Horaz

Ornament

Übersetzung

1 [545] Horatius Flaccus aus Venusia hatte zum Vater, wie er selbst angiebt, einen Freigelassenen, welcher Steuereintreiber war; die herrschende Meinung aber war, daß er ein Salzfischhändler gewesen, wie denn Jenem einmal bei einem Wortwechsel der Andere vorrückte: „Wie oft habe ich deinen Vater sich mit dem Arme schnäuzen gesehen?“

2 In dem Feldzug von Philippi diente er, auf Zureden des Oberbefehlshabers Marcus Brutus, als Kriegstribun, wurde dann nach der Niederlage seiner Partei begnadigt und diente hierauf als Schreiber bei einem Quästor.

3 Er wußte sich zuerst bei Mäcenas und dann auch bei Augustus so zu empfehlen, daß er in der Freundschaft Beider sehr hoch stand.

4 Wie beliebt er bei Mäcenas gewesen, beweist dessen Epigramm, wo er sagt:
Wenn ich nicht dich bereits, Horaz, noch mehr als
Mich selbst liebe, so magst du deinen Freund gleich
Schauen magerer, als ein junges Maulthier.

Aber noch viel stärker bezeugte er dieß am Ende seines Lebens in einem Empfehlungsschreiben an Augustus mit den Worten: „Mögest Du den Horatius Flaccus, wie mich, im Andenken behalten.“

5 Augustus trug ihm das Amt eines Secretärs an, was er dem Mäcenas in folgendem Schreiben anzeigte:
Bisher war ich selbst noch im Stande, [546] die Briefe an meine Freunde zu schreiben, jetzt aber, wo ich mit Geschäften überhäuft bin, fühle ich mich zu schwach, und wünsche daher, unsern Horatius Dir abzuführen. Er soll also von deinem Schmarozertisch an meinen fürstlichen Tisch kommen und mir beim Briefschreiben aushelfen.

6 Und auch als er sich dessen weigerte, zürnte er ihm deßhalb nicht im Geringsten und hörte nicht auf, ihm seine Freundschaft anzutragen. Man hat noch Briefe, aus denen ich zum Beweise dessen Einiges beisetze.
Du darfst dir wohl etwas bei mir herausnehmen, ganz so, als ob du mein Tischgenosse wärest; denn du hast ganz recht und mit Bedacht gehandelt, da ich mit dir nur dann in jene nähere Beziehung treten wollte, wenn es deine Gesundheit erlaube.
Und an einer andern Stelle:
Wie gern ich an dich denke, kannst du auch von unserm Freunde Septimius hören, denn es traf sich gerade, daß ich in seiner Gegenwart von dir sprach. Ich werde deßhalb, weil du stolz meine Freundschaft verschmäht hast, nicht selbst auch gegen Dich übermüthig werden.

7 Außerdem nannte er ihn neben anderen Scherzen oft den reinsten Schwanz und das liebenswürdigste Menschenkind, und bereicherte ihn dann und wann mit Geschenken.

8 Seine Gedichte hielt er so hoch und war so sehr von ihrer ewigen Dauer überzeugt, daß er ihm nicht nur ein Gedicht zur Säcularfeier, sondern auch noch eines zur Feier des vindelicischen Sieges seiner Stiefsöhne Tiberius und Drusus zu fertigen auftrug und ihn zwang, zu diesem Behufe, seinen drei Büchern Gedichte nach langer Unterbrechung ein viertes folgen zu lassen. Und als er seine Sermonen las und sich darin mit keiner Silbe genannt fand, beklagte er sich darüber mit folgenden Worten:
Wisse, daß ich dir darüber zürne, daß du nicht in vielen dieser Gedichte vorzugsweise mit mir sprichst. Oder fürchtest du, es möchte dir bei der Nachwelt zur Schande gereichen, [547] wenn man sieht, daß du mein Freund bist?
und erzwang damit ein Gedicht von ihm, dessen Anfang so lautet (Epp. II, 1);
Da der Geschäfte so viel und so große du trägest alleine, Schützest Italiens Glück mit der Wehr, durch Sitten es hebest Und mit Gesetzen es reinst, wär’s Sündigen widers Gemeinwohl, Macht’ ich mit meinem Gespräche noch lang die Momente dir, Cäsar.

12 Es sind mir auch Elegien unter seinem Namen durch die Hände gegangen, und eine prosaische Zuschrift, in welcher er sich dem Mäcenas empfiehlt; aber ich halte Beides für unächt, denn die Elegien sind zu ordinär und der Brief selbst unklar, ein Fehler, an dem er sonst gar nicht litt.

9 Horatius war klein und dick, wie er sich nicht nur selbst in seinen Satiren, sondern auch Augustus ihn in folgendem Briefe schildert:
Dionysius hat mir dein Bändchen überbracht, das ich, so klein es auch ist, gut aufnehme, aber nicht ohne dir Vorwürfe zu machen. Ich glaube, du fürchtest, deine Schriften möchten größer werden, als du selbst bist. Aber wenn dir auch die Größe abgeht, so hast du doch einen Bauch. Du dürftest daher wohl auf Zweischoppenkrüge schreiben, damit deine Schriftrolle ebenso umfangreich werde, wie dein Bauch.

10 In der Wollust soll er unenthaltsam gewesen sein; [so soll er in einem mit Spiegeln versehenen Schlafzimmer Dirnen aufgestellt haben, so daß ihm auf jeder Seite, nach welcher er blickte, das Bild des Beischlafs entgegentrat.]1

11 Er lebte meist zurückgezogen auf seinem Landgut im Sabinischen oder bei Tibur, und man zeigt noch sein Haus bei dem Haine des Tiburnus.

14 Er ward geboren am 8. Dezember unter dem Consulat des Lucius Cotta und Lucius Torquatus [689 d. St.], und starb am 27. November [548] unter dem Consulat des Cajus Marcius Censorinus und des Cajus Asinius Gallus [746 d. St.], nachdem er das siebenundfünfzigste Jahr überschritten hatte,

15 und bezeichnete vor Zeugen den Augustus als seinen Erben, weil er bei dem heftigen Andrang der Krankheit nicht mehr im Stande war, die Testamentstafeln zu siegeln.

16 Beerdigt und beigesetzt wurde er am äußersten Ende der Esquilien neben dem Grabhügel des Mäcenas.

Anmerkungen

1 Der eingeklammerte Satz ist ohne Zweifel ein Einschiebsel.