Die zwei Gallieni

Ornament

Übersetzung

1 [546] Nachdem Valerianus in Gefangenschaft gerathen war – denn von wo könnte man Galliens Lebensbeschreibung schicklicher beginnen als von jenem Unglücksfall in Folge dessen dieser Kaiser so tief sank? – wankte der Staat, Odenatus bemächtigte sich der Herrschaft über den Orient, Gallienus aber, als er die Gefangennehmung seines Vaters erfahren, freute sich darüber, die Heere irrten planlos umher. Die Anführer waren ungehalten, und im ganzen Reiche herrschte eine außerordentliche Traurigkeit, daß ein römischer Kaiser in sclavischer Gefangenschaft in Persien sich befinde1. Es [547] vereinigten sich daher unter des Gallienus und Volusianus Consulate2 Macrianus und Balista3, beriefen die Heerestrümmer zusammen, und sahen sich bei dem drohenden Einsturze des Römerreiches im Osten nach einem neuen Kaiser um, während Gallienus so sorglos lebte, daß seiner nicht einmal Erwähnung vor dem Heere geschah. Nachdem sie nun dieser Angelegenheit wegen mehrere Male zusammengekommen waren, wurde der Entschluß gefaßt, den Macrianus nebst seinen Söhnen zum Kaiser zu ernennen und ihnen die Vertheidigung des Staates zu übertragen. So wurde denn also Macrianus Kaiser. Die Beweggründe zu seiner und seiner Söhne Wahl waren folgende: erstens galt er damals unter allen römischen Feldherren für den einsichtsvollsten und im Kriegswesen geschicktesten; sodann war er sehr reich, so daß er die Ausgaben für den Staat aus eigenen Mitteln bestreiten konnte. Dazu kam noch, daß seine Söhne ungemein tapfere junge Männer waren, die eine wahrhaft kriegerische Begeisterung beseelte, so daß sie den Legionen bei allen Kriegsvorfällen zum Muster dienen konnten.

2 Macrianus zog nun aller Orten her Truppen zusammen und begab sich nach dem Orient. Um aber das ihm übertragene Reich weithin zu vertheidigen und zu schirmen, faßte er einen solchen Kriegsplan und traf solche Einrichtungen unter den Truppen, daß er jeder etwaigen Unternehmung gegen sich vorbeugte. Er sandte deshalb den Piso4, einen der edelsten und vornehmsten Senatoren, nach [548] Achaja, um den dortigen Proconsul Valens zu tödten, dieser aber erklärte sich, auf die Nachricht daß Piso auf dem Wege gegen ihn sei, für unabhängig. Piso zog sich nun nach Thessalien zurück, wo er von einer Anzahl Soldaten, die Valens abgeschickt hatte, getödtet wurde, nachdem er sich noch unter dem Namen Thessalicus zum Kaiser aufgeworfen hatte. Macrianus ließ indessen den einen seiner Söhne im Orient, wo jetzt Ruhe herrschte, zurück und zog mit dem andern zuerst nach Asien und sodann nach Illyricum. Hier lieferte er dem Domitian, einem Feldherrn des Aureolus5, welch Letzterer sich gegen Gallienus zum Kaiser aufgeworfen hatte, an der Spitze von 30,000 Mann eine Schlacht, wurde aber nebst seinem Sohne Macrianus geschlagen, worauf sich sein ganzes Heer an den Kaiser Aureolus ergab.

3 Bei dieser im Staate und im ganzen Reiche herrschenden gänzlichen Zerrüttung eilte Odenatus, auf die Nachricht daß Macrianus nebst seinem Sohne getödtet, Aureolus Kaiser und Gallienus schlaff und träge sei, gegen den andern Sohn des Macrianus, um, wenn das Glück ihn begünstige, ihn nebst seinem Heere in seine Gewalt zu bekommen. Allein die bei Quietus – so hieß dieser Sohn Macrians – befindlichen Truppen erklärten sich für Odenatus, tödteten auf Anstiften des prätorischen Präfekten Balista den jungen Quietus, warfen seinen Leichnam über die Mauer, und ergaben sich insgesammt an Odenatus. So war nun Odenatus Kaiser fast vom ganzen Orient, Aureolus hatte Illyricum inne, und über Rom herrschte Gallienus. Derselbe Balista ließ viele Einwohner von Emesa, wohin Macrians Soldaten nebst dem Quietus und dessen [549] Schatzmeister sich geflüchtet hatten, tödten, so daß fast die ganze Bürgerschaft umkam. Odenatus that während dieser Vorgänge dem Gallienus alles auf’s Genaueste zu wissen, wie wenn er für ihn handelte. Dieser, aber auf die Kunde daß Macrianus nebst seinen Söhnen getödtet sei, ergab sich gleich als hätte er nichts mehr zu befürchten und als wäre sein Vater schon aus der Gefangenschaft bereit, der Wollust und dem Vergnügen. Er gab daher Circus-, Theater- und Kampfspiele, so wie eine Lustjagd und Gladiatorengefechte, und lud das Volk wie an Siegestagen zum Freudenfeste und zum Freudenklatschen ein. Und während die Meisten über seines Vaters Gefangenschaft trauerten, legte Gallienus eine unmäßige Freude an den Tag, scheinbar eine Art von Ruhm darein setzend, daß sein Vater ein Opfer seines Muthes geworden. Man wußte aber allgemein, daß ihm die Sittenaufsicht seines Vaters unerträglich fiel und daß es daher sein Wunsch gewesen, das ihn drückende Joch der väterlichen Strenge abschütteln zu können.

4 Um dieselbe Zeit warf sich Aemilianus in Aegypten zum Kaiser auf, bemächtigte sich der Vorrathshäuser und versetzte dadurch viele Städte in Hungersnoth, wurde aber von des Gallienus Feldherrn Theodotus in einer Schlacht gefangen und lebendig an den Kaiser Gallienus geschickt. Die jenseits der Thebais stehenden Truppen nämlich hatten ihn, als Gallienus in seiner Schwelgerei und Schlechtigkeit beharrte, in Aegypten zum Kaiser ausgerufen6. [550] Während sich Gallienus mit Tändeleien abgab und der Schwelgerei fröhnte, und den Staat nicht anders als Kinder beim Königsspiele regierte, riefen die Gallier, welche von Natur leichtsinnig und denen vom ächten Römersinn entartete schwelgerische Fürsten unerträglich sind, den Postumius7 zum Kaiser aus, welcher Wahl die Truppen, die die ausschweifende Lebensart ihres Kaisers mit Wehmuth ansahen, beistimmten. Gegen diesen führte Gallienus selbst ein Heer, wurde aber, als er die Stadt, in welche Postumius sich geworfen hatte und welche die Gallier auf das Tapferste vertheidigten, belagerte, beim Herumgehen um die Mauern von einem Pfeile getroffen8. Postumius behauptete sich sieben Jahre im Besitze der kaiserlichen Gewalt und schützte Gallien gegen die überall hereinbrechenden Barbaren mit der größten Tapferkeit. Diese Unfälle bewogen den Gallienus Frieden mit Aureolus zu schließen, um den Postumius bekriegen zu können: allein der Krieg zog sich in die Länge und Gallienus war in verschiedenen Schlachten und Belagerungen bald glücklich bald unglücklich. Dazu kam noch der weitere Unfall, daß die Skythen [551] einen Einfall in Bithynien gemacht und mehrere Städte zerstört hatten. Zuletzt steckten sie Astacus, später Nikomedia9 genannt, in Brand und verwüsteten es grausam. Endlich brach auch noch bei dieser Erschütterung aller Theile des Reichs, gleich als hätte sich die ganze Welt verschworen, eine Art Sclavenkrieg in Sicilien aus, indem Räuberbanden weit und breit diese Insel heimsuchten und nur mit Mühe unterdrückt werden konnten.

5 Und dieß alles geschah in Folge der Verachtung, welche Gallienus sich zugezogen hatte. Denn nichts vermag Bösewichtern mehr Kühnheit, rechtschaffenen Männern aber mehr Hoffnung auf eine glückliche Zukunft einzuflößen, als wenn entweder ein schlechter Fürst gefürchtet oder ein sittenloser verachtet wird. Mitten unter diesen Unfällen des Kriegs ereignete sich noch unter dem Consulate des Gallienus und Faustinus10 ein sehr heftiges Erdbeben und eine viele Tage lang anhaltende Finsterniß, überdieß ließen sich Donnerschläge hören, die aber nicht vom Himmel, sondern aus dem Innern der Erde hervorkamen. Bei diesem Erdbeben wurden viele Gebäude nebst ihren Bewohnern verschlungen, und viele Menschen starben vor Schrecken. Am meisten litten die Städte Asiens darunter. Auch zu Rom und in Libyen fanden Erdstöße Statt. An sehr vielen Orten entstanden Erdklüfte und in den Oeffnungen zeigte sich Salzwasser. Auch das Meer verschlang viele Städte. Man suchte daher die Götter zu versöhnen, zog die sibyllinischen Bücher zu Rathe und brachte Jupiter dem Retter die darin vorgeschriebenen Opfer dar. Denn es war außerdem noch eine so heftige Pest zu Rom und in den Städten Achaja’s ausgebrochen, daß an Einem Tage 5000 Menschen [552] an derselben starben. Bei diesem Wüthen des Schicksals, da hier Erdbeben, dort Erdfälle, an mehreren Orten auch die Pest die Römerwelt verwüsteten, da Valerianus gefangen, Gallien größtentheils in fremden Händen war, Odenatus Krieg drohte, Aureolus Illyricum bedrängte und Aemilianus Aegyptens sich bemächtigt hatte, fielen die Gothen und der schon oben erwähnte Clodius über Thrakien her, verheerten Makedonien und belagerten Thessalonika11. Nirgends war Ruhe, aus der nur einigermaßen ein Strahl von Rettung sich gezeigt hätte. Und dieses alles war, wie ich mehrmals gesagt habe, eine Folge der Verachtung, die den Gallienus getroffen, einen äußerst schwelgerischen und, wenn er nichts zu befürchten hatte, zu jeder Schandthat bereiten Menschen.

6 Gegen diese Gothen kämpfte in Achaja ber Feldherr Macrianus, schlug sie mit Hülfe der Achäer und nöthigte sie zum Rückzuge. Die Skythen aber, d. h. ein Theil der Gothen, verheerten Asien. Damals wurde auch der Tempel der Diana12 zu Ephesus, dessen Schätze bei allen Nationen hochberühmt waren, geplündert [553] und verbrannt. Nur mit Erröthen kann ich die Worte anführen, in welchen Gallienus während dieser Begebenheiten über die Unfälle des Menschengeschlechts gleichsam scherzend häufig sich äußerte. Auf die Nachricht von dem Abfalle Aegyptens soll er entgegnet haben: Wie, können wir denn nicht ohne ägyptische Linnen leben? Wie er erfuhr, daß Asien durch das Zusammenwirken der empörten Elemente und durch die Einfälle der Skythen verheert worden sei, äußerte er: Wie, können wir nicht ohne Schaumsalpeter sein? Als Gallien verloren gieng, soll er mit Lächeln gesagt haben: Droht denn dem Staate eine Gefahr, wenn wir keine Tücher von Atrebatum13 haben? Und während er so scherzte, schien der Verlust einer jeden Provinz keinen andern Eindruck auf ihn zu machen als der Verlust einiger unbedeutenden Sclaven. Damit aber das Maß des Unglücks unter Gallienus voll würde, so wurde auch noch die Stadt Byzantium, der Schlüssel des Pontus, hochberühmt durch ihre Seekriege, durch eben dieses Kaisers Soldaten dergestalt verwüstet, daß durchaus Niemand am Leben blieb, daher denn auch keine alte Familie zu Byzantium ist, es müßte denn jemand gerade auf der Reise oder in Kriegediensten sich befunden haben, der das Alter und den Adel seines Geschlechts beweisen könnte.

7 Nun eröffnete Gallienus in Verbindung mit Aureolus und dem Feldherrn Claudius, dem nachherigen Kaiser und Ahnherrn unsers Cäsars Constantinus, den Krieg gegen Postumius, der ihm mit Victorinus, den er zu seinem Mitregenten ernannt hatte, verstärkt durch viele keltische und fränkische Hülfsvölker, entgegengieng. Nach mehreren mit abwechselnden Glücke gelieferten Schlachten erklärte sich der Sieg für Gallienus. Denn er besaß die Kühnheit [554] eines plötzlich auflodernden Muthes, da ihn eine zugefügte Schmach zuweilen heftig aufregte. Endlich zog er zur Bestrafung der Byzantiner aus. Er erwartete zwar nicht, daß man ihn in die Stadt einlassen werde, doch geschah dieß am folgenden Tage, wo er denn alle Soldaten, unbewaffnet, von seinem Heere umzingeln und gegen die getroffene Uebereinkunft niederhauen ließ. Um diese Zeit wurden auch die Skythen in Asien durch die Tapferkeit der römischen Feldherrn geschlagen und zogen sich in ihre Heimat zurück. Nach dem Blutbade zu Byzant begab sich Gallienus wie nach Vollbringung einer Großthat in rascher Eile nach Rom, versammelte den Senat und feierte das zehnte Jahr seiner Regierung durch ganz neue Spiele, durch eine neue Art von Aufzügen und ausgezeichnete Lustbarkeiten.

8 Zwischen den Senatoren in ihren Togen, den Rittern und den weißgekleideten Soldaten begab sich Gallienus auf das Capitol, wobei das gesammte Volk, sowie fast alle Sclaven zu Rom und die Weiber mit Wachsfackeln und Lampen den Zug eröffneten. Zu beiden Seiten desselben giengen 100 weiße Stiere mit vergoldeten Hörnern und mit bunten seidenen Decken, ferner 200 ganz weiße Lämmer und 10 damals zu Rom befindliche Elephanten. Sodann folgten 1200 prächtig geschmückte Gladiatoren mit golddurchwirkten Matronengewändern, 200 zahme Feldthiere verschiedener Art, auf’s Prachtigste geschmückt, Wägen mit Mimen und Schauspielern aller Art und Klopffechter, aber nicht für ernstlichen Kampf, sondern nur mit weich ausgestopften Schlaghandschuhen ausgerüstet. Auch stellten dabei sämmtliche Possenreißer den Kyklops14 im pantomimischen Tanze dar und ließen einige wunderbare und staunenswerthe Stücke [555] sehen. Alle Straßen erschallten von Spielen, Geräusch und Freuderufen. Gallienus selbst begab sich in einer gestickten Toga und einem palmeneingewirkten Unterkleide, inmitten der Senatoren, wie schon gesagt und im Gefolge aller mit der Prätexta geschmückten Priester auf das Capitol. Auf beiden Seiten sah man 500 vergoldete Lanzen, 100 Fahnen der Innungen und außer diesen Drachenfahnen und die Fahnen der Tempel und sämmtlicher Legionen. Außerdem sah man auch noch verschiedene Nationen vorgestellt z. B. Gothen, Sarmaten und Franken, von denen jeder Trupp aus nicht weniger als 200 Mann bestand.

9 Durch diesen prunkvollen Aufzug glaubte dieser läppische Mensch das römische Volk täuschen zu können: allein die Römer, nach der ihnen eigenen Spottsucht erklärten sich der eine für Postumius, ein anderer für Regillianus, ein anderer für Aureolus, noch ein anderer für Aemilianus und wieder ein anderer für Saturninus, der sich bereits zum Kaiser aufgeworfen haben sollte. Indeß mitten unter diesen Lustbarkeiten hörte man die bittersten Klagen über Gallienus wegen seines Vaters, den derselbe als Sohn nicht gerächt hatte, während doch Ausländer so viel als möglich sich seiner angenommen hatten. Doch dieß machte auf Gallienus’ durch Wollüste ganz abgestumpftes und fühlloses Herz keinen Eindruck, sondern er fragte nur die ihn zunächst Umgebenden: Was werden wir zum Frühmittagsmahl haben? Was für Lustbarkeiten hat man veranstaltet? Was wird morgen im Theater gegeben15? Welche Spiele im Circus? Unter solchen Fragen legte er den Weg nach dem Capitol zurück, opferte daselbst eine Hekatombe und begab sich wieder nach seinem Palast. Kaum aber waren die Schmausereien und Gastmähler zu Ende, so [556] bestimmte er die folgenden Tage zu öffentlichen Lustbarkeiten. Ein hervorstechender Zug von schalkhaftem Witze verdient bei dieser Gelegenheit angeführt zu werden. Man hatte die Lächerlichkeit begangen, unter den Schaaren von Scheingefangenen auch den Perserkönig mit im Triumphe aufzuführen. Einige Possenreißer nun mischten sich unter die Perser, untersuchten alles auf’s Genaueste, sahen jedem derselben mit aufgesperrtem Munde voll Verwunderung ins Gesicht und gaben auf die Frage: was sie denn so sorgfältig suchten? die Antwort: wir suchen des Kaisers Vater. Wie Gallienus dieß erfuhr, stieg weder ein Gefühl von Scham noch von Trauer noch von kindlicher Liebe in ihm auf, sondern er ließ jene Spaßmacher lebendig verbrennen, ein Verfahren, welches das Volk über alle Erwartung heftig aufbrachte, und die Soldaten dergestalt erbitterte, daß sie bald darauf Rache dafür nahmen.

10 Unter dem Consulate des Gallienus und Saturninus16 machte sich Odenatus, König von Palmyra, zum Meister des ganzen Orients, wozu ihm namentlich der Umstand den Weg bahnte, daß er, während Gallienus entweder nichts that oder dem Genusse lebte oder sich mit Possen und Lächerlichkeiten abgab, sich durch tapfere Thaten der Abzeichen der kaiserlichen Majestät würdig erzeigte. Er kündigte alsbald, um den Valerianus, dessen sich sein Sohn gar nicht annahm, zu befreien, den Persern den Krieg an. Nisibis und Carrä kamen durch freiwillige Uebergabe der Einwohner, unter deren lautem Schimpfen auf Gallienus, ohne Verzug in seine Gewalt. Indeß setzte Odenatus keineswegs die Rücksicht gegen Gallienus außer Augen, sondern schickte die gefangenen Satrapen, beinahe ihn zu verspotten, sich selbst aber in seiner Größe zu zeigen, an ihn. Wie [557] diese in Rom anlangten, hielt Gallienus einen Triumph wegen Siegen, die Odenatus erfochten hatte, ohne jedoch seines Vaters Erwähnung zu thun, den er auf die falsche Nachricht von seinem Tode noch bei seinen Lebzeiten, jedoch nur widerwillig und gezwungen, unter die Götter versetzte. Inzwischen hielt Odenatus ein zahlreiches persisches Heer in Ktesiphon belagert, verheerte Alles ringsumher und tödtete unzählige Feinde. Als aber alle Satrapen aus dem ganzen persischen Reiche zur gemeinsamen Vertheidigung dahin herbeieilten, gab es viele Schlachten mit abwechselndem Glücke, bis endlich der Sieg den Römern verblieb. Das einzige Bemühen Odenats, dieses trefflichen Kaisers, war, den Valerianus zu befreien, daher er denn täglich Angriffe machte, trotz aller Hindernisse des Bodens, mit denen er in fremdem Lande zu ringen hatte.

11 Während dieser Vorfälle in Persien drangen die Skythen bis nach Kappadokien vor, eroberten daselbst mehrere Städte und giengen, nachdem der Krieg lange mit abwechselndem Glücke geführt worden war17, nach Bithynien. Deswegen sannen die Soldaten wiederum auf die Wahl eines neuen Kaisers, Gallienus aber ließ sie, als er sie nicht mehr besänftigen und sich wieder geneigt machen konnte, nach seiner gewohnten Weise sämmtlich tödten. Während sie indeß nach einem würdigen Kaiser sich umsahen, war Gallienus Archon, d. h. die höchste obrigkeitliche Person zu Athen, in Folge derselben Eitelkeit, vermöge deren er sich zum Bürger daselbst hatte aufnehmen und in alle Geheimnisse einweihen lassen, was Hadrian nur18 in der [558] Blüthe des Glückes und Antonin nur im tiefsten Frieden gethan hatte, wiewohl diese beiden Kaiser solche Kenntnisse in der griechischen Litteratur besaßen, daß sie nach dem Urtheile großer Männer nur wenigen der größten Gelehrten darin nachstanden. Ueberdieß wollte er sich, fast mit Geringschätzung des römischen Staats, in den Areopagus19 aufnehmen lassen. Denn Gallienus war – ein Verdienst, das sich ihm nicht absprechen läßt – in der Redekunst, in der Dichtkunst und in allen Zweigen der Wissenschaft ausgezeichnet. Man hat noch ein Hochzeitgedicht von ihm, das unter hundert andern das preiswürdigste war. Als nämlich bei der Vermählung seines Neffen alle griechische und lateinische Dichter ihre Hochzeitgedichte, und dieß mehrere Tage hinter einander, vortrugen, soll Gallienus, die Neuvermählten bei der Hand haltend, folgende Verse mehrmals gesprochen haben:
Eilet, Kinderchen, eilt; in gegenseitiger Wollust
Kämpfet den heißen Kampf; nicht stehet an Girren den Lauben,
Nicht an Umschlingung dem Epheu nach, noch an Küssen den Schnecken.
Seine Gedichte und Reden, die ihm unter den Dichtern und Rednern seiner Zeit einen ausgezeichneten Platz verschafften, hier anzuführen, würde zu weitläufig sein. Indeß etwas Anderes sind die Ansprüche, die man an einen Kaiser macht, etwas Anderes die Anforderungen, die man an einen Dichter stellt.

12 Als seine verdienstlichste Handlung wird folgende angeführt. Wie er nämlich erfuhr, daß die Perser von Odenatus geschlagen worden, daß Carrä und Nisibis in die Gewalt der Römer [559] gefallen, daß ganz Mesopotamien unser, daß man bis Ktesiphon vorgedrungen, der Perserkönig geflohen, mehrere Satrapen gefangen und sehr viele Perser erschlagen worden seien, so ernannte er, dem Rathe seines Bruders Valerianus und eines seiner Verwandten, Namens Lucillus, gemäß, den Odenatus unter Verleihung des Augustustitels zu seinem Mitregenten und ließ eine Münze mit Odenatus’ Bildniß und den ihm in Fesseln folgenden Persern schlagen, was dem Senate, dem Staat und allen Leuten jeglichen Geschlechtes Freude verursachte. Ueberdieß besaß Gallienus sehr viel Geist. Ich will hier einige Proben seines Witzes anführen. Einst wurde ein gewaltiger Stier auf den Kampfplatz gebracht, den aber der Jäger, der ihn treffen sollte, ungeachtet man ihn ihm zehnmal vorführte, nicht tödten konnte. Gallienus schickte ihm auf dieß eine Krone. Wie nun ein allgemeines Murren entstand, was es denn bedeuten sollte, daß man einen so äußerst ungeschickten Menschen kröne, ließ Gallienus durch den Ausrufer bekannt machen: einen Stier so oft nicht zu treffen, ist schwer. Einst hatte Jemand an Gallienus’ Gemahlin gläserne Edelsteine20 statt ächter verkauft. Die Sache kam aber heraus, und seine Gemahlin verlangte die Bestrafung des Betrügers. Gallienus ließ ihn ergreifen, als sollte er einem Löwen vorgeworfen werden, statt dessen aber kam ein Kapaun aus dem Behältniß. Wie nun Jedermann über diesen lächerlichen Auftritt sich verwunderte, ließ Gallienus durch den Ausrufer bekannt machen: er hat betrogen und ist betrogen worden, und schenkte dem Verkäufer die Freiheit. Während Odenatus mit [560] dem persischen Kriege beschäftigt war, Gallienus aber, wie gewöhnlich, mit den läppischsten Dingen sich abgab, kamen die Skythen zu Schiffe nach Heraklea und kehrten von da mit ihrer Beute in ihre Heimath zurück, wiewohl ihrer Viele nach einer verlorenen Seeschlacht durch Schiffbruch umkamen.

13 Um dieselbe Zeit wurde Odenatus durch die Hinterlist seines Geschwisterkindsvetters21 mit seinem Sohne Herodes, den er ebenfalls zum Imperator ernannt hatte, getödtet. Da übernahm seine Gemahlin Zenobia, weil ihre beiden Söhne Herennius und Timolaus noch sehr jung waren, selbst die Regierung, und führte sie längere Zeit, nicht als ein Weib, noch auf Weiberart, sondern diese Heldin hätte nicht blos besser als Gallienus, sondern auch mit mehr Tapferkeit und Geschick als manche Kaiser regieren können. Auf die Nachricht von Odenats Tode rüstete sich Gallienus zum Kriege gegen die Perser, um, wiewohl zu spät, seinen Vater zu befreien. Er ließ durch seinen Feldherrn Heraclianus Truppen zusammen ziehen und zeigte sich als einen einsichtsvollen Fürsten. Allein Heraclianus wurde, als er gegen die Perser zog, von den Palmyrenern geschlagen und verlor sein ganzes Heer, da indessen Zenobia über Palmyra22 [561] und einen großen Theil des Orients mit männlicher Kraft herrschte. Während dessen schifften die Skythen durch den Euxinus, liefen in den Ister ein und suchten das römische Gebiet schwer heim. Auf die Kunde davon beauftragte Gallienus die beiden Byzantiner Kleodamus und Athenäus mit Wiederherstellung und Befestigung der dortigen Städte. Unweit des Pontus kam es zu einer Schlacht, worin die Barbaren durch die byzantinischen Heerführer eine Niederlage erlitten. Auch wurden die Gothen in einer Seeschlacht von Venerianus besiegt, der aber in derselben tapfer kämpfend den Tod fand. Hierauf verwüsteten sie Kyzikus, Asien und sofort ganz Achaja, wurden aber von den Athenern unter Anführung des Dexippus, des Geschichtschreibers jener Zeiten, geschlagen. Auf ihrem Rückzuge durchstreiften sie Epirus, Akarnanien23 und Böotien. Den Gallienus vermochten indessen die Unfälle des Staats kaum aus seiner Unthätigkeit zu erwecken. Doch gieng er den Gothen, als sie Illyricum durchzogen, entgegen und tödtete durch einen glücklichen Zufall ihrer eine große Anzahl. Auf die davon erhaltene Nachricht machten die Skythen [562] eine Wagenburg und suchten über den Berg Gessax zu entkommen. Sodann focht Martianus mit abwechselndem Glücke gegen sämmtliche Skythen, was dieselben zu Erneuerung des Krieges reizte24.

14 Eine solche Ergebenheit bewies der Heerführer Heraclianus dem Staate. Wie aber Martianus und Heraclianus die grenzenlose Schlechtigkeit des Gallienus nicht länger ertragen konnten, beriethen sie sich über die Wahl eines neuen Kaisers, welche, wie wir am gehörigen Orte melden werden, auf den bei dieser Berathung nicht anwesenden Claudius fiel, den trefflichsten Mann, der bei Jedermann eine solche Achtung genoß, daß er, wie die Folge bewies, des Thrones für würdig geachtet wurde. Denn es ist der Claudius, von welchem unser für den Staat so sehr besorgter Cäsar Constantinus abstammt. Die Hand bei der neuen Thronbesetzung bot ihm ein gewisser Ceronius oder Cecropius, der ihre Plane mit großer Verschlagenheit und Klugheit unterstützte. Da aber, so lange Gallienus lebte, der Thron nicht vergeben werden konnte, so beschloßen sie, sich mit List an ihn zu machen, um diesem schländlichen und verworfenen Menschen das Ruder des unter seinen Unfällen beinahe erliegenden Staates zu entreißen, damit nicht das dem Theater und dem Circus aufgeopferte Reich durch Lustbarkeiten und Wollüste fernerhin zu Grunde gehe. Der Plan war auf folgende Weise angelegt. Gallienus war mit Aureolus, der sich zum Kaiser aufgeworfen hatte, im Kriege Begriffen und erwartete mit jedem Tag den drohenden und gefährlichen Anmarsch dieses in stürmischer Heerversammlung erwählten Kaisers. Dieß wußten Martianus und Cecropius und ließen daher dem Gallienus unvermuthet melden, Aureolus rücke an. Gallienus versammelte auf dieß seine Truppen und rückte wie zu einer gewissen [563] Schlacht aus, und bei dieser Gelegenheit wurde er durch bestellte Mörder getödtet25. Und zwar soll ihm Cecropius, der Befehlshaber der Dalmatier, mit seinem Schwerte den Todesstoß gegeben haben, wie Einige melden, in der Nähe von Mediolanum, wo alsbald auch Galliens Bruder Valerianus, von dem Einige behaupten, er sei Augustus, Andere, er sei Cäsar, und wieder Andere, er sei keines von beiden gewesen, den Tod fand. Indeß das Letztere ist nicht wahrscheinlich. Denn man findet in den Fasten, und zwar bereits nach Valerians Gefangenschaft, die Worte verzeichnet: Unter dem Consulate des Kaisers Valerianus. Wegen seiner Herkunft ist man im Reinen, nicht aber völlig gewiß wegen seines Ranges oder, wie Andere sich auszudrücken anfangen, wegen seiner Majestät.

15 Nach der Ermordung des Gallienus brach ein heftiger Aufstand unter den Truppen aus, welche, in der Hoffnung, Beute machen und alles plündern zu können, um die Mörder verhaßt zu machen, klagten, ein ersprießlicher, unentbehrlicher, tapferer und thätiger Kaiser sei ihnen entrissen worden. Es wurde daher von den Kriegshäuptern für gut befunden, die aufgebrachten Soldaten durch das gewöhnliche Mittel zu besänftigen, und man ließ durch Martianus einem jeden 20 Goldstücke versprechen und auch (denn Gold war genug vorhanden) auszahlen, worauf denn Gallienus nach einem Erkenntniß des Heers unter dem Namen eines Tyrannen in die öffentlichen Fasten eingetragen wurde. Nachdem auf diese Weise die Truppen beschwichtigt waren, wurde dem Claudius, einem tugendhaften, mit Recht verehrungswürdigen, jedem Rechtschaffenen theuern, [564] patriotischen, gesetzliebenben, beim Senate beliebten und vom Volke wohl gekannten Manne die kaiserliche Würde übertragen.

16 Dieses ist der kurze von mir verfaßte Lebensabriß des Gallienus, eines Menschen, der nur seinem Bauche, seinen Lüsten lebend, Tage und Nächte beim Genuße des Weins und der Wollust zubrachte und nahezu 30 Thronanmaßern das Reich zum Zerfleischen überließ, so daß sogar Weiber besser als er regierten. Um indessen doch noch von seinem wiewohl beklagenswerthen Erfindungsgeiste zu sprechen, so ließ er im Frühlinge seine Schlafgemächer mit Rosen füllen, errichtete Festungen aus Obst, wußte die Trauben drei Jahre lang zu erhalten, ließ im tiefsten Winter Melonen auf seine Tafel bringen, verstand die Kunst, das ganze Jahr über Most zu haben, und ließ grüne Feigen und frisch gepflücktes Obst in ganz andern Jahreszeiten auftragen. Seine Handtücher waren immer von Goldstoff und seine Pokale von Gold und mit Edelsteinen besetzt. Sein Haar puderte er mit Goldstaub. Häufig erschien er öffentlich mit einer Strahlenkrone; auch zeigte er sich zu Rom, wo die Kaiser immer eine Toga trugen, in einem Purpurmantel, dessen goldene Agraffe mit Edelsteinen besetzt war. Sein Unterkleid war das gewöhnliche der Mannspersonen, aber von Purpur und mit Goldstreifen besetzt und hatte lange Aermel. Sein Degengehenk war mit Edelsteinen besetzt, so wie er auch solche an den Stiefeln trug. Die Campagen nannte er nur Schuhnetze. Er speiste öffentlich und hielt das Volk durch Spenden bei guter Laune. Die Speiseportionen vertheilte er unter die Senatoren sitzend. Auch Matronen ließ er an den beim Antritte des Consulates üblichen Geschenken Theil nehmen und gab einer jeden beim Händekuß vier goldene Galliene.

17 Wie einst ein griechischer Philosoph bei dem Tode seines [565] Sohnes geäußert haben soll: ich wußte, daß ich einen Sterblichen gezeugt habe, so entgegnete Gallienus bei der Kunde von seines Vaters Gefangenschaft: Ich wußte, daß ein Sterblicher mein Vater ist. Und es fehlte nicht an einem Schmeichler. Es war Annius Cornicula, der ihn ganz ohne Grund als einen standhaften Fürsten pries. Doch war der, der es glaubte, noch schlimmer. Häufig gieng Gallienus unter Flötenschall aus und kam unter Orgelspiel zurück, ließ also beim Fortgehen und bei der Rückkehr Musik machen. Im Sommer badete er 6–7 mal, im Winter 2–3 mal des Tags. Er trank immer aus goldenen Bechern, nie aus Glas, das er als zu gemein verächtlich verschmähte. Mit den Weinen wechselte er immer ab; nie trank er bei einem Gastmahl zwei Becher von derselben Sorte. Seine Beischläferinnen lagen oft mit ihm zu Tische. Bei seinem Nachtische mußten beinahe immer Lustigmacher und Mimen erscheinen. Wenn er sich in die seinen Namen führenden Gärten begab, so mußte ihn der ganze Hofstaat begleiten. Selbst die Präfecten und die Vorgesetzten aller Hofämter durften dabei nicht fehlen. Er zug dieselben auch zur Tafel und ließ sie mit sich baden. Oefters geschah dieß auch in Gesellschaft von Frauenzimmern, wobei er selbst mit schönen jungen das Bad nahm, diese aber mit häßlichen alten sich baden ließ. Und dieß nannte er eine lustige Unterhaltung, während er überall den Staat zu Grunde richtete.

18 Gegen die Soldaten war Gallienus übertrieben grausam. Er ließ an Einem Tage zuweilen 3–4000 nieder hauen. Er wollte sich ein den Koloß noch an Größe übertreffendes, ihn als Sonnengott darstellendes Standbild errichten lassen, allein es wurde zertrümmert, ehe es zu Stande kam. Man hatte es in einem so großen Stile angefangen, daß es noch einmal so hoch als der Koloß geworden [566] wäre. Es sollte auf der Spitze des esquilinischen26 Berges aufgestellt werden und in die Hand eine Lanze bekommen, in deren Schaft27 ein Kind bis an die Spitze hinaufsteigen könnte. Indeß die Kaiser Claudius und Aurelianus fanden in der Folge diese Idee lächerlich, weil nach seinem Befehle auch Pferde und Wagen im gehörigen Verhältniß zur Bildsäule verfertigt werden und auf einem ganz schmalen Postament ruhen sollten. Auch hatte er vor, den Säulengang an der flaminischen Straße bis zur mulvischen Brücke28 fortzuführen, und zwar in einer Breite von vier, nach Andern aber von fünf Reihen. Die erste sollte aus Pfeilern und davor errichteten Säulen bestehen, mit Statuen darauf, und dann sollten daneben noch vier Reihen Säulen hinlaufen. Alles von Gallienus hier beizubringen, würde zu weit führen; wir verweisen daher den wißbegierigen Leser auf den Palfurius Sura, welcher ein Tagebuch von dem Leben dieses Kaisers verfaßt hat, und gehen auf Saloninus über.

Saloninus Gallienus

19 Dieser Saloninus war ein Sohn Gallien’s und Enkel Valerians, sein Leben bietet übrigens nichts Bemerkenswerthes dar, als daß er von edler Herkunft war, eine fürstliche Erziehung erhielt und zuletzt nicht durch seine, sondern seines Vaters Verschuldung getödtet wurde. In Betreff seines Namens ist man sehr verschiedener Meinung. Viele Geschichtschreiber nämlich nennen ihn Gallienus, viele andere aber Saloninus. Die letztern sagen, er habe diesen Beinamen erhalten, weil er zu Salona29 geboren worden sei; die erstern aber, er sei nach seinem Vater und Großvater Gallienus, der ehedem ein zu Rom sehr angesehener Mann gewesen, genannt worden. Es hat bis auf unsere Zeit am Fuße des romulischen Berges, d. h. vor der heiligen Straße, in dem Tempel der Faustina eine nachher an den fabianianischen Bogen gebrachte Statue gestanden mit der Inschrift: Gallienus dem Jüngern und dem Beisatze: Saloninus, was seinen Namen außer Zweifel setzt. Daß Gallienus länger als zehn [568] Jahre regierte, ist ganz sicher. Ich bemerke aber dieß deßhalb, weil Viele berichten, er sei im ersten Jahre seiner Regierung getödtet worden. Daß aber unter ihm auch noch andere Empörungen Statt gefunden haben, werde ich an einem eigenen Orte melden, indem ich das Leben der 30 Thronanmaßer in Einem Bande abhandeln will, theils weil nur Weniges von ihnen zu berichten, theils weil schon Manches von ihnen in Gallien’s Leben vorgekommen ist. Dieß mag indessen in dieser Schrift von Gallienus genug sein. Denn Vieles von ihm ist bereits in Valerians Leben vorgekommen, manches Andere aber, dessen öftere Wiederholung und Anführung höchst unnütz wäre, werde ich noch in meinem Buche von den 30 Thronanmaßern berühren. Ueberdieß habe ich auch Einiges absichtlich weggelassen, um nicht seine Nachkommen durch die Mittheilung mancher Dinge zu verletzen.

20 Denn du weißt es selbst, wie sehr die Leute über diejenigen erbittert sind, welche etwas von ihren Vorfahren schreiben. Auch werden dir, wie ich glaube, die Worte Cicero’s in seinem Hortensius, einer Art von Ermunterungsschrift, nicht unbekannt sein. Doch ein Geschichtchen will ich noch anführen, das spaßhafter, aber freilich auch sehr gewöhnlicher Natur ist, indeß doch einem neuen Brauche den Ursprung gegeben hat. Als nämlich die Kriegsbedienten, die zur kaiserlichen Tafel geladen waren, zur Essenszeit ihr Wehrgehenk ablegten, soll der junge Saloninus oder Gallienus diese goldenen, reich besetzten Gürtel weggenommen haben. Da das Weggekommene im kaiserlichen Palaste aufzusuchen nicht wohl angieng, so ertrugen die Kriegsmänner ihren Verlust in der Stille, behielten aber, als sie später wieder zur Tafel geladen wurden, bei derselben ihr Wehrgehenke an und gaben, wie man sagt, auf die Frage, warum sie solches nicht ablegen wollten, die Antwort: Wir thun es des Saloninus [569] wegen30. Daher soll denn die Gewohnheit gekommen sein, in der Folge mit dem Kaiser das Wehrgehenke an der Seite zu speisen. Doch kann ich nicht in Abrede ziehen, daß Mehrere einen andern Ursprung von diesem Gebrauche angeben. Sie sagen nämlich, daß der Soldat bei seinem Frühstücke [prandium], dessen lateinischer Name daher kommt, weil es den Krieger zur Schlacht vorbereitet und stärkt [parat], jederzeit gegürtet erschienen sei, welcher Behauptung dieß zum Beweise dient, daß man auch bei der kaiserlichen Abendtafel gegürtet31 erscheint. Ich habe diese Sache deswegen hier angeführt, weil sie mir denk- und wissenswürdig schien.

21 Wir wollen nun auf die dreißig Thronanmaßer übergehen, welche unter Gallienus aus Verachtung gegen diesen schlechten Regenten aufgetreten sind. Doch werde ich mich kurz fassen und nur Weniges von ihnen berichten. Denn die meisten von ihnen verdienen nicht, daß ihr Name nur einen Platz in einem Buche einnimmt, wiewohl es mehrere unter ihnen gegeben hat, die viele Vorzüge besessen und auch große Verdienste um den Staat sich erworben haben. Auch über den Ursprung des Namens Saloninus sind die Meinungen sehr verschieden. Die, welche der Wahrheit am nächsten zu kommen glauben, meinen, er habe diesen Namen von seiner Mutter Salonina erhalten, welche sonst auch Pipara hieß, eines barbarischen Königs Tochter war und von Gallienus sterblich geliebt wurde. Gallienus und alle Mitglieder der kaiserlichen Familie puderten ihr Haar gelb. Ueber die Zahl der Regierungsjahre der Kaiser Gallienus und Valerianus [570] sind die Nachrichten sehr unsicher. Es ist zwar ausgemacht, daß sie 15 Jahre regiert haben (nämlich Gallienus erreichte das 15. Jahr seiner Regierung, Valerianus aber gerieth im sechsten in die Gefangenschaft), dagegen sprechen Andere nur von 9, und wieder Andere von 10 Jahren, welche Gallienus regiert haben sollte, da es doch gewiß ist, daß er das zehnte Jahr seiner Regierung zu Rom gefeiert, nach dieser Feier die Gothen geschlagen, mit Odenatus einen Frieden geschlossen, mit Aureolus sich verglichen, gegen Postumius und Lollianus gekämpft und noch vieles gethan hat, das ihm zur Ehre, noch Mehreres aber, das ihm zur Schande gereichte. Er soll nämlich gewöhnlich des Nachts Garküchen besucht und Umgang mit Kupplern, Mimen und Possenreißern gehabt haben.

Anmerkungen

1 Hier befindet sich eine Lücke in den Handschriften, welche Obrecht nach einigen stehen gebliebenen Wörtern so ausfüllt: Maior erat omnium moestitia, quod Gallienus nactus imperium, ut pater fato, sic ipse moribus remp. perdiderat. „Noch größer aber war die Betrübniß darüber, daß Gallienus nach seiner Gelangung zum Reiche wie sein Vater durch eine Fügung des Schicksals, so durch sein Betragen den Staat zu Grunde richtete.“

2 J. Chr. 261.

3 Das Leben des Macrianus und seiner Söhne steht unten in den 30 Thronanmaßern Cap. 12, 13 und 14. Das des Balista ebendaselbst Cap. 18.

4 Das Leben des Piso und Valens siehe unten in den Thronanmaßern Cap. 19 und 21.

5 Seine Lebensbeschreibung findet sich unten in den Thronanmaßern Cap. 11.

6 Hier befindet sich wieder eine bedeutende Lücke im Tert, welche Obrecht so ergänzt: Sed hunc dux Gallieni Theodotus conflictu habito cepit atque imperatoriis ornamentis exutum Gallieno vivum transmisit. Aegyptus posthac Theodoto est concessa: Aemilianus in carcere strangulatus, in Thebaitanos milites quoque saevitum est interfectis pluribus. CumGallienus in luxuria et improbitate persisteret etc. Allein ihn besiegte des Gallienus Feldherr Theodotus in einer Schlacht, entkleidete ihn der kaiserlichen Auszeichnungen und schickte ihn lebendig an den Kaiser Gallienus. Die Statthalterschaft über Aegypten wurde hierauf dem Theodotus übertragen, Aemilianus aber im Gefängnisse erdrosselt, auch gegen die Soldaten in der Thebais grausam verfahren und eine große Anzahl derselben getödtet. Während aber Gallienus in seiner Schwelgerei etc.

7 Sein Leben siehe unten in den Thronanmaßern Kap. 2.

8 Ich übersetze nach der Emendation des Salmasius: Contra hunc ipse Gallienus exercitum duxit: cumque urbem in qua erat Postumius obsidere coepisset, acriter eam defendentibus Gallis, Gallienus muros circumiens sagitta ictus est.

9 Jetzt Ismid oder Izmid.

10 J. Chr. 262.

11 Eine Stadt in Makedonien, von Kassander angelegt wo früher Therma gestanden, an der Spitze des Meerbusens, der von dieser Stadt benannt wird. Sie war sehr befestigt und unter den Römern Sitz des Statthalters.

12 Er lag sieben Stadien von Ephesus entfernt und Herodot (2,148) gibt ihn als den größten aller griechischen Tempel an. Herostratus verbrannte ihn an dem Tage, an welchem Alexander der Große geboren wurde, und nun trugen alle Griechen in Kleinasien alles bei, den von Chersiphron erbauten 425 Fuß langen, 220 breiten, mit 127 sechzig Fuß hohen Säulen versehenen Tempel zu dem ersten in Kleinasien zu machen. Er ward ein Wunderwerk der alten Welt, durch die Türken aber so ganz vernichtet, daß auch nicht eine Spur mehr davon vorhanden ist.

13 Jetzt Arras, gab den Römern gute Stoffe.

14 Der Kyklops war ein bekannter Pantomimus, den Polyphemus in seiner Liebe zur Galatea darstellend.

15 Anstatt: coena lese ich mit Salmasius: scena.

16 J. Chr. 264.

17 Ich lese mit Salmasius: belio etiam vario diu acto, se ad Bithyniam contulerunt.

18 Anstatt: quod neque Adrianus in summa felicitate, neque Antoninus in adulta fecerat pace lese ich mit Salmasius: quod neque Adrianus nisi in summa felicitate, neque Antoninus nisi in adulta fecerat pace.

19 Der oberste Gerichtshof zu Athen.

20 Die Kunst. Glas die Farbe von Edelsteinen zu geben, ist schon sehr alt. Beweise davon findet man bei Plinius 36,26, der unter Anderem der künstlichen Hyacinthe, Sapphire und auch des schwarzen Glases gedenkt, und Tertullian spottet darüber, daß man gefärbtes Glas so theuer als ächte Perlen bezahle.

21 Er hieß Mäonius und hatte auf der Jagd einen Wurfspieß eher geworfen als Odenatus und, wie man dieß ihm verwies, es wieder holt. Als Monarch und als Jäger ward Odenatus dadurch gereizt, wandte sein Pferd ab – ein Schimpfeszeichen unter den Barbaren – und züchtigte den unbesonnenen Jüngling durch einen kurzen Verhaft. Auf dieß ermordete Mäonius unter dem Beistunde einiger verwegenen Gehülfen seinen Oheim mitten unter einem Gastgebote.

22 Auch Tadmor, Palmenstadt genannt von der außerordentlichen Fruchtbarkeit an Palmen in ihrer Umgegend, lag in Syrien. Sie war ein Hauptstapelplatz des Handels von Südostasien bis nach Phönicien und soll von Salomo schon entweder erbaut oder erweitert worden sein, als Schutzwehr des Reichs gegen Osten. Späterhin wurde sie durch Odenatus und Zenobia ein Königssitz bis sie von Aurelian eingenommen und zerstört wurde. Ehemals bot die Umgegend dem Blicke die lachendsten Gefilde und die fruchtbarsten Fluren; gegenwärtig zeigt sie nichts als eine große Sandwüste, in welcher sich sehr häufig die köstlichsten Ueberreste alter Pracht aus durchaus unfruchtbaren Steppen und Sand erheben, die ihren Ursprung dem Odenatus und der Zenobia vorzüglich verdanken.

23 Eine Landschaft in Griechenland, gegen Westen und Süden vom ionischen Meere, gegen Norden vom ambrakischen Meerbusen und Epirus, gegen Osten von Aetolien begrenzt.

24 Hier scheint etwas zu fehlen.

25 Eine ausführlichere Nachricht über Galliens Tod finden wir in Victors Kaisergesch. Cap. 33, der eine gute Quelle vor sich gehabt zu haben scheint.

26 Der größte von den sieben Hügeln Roms, anstoßend an den cölischen, viminalischen und palatinischen, so wie an die Stadtmauer.

27 Anstatt: per cujus caput lese ich mit Scaliger: per cujus scapum.

28 Eine Brücke über den Tiber oberhalb Rom, jetzt Ponte Molle.

29 Eine sehr bedeutende Stadt in Dalmatien, berühmt als Geburtsort und durch die Villa des Kaisers Diocletian, auf der er die letzten Jahre seines Lebens zubrachte, und wovon noch große Ruinen vorhanden sind.

30 Salonino deferimus. Diese Worte sind doppelsinnig. Sie können heißen: wir thun es dem Saloninus zu Ehren oder: wir thun es wegen Suloninus.

31 Anstatt: quod a discinctis lese ich mit Salmasius: quod ab his cinctis.