Persius

Ornament

Übersetzung

1 / 2 [554] Aulus Persius Flaccus ward geboren am 4. Dezember unter dem Consulat des Fabius Persicus und des Lucius Vitellius, und starb am 24. November unter dem Consulat des Publius Marius und Asinius Gallus. Er war gebürtig aus Volaterrä in Etrurien, war römischer Ritter und mit Gliedern des senatorischen Standes blutsverwandt und verschwägert, und starb auf seinem Landgut an der Appischen Straße beim achten Meilenstein.

3 Sein Vater Flaccus hinterließ ihn bei seinem Tode als sechsjährigen Waisen; seine Mutter Fulvia Sisennia heirathete nachher den römischen Ritter Fusius und begrub auch diesen nach wenigen Jahren.

4 Bis in sein zwölftes Jahr erhielt Flaccus seinen Unterricht in Volaterrä, von da an zu Rom bei dem Grammatiker Remmius Palämon und dem Rhetor Virginius Flavus. Sechszehn Jahre alt schloß er mit Annäus Cornutus eine so enge Freundschaft, daß er niemals ohne ihn war; von diesem wurde er einigermaßen in die Philosophie eingeleitet.1

10 [556] Bald aber, nachdem er Schule und Lehrer auf dem Rücken hatte, las er das zehnte Buch des Lucilius und warf sich dann mit großem Eifer auf das Satirenschreiben, und nahm sich den Anfang jenes Buches zum Vorbild, um zuerst sich selbst, dann Jedermann herunterzumachen, und war so voll Spott gegen alle neueren Dichter und Redner, daß er selbst den Nero tadelte. Während sein Vers auf Nero so lautete: „Der König Mida hat Eselsohren“, änderte Cornutus, damit nicht Nero es auf sich beziehe, nur so viel daran, daß es hieß: „Wer hat nicht Eselsohren?“

5 [554] Zu Freunden hatte er von frühester Jugend an den Dichter Cäsius Bassus und den Calpurnius Sura, der noch zu seinen Lebzeiten als junger Mann starb; wie einen Vater verehrte er den Servilius Nonianus. [555] Durch Cornutus lernte er auch den Annäus Lucanus, einen Schüler des Cornutus, kennen, der mit ihm in gleichem Alter stand. Denn Cornutus, ein Anhänger der stoischen Schule, welcher auch philosophische Schriften hinterließ, war damals Tragödiendichter. Lucanus aber bewunderte die Gedichte des Flaccus so sehr, daß er sich, wenn dieser sie vorlas, kaum des lauten Beifallrufens enthalten konnte [und sagte, dieses sei wirkliche Poesie2]. Spät erst lernte er auch den Seneca kennen, aber ohne sich von dessen Geist fesseln zu lassen. Im Hause des Cornutus lebte er im Umgang mit zwei sehr gelehrten und sittenreinen Männern, welche damals stark Philosophie trieben, nämlich mit Claudius Agathemerus, einem lakedämonischen Arzte, und mit Petronius Aristokrates aus Magnesia; diese liebte er ganz außerordentlich und eiferte ihnen nach, da sie in gleichem Alter mit ihm und jünger als Cornutus waren.3 Er war auch etwa zehn Jahre lang der größte Liebling des Pätus Thrasea, so daß dieser, der eine Verwandte von ihm zur Frau hatte, ihn auch einmal mit auf Reisen nahm.

6 Er besaß einen sanften Charakter, eine jungfräuliche Sittsamkeit, eine schöne Gestalt und eine musterhafte Anhänglichkeit an Mutter, Schwester und Tante; er war ein tugendhafter und keuscher Mann.

8 Er dichtete selten [556] und langsam. Selbst seine Gedichtsammlung hinterließ er unvollendet: am Ende des Buches sind einige Verse weggelassen worden, und Cornutus überarbeitete es, wie wenn es vollendet wäre, nur ein wenig, damit es einen Schluß bekomme, und überließ dann die Herausgabe dem Cäsius Bassus, der ihn darum gebeten hatte. Flaccus hatte noch als Knabe auch eine Tragödie und einen Band Reisebeschreibungen geschrieben, wie auch für die Frau des Thrasea einige Verse auf dessen Mutter Arria, die sich vor ihrem Manne getödtet hatte; allein Cornutus veranlaßte seine Mutter, alle diese Stücke zu vernichten. Als seine Gedichtsammlung herauskam, wurde sie alsbald bewundert und reißend gekauft.

9 Er starb an einem Magenleiden dreißig Jahre alt.

7 [555] Er hinterließ seiner Mutter und Schwester ungefähr zwei Millionen Sestertien, mit der schriftlichen Bitte an seine Mutter, dem Cornutus, nach Einigen hunderttausend Sestertien oder, wie Andere wollen, zwanzig Pfund verarbeitetes Silber und etwa siebenhundert Bücher, d. h. seine ganze Bibliothek zu geben. Cornutus nahm die Bücher an sich, ließ aber das Geld seiner Mutter und Schwester, die er zu Erben eingesetzt hatte.

Anmerkungen

1 Hieher gehört, wie Bohier gefunden, wahrscheinlich die ganze Stelle am Ende von den Worten an: „Bald aber, nachdem er Schule und Lehrer“ etc.

2 Das Eingeklammerte fehlt in den Handschriften.

3 Eine andere Lesart statt Cornuto minores ist Cornuti minores: Schüler des Cornutus.