Caligula

Ornament

Übersetzung

1 (1) [261] Germanicus, der Vater Gajus Cäsars, Sohn des Drusus und der jüngeren Antonia, später von seinem väterlichen Oheim Tiberius adoptiert, bekleidete fünf Jahre vor der gesetzlichen Zeit1 die Quästur und nach derselben sofort [d. h. mit Überspringung der dazwischenliegenden Ehrenstufen des Ädilen- und Prätoramtes] das Konsulat. Hierauf führte er den Oberbefehl über das in Deutschland stehende Heer und hielt sämtliche Legionen, da sie nach der Kunde von Augustus’ Ableben sich hartnäckig weigerten, den Tiberius als Nachfolger anzuerkennen, und ihm selbst die oberste Gewalt anboten,2 ebenso pflichttreu als beharrlich in Schranken, worauf er, nachdem er sie siegreich gegen den Feind geführt hatte, in Rom triumphierte.3 (2) Dann mit dem zweiten Konsulate bekleidet und vor Antritt seines Amts durch den Auftrag, die Ruhe im Orient herzustellen, aus Rom wider seinen Willen entfernt, besiegte er dort den König von Armenien, machte Cappadocien zur römischen Provinz und starb im vierunddreißigsten Jahre seines Alters nach längerer Krankheit zu Antiochia, nicht ohne Verdacht der Vergiftung. Denn außer den blauen Flecken, die seinen ganzen Körper bedeckten, und dem Schaume, der ihm vom Munde floß, fand man nach Verbrennung des Leichnams das Herz unter den Gebeinen unversehrt, dessen Beschaffenheit, [262] wie man glaubt, von der Art ist, daß es, von Gift berührt, nicht durch Feuer verzehrt werden kann.4

2 Er starb der allgemeinen Meinung nach als ein Opfer Tibers, der dabei den Cnejus Piso als Helfershelfer gebrauchte,5 welcher um dieselbe Zeit als Statthalter in Syrien stand und der, indem er kein Hehl daraus machte, daß er entweder den Vater oder den Sohn zum Feinde haben müsse, selbst den kranken Germanicus durch die verletzendsten Reden und Handlungen auf das maßloseste beleidigte, weshalb er bei seiner Rückkehr nach Rom vom Volke beinahe in Stücke gerissen und vom Senate zum Tode verurteilt wurde.

3 (1) Germanicus war, wie sattsam bekannt, mit allen Vorzügen des Leibes und Geistes so glücklich wie kein anderer Mann ausgestattet. Seine Wohlgestalt und Stärke waren unvergleichlich, sein Geist in griechischer und römischer Beredsamkeit und Literatur hochgebildet, er besaß eine seltene Liebenswürdigkeit und ein bewundernswürdiges, des Erfolges sicheres Streben, sich die Gunst der Menschen zu erwerben und ihre Liebe zu gewinnen. Nur die etwas zu hageren Schenkel stimmten nicht mit seiner übrigen Wohlgestalt, doch gewannen dieselben allmählich an Kraft und Fülle durch tägliches Reiten nach dem Frühmahl. Oft erlegte er einen Feind im nahen Einzelkampfe. (2) Als gerichtlicher Redner trat er selbst noch auf, nachdem er bereits die triumphalischen Ehren gewonnen hatte,6 und außer anderen [263] bleibenden Zeugnissen seiner Studien hat er auch griechische Komödien hinterlassen. Daheim wie im Auslande war sein Betragen bürgerlich schlicht; freie und verbündete Städte betrat er stets ohne Begleitung von Liktoren. Wo er Grabmäler berühmter Männer fand, pflegte er ihren Manen Totenopfer darzubringen. Als er die verwitterten und zerstreuten Überreste der bei der Varianischen Niederlage Erschlagenen unter einem gemeinsamen Leichenhügel zu bestatten beschloß, war er der erste, der daran ging, dieselben mit eigener Hand aufzulesen und zusammenzutragen. (3) Selbst gegen seine Widersacher, wer sie auch sein und aus was für Gründen sie ihm auch abhold sein mochten, war er so mild und ohne Arg, daß er sogar gegen den Piso, als dieser seine Verordnungen kassierte und seine Klienten lange Zeit mißhandelte, nicht eher Zorn im Gemüte faßte, als bis er den Beweis in die Hände bekam, daß derselbe sogar Giftmischerei und Zauberkünste gegen ihn in Anwendung bringe; und selbst da ging er nicht weiter, als daß er ihm, nach der Sitte der Altvorderen, die Freundschaft aufkündigte und seinen Hausgenossen die Sache übertrug, falls ihm selbst etwas Menschliches begegnen sollte.7

4 Für diese trefflichen Eigenschaften erntete er den reichsten Lohn in der achtungsvollen Liebe der Seinen, die so weit ging, daß Augustus – um von seinen übrigen Verwandten nicht zu reden –, lange schwankte, ob er nicht ihn zu seinem Nachfolger bestimmen sollte, und ihn endlich durch Tiberius adoptieren ließ.8 Zugleich war er bei dem Volke so beliebt, daß er nach vielen Berichten, wenn er irgendwo ankam oder aus irgendeinem Orte abreiste, durch das Gedränge der zu seiner Einholung oder zu seiner Begleitung [264] herbeiströmenden Menge zuweilen in Lebensgefahr geriet und daß, als er aus Germanien nach Dämpfung des Aufruhrs heimkehrte, sämtliche prätorianischen Kohorten zu seinem Empfange ausrückten, trotzdem, daß nur zwei den Befehl dazu erhalten hatten, das ganze römische Volk aber, ohne Unterschied des Geschlechts, Alters und Standes, ihm bis zum zwanzigsten Meilensteine entgegenströmte.

5 Aber noch weit stärker und überzeugender sprach sich das allgemeine Urteil bei und nach seinem Tode über ihn aus. An seinem Sterbetage schleuderte man Steine gegen die Tempel, stürzte Altäre um,9 manche warfen ihre Hausgötter auf die Straße und setzten die an diesem Tage ihnen von ihren Ehefrauen geborenen Kinder aus. Ja, es heißt, daß selbst fremde Völker, die unter sich oder mit uns im Kriege begriffen waren, wie bei einer allgemeinen und heimischen Trauer einmütig Waffenruhe eintreten ließen, manche kleine Könige als Zeichen des höchsten Leidtragens sich den Bart und ihren Frauen das Haupthaar abschoren und sogar der (parthische) König der Könige seine Jagden und den Tafelverkehr mit seinen Großen aussetzte, was bei den Parthern so viel bedeutet, wie bei uns das Schließen der Gerichtshöfe.10

6 (1) In Rom, wo auf die erste unbestimmte Kunde von seiner Erkrankung die Einwohnerschaft, wie vom Donner gerührt, in tiefem Schmerze auf weitere Botschaft harrte und plötzlich spät abends, ohne daß man wußte durch wen, sich endlich das Gerücht von seiner Genesung verbreitete, stürzte sofort alles mit Fackellichtern und Opfertieren nach dem Kapitol, und fast wurden in dem Drange nach augenblicklicher Kundgebung der Freude durch Darbringung der [265] gelobten Opfer die Tempeltüren gewaltsam eingebrochen. Empor fuhr aus seinem Schlafe Tiberius durch das Jubelgeschrei der einander Glückwünschenden, die überall den ein stimmigen Refrain11 sangen:
Heil dir, Roma! Heil dir, Vaterland! Heil ist uns Germanicus!

(2) Wie aber nun doch endlich zu Tage kam, daß er seinem Geschick erlegen sei, da konnte durch kein Trostzusprechen, durch keine Edikte der öffenlichen Trauer Einhalt getan werden, und dieselbe dauerte sogar durch die Festtage des Dezembermonats fort.12 Den Ruhm des Dahingeschiedenen und die Sehnsucht des Volks nach ihm steigerte noch die schreckliche Zeit, die auf ihn folgte, indem die öffentliche Meinung nicht ohne Grund dahin lautete: durch die Achtung und Furcht vor ihm sei die Grausamkeit des Tiberius im Zaume gehalten worden, deren Ausbruch bald nachher erfolgte.

7 Verheiratet war Germanicus mit Agrippina, der Tochter Agrippas und der Julia, und hatte von ihr neun Kinder, von denen zwei in zartester Kindheit dem Tode zum Raube, einer aber, als er bereits am Beginn des Knabenalters stand, ein überaus liebenswürdiges Kind wurde, dessen Bild, als Cupido dargestellt, Livia in den Tempel der Kapitolinischen Venus weihte, während Augustus eine Kopie davon in seinem Schlafzimmer aufstellte, die er, sooft er dasselbe betrat, zu küssen pflegte.13 Die anderen überlebten den Vater; drei [266] Mädchen: Agrippina, Livilla, Drusilla, alle drei ein Jahr im Alter auseinander, und ebensoviele Knaben: Nero, Drusus und Gajus Cäsar. Den Nero und Drusus erklärte der Senat auf die Anklage Tibers als Feinde des Staates.14

8 (1) Gajus Cäsar wurde am Tage vor dem ersten September unter dem Konsulate seines Vaters und des Gajus Fontejus Capito geboren. Wo er geboren, ist wegen der darüber bei den Schriftstellern herrschenden Verschiedenheit der Angaben nicht mit Sicherheit zu bestimmen. Cnejus Lentulus Gätulicus läßt ihn zu Tibur, Plinius Secundus im Lande der Trevirer in dem Flecken Ambiatinus15 oberhalb von Confluentes (Coblenz) zur Welt kommen, und der letztere fügt zur Verstärkung seiner Angabe hinzu: man zeige dort Altäre mit der Inschrift: „Für das Kindbett Agrippinas“. Ein paar Verschen, die bald nach seiner Thronbesteigung in aller Munde waren, deuten an, daß er beim Heere im Winterlager geboren ward:
Mitten im Lager geboren, erzogen im Zelte des Vaters,
War’s nicht Zeichen genug, daß er zum Fürsten bestimmt?

(2) Ich meinerseits finde in der Tageschronik,16 daß er zu Antium geboren worden. Den Gätulicus widerlegt Plinius und sagt, er habe aus Kriecherei gelogen, um zur Verherrlichung des jungen ehrgeizigen Fürsten auch noch einigen Stoff aus einer dem Herkules heiligen Geburtsstadt zu gewinnen, und er habe seine Lüge um so zuversichtlicher hingestellt, als wirklich dem Germanikus ein Jahr zuvor zu Tibur ein Sohn geboren worden war, der gleichfalls den Namen Gajus Cäsar erhalten hatte, derselbe liebenswürdige, früh verstorbene Knabe, dessen wir oben17 gedacht haben. (3) Plinius’ Ansicht hat die Chronologie gegen sich. Denn alle [267] Schriftsteller über Augustus’ Regierung berichten übereinstimmend, Germanicus sei erst, nachdem er sein Konsulat zu Ende geführt, nach Gallien geschickt worden, als Gajus bereits geboren war. Auch dürfte Plinius’ Ansicht durch die Altarinschrift keine Unterstützung erhalten, da Agrippina in jener Gegend zweimal von einer Tochter entbunden worden ist und da jede Geburt, ohne Unterschied des Geschlechts, Puerperium genannt wird, da die Alten auch ein Mädchen puera wie andererseits auch einen Knaben puellus nannten. (4) Es existiert ferner noch ein Brief Augusts, den er wenige Monate vor seinem Tode an seine Enkelin Agrippina geschrieben hat und in welchem er sich über eben diesen Gajus – denn das war damals das einzige noch lebende Kind dieses Namens – folgendermaßen ausdrückt: „Über den am achtzehnten Mai, so die Götter wollen, erfolgenden Abgang des Knaben Gajus zum Heere, unter Begleitung des Talarius und Asellius, habe ich gestern mit diesen das nötige festgesetzt. Ich gebe ihm daneben noch aus meiner Dienerschaft einen Arzt mit, den Germanicus, wie ich ihm geschrieben habe, wenn er will, dort behalten kann. Bleibe gesund, meine Agrippina, und trage Sorge, daß du gesund zu deinem Germanicus kommst!“ (5) Hieraus geht, meine ich, vollkommen klar hervor, daß Gajus dort nicht hat geboren werden können, wohin er erst als Zweijähriger von Rom aus gebracht worden ist. Auch das Zeugnis jener zuvor erwähnten Verschen wird durch ebendiese Umstände entkräftet, und das um so mehr, da ihr Verfasser unbekannt ist. Wir müssen also, was allein übrig bleibt, dem Gewicht der öffentlichen Urkunde folgen, zumal da Gajus Antium stets allen anderen Gegenden und Aufenthaltsorten vorgezogen und es wie seine Geburtsstätte geliebt hat, ja sogar, wie erzählt wird, aus Überdruß an Rom mit dem Plane umgegangen ist, den Sitz der Regierung und des Hofes dorthin zu verlegen.

9 Den Beinamen Caligula verdankte er einem Lagerwitze, weil er in der Kleidung eines gemeinen Soldaten im [268] Feldlager erzogen wurde.18 Wie hoch er überdies bei den Soldaten infolge dieses täglichen Verkehrs mit ihnen in Gunst und Neigung stand, ward besonders ersichtlich, als er die nach Augustus’ Tode in Meuterei und rasenden Aufruhr ausgebrochenen unzweifelhaft allein durch seinen bloßen Anblick besänftigte. Sie ließen nämlich erst da von ihrem Wüten ab, als sie sahen, daß er wegen der Gefahr des Aufruhrs aus dem Lager entfernt und dem Schutze der nächsten Stadt übergeben wurde.19 Da erst wurden sie von Reue ergriffen, holten den Wagen ein und hielten ihn zurück und baten flehentlich, ihnen doch einen solchen Schimpf nicht anzutun.

10 (1) Er begleitete seinen Vater auch auf dem syrischen Feldzuge. Von dort heimgekehrt, lebte er anfangs bei seiner Mutter und nach deren Verbannung bei seiner Urgroßmutter Livia Augusta, der er nach ihrem Ableben, obschon er damals noch das Knabenkleid trug,20 von der Rednerbühne des Forums herab die Lobrede hielt. Er kam darauf zu seiner Großmutter Antonia, und von dort ließ ihn, als er im zweiundzwanzigsten Jahre stand, Tiberius nach Capri zu sich kommen, wo er an ein und demselben Tage die männliche Toga anlegte und den Bart das erste Mal schor,21 doch ohne daß dieser Tag durch irgendwelche Feierlichkeiten, wie sie doch bei dem Tirocinium seiner Brüder stattgefunden hatten, ausgezeichnet worden wäre. (2) Obschon er nun hier durch alle mögliche Hinterlist von Leuten auf die Probe gestellt wurde, welche ihn auszuholen [269] und zu Klagen zu bewegen suchten, so gab er sich doch niemals eine Blöße, und das Andenken an den Sturz seiner Familie schien so aus seinem Gedächtnisse verwischt zu sein, als sei keinem der Seinen jemals etwas Schlimmes geschehen. Dabei ließ er alles, was er selbst auszustehen hatte, mit unglaublicher Selbstbeherrschung an sich vorübergehen und zeigte gegen seinen Urgroßvater und dessen nächste Umgebung solchen unterwürfigen Gehorsam, daß man später mit gutem Fug gesagt hat: „es habe nie einen besseren Sklaven und nie einen schlechteren Herrn gegeben“.22

11 Dennoch konnte er seinen natürlichen Hang zur Grausamkeit und Wüstheit schon damals nicht so im Zaume halten, daß er nicht ein eifriger Zuschauer bei Folterung und Hinrichtung der zum Tode Verurteilten gewesen, Orte der Schlemmerei und Unzucht, vermummt durch falsches Haar und ein langes Gewand, fleißig besucht und an theatralischen Ballett- und Gesangkünsten den lebhaftesten Anteil genommen hätte, welches letztere Tiberius ihm gern nachsah, weil er den Versuch machen wollte, ob dadurch nicht vielleicht seine wilde Sinnesart gemildert werden könnte. Denn diese hatte der überaus scharfsichtige Greis so völlig durchschaut, daß er wiederholentlich bemerkte: Gajus sei zu seinem und aller Verderben am Leben geblieben, sowie: er erziehe dem römischen Volke eine Natter und einen Phaethon für den Erdkreis.

12 (1) Nicht allzulange nachher heiratete er Junia Claudia, die Tochter des Marcus Silanus, eines Mannes von altem Adel. Dann ward er an der Stelle seines Bruders Drusus zum Augur ernannt, aber noch ehe er die Weihen eines solchen erhielt, sofort zum Oberpriester erhoben, „zur glänzenden Bekundung seines kindlichen Wohlverhaltens und seiner Geistesbefähigung“,23 da er bei dem jetzt von allen [270] Stützen der Nachfolge verlassenen und völlig vereinsamten Hofe,24 wo Sejan bereits als Feind verdächtig und nicht lange darauf auch gestürzt ward, allmählich der Hoffnung auf die Thronfolge immer näher rückte. (2) Um diese Aussicht noch zu verstärken, verführte er, nachdem er die Junia im Kindbett verloren hatte, die Ennia Nävia, die Gattin des damaligen Befehlshabers der kaiserlichen Leibwache, zum Ehebruch, indem er ihr versprach, sie zu seiner Gemahlin zu erheben, sobald er zur Herrschaft gelangt sein würde, und bekräftigte dies Versprechen durch Schwur und Handschrift. Durch sie gewann er den Macro und brachte, wie einige meinen, dem Tiberius Gift bei; dann ließ er dem noch Atmenden den Ring vom Finger ziehen, und weil es schien, als versuche derselbe, ihn festzuhalten, hieß er ein Kissen auf ihn werfen und drückte ihm sogar mit eigener Hand die Kehle zu. Einen Freigelassenen, der über die Gräßlichkeit dieser Tat laut aufschrie, ließ er auf der Stelle kreuzigen. (3) Dieser Hergang ist um so wahrscheinlicher, da mehrere Schriftsteller bezeugen, daß er selbst, wenn auch nicht den Mord vollzogen, so doch einmal den Anschlag dazu entworfen zu haben eingestanden hat. Denn er habe sich, sooft er auf seine kindliche Liebe zu sprechen kam, beständig gerühmt, wie er, um den Mord seiner Mutter und seiner Brüder zu rächen, mit einem Dolche in das Gemach des schlafenden Tiberius gedrungen sei und darauf, von Erbarmen ergriffen, den Stahl weggeworfen und sich entfernt habe. Jener aber, obschon er das Vorgefallene gemerkt, habe nicht gewagt, irgendeine Untersuchung anzustellen oder eine Strafe zu verhängen.

13 Seine Thronbesteigung erfüllte einen sehnlichen Wunsch des römischen Volks oder ich kann wohl sagen des menschlichen Geschlechts, da er nicht nur einem Teile der Provinzialen und Soldaten, weil ihn die meisten als Kind gekannt hatten, sondern auch der gesamten Bevölkerung Roms, [271] wegen des Andenkens an seinen Vater Germanicus und des Mitleids mit seinem fast ganz vertilgten Hause, als der ersehnteste Fürst erschien. Sobald er daher von Misenum aufbrach, obschon im Trauergewande und den Leichenzug Tibers geleitend, sah er doch seinen ganzen Weg mit Altären, Opfertieren und brennenden Fackeln besetzt und seinen Zug von dichtgedrängten Scharen frohlockender Menschen begleitet, die ihm alle möglichen Glückwünsche zuriefen und ihn daneben bald „Stern“, bald „Kleinchen“, bald „Puppe“, bald „Schoßkind“ nannten.

14 (1) Und als er nun in Rom eingezogen war, wurde sofort der letzte Wille des Tiberius, der seinen zweiten, noch im Knabenalter stehenden Enkel testamentarisch dem Caligula zum Miterben gegeben hatte, umgestoßen und ihm einstimmig vom Senate und dem gewaltsam in die Kurie eindringenden Volke die vollständige Regierungsgewalt übertragen.25 So groß war die allgemeine Freude, daß in den nächsten, nicht einmal vollen drei Monaten über hundertsechzigtausend Opfertiere geschlachtet worden sein sollen. (2) Als er dann wenige Tage später auf die nächstgelegenen Inseln Kampaniens ging, wurden Gelübde für seine glückliche Rückkehr getan, indem man selbst die geringste Veranlassung benutzte, um die eifrige Besorgnis für sein Wohlergehen an den Tag zu legen. Und als er gar zufällig krank wurde, blieb das Volk ganze Nächte lang wachend auf den Straßen in der Nähe des Palatiums; ja, es fanden sich sogar Leute, welche bewaffnet für die Errettung des Kranken zu kämpfen bereit waren, und andere, die durch öffentlichen Anschlag das Gelübde ablegten, ihr Leben für den Fall seiner Genesung zum Opfer zu bringen.26 (3) Zu dieser maßlosen Liebe der Bürger gesellte sich auch eine [272] bemerkenswerte Zuneigung der Ausländer. So bewarb sich z. B. Artabanus, der Partherkönig, der gegen Tiberius stets Haß und Verachtung zur Schau getragen hatte, aus freien Stücken um seine Freundschaft. Er hielt eine Zusammenkunft mit des Kaisers konsularischem Legaten und kam über den Euphrat (in dessen Lager), um den römischen Adlern und Feldzeichen sowie den Bildnissen der Kaiser seine Verehrung zu bezeigen.27

15 (1) Doch auch Caligula selbst tat fortwährend alles mögliche, um solche Liebe der Menschen für ihn noch zu steigern. Nachdem er dem Tiberius unter strömenden Tränen die öffentliche Leichenrede gehalten und ihn prächtig bestattet hatte, eilte er sofort, trotz des stürmischen Wetters, um seine fromme Liebe desto heller leuchten zu lassen, nach Pandataria und den Ponzasinseln, um die Asche seiner Mutter und seines Bruders von dort nach Rom zu bringen. Er betrat ihre Grabstätten mit frommer Verehrung und barg die Reste mit eigener Hand in den Aschenkrügen. Mit gleichem theatralischen Gepränge führte er dieselben auf seinem Zweiruderer, von dessen Hinterteil die Feldherrnfahne wehte, nach Ostia hinüber und von da nach Rom den Tiberstrom aufwärts und ließ sie durch die glänzendsten Mitglieder des Ritterstandes um Mittagszeit bei zahlreich versammeltem Volke auf zwei Tragbahren in das Mausoleum28 bringen. Er stiftete ihnen ferner von Staats wegen jährlich ein religiöses Totenfest und überließ dem Gedächtnis seiner Mutter Zirkusspiele und einen Staatswagen, auf welchem ihr Bild in Prozession aufgeführt werden sollte. (2) Zum Gedächtnis seines Vaters dagegen gab er dem Septembermonate den Namen Germanicus. Demnächst übertrug er alle Ehren, welche jemals der Livia Augusta zuerteilt worden waren, durch einen einzigen [273] Senatsbeschluß auf seine Großmutter Antonia. Seinen Oheim Claudius, der bis dahin noch immer nur römischer Ritter war, erhob er zu seinem Kollegen im Konsulate. Seinen Bruder Tiberius adoptierte er an dem Tage, wo derselbe die männliche Toga anlegte, und gab ihm den Titel Princeps juventutis (d. i. Fürst der Jugend).29 (3) In betreff seiner Schwestern ließ er durch den Senat beschließen, daß allen Eidesformeln die Worte hinzugefügt werden sollten: „Auch will ich mich selbst und die Meinigen nicht lieber haben, als ich den Gajus und seine Schwestern liebe“, und allen Vorträgen der Konsuln die Eingangsworte: „Segen und Heil dem Gajus und seinen Schwestern!“ (4) Mit gleicher Leutseligkeit ließ er allen Verurteilten und Verbannten vollständige Begnadigung angedeihen und schlug die Kriminalprozesse, die etwa noch aus der früheren Zeit schwebten, samt und sonders nieder. Sämtliche Papiere, welche sich auf die Prozesse seiner Mutter und Brüder bezogen, ließ er, damit keiner der (dabei beteiligten) Angeber oder Zeugen künftig mehr etwas zu fürchten hätte, auf das Forum bringen und verbrannte, nachdem er zuvor laut die Götter zu Zeugen angerufen, daß er davon weder etwas in die Hand genommen noch gelesen habe, den ganzen Haufen. Die schriftliche Anzeige eines Anschlags gegen sein Leben, welche ihm jemand überreichte, nahm er nicht an, indem er versicherte, er habe nichts begangen, weshalb ihn jemand hassen möchte! und hinzufügte: für Angeber habe er keine Ohren!

16 (1) Die „Spintrier“, Tibers Helfershelfer in seinen unnatürlichen Lüsten,30 wollte er anfangs durchaus im Meere [274] ersäufen lassen; auf vielfache Fürbitten begnügte er sich endlich, sie nur aus Rom zu verbannen. Die Schriften des Titus Labienus, Cordus Cremutius und Cassius Severus, die durch Senatsbeschluß der Vernichtung geweiht worden waren, erlaubte er wieder vorzusuchen, zu besitzen und zu lesen,31 „weil es ja für ihn selbst von höchster Wichtigkeit sei, daß alles, was geschehe, auf die Nachwelt komme“. Die Übersichten des Militär- und Finanzzustandes des Reiches, die Augustus von Zeit zu Zeit bekanntgemacht,32 Tiberius aber zu veröffentlichen unterlassen hatte, machte er wieder öffentlich bekannt. (2) Den Magistraten verlieh er volle, durch keine Appellation an ihn selbst behinderte Freiheit des Rechtsprechens. Die römischen Ritter musterte er streng und sorgfältig, doch ohne der Mäßigung zu vergessen, indem er allen, auf denen ein Laster oder ein Schimpf ruhte, öffentlich das Ritterroß nehmen ließ, dagegen andere, die sich geringerer Vergehen schuldig gemacht hatten, nur bei dem namentlichen Aufrufe mit Stillschweigen überging.33 Er versuchte sogar, indem er die alten Komitien wieder ins Leben rief, dem Volke das Wahlrecht wiederzugeben. (3) Die im Testamente Tibers ausgesetzten Vermächtnisse, obschon dasselbe für ungültig erklärt worden war, aber nicht nur diese, sondern auch die der Julia Augusta, deren Testament Tiberius umgestoßen hatte, zahlte er gewissenhaft und ohne Schikane bar aus. Italien erließ er die Versteigerungsabgabe, welche aus einem halben Prozente des Erlöses bestand. Vielen ersetzte er den erlittenen Brandschaden, und allen Königen, denen er ihr Gebiet wieder gab, verlieh er als Zugabe auch den in der Zwischenzeit erhobenen Ertrag der Zölle und Einkünfte, wie z. B. dem [275] Antiochus von Kommagene34 die für den Staatsschatz eingezogene Summe von hundert Millionen Sesterzien. (4) Und damit er als Freund und Förderer jeder edlen Handlung erscheine, schenkte er einer Frau aus dem Stande der Freigelassenen achtzigtausend Sesterzien, weil sie trotz aller gegen sie angewendeten Folterqualen keine Aussage gegen ihren eines Verbrechens angeklagten Patron gemacht hatte. Aller dieser Handlungen wegen wurde ihm denn unter all den sonstigen Ehrenbezeigungen durch Senatsbeschluß auch die zuerkannt, daß ein goldenes Schildporträt35 von ihm gemacht und alljährlich an einem bestimmten Tage von den Priesterkollegien im Geleite des Senats aufs Kapitol getragen werden sollte, während edle Knaben und Jungfrauen in einem eigens dazu komponierten Liede das Lob seiner Tugenden sangen. Zugleich ward beschlossen, daß der Tag seines Regierungsantritts den Namen Parilia36 führen sollte, zum Zeugnis, daß an demselben die Stadt zum zweitenmale gegründet worden sei.

17 (1) Konsul ist er viermal gewesen. Das erste Mal vom ersten Juli an zwei Monate lang, das zweite Mal dreißig Tage lang vom ersten Januar an, das dritte Mal bis zum drei zehnten Januar, das vierte Mal nur bis zum siebenten desselben Monats. Von diesen Konsulaten folgten die beiden letzten dicht hintereinander; das dritte trat er zu Lugdunum allein an, nicht, wie einige meinen, aus Hochmut und Nichtachtung, sondern weil er in seiner Abwesenheit von Rom nicht wissen konnte, daß sein Kollege am ersten Tage des Januar37 [276] gestorben sei. (2) Geldspenden gab er dem Volke zweimal, und zwar jedesmal jedem einzelnen dreihundert Sesterzien. Ebenso oft gab er dem Senate und dem Ritterstande, sowie auch den Frauen und Kindern beider eine reiche Gasterei; bei der zweiten teilte er obenein noch unter die Männer Staatskleider, unter die Frauen und Kinder Binden von dunkler und matter Purpurfarbe aus. Und um die öffentliche Fröhlichkeit für immer zu verlängern, fügte er zu den Festtagen der Saturnalien noch einen Tag hinzu, den er den Jugendtag nannte.

18 (1) Gladiatorenspiele gab er mehrere, teils im Amphitheater des Taurus, teils in den Septa, bei denen er zugleich Scharen der auserlesensten afrikanischen und kampanischen Faustkämpfer auftreten ließ. Doch führte er bei diesen Spielen nicht immer den Vorsitz, sondern übertrug denselben zuweilen auch entweder den obrigkeitlichen Personen oder Freunden.38 (2) Bühnenvorstellungen gab er gleichfalls häufig, und zwar von mannigfaltiger Art und an vielen Orten, zuweilen auch nächtliche, wo dann die ganze Stadt mit Fackeln erleuchtet war. Auch warf er Geschenke39 verschiedener Art unter das Volk aus und ließ jedem Bürger einen Speisekorb mit Eßwaren verabreichen.40 Bei dieser Speisenverteilung schickte er einmal einem ihm gegenübersitzenden römischen Ritter, den er mit unmäßiger Heiterkeit und Begier essen sah, seine eigene Portion und einem Senator aus derselben Ursache ein Handschreiben, mittels dessen er ihn auf der Stelle außer der Ordnung zum Prätor [277] ernannte.41 (3) Auch Zirkusspiele veranstaltete er sehr viele, die vom frühen Morgen bis spät abends dauerten und bei denen bald eine Jagd auf afrikanische Raubtiere, bald eine Darstellung des Trojalaufs als Zwischenspiele gegeben wurden; bei einigen besonders prächtigen dieser Zirkusspiele ließ er die Rennbahn mit rotem Mennig und Berggrün bedecken und nur Wagenlenker von senatorischem Range auftreten. Einmal gab er solche Zirkusspiele ganz plötzlich, als ihn, während er eben aus dem Gelotianischen Hause die neue Ausstattung des Zirkus in Augenschein nahm, einige Personen darum baten, die sich in den zunächstliegenden Mänianischen Logen42 befanden.

19 (1) Daneben dachte er eine ganz neue und nie erhörte Art von Schauspiel aus. Er verband nämlich Bajä mit dem Molo von Puteoli, indem er über den dazwischen liegenden, gegen dreitausendsechshundert Schritte breiten Meeresarm eine Brücke schlagen ließ. Zu diesem Ende wurden alle Lastschiffe aus der ganzen Gegend zusammengebracht, in doppelter Reihe an ihren Ankern befestigt und über dieselbe eine nach dem Muster der Appischen Heerstraße eingerichtete Chaussee mittels eines Erddammes hinweggeführt. (2) Über diese Brücke zog er hin und zurück, zwei Tage hintereinander. Am ersten Tage auf einem reichgeschirrten Rosse, einen Eichenkranz auf dem Haupte, den spanischen Lederschild am Halse, das Schwert an der Seite und angetan mit einem goldgestickten griechischen Reitermantel (Chlamys); den Tag darauf im Kostüm eines Wagenlenkers, mit einem Zweigespann berühmter Rennpferde vor seinem Rennwagen; vor ihm her ging der junge Darius, einer der parthischen Geiseln, und sein Geleit bildete [278] der Zug der Prätorianer und die Schar seiner Freunde43 auf ihren Wagen. (3) Ich weiß, daß die meisten geglaubt haben, Gajus habe mit der Erfindung dieser Brücke eine Nachahmung des Xerxes beabsichtigt, der zur großen Verwunderung der Menschen den beträchtlich engeren Hellespont überbrückt hatte, oder daß er, wie andere meinen, Germanien und Britannien, gegen die er ins Feld zu ziehen vorhatte, durch den Ruf von irgendeinem ungeheuren Werke habe in Schrecken setzen wollen. Allein ich habe oft als Knabe meinen Großvater erzählen hören, die Ursache dieses Werkes sei ihm von den geheimsten Vertrauten des Hofes dahin offenbart worden: Caligula habe diesen Bau ausgeführt, weil der Astrolog Thrasyllus einmal gegen den Kaiser Tiberius, als derselbe um eines Nachfolgers willen in Sorgen und fast geneigt war, seinen wirklichen Enkel44 dazu zu machen, die Versicherung ausgesprochen hatte: Gajus werde ebensowenig Kaiser werden, als über den Meerbusen von Bajä seines Rennwagens Rosse lenken.

20 Auch auf seinen Reisen außerhalb Italiens veranstaltete er Spiele, auf Sizilien in Syrakus die athenischen Bacchusspiele45 und in Gallien zu Lyon Mischspiele,46 wobei es auch einen Wettstreit in griechischer und römischer Beredsamkeit gab, wo, wie es heißt, die Besiegten den Siegern Belohnungen zahlen und Lobreden auf sie verfassen mußten. Die aber ihre Sache am schlechtesten gemacht hatten, mußten ihre Aufsätze mit dem Schwamm oder der Zunge auswischen, wenn sie nicht etwa vorzogen, mit dem Rohrstock durchgebläut oder in dem nahen Flusse untergetaucht zu werden.

21 Die unter Tiberius nur halbvollendeten Bauwerke, den Tempel des Augustus und das Theater des Pompejus, [279] führte er zu Ende. Selbständig begann er dagegen die Wasserleitung von Tivoli her und das Amphitheater neben den Septa, von welchen Unternehmungen die erstere von seinem Nachfolger Claudius vollendet,47 die andere aufgegeben wurde. Zu Syrakus ließ er die vor Alter eingestürzten Stadtmauern und die baufälligen Tempel der Götter herstellen. Er hatte auch den Plan gefaßt, zu Samos die Königsburg des Polykrates wieder aufzubauen, zu Milet den Tempel des Didymeischen Apollon zu vollenden,48 auf der Höhe der Alpen eine Stadt zu gründen, vor allen Dingen aber die Landenge von Achaja49 zu durchstechen, weshalb er bereits einen Stabsoffizier dorthin abgesendet hatte, um die nötigen Vermessungen vorzunehmen.

22 (1) Soweit vom Fürsten; nun muß ich vom Ungeheuer erzählen. Er hatte bereits mehrere Beinamen angenommen – er ließ sich nämlich der „Fromme“, der „Lagersohn“, der „Armeevater“, der „beste und größte Cäsar“ nennen –, als er mehrere Könige, die, um ihm aufzuwarten, nach Rom gekommen waren, bei Tafel in seinem Palaste über den Adel ihrer Abkunft streiten hörte. Sofort rief er auf griechisch mit Homers Worten aus:
Einer sei Herrscher! Einer König!
und nicht viel fehlte, daß er sofort das Diadem anlegte und die äußeren Zeichen des Prinzipats (d. i. der Fürstengewalt) in aller Form mit denen des Königtums vertauschte.50
(2) Als [280] man ihm aber bemerklich machte, daß er ja bereits hoch über allen Fürsten sowohl als Königen stehe, nahm er daraus Veranlassung, sich göttliche Majestät beizulegen. So gab er denn Auftrag, die durch religiöses Ansehen und Kunstwerk ausgezeichnetsten Götterbilder, unter ihnen auch das des Olympischen Jupiter, aus Griechenland nach Rom zu bringen, um denselben die Köpfe abzunehmen und den seinen darauf setzen zu lassen. Er rückte ferner einen Teil des Palatiums bis an das Forum vor, verwandelte dabei den Tempel des Kastor und Pollux in die Eingangshalle des Kaiserpalastes und stellte sich zuweilen in die Mitte, zwischen den Brudergottheiten, hin, wo er sich von den andächtig Nahenden anbeten ließ. Und in der Tat gab es manche, die ihn mit dem Namen Jupiter Latiaris51 begrüßten. (3) Sogar einen eigenen Tempel stiftete er seiner Gottheit nebst Priestern und spitzfindig ausgeklügelten Opferungen. In dem Tempel stand sein goldnes Porträtstandbild von natürlicher Größe, das täglich mit einem gleichen Anzuge bekleidet wurde, wie er selbst ihn trug. Um die Vorsteherschaft bei dem Priesterkollegium bewarben sich die reichsten Leute abwechselnd mit höchstem Ehrgeize und höchster Geldverschwendung. Die Opfertiere waren Flamingos, Pfauen, Auerhähne, numidische Hühner, Meleagriden52 und Fasanen, welche täglich klassenweise geopfert werden mußten. (4) In den Nächten, wo Luna in vollem Lichte glänzte, lud er sie regelmäßig zu Umarmung und Beilager ein, bei Tag dagegen hielt er heimliche Unterredungen mit dem Kapitolinischen Jupiter, bald ihm ins Ohr flüsternd, bald wieder ihm sein Ohr hinhaltend, zuweilen sprach er laut und zankte sogar. Denn einmal hörte man ihn drohend auf griechisch die Worte ausstoßen:
Hebe du mich oder ich dich! –53
[281] bis er endlich von dem Gotte, wie er zu erzählen pflegte, sich erbitten ließ und demselben den Wunsch, mit ihm zusammenzuwohnen, dadurch gewährte, daß er Palatium und Kapitol durch eine über den Tempel des göttlichen54 Augustus geschlagene Brücke verband. Bald darauf ließ er, um noch näher zu sein, auf der Höhenfläche des Kapitols den Grund zu einem neuen Palaste legen.55

23 (1) Als Agrippas Enkel wollte er wegen dessen geringer Geburt weder gelten noch benannt werden und geriet in heftigen Zorn, wenn jemand denselben, sei es in Prosa oder in Versen, in die kaiserliche Familie einreihte. Statt dessen rechnete er es seiner Mutter zum Ruhme an, daß sie einem Incest, den Augustus mit seiner Tochter Julia begangen,56 ihr Dasein verdanke. Noch nicht zufrieden mit dieser Beschimpfung Augustus’, verbot er, die Siege von Actium und Sizilien57 ferner mit Festen zu feiern, da sie für das römische Volk trauervoll und unheilbringend gewesen. (2) Der Livia Augusta, seiner Urgroßmutter, die er zum öftern einen Ulysses im Unterrocke nannte, erlaubte er sich sogar in einem Briefe an den Senat niedrige Geburt vorzuwerfen, indem er behauptete, ihr mütterlicher Großvater sei Bürgermeister (Decurio) in Fundi58 gewesen, während doch aus [282] öffentlichen Urkunden feststeht, daß er zu Rom Ehrenstellen bekleidet hat. Seiner Großmutter Antonia, die um eine geheime Audienz bat, schlug er dieselbe ab, falls sie sich nicht gefallen lassen wollte, daß Macro, der Oberste der Leibwache, zugegen sei, und wurde durch solche Unwürdigkeiten und kränkende Ärgernisse Ursache ihres Todes, den er jedoch, wie einige glauben, noch durch Verabreichung von Gift befördern half. Auch erwies er ihr, als sie gestorben war, nicht die geringste Ehre und sah aus dem Speisezimmer ihrem in der Ferne brennenden Scheiterhaufen zu. (3) Seinen Bruder59 Tiberius ließ er unvorbereitet durch einen zu ihm gesandten Kriegstribunen ums Leben bringen; desgleichen brachte er seinen Schwiegervater Silanus dahin, sich mit einem Rasiermesser die Kehle abzuschneiden. Als Vorwand in beiden Fällen diente ihm, gegen den letzteren: derselbe habe ihn, als er bei stürmischem Wetter zur See ging, nicht begleiten mögen, sondern sei in der Hoffnung zurückgeblieben, sich, falls ihm (dem Caligula) in dem Sturmwetter ein Unheil passiere, Roms zu bemächtigen; gegen den ersteren: derselbe habe, wie der Geruch verraten, ein Gegengift genommen und dadurch zu verstehen gegeben, daß er von ihm vergiftet zu werden gefürchtet habe. Und doch hatte Silanus nur die ihm unerträgliche Seekrankheit und die Beschwerlichkeit der Seefahrt zu vermeiden gesucht und Tiberius nur gegen einen anhaltenden und sich verschlimmernden Husten Medizin eingenommen! Was aber seinen Vatersbruder Claudius betrifft, so ließ er ihn nur am Leben, um seinen Spott mit ihm treiben zu können.

24 (1) Mit allen seinen Schwestern lebte er in unzüchtigem Verkehr und ließ sie öffentlich an der Tafel eine um die andere neben sich unterhalb (zur Linken) Platz nehmen, während seine Gattin oberhalb (zu seiner Rechten) lag.60 [283] Die eine derselben, die Drusilla, soll er als junges Mädchen, während er selbst noch das Knabenkleid trug, geschändet haben und sogar einmal im Beischlaf mit ihr von seiner Großmutter Antonia, bei welcher er mit ihr zusammen erzogen wurde, ertappt worden sein. Später, als er sie mit dem Konsularen Lucius Cassius Longinus vermählt hatte, entführte er sie demselben und behandelte sie offen als seine rechtmäßige Ehefrau. Er setzte sie sogar, als er krank wurde, zur Erbin seines Vermögens und des Reiches ein. (2) Als sie starb, verordnete er einen allgemeinen Gerichtsstillstand,61 während dessen es als todeswürdiges Verbrechen behandelt ward, wenn jemand gelacht, gebadet, mit Eltern oder Gattin und Kindern zu Nacht gespeist hatte. Er selbst entwich, von seinem Schmerze überwältigt, plötzlich aus Rom, durchflog Kampanien und ging nach Syrakus, von wo er wieder ebenso eilig zurückkehrte und mit langem Bart und Haupthaar in Rom einzog. Auch schwor er im ganzen Verlaufe seines späteren Lebens bei den wichtigsten Fällen, ja selbst wenn er zum Volke oder zu den Soldaten sprach, nie anders als: „bei der Gottheit der Drusilla!“62 (3) Seine anderen Schwestern liebte und verehrte er nicht mit ähnlicher Leidenschaft; gab er sie doch mehrmals sogar seinen Lieblingen preis. Desto leichter ward es ihm, sie im Prozesse des Ämilius Lepidus63 wegen Ehebruchs und Mitwissenschaft um eine Verschwörung gegen ihn zu verurteilen. Auch veröffentlichte er nicht nur die eigenhändigen Briefe aller (Verschworenen), die er sich durch alle Künste des Betrugs und der Verführung zu verschaffen bemüht gewesen war, sondern weihte auch drei zu seiner Ermordung bestimmte Dolche dem rächenden Mars mit einer Inschrift.

25 (1) [284] Was seine Ehebündnisse betrifft, so ist es schwer zu entscheiden, was schimpflicher war, die Art, wie er sie schloß und fortführte, oder wie er sie auflöste. Als die Livia Orestilla mit dem Gajus Piso Hochzeit machte, wobei er selbst zur Trauungszeremonie erschien, befahl er, sie in seinen Palast zu führen, verließ sie dann wieder nach einigen Tagen und strafte sie zwei Jahre später mit Landesverweisung, weil sie in der Zwischenzeit den Umgang mit ihrem früheren Ehemanne wieder angeknüpft zu haben schien. Eine andere Erzählung lautet, er habe beim Hochzeitsmahle, zu dem er eingeladen war, dem ihm gegenüberliegenden Piso die Weisung64 gesendet: „Laß dir nicht einfallen, meine Frau zu belästigen!“ worauf er sie sofort von der Tafel weggeführt und am folgenden Tage durch Edikt bekanntgemacht habe: „er habe sich eine Frau geholt in der Weise, wie Romulus und Augustus getan“. (2) Die Lollia Paullina, Gattin des Konsularen Gajus Memmius, der ein Armeekommando hatte, ließ er, als einmal die Rede darauf kam, ihre Großmutter sei einst die schönste Frau gewesen, sofort aus der Provinz zu sich entbieten, entführte sie ihrem Gatten und heiratete sie, ließ sie aber nach kurzer Zeit wieder von sich, indem er ihr für immer verbot, je wieder bei einem Manne zu schlafen. (3) Die Cäsonia, die weder schön noch auch mehr jung war und schon von einem anderen Manne drei Töchter hatte, aber eine Frau von bodenloser Üppigkeit und Liederlichkeit war, liebte er nicht nur feuriger, sondern auch dauernder. Er ließ sie oft mit Kriegsmantel, Helm und Schild ihm zur Seite reiten und zeigte sie so den Soldaten, seinen Freunden sogar nackt. Nach ihrer Entbindung beehrte er sie mit dem Titel seiner Gemahlin, indem er sich an einem und demselben Tage zu ihrem Gatten und zum Vater des von ihr geborenen Kindes erklärte. (4) Das Kind aber, daß er Julia Drusilla nannte, ließ er zu den Tempeln [285] aller Göttinnen umhertragen, setzte es dann der Minerva auf den Schoß und empfahl es derselben zur Ernährung und Erziehung. Und nichts verbürgte ihm so, daß es sein Fleisch und Blut sei, als die Wildheit des Kindes, bei welchem dieselbe schon in diesem zarten Alter so groß war, daß es mit den Fingern Gesicht und Augen der mit ihm spielenden Kinder zerkratzte.

26 (1) Unbedeutend und uninteressant dürfte es sein, hiernach noch weiter zu erzählen, auf welche Weise er seine Verwandten und Freunde behandelt hat, wie z. B. den Ptolemäus, König Jubas Sohn, seinen Vetter – denn auch Ptolemäus war ein Enkel Mark Antons von dessen Tochter Selene –, und vor allen selbst den Macro und die Ennia, die ihm zum Throne verholfen hatten und denen allen er statt dessen, was sie als Verwandte zu fordern oder wegen ihrer Verdienste um ihn zu erwarten berechtigt waren, mit grausamem Tode lohnte. (2) Nicht achtungsvoller oder milder behandelte er den Senat. Senatoren, welche die höchsten Ehrenstellen bekleidet hatten, ließ er in der Toga mehrere tausend Schritte neben seinem Wagen herlaufen oder, wenn er tafelte, hinter seinem Polster oder zu seinen Füßen wie Sklaven im linnenen Schurz aufwarten; andere, die er heimlich hatte umbringen lassen, ließ er dessenungeachtet, als ob sie noch am Leben wären, weiter einladen und trat dann nach einigen Tagen mit der Lüge vor: sie hätten durch Selbstmord geendet. (3) Die Konsuln, welche versäumt hatten, seinen Geburtstag durch ein Edikt anzusagen, entsetzte er ihres Amtes, und drei Tage lang war so der Staat ohne seine höchsten Behörden.65 Seinen Quästor, dessen Name in einer Verschwörung mitgenannt worden war, ließ er geißeln, nachdem er ihm die Kleider hatte vom Leibe reißen und dieselben [286] den geißelnden Soldaten unter die Füße breiten lassen, damit sie beim Schwingen der Geißel einen gehörig festen Stand hätten. (4) Mit gleicher Übermütigkeit und Vergewaltigung behandelte er die übrigen Stände. Als einmal das Geräusch der Leute, welche schon um Mitternacht die Freiplätze im Zirkus besetzten, seine Ruhe störte, ließ er sie sämtlich mit Knütteln fortjagen. Es erstickten bei diesem Gedränge zwanzig und mehr römische Ritter und ebenso viele edle Frauen, nebst einer ungezählten Menge anderer Personen geringeren Standes. Um Volk und Ritterstand in Zank zu verhetzen, pflegte er bei den Theatervorstellungen die Freiplatzmarken66 ganz früh auszuteilen, damit die Ritterplätze von möglichst gemeinem Volke eingenommen würden. (5) Wenn er ein Gladiatorenspiel gab, so ließ er zuweilen, wenn die Sonne am heißesten brannte, die Sonnendecken67 zurückziehen, während niemand aus dem Theater gelassen wurde; oder er ließ auch wohl die ordentlichen Zurüstungen (zu solchen Spielen) beseitigen und stellte statt derselben halbtote wilde Tiere, ganz elende altersschwache Fechter, sowie auch pegmatische68 Gladiatoren, bekannte rechtliche Familienväter, [287] die aber irgendein körperliches Gebrechen hatten, zur Schau. Ja, zuweilen schloß er die Kornspeicher und kündigte dem Volke an, daß es hungern müsse.69

27 (1) Die Grausamkeit seiner Natur bekundete er vorzüglich durch folgende Handlungen. Als einmal das Fleisch zur Fütterung der für ein Tiergefecht angeschafften wilden Bestien sehr teuer im Preise kam, bezeichnete er unter den gefangen sitzenden Missetätern diejenigen, welche den wilden Tieren zum Zerfleischen vorgeworfen werden sollten. Bei der Musterung, welche er deshalb in allen Gefängnissen nach der Reihe vornahm, warf er bei keinem einzigen der Gefangenen auch nur einen Blick auf dessen Elogium,70 sondern blieb eben nur mitten in der Halle stehen und befahl: die Gefangenen „von einem Kahlkopfe bis zum anderen71 abzuführen“. (2) Den Mann, der für seine Errettung aus schwerer Krankheit gelobt hatte, als Gladiator aufzutreten,72 zwang er, sein Gelübde zu erfüllen. Er selbst schaute zu, wie er den Schwertkampf bestand, und ließ ihn erst, nachdem er gesiegt, auf vielfältiges Bitten vom Schauplatz abtreten. Einen zweiten, der aus gleicher Ursache gelobt hatte, er wolle sterben, wenn der Kaiser wieder genese, und der jetzt zögerte, sein Gelöbnis zu erfüllen, übergab er seinen Sklaven, die ihn, mit einem Kranze von Opferkraut und mit der Opferbinde geschmückt, durch die Straßen führen und zur Erfüllung seines Gelübdes auffordern mußten, bis man ihn endlich vom Wall73 hinabstürzte. (3) Viele [288] Männer achtbaren Standes ließ er brandmarken und verurteilte sie dann in die Bergwerke oder zum Straßenbau oder zum Kampf mit wilden Tieren oder sperrte sie selbst wie wilde Tiere in Käfige ein, wo sie gezwungen waren, auf allen vieren zu kriechen, oder ließ74 sie mitten voneinander sägen. Und das alles keineswegs immer wegen schwerer Vergehen, sondern nur, weil sie etwa über ein von ihm gegebenes Fechterspiel geringschätzend sich geäußert oder, weil sie nie bei seinem Genius geschworen hätten. (4) Die Väter zwang er, der Hinrichtung ihrer Kinder beizuwohnen, und einem, der sich mit Krankheit entschuldigte, schickte er eine Sänfte, einen anderen lud er unmittelbar von der Richtstätte des Sohnes zur Tafel und forderte ihn mit aller möglichen Freundlichkeit zu Heiterkeit und Scherzen auf. Einen Aufseher der Fechterspiele und Tierhetzen ließ er mehrere Tage hintereinander vor seinen Augen mit Ketten peitschen und tötete ihn nicht eher, als bis ihm der Geruch des in Fäulnis übergegangenen Gehirns lästig ward. Den Dichter einer Atellanenkomödie verbrannte er wegen eines einzigen Verses, der eine zweideutige Anspielung enthielt, mitten in der Arena des Amphitheaters. Einen römischen Ritter, der den wilden Tieren vorgeworfen war und wiederholt seine Unschuld laut beteuerte, ließ er aus dem Amphitheater führen, ihm die Zunge ausschneiden und ihn so wieder in dasselbe zurückführen.

28 Einmal fragte er einen Mann, der aus langem Exil zurückgerufen worden war: was er im Exil gewöhnlich getan habe? Da dieser nun aus Schmeichelei antwortete: Ich habe immer zu den Göttern gebetet, daß, wie auch geschehen, Tiberius sterben und du Kaiser werden möchtest!, [289] schickte er, in der Meinung, daß auch ihm die von ihm Verbannten den Tod anwünschten, nach allen Inseln Leute ab, welche sie samt und sonders niedermachen mußten. Als er einmal sehnlich wünschte, einen Senator in Stücke gerissen zu sehen, stiftete er Menschen an, welche denselben, als er in die Kurie trat, plötzlich mit dem Zurufe: Feind des Kaisers! angreifen und, nachdem sie ihn mit ihren Schreibgriffeln durchbohrt, den übrigen zum Zerreißen geben mußten. Auch gab er sich nicht eher zufrieden, bis er die zerstückelten, durch die Straßen geschleiften Glieder und Eingeweide vor sich zusammengeschleppt sah.

29 (1) Die Unmenschlichkeit seiner Handlungen erhöhte er noch durch die grause Wildheit seiner Reden. Häufig hörte man ihn sagen: nichts lobe und preise er an seinem Naturell so sehr als – um seinen eigenen Ausdruck zu brauchen – „seine Adiatrepsie“.75 Seiner Großmutter Antonia, die ihm Vorstellungen machte, gab er, als sei es noch nicht genug, daß er denselben nicht Folge leistete, zur Antwort: Bedenke, daß mir alles und gegen alle zu tun erlaubt ist! Als er seinen Bruder ermorden zu lassen beabsichtigte, den er im Verdacht hatte, sich aus Furcht vor Vergiftung durch Nehmen von Gegengift zu schützen, rief er aus: Gegengift gegen Cäsar!76 Seinen Schwestern, die er verbannt hatte, drohte er: er habe nicht bloß Inseln, sondern auch Schwerter! (2) Einen Mann prätorischen Ranges, der sich seiner Gesundheit wegen nach Anticyra begeben hatte und von dort aus mehrmals um Urlaubsverlängerung nachsuchte, befahl er zu töten, indem er hinzufügte: es sei ein Aderlaß nötig, da die Nieswurz77 schon so lange nichts helfen wolle. Sooft er alle zehn Tage die Liste der hinzurichtenden Gefangenen [290] unterschrieb, pflegte er zu sagen: er bringe seine Rechnung ins reine. Als er einmal eine Anzahl Gallier und Griechen zu einer und derselben Zeit verurteilt hatte, rühmte er sich wiederholentlich: er habe Gallogräcien78 unterworfen.

30 (1) Nicht leicht ließ er jemand anders als mit vielen schwachen Streichen hinrichten, wobei seine jedesmalige und schon bekannte Mahnung an den Henker lautete: „Triff ihn so, daß er das Sterben fühlt“! Als einmal aus Verwechselung des Namens ein anderer als der von ihm Bestimmte hingerichtet worden war, sagte er: Auch der hat dasselbe verdient! Häufig zitierte er prahlend jenen bekannten Ausspruch des tragischen Dichters:79
Laßt sie hassen, wenn sie nur fürchten!

(2) Häufig fuhr er gegen sämtliche Senatoren auf gleiche Weise los, indem er sie Klienten Sejans und Angeber seiner Mutter und Brüder nannte, wobei er die Schriftstücke zum Vorschein brachte, welche er früher scheinbar verbrannt hatte,80 und die Grausamkeit Tibers als notwendig rechtfertigte, da er so vielen Anschuldigern doch habe Glauben schenken müssen. Den Ritterstand riß er über seine Leidenschaft für Theater und Arena beständig herunter. Im Grimm über das Publikum, das einmal beim Wettrennen eine andere Partei als er begünstigte, rief er aus: O wenn das römische Volk nur einen Hals hätte! Als das Volk den Straßenräuber Tetrinius auf dem Kampfplatze zu sehen forderte, sagte er: auch die, welche nach ihm rufen, seien alle Tetriniusse! (3) Fünf Netzfechter81 in der Tunika, die abteilungsweise mit eben so viel Sekutoren fochten, waren denselben fast ohne allen Kampf erlegen. Als der Befehl erteilt wurde, [291] ihnen den Garaus zu machen, nahm einer derselben seinen Gabelspeer wieder auf und tötete sämtliche Sieger. Diesen Vorfall beklagte er nicht nur als eine höchst grausame Metzelei in einem Edikte, sondern gab auch allen denen, die es hätten über sich gewinnen können, demselben zuzuschauen, seinen Fluch.

31 Er pflegte sich sogar offen zu beklagen über die Ungunst seiner Zeit, daß dieselbe durch keine großen öffentlichen Unglücksfälle ausgezeichnet würde. Augustus’ Regierung sei durch die Niederlage des Varus, die des Tiberius durch den Einsturz der Schaubühne bei Fidenä82 denkwürdig geworden; die seine drohe in Vergessenheit zu geraten durch das überall herrschende Wohlergehen. Und so wünschte er denn wiederholentlich Niederlagen der Heere, Hungersnot, Pest, Feuersbrünste oder irgendein Erdbeben herbei.

32 (1) Selbst in den Stunden der Erholung, des Spieles und des Mahles verließ ihn diese Grausamkeit der Reden und Handlungen nicht. Oft wurden, wenn er frühstückte oder ein Gelage hielt, unter seinen Augen ernsthafte peinliche Verhöre mit Anwendung der Folter angestellt oder mußte ein Soldat, der im Köpfen Meister war, irgend welchen Gefangenen die Köpfe abschlagen.83 Zu Puteoli, bei der Einweihung jener von ihm, wie wir erzählt haben, ausgedachten Brücke,84 lud er viele Zuschauer, die am Ufer standen, zu sich ein und ließ sie dann plötzlich ins Meer stürzen; einige, welche sich an die Steuerruder anklammerten, ließ er mit Stangen und Rudern ins Wasser zurückstoßen. (2) Zu Rom übergab er bei einem öffentlichen Gastmahle einen Sklaven, der eine Silberplatte von einem der Sofagestelle85 entwendet hatte, sofort dem Henker, der ihm die Hände abhauen und um den Hals auf die Brust hängen und ihn so [292] unter Vorantragung einer Tafel, auf welcher die Ursache seiner Bestrafung geschrieben stand, an den Tischen der Schmausenden umherführen mußte.86 Einen Mirmillo87 aus der Fechtschule, der mit Holzrapieren Fechtübungen mit ihm hielt und sich freiwillig niederstoßen ließ, durchbohrte er mit einem wirklichen Eisendolche und stolzierte nach Weise der Sieger mit einem Palmenzweige umher. (3) Einmal, als das Opfertier bereits am Altare stand, erschien er als Opferschlächter88 aufgeschürzt, schwang die Opferaxt hoch in die Luft und – schlug den Opferstecher tot! Als er einmal bei einem fröhlichen Mahle plötzlich in wildes Gelächter ausbrach und die beiden Konsuln, welche neben ihm lagen, ihn sehr zuvorkommend fragten, weshalb er denn lache, erwiderte er: „Worüber sonst, als daß es nur eines Winkes von mir bedarf, um euch allen beiden auf der Stelle die Kehle abschneiden zu lassen?“

33 Zu seinen verschiedenen Späßen gehört auch, daß er vor einer Statue des Jupiter einmal den tragischen Schauspieler Apelles89 fragte, wer ihm größer scheine, und, als derselbe einen Augenblick mit der Antwort zögerte, ihn mit Geißelhieben zerfleischte, wo er von Zeit zu Zeit der Stimme des um Gnade Flehenden das Lob erteilte, sie sei selbst im Wehklagen noch sehr lieblich. Sooft er seiner Gemahlin oder seiner Geliebten den Hals küßte, pflegte er immer hinzuzufügen: Ein so schöner Nacken wird doch, sobald ich befehle, durchschnitten werden! Ja, zuweilen vermaß er sich [293] sogar: er wolle von seiner Cäsonia, und wäre es durch die Folter, herausbringen, warum er sie so sehr liebe!

34 (1) Ebenso neidisch und boshaft, als übermütig und grausam, wütete er fast gegen die Menschen aller Zeiten. Die Statuen berühmter Männer, welche Augustus vom Kapitolplatze wegen der Enge desselben auf das Marsfeld versetzt hatte, ließ er umstürzen und so verstümmeln, daß man später nicht imstande gewesen ist, sie mit den richtigen Inschriften wiederherzustellen. Auch verbot er, künftig irgend einem Lebenden eine Statue oder eine Büste zu setzen, ohne ihn vorher gefragt und seine Genehmigung erhalten zu haben. (2) Er dachte sogar daran, die Homerischen Gesänge zu vernichten; denn warum, sagte er, solle ihm nicht erlaubt sein, was sich Plato erlaubt habe, der den Homer aus seinem Staate hinausgeworfen?90 Auch fehlte nicht viel, daß er die Schriften und Büsten des Virgil und des Titus Livius aus allen Bibliotheken91 entfernen ließ, von denen er den ersteren „einen Menschen ohne alles Genie und von geringem Wissen“, den letzteren „einen nachlässigen historischen Schwätzer“ zu schelten pflegte. Auch in betreff der Rechtsgelehrten, deren Wissenschaft er in der Praxis völlig abzuschaffen Miene machte, vermaß er sich oft: er werde es, beim Herkules, dahin bringen, daß es keinen Juristen, an den man sich wenden könne, mehr gebe, außer ihm.

35 (1) Den vornehmsten Adligen nahm er die alten Abzeichen ihrer Familien: einem Torquatus die Halskette,92 einem Cincinnatus die Haarlocke, einem Cnejus Pompejus von dem alten Stamme der Pompejer den Beinamen Magnus (der Große). Den Ptolemäus, dessen ich oben gedacht93 [294] und den er aus seinem Königreiche zu sich nach Rom entboten und freundlich aufgenommen hatte, ließ er ganz unvermutet aus keiner anderen Ursache umbringen, als weil er sah, daß derselbe bei seinem Eintritt in das Amphitheater, wo Caligula ein Gladiatorenspiel gab, die Augen aller Zuschauer durch den Glanz seines prächtigen Purpurmantels auf sich zog. (2) Schöne Menschen mit ausgezeichnetem Haarwuchs verschimpfierte er, so oft ihm dergleichen in den Weg kamen, indem er ihnen den Hinterkopf rasieren ließ. Es war damals ein gewisser Esius Proculus, Sohn eines Oberoffiziers, der wegen seiner ausgezeichneten Körpergröße und Schönheit Kolosseros94 hieß. Den ließ er plötzlich von seinem Sitze unter den Zuschauern wegreißen und auf die Arena führen, wo er ihn erst einem thrakischen Fechter und dann einem Hoplomachos95 als Kämpfer gegenüberstellte; und als er beide Male Sieger blieb, ließ er ihn auf der Stelle binden und mit Lumpen bekleidet durch die Straßen führen, den Weibern zeigen und dann erwürgen. (3) Überhaupt gab es keinen Menschen noch so niedrigen Standes oder noch so armseliger Lage, den er nicht irgendwie zu schädigen suchte. Gegen den Königpriester im Dianenhain bei Aricia hetzte er, weil derselbe sehr viele Jahre lang die Priesterstellung innehatte, einen Menschen, der stärker war als sein Gegner.96 Als beim Fechterspiel ein Wagenfechter namens Porius seinem Sklaven wegen des glücklich bestandenen Kampfes die Freiheit schenkte und das Volk ihm dafür sehr lebhaft Beifall klatschte, stürzte er mit solcher Heftigkeit aus dem Amphitheater fort, daß er auf den Rand seiner Toga tretend kopfüber die Treppenstufen hinabfiel, indem er voll Wut wiederholt ausrief: dies Volk, der souveräne [295] Herr aller Völker, bezeige wegen einer ganz unbedeutenden Sache einem Gladiator mehr Ehre als den vergötterten Fürsten oder ihm selbst, der es mit seiner Gegenwart beehre!

36 (1) Was die Keuschheit anlangt, so schonte er weder die seine noch die eines anderen. Mit Marcus Lepidus, mit dem Pantomimenschauspieler Mnester und mit einigen als Geiseln in Rom lebenden Fürsten soll er in gegenseitiger Unzucht gelebt haben. Valerius Catullus, ein Jüngling von konsularischer Familie, hat es sogar in aller Welt ausgeschrien, daß er von ihm entehrt und durch seine Unzucht krank gemacht worden sei. Außer dem Inzest mit seinen Schwestern und seiner weltbekannten Liebschaft mit der Hure Pyrallis war auch sonst nicht leicht irgendeine vornehme Frau vor ihm sicher. (2) Gemeiniglich lud er die letzteren mit ihren Männern zur Tafel, wo er sie dann, wenn sie an seinen Füßen vorübergingen, sorgfältig und langsam, wie ein Sklavenhändler, beaugenscheinigte, ihnen auch wohl das Gesicht am Kinne aufrichtete, wenn etwa eine aus Verschämtheit es niederschlug. Sooft es ihm dann beliebte, verließ er den Tafelsaal, ließ die, welche ihm am besten gefallen hatte, zu sich rufen, und wenn er dann bald darauf mit den noch sichtbaren Spuren seiner Ausschweifung zurückkehrte, so lobte er sie entweder oder tadelte sie auch wohl vor aller Welt, indem er die einzelnen Vorzüge oder Mängel ihres Körpers und ihres Behabens beim Genusse herzählte. Einigen schickte er im Namen ihrer abwesenden Ehemänner den Scheidebrief und ließ diese Ehescheidungen so in den Staatsanzeigen bekanntmachen.

37 (1) An üppigem Aufwande übertraf er das Genie aller Verschwender. Er ersann ganz neue Arten von Bädern und die unsinnigsten Gerichte und Mahlzeiten, badete z. B. in warmen oder kalten wohlriechenden Essenzen, trank die kostbarsten in Essig aufgelösten Perlen, setzte seinen Tischgästen Brot und Speisen von Gold vor, wobei sein beständiges Wort war: man müsse entweder ein sparsamer [296] Hausvater sein oder ein Cäsar! Ja, er warf sogar mehrere Tage lang eine nicht geringe Summe geprägten Geldes vom Giebel der Julischen Basilika unter das Volk aus. (2) Auch ließ er Liburnische Jachten97 bauen, an denen die Hinterteile mit edlen Steinen besetzt waren, die Segel in bunten Farben schillerten und in deren weiten Räumen nicht nur warme Bäder, Portiken und Speisesäle, sondern auch die mannigfachsten Weinstöcke und Fruchtbäume sich befanden. Auf diesen Schiffen lag er vom frühen Nachmittage an bei Tafel und fuhr unter Chortänzen und Musik die Küsten Kampaniens entlang. In den Bauten von Lustschlössern und Villen war sein sehnlichstes Verlangen stets darauf gerichtet, mit Hintansetzung aller gesunden Vernunft vor allen Dingen das möglich zu machen, was als durchaus unmöglich bezeichnet wurde. (3) So wurden denn gerade da, wo das Meer unruhig und tief war, Dämme gelegt, Felsen des härtesten Gesteins ausgehauen, Ebenen zu Bergen umgeschaffen, Bergeshöhen durch Abtragung geebnet und alles in größter Geschwindigkeit, da jede Schuld der Verzögerung mit dem Kopfe gebüßt ward. Und um nichts einzelnes aufzuzählen – so hatte er unermessene Schätze und die ganzen zweitausendsiebenhundert Millionen Tiberius Cäsars, ehe noch ein ein Jahr um war, durchgebracht.

38 (1) Nachdem er so seine Taschen geleert hatte, wandte er, um seine Bedürfnisse zu befriedigen, seinen Sinn auf Räubereien in den mannigfachsten und ausgesuchtesten Formen von Rechtsverdrehungen, Auktionen und Auflagen. So sprach er allen den Besitztitel des römischen Bürgerrechts ab, deren Vorfahren dasselbe nur „für sich und ihre Nachkommen“ erworben hätten, wenn diese „Nachkommen“ nicht Söhne waren, denn er stellte den Satz auf, das Wort „Nachkommen“ dürfe nicht in weiterem Sinne verstanden [297] werden; und die vorgebrachten, von den beiden vergötterten Kaisern Julius und Augustus ausgestellten Diplome98 zerriß er als veraltet und verjährt. (2) Wenn das Vermögen jemandes nach der Zeit der Schatzung (des Census) auf irgendwelche Art einen Zuwachs genommen hatte, so machte er daraus ein Verbrechen betrügerischer Vermögensangabe bei der Schatzung.99 Die Testamente aller Primipilaren,100 welche seit Tibers Thronbesteigung weder diesen, noch ihn zu Erben eingesetzt hatten, erklärte er als undankbare für nichtig; ebenso setzte er die Testamente aller übrigen Personen als ungültig außer Kraft, von denen irgend jemand aussagte: sie hätten den Vorsatz gehabt, den Kaiser zum Erben auf den Fall ihres Todes einzusetzen. Als er jetzt aus Furcht selbst von Unbekannten neben ihren Befreundeten und von Familienvätern neben ihren Kindern öffentlich zum Erben ernannt wurde, nannte er sie Spaßvögel,101 daß sie nach solcher Ernennung noch fortlebten, und schickte vielen vergiftete Kuchen. (3) Er saß aber selbst in solchen Sachen als Richter zu Gericht, und zwar so, daß er immer vorher die Gesamtsumme bestimmt hatte, bis zu deren Erreichung er sitzen bleiben wollte; erst wenn sie voll war, pflegte er sich abberufen zu lassen.102 Ja, in seiner Ungeduld, die [298] keinen Verzug leiden konnte, verurteilte er einmal an die vierzig und mehr Angeklagte, die wegen ganz verschiedener Dinge angeschuldigt waren, mit einem Spruche, und rühmte sich gegen seine aus dem Schlafe erwachte Cäsonia: wie viel er verrichtet habe, während sie ihre Siesta gehalten! (4) Er setzte auch wohl eine Auktion an und brachte auf derselben die Überreste aller Schauspiele103 zum Verkauf, machte selbst die Preise und steigerte dieselben dergestalt, daß manche, gezwungen, solche Dinge für ungeheuern Preis und mit Hingebung ihres ganzen Vermögens zu erstehen, sich die Adern aufschnitten. Es ist eine bekannte Tatsache, daß, als Aponius Saturninus einmal auf der Käuferbank einnickte, der Ausrufer vom Caligula die Weisung erhielt: er solle doch den vornehmen Mann von prätorischem Range, der ihm so häufig mit dem Kopfe zunicke, nicht außer acht lassen, worauf denn das Bieten so lange fortgesetzt wurde, bis dem Manne, der von nichts wußte, dreizehn Gladiatoren für neun Millionen Sesterzien zugeschlagen wurden.

39 (1) Ähnlich trieb er’s auch in Gallien. Nachdem er den Schmuck, das Mobiliar, die Sklaven, ja sogar die Freigelassenen seiner verurteilten Schwester zu ungeheuren Preisen verkauft hatte, ließ er, gereizt durch solchen Gewinn, alles noch irgend vorhandene Mobiliar des alten Hofes von Rom kommen, indem er zum Behufe des Transportes selbst die Gefährte der Mietskutscher und das Zugvieh aus den Kornmühlen in Beschlag nahm, so daß es nicht nur in Rom oft an Brot fehlte, sondern auch viele Prozeßparteien, weil sie nicht rechtzeitig zum Termin erscheinen konnten, ihre Prozesse verloren. (2) Um jenes Mobiliar los zu werden, wandte er alle erdenklichen Kniffe und Pfiffe an, indem er bald einzelne Käufer über ihren Geiz ausschalt und daß sie sich nicht schämten, mehr Geld in der Tasche zu haben als er, bald sich stellte, als sei es ihm leid, daß er fürstliche Besitzstücke in die Hände von Privatleuten kommen lasse. Er hatte erfahren, daß ein reicher Einwohner [299] der Provinz den Bedienten, welche die Einladungen zur kaiserlichen Tafel besorgten,104 zweimalhunderttausend Sesterzien gezahlt habe, um dafür unter den Gästen eingeschmuggelt zu werden, und war gar nicht böse darüber gewesen, daß die Ehre, an seiner Tafel zu speisen, so hoch bezahlt werde. Als dieser Mann nun am folgenden Tage bei der Auktion saß, überschickte er ihm durch einen Bedienten irgendeine, ich weiß nicht welche, wertlose Kleinigkeit für zweimalhunderttausend Sesterzien und ließ ihm sagen: er solle jetzt auf des Kaisers eigene Einladung bei ihm speisen.

40 Seine neuen und nie erhörten Auflagen ließ er zuerst durch die Zollpächter, dann, weil deren Profit zu übermäßig war, durch die Centurionen und Tribunen seiner Leibwache einziehen, wobei er kein Ding und keinen Menschen ohne eine Steuer ließ. Von allen Lebensmitteln, welche in der ganzen Stadt verkauft werden mochten, wurde eine feste und bestimmte Abgabe erhoben, für alle gerichtlichen Sachen und Prozesse im ganzen Reich der vierzigste Teil der streitigen Summe, und es stand Strafe darauf, wenn jemand nachgewiesen werden konnte, daß er sich gütlich verglichen oder seine Forderung fallen gelassen habe. Vom Tagelohn der Lastträger der achte Teil, vom Gewinn jeder Lustdirne der Betrag für einen Beischlaf. Ein Zusatzartikel zu dem Gesetze besagte, daß auch die ehemaligen Buhlerinnen und Kupplerinnen dem Fiskus pflichtig, sowie daß auch die Ehen gleichfalls unter dem Gesetze begriffen sein sollten.105

41 (1) [300] Alle diese Abgaben ließ er durch Heroldsruf mündlich verkündigen, ohne sie schriftlich anschlagen zu lassen. Da nun, weil niemand den eigentlichen geschriebenen Wortlaut des Gesetzes kannte, viele Vergehen gegen dasselbe vorkamen, veröffentlichte er es endlich, auf inständiges Bitten des Volkes, zwar schriftlich, aber in so kleiner Schrift und an einem so unzugänglichen Orte, daß, wie auch seine Absicht war, niemand eine Abschrift zu nehmen vermochte. Und um kein Mittel, Geld zu erjagen, unversucht zu lassen, legte er sogar ein Bordell im Palatium an. Es wurden von ihm mehrere Kabinette dazu ausgesondert und, der Würde des Ortes gemäß, glänzend eingerichtet, in welchen vornehme verheiratete Frauen und freigeborene Knaben sich feilhalten mußten; dann schickte er seine Nomenklatoren106 zu den Märkten und Basiliken umher, um junge und alte Männer zur Wollust einzuladen, schoß denen, welche kamen, wenn sie gerade kein Geld hatten, solches gegen Zinsen vor und ließ von eigens bestellten Aufsehern ihre Namen öffentlich verzeichnen, als die Namen von Leuten, die den Einkünften des Cäsar zu Hilfe kämen. (2) Nicht einmal den Gewinn beim Würfelspiel verschmähte er, vielmehr vergrößerte er denselben noch durch falsches Spiel und Meineid. Eines Tages übergab er seine Partie dem ihm zunächst sitzenden Mitspieler und trat in das Atrium des Palastes hinaus, wo er zwei reiche römische Ritter, die er vorbeigehen sah, auf der Stelle zu verhaften und ihr Vermögen zu konfiszieren befahl, worauf er frohlockend in den Speisesaal zurückkehrte und sich rühmte: er habe nie einen besseren Wurf getan!

42 Als ihm nun gar eine Tochter geboren worden war, ließ er sich herbei, indem er seine Armut beklagte, bei der er nun nicht bloß die Lasten eines Kaisers, sondern auch eines Vaters zu tragen habe, freiwillige Beiträge zur Unterhaltung und Aussteuer des Mädchens entgegenzunehmen.107 [301] Auch machte er durch ein Edikt bekannt, daß er am Neujahrstage Neujahrsgaben entgegennehmen werde; und wirklich stand er am ersten Januar im Vorhofe seines Palastes, um die Gaben zu sammeln, welche eine große Menschenmenge aller Stände aus vollen Händen und Kleidern108 vor ihm hinschüttete. In der letzten Zeit ergriff ihn die Begierde, im Gelde zu wühlen, dergestalt, daß er oft auf unermeßlichen Haufen von Goldstücken, die er in einem großen Saale ausschütten ließ, mit nackten Füßen spazieren ging oder auch wohl sich mit dem ganzen Körper eine Zeitlang darauf herumwälzte.

43 Mit Kriegsdienst und Kriegswesen machte er nur einmal einen Versuch und auch diesen nicht aus überlegtem Entschlusse, sondern die Sache ging so zu. Als er einmal, um den Fluß und Hain des Clitumnus zu besuchen, nach Mevania109 gegangen war und man ihn dort daran erinnerte, daß es Zeit sei, seine batavische Leibwache, die er bei sich hatte, neu zu rekrutieren, ergriff ihn das heftige Gelüst, einen Feldzug nach Germanien zu unternehmen. Sofort wurden ohne Verzug Legionen und Hilfstruppen von überallher zusammengezogen, überall die strengsten Aushebungen angestellt, ungeheure Kriegsvorräte, dergleichen man früher nie gesehen, zusammengebracht und der Zug angetreten, bei dem er zuweilen mit so reißender Schnelligkeit vorwärts ging, daß die Kohorten der Leibgarde, was nie zuvor Brauch gewesen war, sich gezwungen sahen, die Feldzeichen auf Saumtiere zu packen und so nachzumarschieren, zuteilen wieder so langsam und bequem, [302] daß er sich in einem Oktophor110 tragen ließ und die Bevölkerung der zunächstliegenden Städte zwang, die Heerstraßen zu fegen und gegen den Staub mit Wasser zu besprengen.

44 (1) Kaum hatte er das Lager erreicht, als er, um sich als eifrigen und strengen Feldherrn zu zeigen, alle Legaten, welche die Hilfsvölker aus den verschiedenen Standquartieren etwas zu spät herbeigeführt hatten, schimpflich verabschiedete. Noch strenger verfuhr er bei der Musterung des Heeres, indem er vielen Centurionen, die schon nahezu ausgedient hatten, einigen sogar, denen dazu nur noch wenige Tage fehlten, ihre ersten Hauptmannstellen nahm, indem er vorgab, sie seien zu alt oder zu hinfällig. Den übrigen ersten Hauptleuten erteilte er Verweise wegen ihrer Habgier und setzte den Betrag der Belohnungen für die Ausgedienten auf sechstausend Sesterzien herunter.111 (2) Obschon nun sein ganzer Kriegserfolg bloß darin bestand, daß Adminius, der von seinem Vater verjagte Sohn des Britannenkönigs Cinobellinus, mit einer geringen Mannschaft als Überläufer sich in seinen Schutz begeben hatte, so sandte er dennoch, als wenn sich ihm die ganze Insel ergeben hätte, einen prahlerischen Bericht nach Rom, indem er zugleich die Überbringer112 desselben anwies: direkt aufs Forum bis zur Senatskurie zu fahren und den Bericht nur im Tempel des Mars113 und in voller Versammlung des Senates und der Konsuln zu überreichen.

45 (1) Bald darauf, als es an Gelegenheit zum Kriege fehlte, gab er den Befehl, daß sich einige Germanen seiner [303] Leibwache über den Rhein setzen und sich am jenseitigen Ufer verbergen sollten, worauf man ihm dann nach dem Frühmahle so geräuschvoll als möglich die Meldung machen solle: der Feind sei da. Sobald dies geschehen war, sprengte er in Begleitung seiner Freunde und eines Teiles der berittenen Leibwache in den naheliegenden Wald, wo er Bäume, deren Zweige er abhauen ließ, als Trophäen aufputzte; und als er bei Einbruch der Nacht zurückkehrte, schalt er die Zurückgebliebenen aus, daß sie ihm aus Furcht und Feigheit nicht gefolgt wären, während er seine Gefährten und Teilnehmer an dem Siege mit Kronen neuer Art und Benennung beschenkte, die er mit den Bildern von Sonne, Mond und Sternen verzieren ließ und Kundschafterkronen114 nannte. (2) Ein andermal ließ er einige junge Fürstensöhne, die als Geiseln gestellt waren, aus der Schule, wo sie sich befanden, wegnehmen und heimlich vom Heere fortschicken, dann setzte er plötzlich, von der Tafel aufspringend, an der Spitze der Reiterei ihnen nach, holte sie ein und führte sie als Flüchtlinge gefesselt zurück. Auch in dieser Art von Komödienspiel kannte er nicht Maß und Ziel. Er setzte sich wieder zur Tafel und lud die Offiziere, welche ihm meldeten, daß die Truppen wieder ins Lager eingerückt seien, ein, wie sie waren, in voller Rüstung an der Tafel Platz zu nehmen. Desgleichen rief er ihnen mit dem bekannten Verse Virgils115 zu: sie möchten ausharren und sich für glückliche Zeiten aufsparen. (3) Und während er solche Possen trieb, schalt er den Senat und das Volk von Rom in einem donnernden Edikte aus: während ihr Cäsar Schlachten schlage und so großen Gefahren sich aussetze, brächten sie ihre Tage mit Schmausereien, Zirkus- und Theatervorstellungen und in anmutigen Villegiaturen hin.

46 [304] Zuguterletzt, gleichsam als wolle er den Krieg mit einem Hauptschlage beendigen, ließ er das Heer in Schlachtordnung am Ufer des Meeres aufmarschieren, die Ballisten und Kriegsmaschinen auffahren, und während keiner wußte oder auch nur eine Ahnung davon hatte, was er beginnen wollte, gab er plötzlich den Befehl: sie sollten Muscheln auflesen und Helme und Kleider damit anfüllen, denn das seien, wie er sich ausdrückte, die Spolien des Ozeans, die er dem Kapitol und Palatium116 schulde. Als Siegeszeichen ließ er dann einen ungeheuren Turm aufführen, von welchem herab, wie von einem Pharus, nachts angezündete Feuer erglänzen sollten, um den Schiffen ihren Kurs zu zeigen.117 Darauf verkündete er dem Heere das ihm bestimmte Geschenk von hundert Denaren118 auf den Mann und schloß, gleich als ob er damit über jedes Beispiel von Freigebigkeit hinausgegangen sei, seine Rede mit den Worten: So geht denn fröhlich, so geht denn mit vollen Taschen heim!

47 Jetzt wandte er seine Gedanken auf die Ausstattung seines Triumphes, wozu er sich außer den Gefangenen und Überläufern auch aus ganz Gallien die hochgewachsensten und, wie er selbst sich mit einem griechischen Worte ausdrückte, „triumphwürdigsten“ Leute, unter ihnen auch einige gallische Häuptlinge, aussuchte und für das Gepränge des Festzuges aufbewahrte. Diese zwang er, nicht nur sich das Haar goldgelb zu färben und lang wachsen zu lassen, sondern auch die deutsche Sprache zu erlernen und barbarische Namen anzunehmen. Auch gab er Befehl, die Kriegsschiffe, mit denen er eine Fahrt auf den Ozean hinaus versucht hatte, größtenteils zu Lande nach Rom zu bringen. Dabei schrieb er an seine Finanzbeamten: sie sollten den Triumph [305] möglichst wohlfeil119 einrichten, aber doch so glänzend, wie nie einer zuvor gewesen, da sie ja das Vermögen aller Untertanen zur Verfügung hätten.

48 (1) Ehe er seine Provinz verließ, entwarf er noch einen Plan von verruchter Abscheulichkeit. Er wollte nämlich die Legionen, welche vor langen Jahren nach dem Ableben des Augustus sich empört hatten, samt und sonders niedermetzeln lassen, zur Strafe dafür, daß sie seinen Vater Germanicus, ihren Anführer, und ihn selbst, der damals noch ein Kind war, belagert gehalten hätten. Obschon man ihn nun mit großer Mühe von einem so wahnsinnigen Gedanken abbrachte, so bestand er doch trotz alles Abredens darauf, daß er wenigstens den zehnten Mann niederhauen lassen wollte. Er ließ sie also unbewaffnet, sogar ohne ihre Schwerter zusammenberufen und dann mit bewaffneter Reiterei umzingeln. (2) Als er aber bemerkte, daß sich sehr viele, denen die Sache verdächtig schien, fortschlichen, um für den Fall einer Gewalttätigkeit ihre Waffen zu holen, floh er eilig aus der Versammlung davon und ging sofort nach Rom, wo er alle seine Galle an dem Senate ausließ, gegen den er, um die Gerüchte solcher Schmachtaten von sich abzuwenden, öffentlich wiederholte Drohungen ausstieß.120 So beklagte er sich unter anderem, daß er (vom Senat) um seinen ordentlichen Trinmph121 verkürzt sei, obschon er doch selbst kurz zuvor bei Todesstrafe verboten hatte, irgendeinen Antrag über ihm zu erweisende Ehrenbezeigungen zu stellen.

49 (1) [306] Als daher unterwegs Abgesandte des Senates bei ihm eintrafen, welche ihn baten, seine Reise zu beschleunigen, schrie er ihnen überlaut zu: „Ich werde kommen; kommen werd’ ich und dieser mit mir!“ wobei er wiederholt an den Griff des Degens schlug, der an seiner Seite hing. Ein Edikt verkündete sodann: er kehre zurück, aber nur für die, die seine Rückkehr wünschten, für Volk und Ritterstand, denn für den Senat werde er künftighin weder Bürger noch Fürst mehr sein! (2) Er verbot sogar, daß ein Senator ihm zum Empfange entgegenkommen solle, und zog, seinen Triumph aufgebend oder vielmehr verschiebend, mit einer bloßen Ovation122 an seinem Geburtstage in die Stadt ein. Nicht volle vier Monate später ward er ermordet, nachdem er schreckliche Taten verübt hatte und während er noch schrecklichere vorbereitete. Hatte er doch den Vorsatz gefaßt, den Sitz der Regierung nach Antium und später nach Alexandrien zu verlegen, zuvor aber alle irgend bedeutenden Männer des Ritter- und Senatorenstandes umbringen zu lassen. (3) Was die Tatsache über allen Zweifel stellt, ist der Umstand, daß sich unter seinen Geheimpapieren zwei Hefte mit verschiedenem Titel fanden, von denen das eine „Schwert“, das andere „Dolch“ betitelt war. Beide enthielten die Namen und Charakteristiken der zum Tode bestimmten Personen. Es fand sich auch ein großer Schrank voll verschiedener Gifte. Als Claudius dieselben später ins Meer versenken ließ, soll dasselbe davon vergiftet und eine große Verheerung unter den Fischen angerichtet worden sein, die die Flut tot an den nächsten Ufern auswarf.

50 (1) Caligula war von hohem Wuchs, bleicher Farbe und enormem Körperumfange, doch waren Hals und Schenkel sehr dünn, Augen und Schläfe tief eingefallen, die Stirn breit und finster, das Haar dünn mit einer kahlen Platte auf dem Scheitel, der übrige Leib stark behaart. Darum galt es als Verbrechen und lebensgefährlich, wenn er vorbeizog, von oben herab auf ihn zu schauen oder selbst nur [307] aus irgendeiner Veranlassung in seiner Nähe das Wort „Ziege“123 auszusprechen. Sein Angesicht, das schon von Natur erschreckend und widerwärtig war, suchte er mit Fleiß noch wilder zu machen, indem er vor dem Spiegel sich auf alle möglichen furchtbaren Grimassen und Verzerrungen einstudierte. (2) Gesund war er weder am Leibe noch an der Seele. Als Knabe litt er an der fallenden Sucht; als er erwachsen war, konnte er zwar wohl Anstrengungen aushalten, doch überfiel ihn häufig eine plötzliche Schwäche, so daß er weder gehen noch stehen, noch sich überhaupt nur soweit zusammennehmen konnte, daß er sich aufrecht erhalten mochte. Seine Geisteskrankheit hatte er selbst (als sie ihn zuerst befiel) wahrgenommen; und er dachte wiederholt daran, sich irgendwohin zurückzuziehen124 und eine Kur zu gebrauchen. Man glaubt, er habe von seiner Gemahlin Cäsonia einen Trank erhalten, der zwar nur ein Liebestrank gewesen, aber doch Wahnsinn zur Folge gehabt habe. (3) Hauptsächlich aufgeregt wurde er durch seine Schlaflosigkeit, denn er schlief nachts nicht mehr als drei Stunden, und auch in diesen war sein Schlaf nicht sanft und ruhig, sondern von wunderbaren Phantasien geängstigt. So kam es ihm unter anderem einmal vor, als erscheine ihm das Meer in irgendwelcher Schreckensgestalt und rede mit ihm.125 So pflegte er denn einen großen Teil der Nacht, des Wachens und Liegens überdrüssig, damit zuzubringen, daß er, bald auf seinem Lager aufrechtsitzend, bald durch die weiten [308] Seitenhallen schweifend, wiederholt den Tagesanbruch herbeiwünschte und abwartete.

51 (1) Wohl nicht ohne Grund möchte ich es auf diese seine Geisteskrankheit zurückführen, daß in demselben Menschen die beiden so völlig entgegengesetzten Fehler vorhanden waren: höchstes Selbstvertrauen und dagegen übertriebene Furchtsamkeit. Er, der z. B. die Götter so ausbündig verachtete, pflegte bei dem geringsten Donner und Blitz zusammenzuzucken und das Haupt zu verhüllen, bei stärkeren sogar vom Lager aufzuspringen und sich unter dem Bette zu verstecken. Auf seiner sizilischen Reise, bei welcher er über die Mirakel der verschiedenen Orte seinen Spott trieb, verließ er plötzlich einmal nachts eiligst Messana, weil ihn der Rauch auf dem Gipfel des Ätna und das dumpfe Getöse des Berges in Schrecken setzten. (2) Während er gegen die Barbaren126 mit allen möglichen Drohungen bramarbasierte, machte er einmal jenseits des Rheins in einem Engpasse zu Wagen mitten im dichtgedrängten Zuge den Marsch mit. Als nun bei dieser Gelegenheit jemand die Bemerkung fallen ließ: „das werde keine kleine Verwirrung setzen, wenn hier von irgendwoher der Feind erscheinen sollte“, bestieg er auf der Stelle ein Pferd und jagte eiligst den Brücken zu, und als er dieselben dichtgedrängt von Troßknechten und Gepäck fand, ließ er sich, um keine Zeit zu verlieren, auf den Händen der Leute und über die Köpfe derselben hinweg bis zum anderen Ufer tragen. (3) Als er später gar die Nachricht erhielt, Germanien sei im Aufstande, traf er Anstalten zur Flucht und ließ eine Flotte segelfertig machen, weil er seinen einzigen Trost in dem Gedanken fand: jedenfalls würden ihm die überseeischen Provinzen bleiben, wenn die siegreichen Germanen die Alpenhöhen, wie einst die Cimbern, oder gar die Stadt, wie einst die Senonen, einnehmen sollten. Daher verfielen, glaube ich, später seine Mörder auf den Gedanken, bei den empörten127 Soldaten die Lüge auszustreuen: [309] Er habe selbst Hand an sich gelegt aus Schreck über die Nachricht von einer unglücklichen Schlacht.

52 In Kleidung und Beschuhung und sonstiger Tracht ging er weder wie ein Römer, noch wie ein Bürger, ja nicht einmal wie ein Mann und zuweilen, mit einem Worte, überhaupt nicht wie ein Mensch gekleidet einher. Oft zeigte er sich vor allem Volke in einer bunt gestickten, mit Edelsteinen besetzten Pänula,128 langen Ärmeln und Armbändern, zuweilen in seidenen129 Gewändern und Frauenkleidern; bald ging er in Riemenschuhen und Kothurnen, bald in Halbstiefeln der Gardesoldaten, zuweilen in Weibersocken. Sehr oft sah man ihn mit goldenem Barte,130 den Blitz in der Rechten oder den Dreizack oder den Schlangenstab, lauter Insignien der Götter; ja sogar als Venus kostümiert ließ er sich schauen. Den triumphalischen Ornat trug er schon vor seinem Feldzuge beständig, zuweilen auch den Panzer Alexanders des Großen, den er aus dessen Begräbnisstätte hatte nehmen lassen.

53 (1) Was Bildung und Wissenschaft anlangt, so trieb er griechische und römische Literatur und Wissenschaft nur sehr wenig, außerordentlich eifrig dagegen die Beredsamkeit, in welcher er überaus fertig und gewandt sich erwies, zumal wenn es galt, gegen jemand angreifend aufzutreten. Seinem Zorne standen Worte und Gedanken reichlich zu Gebote, desgleichen (lebendigster) äußerer Vortrag und (kraftvolle) Stimme, so daß er vor Eifer nicht auf einem Flecke stehen blieb und selbst von den Fernstehenden verstanden werden konnte. (2) Wenn er im Begriff war, eine Rede zu halten, [310] pflegte er die Drohung vorauszuschicken: „jetzt werde er das Schwert seiner Studien ziehen!“,131 denn alle Sanftmut und Zierlichkeit des Stils verachtete er dermaßen, daß er vom Seneca, der damals vorzugsweise beliebt war, sagte: „er schreibe reine Schulübungen“,132 und: „sein Stil sei wie Sand ohne Kalk“.133 Auch pflegte er gegen die erfolgreichen Gerichtsreden berühmter Redner Gegenreden zu schreiben und ebenso Anklage- oder Verteidigungsreden gegen oder für angesehene, beim Senate angeklagte Personen zu verfassen, wobei er dann, wie der Schreibgriffel gerade gelaufen war,134 den Angeklagten entweder völlig zugrunde richtete oder ihm zur Freisprechung verhalf. Zur Anhörung solcher Reden wurde dann auch der Ritterstand durch öffentlichen Anschlag eines Edikts eingeladen.

54 (1) Aber auch Künste anderer Art, und zwar die allerungleichartigsten, trieb er mit höchstem Eifer. Er war Fechter135 und Wagenlenker und zugleich Sänger und Tänzer. Rapieren tat er mit scharfen Waffen,136 wettfahren in Rennbahnen, die er an verschiedenen Orten erbaut hatte. Gesang [311] und Tanz entzückten ihn so, daß er selbst bei öffentlichen Schauspielen sich nicht enthalten konnte, den gerade rezitierenden tragischen Schauspieler mit seiner Stimme zu begleiten und das Gebärdenspiel des Schauspielers lobend oder tadelnd vor aller Welt zu wiederholen. (2) Auch scheint es, daß er an dem Tage, an welchem er ermordet wurde, aus keinem anderen Grunde ein Pervigilium137 angesagt hatte, als um unter Begünstigung solcher Zeit seinen ersten eigenen Versuch des Auftretens auf der Bühne zu machen. Tanzen aber tat er nicht selten nachts. So ließ er einmal zwei Konsularen um die zweite Nachtwache138 ins Palatium berufen und die Männer, die in tausend Ängsten waren und das Schlimmste fürchteten, auf einer Estrade Platz nehmen; plötzlich sprang er unter lautem Schmettern der Blasinstrumente und Fußklappern139 in Palla und Talartunika140 hervor, tanzte sein Ballettstück ab und ging davon! Und dieser zu allen Dingen so anstellige Mensch hatte das Schwimmen nie gelernt.

55 (1) Für wen er eingenommen war, den begünstigte er bis zum Wahnsinn. Den Pantomimen Mnester küßte er oft sogar im Theater, und jeden, der bei dem Tanz desselben irgendein, wenn auch noch so schwaches, Zeichen des Mißfallens gab, ließ er sofort vor sich schleppen und peitschte ihn allerhöchst eigenhändig ab. Einem römischen Ritter, der (während Mnester sang) Spektakel machte, ließ er durch [312] einen Zenturio bedeuten, auf der Stelle sich nach Ostia zu begeben und von dort aus kaiserliche Sendschreiben an den König Ptolemäus nach Mauretanien zu überbringen, deren Inhalt lautete: „Dem, den ich hier zu dir sende, sollst du weder etwas Gutes noch etwas Böses erzeigen“. (2) Einige Fechter aus der Abteilung, welche Thraker hießen, machte er zu Offizieren seiner deutschen Leibwächter, dagegen verkürzte er die Mirmillonen141 an ihrer Bewaffnung und dem siegreichen Mirmillo Columbus, der jedoch eine leichte Wunde davongetragen hatte, goß er ein Gift in die Wunde, das er seitdem das Columbinische nannte; wenigstens fand sich diese Aufschrift von ihm geschrieben unter den anderen Giften. Der grünen Partei der Wagenlenker war er mit solcher Vorliebe zugetan, daß er häufig in ihrem Stalle zu Nacht speiste und auch wohl über Nacht blieb.142 Dem Kutscher Eutychus schenkte er einmal bei einem Gelage unter anderen Festgeschenken143 zwei Millionen Sesterzien. (3) Seinem Pferde Incitatus (d. i. Heißsporn), wegen dessen er am Tage vor den Zirkusspielen, damit es nicht in seiner Ruhe gestört würde, der ganzen Nachbarschaft durch abgeschickte Soldaten Stillschweigen anzusagen pflegte, gab er, außer einem Stalle von Marmor nebst elfenbeinerner Krippe, purpurnen Decken und Halsbändern von Edelsteinen, auch noch einen eigenen Palast nebst Dienerschaft und Hausgerät, um die in seinem Namen eingeladenen Gäste [313] mit gehöriger Pracht empfangen zu können. Ja, es heißt sogar, er habe vorgehabt, es zum Konsul zu machen.

56 (1) Einen so rasenden Wüterich umzubringen, fanden sich nun zwar viele, denen es nicht an Mut gebrach; allein erst, nachdem eine und die andere Verschwörung entdeckt worden war und andere aus Mangel an Gelegenheit, ihr Vorhaben auszuführen, zögerten, faßten zwei Männer gemeinschaftlich einen Plan und führten ihn aus, freilich nicht ohne Mitwissenschaft der einflußreichsten Freigelassenen und der Befehlshaber der Leibwache, die sich dazu entschlossen, weil auch sie selbst, wiewohl fälschlich, bei einer entdeckten Verschwörung als Teilnehmer namhaft gemacht waren und infolgedessen merkten, daß Caligulas Verdacht und Ungnade auf ihnen ruhte. Er hatte sie nämlich sogleich beiseite geführt und ihnen, indem er ihnen sein gezogenes Schwert hinreichte, versichert: „er wolle gern sterben, wenn auch sie ihn für des Todes schuldig achteten“, wodurch er ihnen bei seinen Anhängern einen übeln Namen gemacht hatte. Seitdem hörte er nicht auf, den einen bei dem anderen zu verdächtigen und alle untereinander zu verhetzen. (2) Als man nun übereingekommen war, ihn zur Zeit der Palatinischen Spiele, wenn er aus dem Theater gegangen, mittags anzufallen, so erbat sich Cassius Chärea, der Tribun der Leibwache, die Rolle des ersten Angriffs. Caligula hatte nämlich diesen bereits in vorgerückten Jahren stehenden Mann fortwährend auf alle mögliche Weise als einen weibischen Lüstling verspottet, ihm bald, wenn er die Parole holte, die Worte Priapus oder Venus als Parole gegeben, bald demselben, wenn er ihm für irgendetwas Dank zu sagen hatte, die Hand zum Küssen in einer unzüchtigen Form und Bewegung dargeboten.

57 (1) Seine bevorstehende Ermordung ward durch viele Wahrzeichen verkündet. Zu Olympia ließ das Jupiterbild, das er auseinanderzunehmen und nach Rom bringen zu lassen beschlossen hatte, plötzlich ein solches Gelächter hören, daß die Arbeiter von den wankenden Gerüsten entflohen, [314] und unmittelbar darauf kam ein gewisser Cassius und versicherte, es sei ihm durch einen Traum der Befehl erteilt, dem Jupiter einen Stier zu opfern. (2) Zu Capua ward das Kapitol an den Iden des März vom Blitze getroffen; desgleichen zu Rom die Wohnung des Aufsehers über den Vorhof des Kaiserpalastes, und es fehlte nicht an solchen, welche das eine Wahrzeichen dahin deuteten: dem Kaiser stehe Gefahr von seinen eigenen Wächtern, das andere: es stehe wieder die Ermordung einer erhabenen Person bevor, wie sie einst an jenem Tage144 stattgefunden. Als er sich von dem Astrologen Sulla die Nativität stellen ließ, versicherte ihm dieser: „es nahe ihm auf das bestimmteste gewaltsamer Tod“. (3) Auch das Orakel von Antium gab ihm die Warnung: „er möge sich vor Cassius hüten“. Aus diesem Grunde hatte er bereits den Befehl gegeben, den Cassius Longinus, der damals Prokonsul von Asien war, hinzurichten, ohne zu bedenken, daß Chärea auch den Namen Cassius führte. Am Tage vor seiner Ermordung träumte ihm, er stehe im Himmel neben dem Throne des Zeus und werde von demselben mit der großen Zehe des rechten Fußes fortgestoßen und auf den Erdball hinabgeschleudert. Als Wahrzeichen galt später auch manches, was am Tage der Ermordung selbst, und zwar kurz vor derselben, sich zufällig ereignet hatte, (4) so z. B. daß ihn, als er opferte, das Blut eines Flamingos145 bespritzte, und daß der Pantomime Mnester dieselbe Rolle in derselben Tragödie146 tanzte, welche einst Neoptolemus in den Spielen, bei welchen der König der Makedonier, Philipp, ermordet worden war, gespielt hatte. Ferner daß, als bei dem Mimusspiel „Laureolus“,147 in welchem der Hauptakteur auf der Flucht [315] niederstürzt und Blut speit, mehrere Nebenspieler zweiten Ranges dasselbe Kunststück zu machen sich beeiferten, zuletzt die ganze Bühne in Blut schwamm, und endlich, daß man für die Nacht, welche auf seine Ermordung folgte, die Aufführung eines Schauspiels vorbereitete, in welchem Unterweltsgeschichten durch Ägypter und Äthiopen dargestellt werden sollten.

58 (1) Es war am 24. Januar, etwa um die siebente Tagesstunde,148 als er, unschlüssig, ob er sich von seinem Sitze im Theater zum Frühmahle erheben sollte, da ihm der Magen noch von der Speise des vorigen Tages beschwert war, endlich auf Zureden seiner Vertrauten das Schauspiel verließ. In der unterirdischen Galerie, durch die er gehen mußte, wurden gerade junge Edelknaben aus Asien, die auf dem Theater auftreten sollten, eingeübt, bei denen er stehen blieb, um ihnen zuzusehen und sie aufzumuntern; und er war bereits willens, umzukehren und das Stück wiederholen zu lassen, hätte nicht der Direktor der Truppe geklagt, daß er das kalte Fieber habe. (2) Über das Weitere gibt es einen zweifachen Bericht. Die einen erzählen: als er eben zu den Knaben sprach, habe ihm Chärea von hinten einen kräftigen Hieb mit dem Schwerte in das Genick gegeben, nachdem er zuvor die Worte: „Hau zu!“ ausgerufen.149 Darauf habe Cornelius Sabinus, der zweite mitverschworene Tribun, ihm von vorn die Brust durchbohrt. Andere melden: Sabinus [316] habe, nachdem er durch die mit im Geheimnis befindlichen Zenturionen die umstehende Menge vom Kaiser entfernen lassen, dienstmäßig um Erteilung der Parole gebeten, und als Gajus dazu (das Wort) „Jupiter“ erteilte, habe Chärea ausgerufen: „So treffe dich sein Zorn!“ und ihm, da er sich nach dem Sprecher umschaute, die Kinnlade durchgehauen. (3) Als er sich am Boden liegend wand und schrie, er lebe noch!, machten ihm die übrigen mit dreißig Wunden den Garaus. Denn ihre verabredete Parole war: „Noch eins!“ Manche stießen ihm sogar das Schwert durch die Schamteile. Auf den ersten Lärm eilten seine Sänftenträger mit ihren Stangen zur Hilfe herbei, bald auch seine germanischen Leibwächter, und in der Tat hieben sie einige der Mörder sowie auch einige unschuldige Senatoren nieder.150

59 Gelebt hat er neunundzwanzig und regiert drei Jahre zehn Monate und acht Tage. Seinen Leichnam schaffte man heimlich in die Gärten der Familie Lamia,151 wo er auf einem eilig zusammengerafften Scheiterhaufen nur halb verbrannt und dann unter dem Rasen leicht eingescharrt wurde, bis ihn seine Schwestern nach ihrer Rückkehr aus dem Exile wieder ausgraben, ordentlich verbrennen und bestatten ließen. Es ist hinlänglich bekannt, daß, bevor dies geschah, die Gartenwächter durch Gespenstererscheinungen beunruhigt wurden und daß auch in dem Hause, wo er ums Leben kam, keine Nacht ohne irgendeinen Schreckensspuk verging, bis das Haus selbst bei einer Feuersbrunst in Flammen aufging. Zugleich mit ihm starb seine Gemahlin Cäsonia, der man den Kopf an einer Mauer zerschmetterte.

60 Von den damaligen Zuständen kann sich jeder auch aus folgendem eine Vorstellung machen. Als nämlich die Nachricht von seiner Ermordung sich verbreitete, fand sie [317] anfänglich durchaus keinen Glauben; ja, man vermutete, Gajus selbst habe das Gerücht ausgedacht und verbreiten lassen, um dadurch die Gesinnungen der Menschen gegen ihn kennen zu lernen. Auch hatten die Verschworenen keinen Plan über die Thronfolge gefaßt, und der Senat war so einmütig in dem Entschlusse, die Freiheit wiederherzustellen, daß die Konsuln zuerst die Senatsversammlung nicht in die Kurie, weil dieselbe die Julische hieß, sondern dieselbe aufs Kapitol beriefen. Einige Senatoren stellten den Antrag, die Erinnerung an die Cäsaren zu vertilgen und ihre Tempel zu zerstören. Vor allem aber ward bemerkt und auffallend gefunden, daß alle Cäsaren mit dem Vornamen Gajus, seit der Zeit des bei den Cinnanischen Unruhen ermordeten,152 durch das Schwert umgekommen waren.

Anmerkungen

1 Die gesetzliche Zeit war nach der Bestimmung der Augusteischen Gesetzgebung das fünfundzwanzigste (zur Zeit der Republik das siebenundzwanzigste) Lebensjahr. Germanicus aber ward im zwanzigsten Jahre Quästor.

2 Man vgl. oben Tiberius, Kap. 25.

3 Im Jahre 770 der Stadt nach Besiegung mehrerer von Tacitus (Annalen II, 41), namhaft gemachten Völker.

4 Plinius, der in seiner Naturgeschichte gleichfalls dieser Meinung ist, zitiert dafür (XI, 71) dieselbe Tatsache.

5 Vgl. oben Tiberius, Kap. 52; Tacitus, Annalen II, 69; über Pisos Ausgang Annalen III, 10–15.

6 Während sonst nur jüngere Männer zu Anfang ihrer Staatskarriere als gerichtliche Redner aufzutreten pflegten. Übrigens stimmen in dieser bewundernden Schilderung des Germanicus sowohl Tacitus als Dio Cassius mit Sueton überein, und nur Vellejus Paterculus, der allezeit fertige Lakai und Augendiener des Tiberius, weiß dem letzteren zuliebe auch dem edeln Germanicus etwas anzuhängen.

7 Worin die „Zauberkünste“, mit denen man jemand totzaubern zu können meinte, bestanden, erzählt Tacitus, Annalen II, 69. Bleitafeln mit solchen unheimlichen Beschwörungsformeln sind noch erhalten; und in unserem Volke findet man gleichfalls hier und da noch den Glauben, „daß man jemand totbeten könne“.

8 Siehe Tacitus, Annalen IV, 67.

9 Wie der gemeine Neapolitaner noch heute seine Heiligen, wenn sie ihm Beistand versagen, abdankt und auch wohl prügelt. Siehe Mayer, Neapel und die Neapolitaner, Teil II, S. 5–6.

10 Die Römer ließen zum Zeichen der Trauer Bart und Haupthaar wachsen, die Barbaren schoren beides. – „König der Könige“ oder Großkönig war zur römischen Zeit der Titel des Partherkönigs, bei den Griechen der des Perserkönigs.

11 Ich halte die Originalworte: Salva Roma! Salva patria! Salvus est Germanicus! für einen trochäischen Vers, den sogenannten quadratus, und meine, daß das Volk ihn nach Suetons Ausdruck wirklich absang; daher ich mir erlaubt habe, das dreimal wiederkehrende Wort „Heil“ beizubehalten und das dritte Mal in dem Sinne von „gerettet“, „gesund“ zu nehmen.

12 Es sind die sonst so fröhlich gefeierten Saturnalien gemeint. – Wie Tiberius in öffentlichen Erlassen das Volk zu trösten suchte, sehen wir aus Tacitus, Annalen III, 6, der den Inhalt eines solchen anführt.

13 Vgl. über die Sitte, solche Porträtstatuen in Tempel zu widmen, Torso I, S. 500; S. 265 ff.

14 Man siehe oben Tiberius, Kap. 54.

15 Es lag dieser Burgflecken nach d’Anville in der Gegend von Neuß.

16 Sueton nennt hier dieses römische Tageblatt bloß acta statt acta publica oder diurna.

17 Oben Kap. 7.

18 Caligula, d. i. „Stiefelchen“. Die Fußbekleidung der Soldaten war die caliga, eine Art Halbstiefel, verschieden von dem römischen calcëus.

19 Die Stadt, wohin Germanicus Weib und Kind in Sicherheit bringen wollte, war Trier.

20 Livia starb im Jahre der Stadt 782, als Caligula, der 762 geboren, erst sechzehn Jahre alt war.

21 Das erstere geschah sonst im siebzehnten, das andere im zwanzigsten Lebensjahre und war von großen Feierlichkeiten begleitet. Siehe oben Tiberius 54 und Augustus 26.

22 Nach Tacitus, Annalen VI, 45, war dies ein Ausspruch des Redners Passienus.

23 Wie es in dem kaiserlichen Dekrete geheißen haben wird, aus dem offenbar die von uns mit „“ bezeichneten Worte von Suetonius entnommen sind. Denn Sueton selbst kann so nicht sprechen.

24 Alle Mitglieder der kaiserlichen Familie, die vor dem Gajus zur Thronfolge Aussicht hatten, waren dahin. Man sehe Tiberius 54.

25 Tiberius hatte in seinem Testamente seinen zweiten, ihm gleichnamigen Enkel zum Mitregenten Caligulas bestimmt.

26 Man glaubte, das gefährdete Leben eines Menschen könne durch den freiwilligen Tod eines anderen für ihn gerettet werden. So opferte sich der schöne Antinous für den Kaiser Hadrian. Sueton erzählt weiter unten, Kap 27, wie der wahnsinnige Caligula solche Gelöbnisse wahr zu machen zwang.

27 Nach Dio Cassius war es vielmehr der hier erwähnte Legat Lucius Vitellius, der Vater des späteren Kaisers Vitellius, der durch allerhand diplomatische Künste den Artaban zu diesen Schritten bewog, wie das auch Sueton selbst im Leben des Vitellius 2 zugibt.

28 Des Augustus. Siehe Leben Augustus’ 99.

29 Diesen Titel, der das Haupt der Ritterschaft bezeichnete, führten die präsumptiven Thronerben; später behielten die Kaiser denselben bei. Juventus hieß die Gesamtmasse der diensttuenden Mitglieder des Ritterstandes bis zum fünfundvierzigsten Lebensjahre. Sie waren in sechs Schwadronen (turmae) geteilt, deren jede ein Offizier (sevir) kommandierte. Der Ehrenkommandeur des Ganzen führte den obigen Titel, mit dem zuerst Augustus seine beiden Enkel bekleidete.

30 Vgl. oben Tiberius 43.

31 Über Cordus Cremutius siehe die Bemerkung zu Augustus 35. Labienus und Severus waren gleichfalls Schriftsteller des Augusteischen Zeitalters, deren Schriften verfolgt worden waren.

32 Siehe zu Augustus 28 und 101.

33 Die Strafe war der Sache nach die gleiche. Denn sowohl die einen wie die anderen verloren dadurch die Ritterwürde. Nur war bei den letzteren die Vollziehungsart der Strafe minder schimpflich.

34 Königreich im nördlichen Teil von Syrien, mit der Hauptstadt Samosata.

35 Ein Votivschild mit dem Brustbilde des Kaisers. Solche auf schildförmiger Fläche dargestellte Brustbilder von Göttern und Menschen aus Gold, Silber, Marmor usf. wurden vielfach in Tempel geweiht. Domitians Brustbilder dieser Art schmückten die Kurie des Senats. Siehe unten Domitian 23.

36 So oder auch Palilia hieß das Fest der Göttin Pales, das Stiftungsfest von Rom, das am zweiundzwanzigsten April gefeiert wurde.

37 Tag des Amtsantritts.

38 Es sollte dies ein Zeichen der Mäßigung sein, die auch anderen zuweilen die Auszeichnung des ersten Ranges bei öffentlichen Gelegenheiten überließ.

39 Wie Kaiser Augustus (siehe oben Kap. 98). Diese Geschenke hießen missilia, d. h. „Wurfgeschosse“; es wurden nämlich kleine hölzerne Kugeln unter das Volk geworfen, an denen Zettel befestigt waren, auf denen eine Anweisung auf irgendeinen Gegenstand: ein Kleidungsstück, Eßwaren, Hausrat, Tiere, wie Ziegen, Pferde, Rinder, Schafe, oder auch Sklaven, geschrieben war. Wer eine solche Kugel erhaschte, erhielt von den zur Austeilung bestimmten Personen das Angewiesene zum Geschenk.

40 Damit die Zuschauer während der langen Dauer der Spiele etwas zu essen hätten.

41 Beide vornehmen Herren spekulierten also richtig auf die Empfänglichkeit ihres Beherrschers selbst für diese gemeine Schmeichelei.

42 Die am Zirkus liegenden Häuser hatten meist Balkone (die heutigen Loggien) zum Zuschauen. Diese hießen „Mänianen“, von einem gewissen Mänius, der zuerst einen solchen gebaut haben soll. Der Kaiser befand sich auf einer ähnlichen Loggia und vernahm hier den Zuruf, dem er sofort Folge gab.

43 Wir sagen dafür: „der Hofstaat“.

44 Des Drusus Sohn, den jungen Tiberius. (Siehe Tiberius 55.)

45 Sueton nennt sie „Astysche Spiele“; „Asty“, d. i. „Stadt“, hieß Athen ebenso vorzugsweise, wie Rom für die Römer die Stadt war.

46 Spiele mit Aufführungen und Darstellungen buntverschiedener Art.

47 Siehe Claudius’ Leben 20. Sie leitete vom vierzigsten Meilensteine her zwei Quellen in einer solchen Höhe herbei, daß das Wasser auf alle Berge der Stadt gehoben wurde. Der Bau kostete fünfzig und eine halbe Million Sesterzien. Es war, wie Plinius sagt, die schönste aller früheren Wasserleitungen Roms.

48 Er war seiner ungeheuren Größe wegen, wie Strabo sagt, ohne Bedachung geblieben.

49 Bei Korinth; ein Projekt Cäsars. Siehe oben Cäsar 44.

50 Mit dem Namen Princeps und Principatus verschleierten die Römer noch immer den verhaßten Begriff des Königtums. Und selbst ein Sueton noch findet es monströs, daß ein Caligula daran dachte, die absolute Monarchie auch der Form nach durch Diadem und Namen zu vervollständigen!

51 Latiaris, d. h. Schutzgott Latiums.

52 Pessoneaux in seiner französischen Übersetzung (Paris 1856) setzt dafür pintades, d. i. Perlhühner. Eine Beschreibung gibt Plinius, Naturgeschichte X, 38, und Athenäus, Deipnosophisten XIV.

53 So spricht Ajax zu Odysseus bei Homer, Ilias 23, 724, um ihn aufzufordern, dem lange unentschieden gebliebenen Wettkampfe im Ringen, wo keiner den anderen niederzuwerfen imstande gewesen war, dadurch ein Ende zu machen, daß jeder versuchen sollte, ob er den anderen in die Höhe heben könne. – Ähnliche Tollheiten, wie Sueton, berichtet von Caligula Dio Cassius.

54 Vergöttert (Divus) ward ein römischer Kaiser nach dem Tode. Es entspricht dieser Bezeichnung unser ebenso sinnloses „hochselig“, wie im Leben: „allerhöchst“.

55 Dieser kann allerdings nicht sehr groß gewesen sein, da der sehr beschränkte Kapitolinische Platz schon mit Tempeln angefüllt war.

56 Man bezieht hierauf einige Verse Ovids und glaubt, daß dieser den Umstand, daß er unfreiwilliger Augenzeuge solcher Szenen gewesen, mit seiner ewigen Verbannung büßte.

57 Die Entscheidungsschlacht gegen Sextus Pompejus zwischen Mylä und Naulochos bei Sizilien. Siehe Augustus 16.

58 Das heutige Fondi.

59 D. h. Adoptivbruder.

60 Die Römer lagen bei Tische so, daß die „unterhalb“ (infra) jemandes liegende Person an der Brust oder im Schoße dessen ruhte, welcher oberhalb ihr zunächst saß. Caligula hatte also bei Tafel seinen Platz zwischen Frau und Schwester.

61 Als Zeichen allgemeiner Landestrauer.

62 Dio Cassius erzählt, daß er sie nicht nur auf Münzen Diva oder Dea nennen, sondern ihr auch unter dem Namen Panthea (Allgöttin) in allen Städten des Reiches Tempel erbauen ließ.

63 Dieser Verschwörung gedenkt Tacitus, Annalen 14, 2.

64 Wohl schriftlich auf einem Blatte. Das folgende Wort „belästigen“ entspricht genau einem zynischen Witze des Shakespeareschen Falstaff.

65 Als wenn in einem „Staate“, der einen Caligula zum Tyrannen hatte und ertrug, es noch von irgendeiner Wichtigkeit gewesen wäre, ob einmal drei Tage lang keine Menschen da waren, die den leeren Titel „Konsuln“ führten! Aber so sind die Menschen – auch noch heute.

66 So übersetze ich decimae; wie es öffentliche Frühstücke gab, die ein reicher Bürger dem Volke unter diesem Namen veranstaltete (Cicero, Pflichten II, 17), so scheinen bei den Theatervorstellungen die Freibillette, die unter das Volk verteilt wurden, diesen Namen gehabt zu haben. Die gassenjungenhafte Bosheit des Kaisers bestand darin, daß er diese Freimarken, die das Recht gaben, Platz zu nehmen, wo man Platz noch offen fand, nicht nachdem die höheren Stände ihre Plätze bereits eingenommen hatten, sondern früher austeilen ließ, so daß die Ritter ihre Plätze von Bummlern besetzt fanden und dadurch mit denselben in Händel gerieten.

67 Die „Sonnendecken“ (vela = Segel) waren starke Leintücher, die über die Häupter der Zuschauer an Seilen und Stangen ausgespannt wurden. Selbst im Kolosseum finden sich Spuren solcher Vorrichtung. Welche Qual es sein mußte, stundenlang im heißen Sonnenbrande in großer Versammlung zu sitzen, versteht, wer Italien und römische Hitze kennt.

68 Pegmatische Gladiatoren sind solche, die in Maschinen (pegmata) eingeschlossen wurden, welche sich plötzlich mittels Federn öffneten, wo dann die vorher Eingeschlossenen sich mitten unter wilden Tieren fanden.

69 Im Texte: „er kündigte dem Volke Hunger an“, eine Redensart, welche nach der: „jemand Krieg ankündigen“ absichtlich gebildet ist, um anzudeuten, daß Caligula neben der Grausamkeit auch noch einen Witz beabsichtigte.

70 D. h. die Tafel, auf welcher die Ursache der Gefangenschaft verzeichnet war.

71 Zufällig stand am Anfang und Ende der Reihe ein Kahlkopf. Die Redensart, welche später sprichwörtlich wurde, heißt also soviel als alle samt und sonders. Vgl. Dio Cassius 59, 22.

72 Wie oben Kap. 14 erzählt ist.

73 Wall (agger), eine Höhe am Collinischen Tore, wo öffentliche Hinrichtungen stattfanden.

74 Es ist sehr schade, daß der deutsche Sprachgebrauch es nicht erlaubt, in allen solchen Fällen, wie Sueton es tut, die Verübung der Grausamkeit auch sprachlich als von dem Tyrannen selbst vollzogen zu bezeichnen. Sueton sagt immer: „Caligula – sägte voneinander, brandmarkte, warf vor, peitschte“ usf., wodurch der Tyrann auch als Henker erscheint. Unsere Sprachweise ist dazu zu höflich, aber mit Unrecht.

75 Ein griechisches Wort, daß soviel bedeutet wie „unerschütterliche Festigkeit“.

76 Dieser Ausruf sollte ausdrücken, wie einfältig sein Bruder sei, der nicht wisse, daß „wider den Cäsar kein Kraut gewachsen sei“!

77 Der „Helleborus“, welcher auf den Gebirgen von Anticyra wuchs und wegen seiner Heilkraft sehr gesucht war.

78 Ein von dem Mischvolke der Griechen und eingewanderten Gallier gegründetes Reich in Kleinasien.

79 Attius, aus dessen Komödie „Atreus“.

80 Siehe oben Kap. 15.

81 Sie suchten ihren Gegnern ein Netz über den Kopf zu werfen, mit welchem sie dieselben niederrissen, um sie dann mit einem Gabelspeer zu erstechen. Ihre Gegner hießen Secutores, d. h. Verfolger.

82 Siehe oben Tiberius, Kap. 40.

83 Dieser Zug erinnert an eine ähnliche Liebhaberei des ersten Peter von Rußland.

84 Siehe oben Kap. 19.

85 Dieselben waren mit Silber plattiert.

86 Ähnliche Strafbarbareien haben die Franzosen zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts in Italien und noch später in Algerien verübt.

87 Eine Art Gladiatoren, die wie die zuvor erwähnten Secutores bewaffnet waren.

88 Der Opferschlächter (popa), der das Opfertier mit der umgewendeten Opferaxt erschlug, ging, bis auf einen kurzen Purpurschurz um die Mitte des Leibes, nackt. Der Opferstecher (cultrarius, d. h. Messermann) hatte das Geschäft, das Opfertier, nachdem es der Popa erschlagen hatte, zu zerstückeln.

89 Apelles von Ascalon war ein Lieblingsschauspieler Caligulas.

90 Plato will aus seinem Vernunftstaate die Dichter verbannt wissen, weil sie dem Volke unrichtige Begriffe von den Göttern beibringen.

91 Es war Sitte, die Büsten der Schriftsteller in den Bibliotheken aufzustellen.

92 Torquatus (von torques, die Halskette) war Beiname der Familie Manlius.

93 Siehe Kap. 26.

94 D. h. kolossaler Eros oder Eros als Koloß.

95 Ein Fechter in der vollen Rüstung eines griechischen Schwerbewaffneten.

96 Der Oberpriester im Dianenhain bei Aricia mußte immer ein entlaufener Sklave sein und mit anderen Bewerbern einen Zweikampf bestehen, wenn er seine Stelle behaupten wollte. Er führte den Titel Königpriester.

97 Dekereis, d. i. mit zehn Reihen Ruderer. Die Liburner, ein illyrisches Küstenvolk, waren wegen ihrer scharfgebauten Schnellsegler berühmt.

98 Sie waren von Augustus untersiegelt (Augustus 50). Siehe Egger S. 223.

99 Darauf stand als Strafe Versetzung in eine niedrigere Standesklasse und Zahlung einer jährlichen Strafabgabe.

100 Primipilaris hieß der erste unter den zehn Centurionen derjenigen Abteilung der Legion, welche die erste im Range war (der Triarier). Er war sozusagen der Unterbefehlshaber der ganzen Legion und genoß außerordentliche Vorteile durch diese Stellung. In den Lagertestamenten, die die Soldaten vor der Schlacht machten, wurden diese Hauptleute vorzugsweise bedacht. Sie waren also mit ihrem eigenen Vermögen fette Bissen für Caligula.

101 Derisores sind Leute, die jemand zum besten haben.

102 Er bestellte nämlich Leute, die vor Gericht erscheinen und aussagen mußten: „Der und der hat gegen mich geäußert, er wolle dich als Erben einsetzen.“ Sofort stieß er das Testament um, wenn er nicht darin stand. Das ging so fort, bis er die festgesetzte Summe hatte.

103 Fechter, Tiere usf.

104 Diese kaiserlich römischen „Hoffouriere“ heißen bei Sueton vocatores, d. h. Einlader.

105 Ostertag bemerkt hierbei: „Das Jus primae noctis (Recht der ersten Nacht), welches sich in einigen nördlichen Provinzen Deutschlands und Frankreichs die Gutsbesitzer bei ihrer Untertanen Töchtern angemaßt, traten sie gewöhnlich an den Bräutigam gegen Erlegung einer gewissen Geldsumme ab, die – vectigal marchetae mulieris, d. i. der Jungfernschaftszoll, genannt ward. Caligula also hatte schon diesen kameralistischen Einfall.“

106 Siehe die Bemerkungen zum Leben Augustus’ Kap. 19.

107 Caligula ist also auch der Erfinder der von ihm so humoristisch motivierten „Prinzessinnensteuer“!

108 Viele trugen ihre Geschenke im zusammengefaßten Bausch (sinus) ihrer Toga.

109 Heute ein kleiner Flecken, Bevagna, am Zusammenflusse der Tinia und des Flüßchens Clitumnus in Umbrien, dessen Quelle als Jupiter Clitumnus verehrt wurde. Plinius der Jüngere gibt in einem seiner Briefe eine genaue Beschreibung des Flusses und des Clitumnustempels, von dem jetzt noch Reste erhalten sind. Wir haben gesehen, wie gern sich Caligula mit Jupiter zu schaffen machte.

110 Octophorus ist eine Sänfte, welche acht Sklaven trugen, und deren sich sonst nur Frauen bedienten.

111 D. i. auf die Hälfte der Summe, welche nach der Verordnung Augustus’ der ausgediente Veteran erhielt. Über die Stellen der „ersten Hauptleute“ (primipili) siehe oben zu Kap. 38.

112 Sueton nennt sie speculatores. Es waren Leute von der Leibgarde, welche persönlichen Dienst beim Kaiser hatten und auch als Kuriere gebraucht wurden.

113 Siehe Leben Augustus’ 29.

114 Man könnte auch „Rekognoszierkronen“ sagen. Caligula erscheint hier also auch als Ordensstifter.

115 Virgil, Äneis I, 207, wo Äneas, nachdem er Schiffbruch gelitten, seinen Freunden zuruft: „Harret zu End’ und spart euch selber für glückliche Tage!“

116 D. h. dem Jupiter des Kapitols und dem Jupiter-Caligula des Palatiums.

117 Nach einer alten Tradition ist dieser alte Leuchtturm noch von Karl dem Großen bei dem Eingange des Hafens von Boulogne restauriert worden.

118 1 Denar = 4 Sesterzien = 0,87 Reichsmark.

119 Nämlich für die kaiserliche Kasse!

120 D. h. er schob entweder die Schuld auf den Senat, als habe er in dessen Auftrage oder doch mit dessen Zustimmung gehandelt; oder, was mir wahrscheinlicher ist, er drohte, den ganzen Senat massakrieren zu lassen, damit die Leute von etwas anderem zu reden hätten, als von seinem schmachvollen, mißlungenen Mordversuche gegen die eigenen Legionen. Nach Dio Cassius jedoch hatte er den letzteren wirklich ausgeführt.

121 Der Senat hatte ihm denselben nicht durch Beschluß zuerkannt, weil – er selbst es verboten hatte!

122 So hieß der kleine Triumph. Siehe Leben Augustus’ 22.

123 Wegen seines mit Haaren bedeckten Leibes. Dieselbe Körpereigenschaft zog dem Kaiser Julian den Namen „Zicklein“ zu, wie Ammianus Marcellinus erzählt.

124 Vielleicht nach Anticyra, wo die Helleborus- (Nieswurz-) Kur gegen solche Leiden stark gebraucht wurde.

125 Wie poetisch ist dieses Phantasiegebilde des wilden kranken Hirns, das ebenso unergründlich und ebenso voll wüster Ungeheuer war wie das Meer! Übrigens erklärt diese, sicher richtige, Annahme seines Wahnsinnes infolge jener Vergiftung durch den Liebestrank vieles, ja eigentlich alles an diesem grauenhaften Bilde eines Tyrannen, und weniger er ist anzuklagen, als die Zeit, die ihn ertrug.

126 Die Deutschen.

127 Über Caligulas Ermordung. Übrigens kann dies schwerlich von der Armee gelten, die keine Ursache hatte, über Caligulas Tod in Aufruhr zu geraten, sondern nur von den Prätorianern.

128 Ein rundes geschlossenes Kleid, das, über den Kopf gestreift, den ganzen Körper umgab, eine Art Bluse.

129 Seidene Kleider zu tragen war Männern verboten. Tacitus, Annalen II, 33.

130 Entweder den eigenen mit Goldstaub gepudert oder in einem künstlich angesetzten von Goldfäden. Er erschien, wie man sieht, bald als Jupiter, bald als Neptun, bald als Merkur.

131 Anspielung darauf, daß er in den langen schlaflosen Nachtstunden sich auf solche Reden vorbereitete, und zugleich auf seinen heftigen, leidenschaftlich bewegten Stil.

132 Commissiones bedeutet ursprünglich das Gegenüberstellen zweier Fechter zum Kampf. Der Zusatz „reine“ soll ausdrücken, daß es bei Seneca nie zum Ernste der Sache komme, daß seine Reden also reine Rapierkunststücke seien.

133 D. h. so unzusammenhängend in der Satzfügung.

134 D. h.: wenn er gerade in der Laune war, daß ihm kräftige Anklageworte und niederschmetternde Wendungen zuströmten, so wurde aus seiner Rede, die er zu Hause ausarbeitete, eine Anklagerede und umgekehrt. Auf Schuld oder Unschuld kam es dem fürstlichen Redner nicht an.

135 Sueton sagt „Threx“, d. i. ein Gladiator, der in thrakischer Rüstung focht. Natürlich war Caligula dies nur als Liebhaber und focht nicht etwa öffentlich, sondern rapierte nur, – aber wie? das sieht man in dem nächsten Satze und aus Kap. 32. Caligula begünstigte diese Fechterart.

136 Das heißt sein Degen war von Eisen (Kap. 32), der des Gegners ein Holzrapier.

137 Pervigilium ist eine nächtliche Feier zu Ehren einer Gottheit, die mit Schmauserei, Tänzen und allerhand Aufführungen szenischer Art begangen wurde.

138 Die Nacht war in vier Nachtwachen geteilt, deren jede drei Stunden hatte.

139 Sogenannte scabella, musikalische Instrumente, die man mit einem Riemen unter die Fußsohlen heftete und denen man durch den Druck des Fußes Töne entlockte!

140 Zwei Frauenkleidungsstücke: die Palla, eine Zusammensetzung aus Mantel und Tunika, ist der Überwurf; die tunicatalaris“, d. h. die bis auf die Knöchel (talus) reichende Tunika, gehört gleichfalls zur Toilette der Tänzerinnen. Caligula trat wohl wegen seiner schwachen Schenkel als Tänzerin im langen Kleide auf.

141 Eine Gladiatorenart, die er nicht leiden konnte, während er die,Thraker begünstigte.

142 Die Wagenlenker der Zirkuswettrennen teilten sich in vier Parteien, die weiße, rote, blaue und grüne; die beiden letzteren standen bei den Römern im größten Kredit. Domitian fügte noch zwei neue hinzu. Den „Stall“ (stabulum), den jede dieser Parteien hatte, muß man sich etwa wie das Klubhaus eines englischen Jockeyklubs denken. Da die Pferde ohne Zweifel in diesem Klubhause sich befanden und überhaupt die Hauptsache waren, so hieß dasselbe sehr bezeichnend und richtig „Stall“.

143 Solche Geschenke, Apophoreta genannt, gab der Gastgeber seinen Gästen mit nach Hause. Vgl. Augustus 75.

144 An den Iden des März, d. h. am 15. März, war bekanntlich der Ermordungstag Cäsars.

145 Siehe oben Kap. 22.

146 Sie führte den Titel Cinyras. Den Stoff derselben erzählt Ovid, Metamorphosen X, 298 ff.

147 Dieser Mimus war ein Stück, das seinen Namen nach einem berüchtigten Straßenräuber Laureolus führte. Vgl. Juvenal, Satiren 8, 186. Der Mimograph Catullus brachte ihn und seine Hinrichtung auf die Bühne. Domitian ließ einmal einen verurteilten Verbrecher die Rolle spielen und denselben zuletzt auf der Bühne im Ernst ans Kreuz schlagen. Es scheint ein Lieblingsstück dieser Zeiten gewesen zu sein, wie denn bei den Italienern die Straßenräuber und Mörderpoesie noch heute eine große Rolle spielt.

148 D. h. gegen ein Uhr mittags.

149 Die Formel ist dem Opferritual entnommen. Wenn der Opferschlächter das Beil hob, um das Opfertier zu schlagen, fragte er vorher den Priester: „Hau’ ich?“ (Agone?), worauf dieser erwiderte: „Hau zu!“ (Hoc age!) Das Ganze erinnert uns an das: „Ist’s Zeit?“ der Strelitzen bei der Verschwörung gegen Peter den Großen.

150 Wie traurig, daß die, deutschen Hiebe unserer Urväter auch hier für einen Tyrannen, und zwar für den scheußlichsten von allen, ausgeteilt wurden. Aber Caligula zahlte seinen deutschen Garden sehr guten Sold, wie Josephus sagt (Jüdische Altertümer XIX, 2).

151 Unweit der Gärten des Mäcenas.

152 Gajus Julius Cäsar Strabo, Vetter des Diktators, der den Henkersknechten des Marius ausgeliefert wurde. Übrigens war diese Beobachtung über die Mitglieder der Familie Cäsar nicht ganz richtig. Denn der Vater des Diktators, der gleichfalls Gajus hieß, starb zwar plötzlich, aber natürlichen Todes, und Gajus Cäsar, der Enkel Augustus’, starb an einer Krankheit.