein junger Mann, der ganz ist was er heißt; denn nie kommt, wenn ich an ihn denke, ein anderer Name in den Sinn als dieser, und würde dieser Name nicht nur sein eigentlicher sein, so könnte er ihn füglich als Beinamen führen. Diesem wirst du nun, da seine Vermögensumstände nur mäßig sind, damit er seinem Range gemäß leben kann, 2 rothe Unterkleider, 2 gallische Mäntel mit Agraffen, 2 innen gefütterte Paragauden, eine zehnpfündige gespiegelte silberne Schüssel, so wie 100 goldene Antonine, 1000 silberne Aureliane und 10000 kupferne Philippe geben lassen. Desgleichen zum täglichen Unterhalt 8 Pfund Rindfleisch2, 6 Pfund Schweinefleisch, 10 Pfund Ziegenfleisch, außerdem alle zwei Tage 1 Huhn und 1 Sextar Oel und täglich 10 Sextarien alten Wein nebst geräuchertem Ochsenfleisch und Salz, Gemüse und Holz so viel sein Bedürfniß erfordert. Außerdem wirst du ihm ein Quartier wie für einen Legionstribunen anweisen lassen.“

5 So sprechen sich die angeführten Briefe über ihn aus. Nun will ich aber anführen was das Tagebuch enthielt. Im Sarmatischen Kriege, als er bereits Tribun war, setzte Probus über die Donau und verrichtete viele tapfere Thaten. Deshalb wurde er öffentlich vor dem versammelten Heere mit 4 unbeschlagenen Lanzen, mit 2 Wallkronen, mit einer Bürgerkrone, mit 4 einfarbigen Fahnen, [711] 2 goldene Armspangen, einer goldenen Halskette und einer fünfpfündigen Opferschale beschenkt. Die Bürgerkrone ertheilte Valerian dem Probus deswegen, weil derselbe bei dieser Gelegenheit den Valerius Flaccus, einen Jüngling aus edler Familie und Anverwandten des Kaisers, aus den Händen der Quaden befreit hatte. Der Kaiser Valerian überreichte sie ihm Angesichts des Heere mit den Worten: „Nimm sie hin, Probus, die Belohnung für deine Verdienste um den Staat, nimm sie hin die Bürgerkrone für die Rettung meines Anverwandten!“ Zu gleicher Zeit übergab er ihm auch den Oberbefehl über die dritte Legion mit folgender Anerkennung seiner Verdienste: „Deine tapferen Thaten“ – heißt es in dem darauf lezüglichen Schreiben – „machen, mein theuerster Probus, daß es einestheils das Ansehen hat als übergebe ich dir größere Heeresabtheilungen zu spät, daß es aber doch anderntheils noch früh genug geschieht. Uebernimm denn den Oberbefehl über die dritte glückliche Legion, den ich bis jetzt nur Männern von gereifterem Alter anvertraut habe, der mir aber übergeben wurde, als mich der, der sie mir anvertraute, bereits als einen Mann mit grauen Haaren sah: und da noch wünschte er mir Glück dazu. Indeß bei dir sehe ich nicht auf die Jahre, da du dir bereits die glänzendsten Verdienste erworben hast und eine große Charakterstärke besitzest. Ich habe den Befehl ertheilt, dir eine dreifache Kleidung zu verabreichen, habe dein Tractament verdoppelt und dir einen Vexillarier3 als Ordonnanz beigegeben.“

6 [712] Es würde zu weit führen, wenn ich alle seine Heldenthaten, die er noch vor seiner Gelangung zum Reiche unter Valerian, Gallienus, Claudius und Aurelian verrichtet hat, der Reihe nach her erzählen wollte, wie oft er die Mauer erstiegen, wie oft den feindlichen Wall niedergerissen, wie oft er Feinde mit eigener Hand getödtet, wie viele Geschenke er von den Kaisern erhalten und wie er dem Staate durch seine Tapferkeit den vorigen Glanz wieder geschenkt hat. Folgendes Schreiben des Gallienus spricht zur Genüge für den hohen Werth des Probus. „Der Kaiser Gallienus an die Tribunen der Heere in Illyricum. Wenn gleich ein unseliges Geschick meinen Vater im persischen Kriege umstrickt hat, so besitze ich doch noch an Aurelius Probus einen Vater, dessen angestrengte Thätigkeit jede Besorgniß fern von mir hält. Wäre er gegenwärtig gewesen, so hätte jener nicht einmal dem Namen nach zu nennende Thronanmaßer nie seine Hand nach dem Purpur ausgestreckt. Es ist daher mein Wille, daß ihr alle den Anordnungen dessen Folge leistet, dem mein Vater und der Senat ihr Vertrauen geschenkt haben.“ Es fönnte zwar scheinen als sei auf das Urtheil eines Gallienus als eines ganz verweichlichten Menschen wenig Gewicht zu legen, das aber kann doch nicht geleugnet werden, daß selbst ein liederlicher Mensch sich doch wohl nur demjenigen anvertraut, von dessen Tugenden er Vortheil zu ziehen hofft. Doch es sei; man verwerfe immerhin dieses Schreiben Gallien’s als ungültig. Wie aber steht es mit dem Urtheile eines Aurelian? der dem Probus die zehnte Legion, den Kern des Heeres, mit der er selbst so manche Heldenthat vollbracht hatte, unter folgender Anerkennung seiner Verdienste übergab. „Der Kaiser Aurelianus dem Probus seinen Gruß. Zum Beweise meiner Hochschätzung übernimm den Oberbefehl über meine zehnte Legion, welche Claudius mir einst anvertraut hat. Sie ist es, welche gewissermaßen [713] das glückweissagende Vorrecht hat, keine als zum Throne bestimmte Befehlshaber zu kennen.“ Man schloß aus diesem Schreiben, daß, wenn Aurelian mit hellem, vollem Bewußtsein gestorben wäre, er im Sinne gehabt hätte, den Probus zu seinem Nachfolger zu erklären.

7 Die Urtheile des Claudius und Tacitus über Probus hier beizusetzen würde zu weitläufig sein, wiewohl Tacitus, als ihm die Kaiserwürde angetragen wurde, im Senate erklärt haben soll, Probus verdiene den Thron; doch den Senateschluß selbst habe ich nicht auffinden können. Der erste Brief des Kaisers Tacitus an Probus war folgender: „Der Kaiser Tacitus an Probus. Der Senat hat mich zwar nach dem Wunsche des klugen Heers zum Kaiser ernannt, aber ich thue dir doch zu wissen, daß der Staat jetzt nur noch mehr auf deinen Schultern ruht. Wer und was du bist, wissen wir alle, weiß der Senat. Entziehe dich daher nicht den Ansprüchen die wir an dich machen. Betrachte deiner Gewohnheit nach noch ferner den Staat als deine Familie. Wir übertragen dir den Heerbefehl im ganzen Orient, geben dir einen fünffachen Gehalt und doppelten Kriegsschmuck und ernennen dich für das nächste Jahr zu unserem Collegen im Consulate. Denn dich erwartet für deine Verdienste die capitolinische palmengeschmückte Toga.“ Einige wollen die Worte „dich erwartet die capitolinische palmengeschmückte Toga“ als ein Vorzeichen der nachmaligen Thronbesteigung des Probus ansehen, allein man bediente sich derselben jederzeit in allen Schreiben an die Consuln.

8 Die Liebe des Heeres besaß Probus von jeher in einem außerordentlichen Grade; denn nie duldete er, daß der Soldat sich vergehe, ja er hielt sogar oft den Aurelianus von übertriebener Strenge zurück. Probus begab sich zu jedem Manipel und besichtigte [714] die Bekreidung und Beschuhung der Soldaten. Wenn es Beute gab, so vertheilte er sie dergestalt, daß er außer den Trutz- und Schußwaffen nichts für sich behielt. Einst fand sich unter der den Alanen oder sonst irgend einem feindlichen Volke abgenommenen Beute ein kleines, unscheinbares Pferd, das aber der Aussage der Gefangenen zufolge täglich 100 Meilen weit sollte laufen und dieß acht bis zehn Tage lang ausdauern können. Alles glaubte Probus werde ein so vorzügliches Thier für sich behalten, allein er erklärte zuerst, das Pferd schickt sich eher für einen flüchtigen Soltaten als für einen tapfern Mann, alsdann ließ er die Kriegsleute ihren Namen in einen Loostopf werfen, um das Loos über den Besitz des Thiers entscheiden zu lassen. Damals befanden sich im Heere vier andere Soldaten mit dem Namen Probus. Nun traf es sich zufällig, daß der Name Probus zuerst herauskam, was aber der Feldherr nicht sein konnte, da dessen Namen gar nicht in den Loostopf geworfen worden war. Da nun jene vier Soldaten untereinander stritten und jeder das Loos für sich in Anspruch nahm, so ließ der Feldherr noch einmal den Loostopf schütteln, aber wiederum kam der Name Probus heraus, und so auch noch beim dritten und vierten Mal. Da sprach das ganze Heer dem Feldherrn Probus das Pferd zu, zur größten Zufriedenheit selbst der Soldaten, deren Namen gezogen worden waren.

9 Probus kämpfte auch mit der größten Tapferkeit gegen die Marmariden4 in Africa und besiegte sie zuletzt. Von Libyen gieng er nach Karthago und befreite dasselbe von Empörern. Er bestand dort auch einen Zweikampf mit einem gewissen Aradio und erlegte ihn, ehrte ihn aber, weil er an ihm einen sehr tapfern und standhaften [715] Mann gefunden hatte, mit einem riesenartigen, noch vorhandenen Grabmal. Er ließ nämlich einen 200 Fuß hohen Erdhügel durch seine Soldaten aufthürmen, die er überhaupt nie müßig geben ließ. So sind in Aegypten in sehr vielen Städten Bauwerke vorhanden, die von seinen Soldaten aufgeführt wurden. Durch seine vielen Arbeiten am Nil erleichterte er ungemein die Zufuhr des zu liefernden Getreides. Er ließ Brücken, Tempel, Säulenhallen und Basiliken durch seine Soldaten aufführen, so wie dieselben auch viele Mündungen der Flüsse öffnen und manche Sümpfe austrocknen mußten, die er in Saatfelder und Ackerland umschuf. Er kämpfte auch gegen die Palmyrener, welche Aegypten für Odenatus und Kleopatra zu behaupten suchten, anfangs mit Glück, später aber mit so weniger Vorsicht, daß er fast gefangen worden wäre. In der Folge aber, als er sich wieder erholt hatte, unterwarf er Aegypten und einen sehr ansehnlichen Theil des Orients der Herrschaft Aurelians.

10 Während nun Probus durch so viele und so große Verdienste hervorleuchtete, erwählten ihn, als Tacitus eines natürlichen Todes gestorben war und Florian das Reich an sich riß, die gesammten Heere des Orients zum Kaiser. Die Erzählung der nähern Umstände seiner Thronbesteigung dürfte hier eben so zweckgemäß als angenehm sein. Wie nämlich das Heer Nachricht von dem Tode des Tacitus erhielt, war der erste Gedanke der Soldaten, den Truppen in Italien zuvorzukommen und den Senat nicht zum zweitenmal einen Kaiser wählen zu lassen. Die Soldaten besprachen sich daher über die vorzunehmende Wahl, und die Tribunen redeten sie auf freiem Felde manipelweise an, ihnen bedeutend, einen tapfern, ehrwürdigen, bescheidenen, milden und rechtschaffenen [probum] Mann zum Kaiser zu wählen. Diese Worte giengen, wie gewöhnlich, von [716] Haufen zu Haufen, bis wie auch auf eine göttliche Eingebung überall her der allgemeine Zuruf erscholl: Kaiser Probus, die Götter mögen dich erhalten! Sodann versammelte sich eiligst das ganze Heer, ein Tribunal aus Rasen wurde errichtet und Probus zum Imperator ausgerufen und mit einem Purpurmantel, den man von der Statue eines Tempels geholt hatte, bekleidet; von da führten sie ihn in den Palast zurück, trotz seines Widerstandes und Widerstrebens und des oftmaligen Ausrufes: „Es frommt euch nicht, Soldaten! Ihr meint es nicht gut mit mir. Denn es ist mir unmöglich euch zu schmeicheln.“ Sein erstes Schreiben an den prätorischen Präfekten Capito war folgenden Inhalts: „Ich habe nie nach dem Purpur gestrebt und ihn nur ungerne angenommen; allein ablegen kann ich diese mir so verhaßte Bürde nicht mehr. Ich muß die Rolle spielen, die mir der Soldat aufgedrungen hat. Ich bitte dich, Capito, so wahr als ich wünsche daß du mit mir an dem Glücke des Staates Theil nehmen mögest, sorge überall für den Proviant, die Zufuhr und alle übrige Bedürfnisse des Heeres. Ich meinerseits werde, wenn du Allem gehörig nachkommst, keinen Andern zum Präfekten ernennen.“ So bald die Truppen hörten, daß Probus Kaiser sei, tödteten sie, überzeugt daß Niemand des Thrones würdiger sei als dieser, den Florian, der das Reich wie eine Erbschaft an sich gerissen hatte. So überkam denn Probus ohne die mindeste Beschwerde durch die einstimmige Wahl des Heeres und des Staates die Herrschaft über das gesammte Römerreich.

11 Und weil ich des Senates Erwähnung gethan habe, so glaube ich das Schreiben des Probus an den Senat und die Antwort dieses erlauchten Standes auf dasselbe hier mittheilen zu müssen. Erstes Schreiben des Probus an den Senat. „Es war vernünftig und ganz in der Ordnung, versammelte Väter, daß eure [717] Gnade in dem nächst verflossenen Jahre dem Erdkreis einen Kaiser gab, und zwar aus eurer Mitte, die ihr die Beherrscher der Welt seid, es von jeher gewesen seid und es noch in euren Nachkommen sein werdet. Und hätte doch Florian euern Entschluß abwarten und nicht das Reich wie eine Erbschaft an sich reißen wollen, so würde eure Majestät entweder ihn oder irgend einen Andern dazu berufen haben. Nun aber, weil er das Reich an sich gerissen hat, ist mir die Kaiserwürde vom Heere übertragen, dieser aber sogar noch von dem einsichtsvollen Kriegsvolke für seine Thronanmaßung bestraft worden. Ich bitte nun, meine Verdienste so zu beurtheilen, wie es eure Gnade für gut findet.“ Auf dieß erfolgte ein Senatsbeschluß, mit dem es sich unter Anderem wie folgt verhielt. Den dritten Februar im Tempel der Concordia. Der Consul Aelius Scorpianus sprach: Ihr habt, versammelte Väter, das Schreiben des Aurelius Valerius Probus angehört. Was dünkt euch davon? Da erscholl der Zuruf: „Kaiser Probus, die Götter mögen dich erhalten! Schon längst gebürte dir das Reich. Ein so tapferer, gerechter und guter Feldherr wird ein guter Kaiser sein. Dich, ein Muster eines Feldherrn, ein Muster eines Herrschers, mögen die Götter erhalten! Herrsche glücklich, Retter des Staats! Herrsche glücklich, Heermeister! Dich mit den Deinigen mögen die Götter erhalten! Der Senat hat schon vorher dich erwählt. An Jahren stehst du dem Tacitus nach, an allem Uebrigen aber über ihm. Wir danken dir, daß du das Reich übernommen hast! Schütze uns, schütze den Staat! Mit Recht vertrauen wir dir diejenigen an, die du vorher gerettet hast. Du verdienst die Namen Besieger der Franken, Besieger der Gothen, Besieger der Sarmaten, Besieger der Parther, du verdienst alles. Schon allezeit vorher warst du des Reiches, warst du des Trinmphes würdig. Lebe glücklich, herrsche glücklich!“

12 [718] Hierauf sprach Manlius Statianus, damals der erste abstimmende Senator, folgendermaßen: „Dank den unsterblichen Göttern, vor allen andern aber, versammelte Väter, Dank dem besten Jupiter, daß sie uns einen Regenten gegeben, wie wir ihn jederzeit gewünscht haben. Wenn wir es recht bedenken, so dürfen wir weder einen Aurelian, noch einen Alexander, noch die Antonine oder einen Trajan und Claudius vermissen; alles ist in dem einzigen Kaiser Probus vereinigt: Kenntniß des Kriegswesens, Milde, ein tugendhaftes Leben, eine musterhafte Staatsverwaltung, und der Ausbund aller Tugenden und Verdienste. Denn wo ist doch wohl eine Gegend in der Welt, die er nicht als Sieger gesehen hätte? Zeugen dessen sind die auf Afrika’s Boden besiegten Marmariden, Zeugen die in unwegsamen Sümpfen niedergeworfenen Franken, Zeugen die weit von den Ufern des Rheins zurückgewiesenen Germanen und Alemannen. Was soll ich nun aber noch von den Sarmaten, was von den Gothen, Parthern und Persern und der ganzen Umgegend um den Pontus sprechen? Ueberall hat sich die Tapferkeit des Probus glänzende Siegeszeichen aufgerichtet. Es wäre zu weitläufig, hier anzuführen, wie viele Könige mächtiger Nationen er in die Flucht geschlagen, wie viele feindliche Heerführer er mit eigener Hand getödtet und welche Menge von Waffen er noch bevor er Kaiser wurde genommen hat. Welchen großen Dank ihm die frühern Kaiser abgestattet haben, dieß beweisen ihre bei den öffentlichen Urkunden aufbewahrten Schreiben. Gute Götter, wie oft ist er mit kriegerischen Geschenken belohnt, welches Lob ist ihm von den Soldaten zu Theil geworden! Als Jüngling hat er das Tribunat, etwas über dieses Alter hinaus den Oberbefehl über Legionen erhalten. Größter, bester Jupiter, du Königin Juno und du, aller Tugenden Vorsteherin Minerva, und du Göttin des Erdkreises, Concordia, und du, römische [719] Victoria, gewähret Roms Senat und Volk, gewähret dem Heere, gewähret den Bundesgenossen, und den auswärtigen Nationen, daß Probus eben so ein Regent sei, wie er ein Krieger gewesen ist. Ich schlage also vor, versammelte Väter, ihm einstimmig die Namen Cäsar und Augustus, die Proconsulargewalt, den ehrwürdigen Namen Vater des Vaterlands und das Oberpriesteramt nebst dem Rechte dreier Vorschläge und der tribunicischen Gewalt zuzuerkennen.“

13 Nach diesen Worten erschallte der Ruf: Alle, Alle. Nach Empfang dieses Senatsbeschlusses überließ Probus in einem zweiten Schreiben5 den Vätern die Appellation von den großen Gerichtshöfen an den Senat und gab ihnen das Recht, die Proconsuln zu ernennen, den Consuln Legaten zu geben, den Statthaltern die Gerichtsbarkeit zu übertragen und allen von ihm zu erlassenden Verordnungen die Bestätigung zu ertheilen. Unmittelbar darauf bestrafte er die noch übrigen Mörder Aurelians auf verschiedene Art, doch bewies er dabei mehr Milde und Gelindigkeit als früher das Heer und in der Folge Tacitus. Sodann zog er auch diejenigen zur Strafe, welche dem Tacitus nach dem Leben getrachtet hatten; die Anhänger Florians aber schonte er, weil sie sich nicht sowohl an einen Thronanmaßer als an den Bruder ihres Kaisers angeschlossen zu haben schienen. Er übernahm sodann sämmtliche europäische Truppen, welche den Florian zum Kaiser ausgerufen und erschlagen hatten. Nach diesen Verrichtungen zog er mit einem zahlreichen Heere nach Gallien, wo nach der Ermordung des Postumus durchgängig die größte Unordnung herrschte und das nach dem Tode Aurelians von den Germanen in Besitz genommen worden war. Er lieferte daselbst [720] viele Schlachten mit dem größten Glücke, so daß er sechzig der ansehnlichsten gallischen Städte und die ganze Beute, welche sie nicht blos bereichert, sondern auch mit Stolz und Uebermuth erfüllt hatte, von den Barbaren zurück gewann. Und während sie nicht blos auf unserem Ufer, sondern durch ganz Gallien unbesorgt herum streiften, erschlug ihrer Probus nahezu 400,000, welche des Reichsbodens sich bemächtigt hatten, und trieb ihre Ueberreste über den Neckarfluß6 und die Alb7 zurück. Die Beute, die er den Barbaren abnahm, war ebenso beträchtlich als die von diesen den Römern abgenommene. Probus erbaute sodann den römischen Städten gegenüber Kastelle und legte römische Soldaten hinein.

14 Allen jenseits des Rheins befindlichen Römern, diesen Grenzwachen nämlich, wies er Ländereien, Scheunen, Häuser und Getreide an. Der Kampf aber dauerte immer fort und täglich wurden ihm Barbarenköpfe gebracht, für deren jeden er ein Goldstück bezahlte, bis endlich neun Könige verschiedener Völkerschaften kamen und sich dem Probus zu Füßen warfen. Er befahl ihnen zuerst Geißeln [721] zu stellen, was unverzüglich geschah, sodann Getreide, zuletzt auch Kühe und Schaafe zu liefern. Auch soll er ihnen den Gebrauch der Schwerter aufs Strengste untersagt und sie, wenn sie Schutzes gegen Semanren bedürften, Hülfe von den Römern zu erwarten geheißen haben. Allein dieß schien nur dann thunlich und möglich, wenn man die Grenze vorrückte und ganz Germanien zur römischen Provinz machte. Doch wurden, und zwar mit Einwilligung ihrer Könige selbst, diejenigen hart gezüchtigt, welche die Beute nicht getreulich zurück gegeben hatten. Ueberdieß mußten dem Probus 16,000 junge Männer gestellt werden, welche er sämmtlich durch die verschiedenen Provinzen dergestalt vertheilte, daß er sie zu 50 oder 60 unter die Kriegshaufen und Grenzgarden einreihte, mit der Bemerkung, man solle die Kraft, die Rom von den Hülfstruppen der Barbaren ziehe, nur fühlen und nicht sehen.

15 Nachdem die Angelegenheiten in Gallien in Ordnung gebracht waren, erließ Probus folgendes Schreiben an den Senat: „Ich sage, versammelte Väter, den unsterblichen Göttern Dank, daß sie euer in mich gesetztes Vertrauen gerechtfertigt haben. Ganz Germanien, so weit es sich erstreckt, ist unterworfen. Neun Könige verschiedener Völker haben, flehend hingeworfen, zu meinen oder vielmehr zu euern Füßen gelegen. Alle Barbaren ackern jetzt für euch, säen für euch und kämpfen gegen die tiefer hineinliegenden Völker. Verordnet also, eurer Gewohnheit gemäß, Dankfeste. Denn 400,000 Feinde sind erschlagen, 16,000 streitbare Männer sind zu unserer Verfügung gestellt, 70 der ansehnlichsten gallischen Städte der feindlichen Gewalt entrissen und ganz Gallien ist vollständig befreit worden. Die mir von allen gallischen Städten dargebrachten goldenen Kronen widme ich, versammelte Väter, eurer Gnade; bringt sie dem besten, größten Jupiter und den übrigen unsterblichen Göttern und [722] Göttinnen mit eigenen Händen dar. Alle Beute ist zurückgebracht und andere, größer als die geraubte, ist gewonnen. Galliens Fluren werden mit den Stieren der Barbaren gepflügt, und die erbeuteten Gespanne Germaniens beugen jetzt ihren Nacken unter das Joch unserer Bauern, und die Heerden verschiedener Völker werden jetzt zu unserer Nahrung geweidet. Ihre Stuten werden jetzt für unsere Reiterei befruchtet und unsere Scheunen sind mit dem Getreide der Barbaren angefüllt. Mit Einem Worte, wir haben ihnen nur den Boden gelassen, alles Uebrige ist in unserem Besitz. Wir waren Willens, versammelte Väter, einen neuen Statthalter über Germanien zu ernennen, allein wir haben solches bis auf den Zeitpunkt kühnerer Wünsche aufgeschoben. Wir halten es aber für vortheilhaft, sobald die göttliche Vorsehung unsere Heere an Zahl mehr verstärkt haben wird.“

16 Nach diesem zog Probus nach Illyricum, ließ aber auf dem Zuge dahin Rhätien in einer so tiefen Ruhe hinter sich, daß daselbst jeder Gedanke an Störung derselben verschwand. In Illyricum demüthigte er die Sarmaten und die andern Völker dergestalt, daß er alles von ihnen Genommene beinahe ohne Schwertschlag zurück bekam. Er setzte sodann seinen Zug durch Thrakien fort, wo sich ihm alle getische Völkerschaften, durch den Ruf seiner Thaten geschreckt und durch die frühere Ueberlegenheit seines Namens bewältigt, unterwarfen oder Freundschaft mit ihm schloßen. Nach diesen Thaten wandte er sich nach dem Orient, nahm auf dem Marsche einen sehr mächtigen Räuber, Namens Palfurius, gefangen und ließ ihn tödten, befreite ganz Isaurien und brachte die verschiedenen Völkerschaften und Städte dieses Landes zum Gehorsam gegen die römischen Gesetze zurück. Er drang in die Schlupfwinkel der Barbaren Isauriens, theils begünstigt von dem Schrecken, den er verbreitete, theils mit Willen [723] der Einwohner, sagte aber, als er sie durchzogen hatte, es sei leichter, die Räuber von diesen Gegenden entfernt zu halten als sie gänzlich auszurotten. Er schenkte daher alle diese nur durch Engpässe zugänglichen Gegenden den Veteranen als ihr Eigenthum, mit der Verpflichtung, alle ihre Söhne vom 18. Jahre an Kriegsdienste nehmen zu lassen, daß sie eher den Kriegsdienst als das Räuberhandwerk lernten.

17 Nachdem Probus alle Theile Pamphyliens und der andern Isaurien benachbarten Länder beruhigt hatte, setzte er seinen Zug nach dem Oriente fort. Er bezwang auch die Blemyer und schickte deren Gefangene nach Rom, wo sie durch ihr sonderbares Aeußere das Erstaunen des römischen Volks erregten. Ueberdieß befreite er die Städte Coptos8 und Ptolemais9 von dem Joche der Barbaren und unterwarf sie dem römischen Reiche. Dieß hatte die Folge für ihn, daß die Parther Gesandte an ihn schickten und ohne ihre Furcht zu verhehlen ihn um Frieden angiengen. Probus empfieng sie stolz und schickte sie mit noch größerer Furcht in ihre Heimath zurück. Er soll auch die vom Partherkönige Narses übersandten Geschenke zurückgeschickt und sie mit folgendem Brief begleitet haben: „Es ist mir auffallend, daß du von allem dem, was uns gehören wird, so wenig geschickt hast. Behalte indessen alles, woran du deine [724] Freude hast; wünschen wir es als unser Eigenthum zu besitzen, so werden wir dazu zu gelangen wissen.“ Dieses Schreiben versetzte den Narses in den größten Schrecken, zumal da er erfuhr, daß die Städte Coptos und Ptolemais, welche die Blemyer in Besitz gehabt hatten, diesen entrissen worden und daß dieses vorher den andern Nationen so furchtbare Volk bis zur Vernichtung geschlagen sei.

18 Indessen kam doch ein Friede mit den Persern zu Stande, und Probus kehrte nach dem Abschlusse desselben nach Thrakien zurück und verpflanzte 100,000 Bastarner auf das römische Gebiet, welche sich sämmtlich den Römern treu erwiesen. Dagegen brachen sehr viele Barbaren aus andern Völkern, die er gleichfalls dahin versetzt hatte, als Gepiden10, Gautunnen11 und Vandalen, insgesammt die Treue, durchstreiften, während Probus durch Kriege mit einigen Thronanmaßern in Anspruch genommen war, beinahe das ganze Reich theils zu Wasser theils zu Lande und gefährdeten nicht wenig die Ehre desselben. Doch Probus schlug sie zu verschiedenen Malen in siegreichen Schlachten, so daß nur wenige mit dem Ruhm des Probus Schwert entronnen zu sein in ihre Heimath zurückkehrten. Diese Thaten vollbrachte Probus gegen die Barbaren. Allein einige Thronanmaßer machten ihm auch nicht wenig zu schaffen. Den Saturninus nämlich, der sich im Orient für unabhängig erklärt hatte, konnte seine [725] erprobte Tapferkeit erst nach verschiedenen Schlachten bezwingen, nach dessen Besiegung aber im Orient eine solche Ruhe herrschte, daß, wie man sich insgemein ausdrückte, man kein Mäuschen sich regen hörte. Sodann warfen sich Proculus und Bonosus zu Agrippina in Gallien zu Kaisern auf und wollten sich schon ganz Britanniens, Hispaniens und der Provinzen des jenseitigen Galliens bemächtigen, als Probus sie mit Hülfe der Barbaren besiegte. Um übrigens deine Wißbegierde in Betreff des Saturninus, Proculus und Bonosus zu befriedigen, so werde ich in einer besondern Schrift die Nachrichten von ihnen in der Kürze, wie es sich geziemt oder wie es die Natur der Sache selbst erfordert, mittheilen. Doch dieß allein muß ich hier bemerken, daß sämmtliche Germanen, als sie von Proculus um Hülfeleistung angegangen wurden, es vorzogen, dem Probus dienstbar als Theilnehmer an dem Unternehmen des Bonosus und Proculus zu sein. Probus erlaubte deswegen in ganz Gallien, Hispanien und Britannien12 den Weinbau und die Weinbereitung. Er selbst ließ in Illyricum, in der Gegend von Sirmium, den Berg Alma durch seine Soldaten umreuten und mit außerlesenen Rebsorten bepflanzen.

19 Probus gab zu Rom auch Lustbarkeiten, und zwar sehr prachtige, so wie auch Volksspenden. Ueber die Germanen und Blemyer hielt er einen Triumph, wobei Truppen von allerlei Völkern, jeder bei 50 Mann stark, vor seinem Triumphwagen einhergiengen. Im Circus stellte er eine höchst prachtvolle Jagd an, wobei dem Volke alles Preis gegeben wurde. Mit diesem Schauspiele verhielt es sich aber folgendermaßen. Probus ließ von seinen Soldaten starke Bäume mit der Wurzel aus dem Boden graben, solche vermittelst der [726] Länge und Breite nach mit einander verbundenen Balken auf dem Boden befestigen und Erde darauf werfen, so daß der ganze Circus einen Wald vorstellte und mit allen Reizen eines frischen Grüns belaubt war. Sodann wurden durch sämmtliche Eingänge 1000 Straußen, 1000 Hirsche, 1000 wilde Schweine, 1000 Damhirsche Steinböcke und andere von Vegetabilien lebende Thiere, so viel man ihrer hatte unterhalten oder bekommen können, hineingetrieben und hierauf das Volk hineingelassen, wo dann Jeder nehmen konnte was er wollte. Den folgenden Tag ließ er auf einmal 100 bemähnte Löwen auf dem Amphitheater erscheinen, die ein donnerähnliches Gebrüll erhoben und alle von den unterirdischen Behältnissen aus getödtet wurden, ohne übrigens bei ihrem Tode ein großartiges Schauspiel zu gewähren, da ihnen jenes feurige Ungestüm, das sonst die wilden Thiere, wenn man sie aus ihren Behältern läßt, zeigen, fehlte. Ueberdieß wurden viele, die nicht hervorgehen wollten,13 mit Pfeilschüssen getödtet. Hierauf erschienen 100 libysche, und nach diesen 100 syrische Leoparden und 100 Löwinnen und 300 Bären auf einmal. Allein der Anblick aller dieser Thiere gewährt, wie bekannt, mehr ein großartiges als gefallenerregendes Schauspiel. Ueberdieß mußten 300 Paare Gladiatoren auftreten, von denen ein großer Theil aus im Triumph aufgeführten Blemyern und Germanen und Sarmaten bestand, einige aber auch isaurische Räuber waren.

20 Nach diesem Allem traf Probus Zurüstungen zu einer Heerfahrt gegen die Perser, wurde aber auf seinem Zuge durch Illyricum von seinen eigenen Soldaten hinterlistigerweise erschlagen. Ursache davon war einestheils der Umstand, daß er die Soldaten niemals [727] müßig gehen, sondern durch ihrer Hände Arbeit viele Werke aufführen ließ, weil, wie er sich äußerte, der Soldat nicht sein Brod ohne irgend eine Leistung verzehren dürfe. Anderntheils hatte er eine sie erbitternde, für den Staat aber, wenn sie verwirklicht würde, ersprießliche Rede fallen lassen, der Staat werde nämlich in Kurzem keiner Soldaten mehr bedürfen. Wie groß mußte der Plan dessen sein, der dieß sagen konnte? Hatte er nicht alle barbarische Nationen zu seinen Füßen niedergeworfen? Weil er bereits die ganze Welt den Römern unterworfen hatte, so konnte er wohl sagen, wir werden in Kurzem keiner Soldaten mehr bedürfen. Was wollte er anders damit sagen als: es wird keinen römischen Soldaten mehr geben? Der römische Staat14 wird unangefochten überall herrschen, wird alles besitzen; der Erdkreis wird keine Waffen mehr schmieden, keine Naturalien mehr liefern.15 Die Stiere werden für den Pflug gehalten werden, das Pferd für die Geschäfte des Friedens zur Welt kommen. Krieg und Kriegsgefangenschaft wird es nicht mehr geben. Ueberall wird Frieden, überall werden römische Gesetze herrschen und überall werden römische Richter das Recht sprechen.

21 Doch die Liebe zu dem so trefflichen Kaiser hat mich wortreicher gemacht als es im prosaischen Vortrage sein sollte. Ich will daher auf die nähern Umstände übergehen, die das unglückliche Verhängniß dieses Helden beschleunigt haben. Während seines Aufenthaltes zu Sirmium wollte er dieser seiner Vaterstadt eine größere Fläche fruchtbaren Bodens verschaffen. Er stellte daher viele 1000 [728] Soldaten zumal zur Trockenlegung eines Sumpfes an und wollte deshalb einen sehr großen Kanal graben lassen, dessen Mündung das Wasser des Sumpfes in den Savus16 ableiten sollte, um dadurch die zum Nutzen der Sirmier bestimmten Ländereien trocken zu legen. Allein dieß erbitterte die Soldaten und sie erschlugen ihn, als er in einen sehr hohen eisenbeschlagenen Thurm, den er, um die Arbeit zu übersehen, sich hatte bauen lassen, sich flüchtete, im fünften Jahre seiner Regierung. Später jedoch errichteten sie ihm einen gewaltigen Grabhügel aus Erde, wobei alle gleichmäßig Hand anlegten, mit folgender in Marmor gegrabener Aufschrift: Hier liegt der Kaiser Probus, wahrhaft Probus, der Ueberwinder aller barbarischen Nationen, der Ueberwinder auch der Thronanmaßer.

22 Wenn ich eine Vergleichung des Probus mit andern Kaisern anstelle, so ist das Ergebniß derselben, daß Probus fast allen Beherrschern des Römerreiches, die tapfer, gütig, einsichtsvoll und bewundernswerth gewesen sind, an die Seite gesetzt, oder auch, wenn es der wüthende Neid erlaubt, noch höher als sie gestellt werden darf. Denn während der fünf Jahre seines Thronbesitzes führte er auf dem ganzen Erdkreise so viele Kriege, und zwar in eigener Person, daß es [729] wahrhaft zum Verwundern ist, wie er aller Schlachten hat anwohnen können. Er legte selbst viele Beweise von persönlicher Tapferkeit ab und bildete die ausgezeichnetsten Feldherrn. Aus seiner Schule nämlich sind ein Carus, Diocletian, Constantius, Asclepiodotus, Annibalianus, Leonides, Cecropius, Pisonianus, Herennianus, Gaudiosus, Ursinianus, Herculius Maximianus und die übrigen hervorgegangen, welche die Bewunderung unserer Väter waren und von welchen sich mehrere als treffliche Regenten erwiesen haben. Man vergleiche nun, wenn es beliebt, die 20 Regierungsjahre des Trajan und Hadrian, man vergleiche die fast eben so lange Regierung der Antonine. Denn von Augustus will ich Nichts sagen, da die Zahl seiner Regierungsjahre fast allen Glauben übersteigt. Schlechte Regenten aber übergehe ich ganz. Jenes große Wort des Probus, als er sagte, man werde in Kurzem keiner Soldaten mehr bedürfen, zeigt zur Genüge, was er hoffte, daß er noch vollbringen könne.

23 Probus, voll Selbstgefühl, fürchtete keine Barbaren, keine Thronanmaßer. Welch ein Glück wäre erblüht, wenn es unter ihm keine Soldaten mehr gegeben hätte? Die Provinzialen hätten keine Naturallieferungen mehr leisten, die kaiserlichen Kassen keinen Sold mehr bezahlen dürfen: der römische Staat würde Schätze für die Ewigkeit besitzen. Der Regent würde nichts mehr auszugeben, der Güterbesitzer nichts mehr zu bezahlen haben. Wahrlich, Probus versprach ein goldenes Zeitalter! Es würde keine lager mehr geben, kein Kriegshorn würde mehr erschallen, keine Waffen würden mehr verfertigt werden. Jene Unzahl von Bewaffneten, die jetzt durch bürgerliche Kriege den Staat zerrütten, würde mit den Geschäften des Friedens sich befassen, Künste und Gewerbe erlernen und auf die Schiffahrt sich legen, abgesehen davon, daß keiner im Kriege seinen Tod fände. Gute Götter, welch großes Leid hat euch denn der römische [730] Staat angethan, daß ihr ihm einen solchen Regenten geraubt habt? Nun mögen diejenigen, welche Soldaten für Bürgerkriege in Bereitschaft setzen, hingehen, mögen die Hand des Bruders zum Morde des Bruders waffnen, mögen die Söhne zur Verwundung ihrer Väter anfeuern und dem Probus die göttliche Ehre absprechen, welche die Weisheit unserer Imperatoren durch Büsten, Tempel und Circusspiele zu verherrlichen für gut gefunden hat.

24 Die Nachkommen des Probus haben sich, entweder um dem Neid zu entgehen oder aus Furcht, von Rom weggezogen und in Italien bei Verona und den beiden See’n Benacus und Larius17 und in den Gegenden daselbst niedergelassen. Bei dieser Gelegenheit darf ich hier den Umstand nicht übergehen, daß, als die Bildsäule des Probus im Veronesischen dergestalt vom Blitze getroffen worden war, daß seine Prätexta ihre Farbe änderte, die Zeichendeuter den Bescheid ertheilt haben, die Abkömmlinge dieser Familie werden einst zu einem so hohen Ansehen im Senate gelangen, daß ihnen insgesammt die höchsten Ehrenstellen ertheilt werden würden. Indeß bis jetzt haben wir noch keinen gesehen; doch der Ausdruck Nachkommen erstreckt sich unverkennbar auf ewige Zeiten. Der Senat, so wie das Volk empfand einen tiefen Schmerz über den Tod des Probus, und als vollends die Nachricht kam, daß Carus, ein zwar rechtschaffener, aber in keinem Betrachte mit Probus zu vergleichender Mann Kaiser geworden sei, ergriff Senat und Volk banges Entsetzen wegen seines Sohnes Carinus, der von jeher das lasterhafteste Leben geführt hatte. Jedermann befürchtete zwar schon in der Person des Carus einen [731] etwas strengen Regenten, aber noch mehr fürchtete man im Sohne einen lasterhaften Thronerben. Dieß sind alle Nachrichten, die ich von Probus habe beibringen können oder die mir als merkwürdig erschienen sind. Nun will ich in einer andern und zwar kurzen Schrift über Firmus, Saturninus, Bonosus und Proculus sprechen; denn es wäre höchst unpassend gewesen, die Geschichte dieser vier Thronanmaßer in das Leben des Probus einzuweben. Später werde ich aber, wenn ich noch länger leben sollte, das Leben des Carus und seiner Söhne beschreiben.

Anmerkungen

1 Man vergleiche oben Leben Hadrians Cap. 10.

2 Ich lese mit Salmasius: bubulae pondo octo.

3 Zur Kaiserzeit hatte man die Veteranen unter einer besondern Fahne, Vexillum, daher Vexillarier, noch bei den Heeren. Sie waren von aller Arbeit frei und hatten nur die Verpflichtung, den Feind zurückzuschlagen, standen aber nicht in genauer Verbindung mit dem übrigen Kriegswesen, sondern machten Regimenter für sich aus.

4 Die Einwohner Marmarica’s, einer Landschaft in Africa zwischen Aegypten und den Syrten, jetzt Barka.

5 Ich lese: secunda oratione.

6 Hier geschieht des Neckars zuerst Erwähnung. Später gedenken seiner noch der Redner Eumenius in seiner Lobrede auf Constantin (Cap. 13), Ammianus Marcellinus (28,2), Ausonius (Mosella V. 423) und Symmachus in seiner Lobrede auf den ältern Valentinian Kap. 10, wo er aber nicht, wie bei den übrigen Schriftstellern, Nicer, sondern Niger heißt.

7 Anstatt Albam wollen hier mehrere ältere Herausgeber Albim, die Elbe, lesen, was ganz unstatthaft ist. Es ist hier ohne Zweifel die den Römern schon zu Strabo’s Zeit (man vergl. Strabo 7,1) bekannte schwäbische Alb verstanden. Das Albflüßchen im Schwarzwalde, wie Mehrere wollen, darunter zu verstehen, verbietet die Construction: es müßte ultra Nicrum et Albam fluvios heißen.

8 Jetzt Cost oder Kepht Hauptstadt des Nomos gleiches Namens in Oberägypten, der alte Wohnort der Steinmetzen, Bildhauer und Flachs- und Leinwandfabrikanten. Merkwürdig war diese Stadt als großer Stapel- und Handelsplatz, an den die Karawanen von Berenike am rothen Meer zogen, welche durch das lange, in der Mitte breite Thal zwischen den Gebirgen Porphyrites und Busanites größtentheils ihren Weg zu nehmen hatten. An der Oeffnung dieses Thals gegen den Nil zu lag Coptos.

9 Gleichfalls in Oberägypten.

10 Ein deutsches, mit den Gothen und Vandalen verwandtes Volk.

11 Wäre diese Lesart richtig, so wäre man an ein Mischvolk von Gothen und Hunnen zu denken versucht, wiewohl die Hunnen damals noch nicht in der Geschichte erscheinen. Salmasius liest nach einer Handschrift Grautungi, was denn die Greuthunjer, ein gothischer Volksstamm, wären. Mascon in seiner deutschen Geschichte vermuthet, diese Gautunni seien Juthungi, und Luden ist ihm beizutreten nicht abgeneigt.

12 Weil in Britannien kein Wein wächst, so schlägt Casaubonus Pannonien dafür zu lesen vor.

13 Anstatt: qui diripere volebant lese ich mit mehreren Handschriften und einer sehr alten Ausgabe: qui dirigere nolebant.

14 Ich lese hier nach der Interpunktion des Salmasius: Romanus jam miles erit nullus: ubique regnabit, omnia possidebit secura res publica: orbis terrarum non arma fabricabit, non annonam praebebit.

15 Nämlich für die Heere.

16 Die Handschriften lesen hier: dejectis in saltum naribus, wofür Salmasius zu lesen vorschlägt: dejectis in salum naribus: dessen Mündung das Wasser des Sumpfes in das Meer ableiten sollte. Allein dieses ist denn doch gar zu weit von Sirmium entfernt und das Terrain möchte wohl auch die Grabung eines Kanals von dieser Stadt aus bis an das Meer unmöglich gemacht haben. Doch dieses bedurfte es gar nicht, da ja bei Sirmium selbst ein Fluß floß, wohin das Sumpfwasser abgeleitet werden konnte, nämlich die Save. Ich lese daher mit einer geringen Veränderung: dejectis in Savum naribus.

17 Unter dem erstern ist der Garda-, unter dem letztern der Comersee zu verstehen.